Neuerscheinung: „ChilehausStory: 100 Jahre einer Hamburger Legende

S 272 Eingang Portal C mit Schiffskeramik ©Foto_Michael Batz

Von Hartmut Höhne (Gastautor)  und Maren Schönfeld

Seit es 2015 zum UNESCO-Welterbe erklärt wurde, ist das „Herzstück des Kontorhausviertels“[i] immer wieder Gegenstand neuer Publikationen, sei es in Form von Artikeln oder Büchern. Die außergewöhnliche Bauweise fasziniert Hamburger und Touristen gleichermaßen. Ein Hauch vergangener Zeiten weht einen beim Betreten eines der alten Treppenhäuser an. Das „Manufactum“-Geschäft hat hier einen adäquaten Standort. Ein umtriebiger Geschäftsmann hatte allerdings bereits 1920 hier sein „Bandagen und Gummiwaren“-Geschäft: Iwan Budnikowski.

Vor 100 Jahren wurde das Chilehaus seiner Bestimmung als Kontorhaus-Domizil der Hamburger Kaufmannschaft übergeben. Am 1. April 1924 bezogen die ersten Firmenmieter ihre Büros. Noch heute lässt sich in den Foyers der Aufgänge an dekorativ gestalteten keramikgerahmten Adresstafeln ablesen, welche Unternehmen hier einst ansässig waren. Architektonisch ist das Chilehaus sicher das markanteste Beispiel für den norddeutschen Backsteinexpressionismus. Durch seine bloßen Abmessungen und die beeindruckende Formensprache galt das Gebäude überdies als Symbol des Aufbauwillens nach dem Krieg, entstanden mitten zur Zeit der übelsten Inflation.

S 134 Iwan Budnikowsky 1920er Jahre ©Iwan Budnikowsky GmbH & Co. KG

Pünktlich zum Jubiläum erschien Michael Batz´ imposantes Buch „ChilehausStory 100 Jahre einer Hamburger Legende“, welches er am 1. Juni im Hamburger Hafenmuseum einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt hat.

Während die Literatur zur Baugeschichte des Gebäudes Bibliotheken füllt, schließt der vorliegende Band eine Lücke: Es geht primär um die Nutzungsgeschichte des Kontorhauses, also um Geschichten rund um die einst dort ansässigen Firmen und um die Menschen, die für sie arbeiteten. Der Autor erzählte unter anderem über die Schwierigkeiten bei der Firmenrecherche, da Archivmaterial, etwa Fotos, mitunter kaum mehr vorhanden ist.

Gert Kählers kenntnisreicher architekturhistorischer Beitrag zum zeitgeschichtlichen Hintergrund sorgen für die Einordnung dieser Geschichte(n) in eine Chronologie der Ereignisse bis in unsere heutigen Tage hinein.

So erfahren Leserinnen und Leser nicht nur, wie der betagte Bauherr Henry Brarens Sloman – er war zum Zeitpunkt des Baubeginns am 14. Mai 1922 bereits 73 Jahre alt – zu dem Grundstück in der südlichen Altstadt gekommen war, sondern auch zu seinem Reichtum. Im Jahr zuvor hatte er das zweigeteilte Grundstück für 1.922.000 RM erworben. Er galt als reichster Bürger der Stadt, sein Vermögen hatte er inflationssicher im Ausland angelegt.

Mit dem Abbau von Salpeter in der chilenischen Atacama-Wüste hatte er ein Riesenvermögen gemacht. Die Schnellsegler der Reederei Laeisz, auch als „Flying P-Liner“ bekannt, transportierten das als Grundstoff sowohl für Düngemittel als auch für Sprengstoffe benötigte Kaliumnitrat in gefährlicher Fahrt um Kap Hoorn nach Hamburg. Hier befand sich der größte Importhafen für Salpeter. Im Hafenmuseum lässt sich mit der „Peking“ eine der legendären und eindrucksvollen Viermastbarken bewundern.

Um die Arbeiterschaft in der trocken-heißen und lebensfeindlichen Wüstenregion mit ihren Hochplateaus, den Pampas, an sich zu binden, führte Sloman eine eigene Währung ein. Die „Fichas“, es waren Bezugsmarken aus Hartgummi, konnten nur in den betriebseigenen Konsumstätten eingelöst werden, die sämtliche Waren importieren mussten, und die zu stark überteuerten Preisen angeboten wurden. Kam es zu Streiks, wurden diese durch chilenisches Militär niedergeschlagen.

Salpeterkönig und Klinkerfürst

Zurück zum Chilehaus, das seine Benennung der Referenz an das Land verdankte, das dem Bauherrn zu seinem Reichtum und zu seinem Beinamen „Salpeterkönig“ verholfen hatte.

Architekt Fritz Höger, der es mehr und mehr vorzog, sich als Baumeister zu bezeichnen, wurde mit diesem stilprägenden Gebäude weithin bekannt, berühmt, gerühmt und gefeiert. Hauptsächlich mit dem Chilehaus wurde sein Name verbunden. Es war Högers Opus magnum. Wegen seiner Formensprache nannte man ihn scherzhaft „Klinkerfürst“.

S 072 Ikonenfoto Spitze 1924©Foto_Gebr Dransfeld Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg

Es schien, als wäre dieses „Schiff aus Stein“ aus Superlativen errichtet worden. Ein paar Daten verdeutlichen es:

Zwischen dem Baubeginn im Mai 1922 und dem Einzug der ersten Mieter im April 1924 lagen keine zwei Jahre

Die beiden Grundstücke hatten eine Fläche von knapp 6.000 qm², die nutzbare Fläche lag bei 30.000 qm², verteilt auf 10 Stockwerke. Bei den oberen Stockwerken handelt es sich um Staffelgeschosse. Eines der ersten Hochhäuser in Deutschland.

750 Güterwagen Zement, 30.000 cbm Kies, 1.600 t Rundeisen, 900.000 Stück Deckenhohlsteine, 18.000 lfd. Meter Rammpfähle, 4,8 Millionen Backsteine, Bockhorner Klinker, Ausschussware und 2.900 Fenster wurden verbaut.

Dass das Chilehaus auch ganz anders hätte aussehen können, belegen Entwurfspläne, Skizzen und Zeichnungen, die der Umsicht des Hausmeisters Werner Rose zu verdanken sind, der den historischen Wert der jahrelang unbeachteten Rollen und Pappen erkannte und diese vor der Entsorgung bewahrte. „Neben Högers konzeptionellen Etappen ist auch der Wettbewerbsbeitrag des Architekturbüros Puls und Richter, Hamburg, im Konvolut enthalten, ebenso wie Zeichnungen des Malers und Illustrators Hermann de Bruycker, deren Ausführung als Bauschmuck nicht realisiert wurde“, berichtet Michael Batz. Offenbar sind die visuellen Vorlagen der Fassadenpläne und Grundrisse noch unbekannt und könnten nun architekturhistorisch ausgewertet werden.

Ein gutes Stück Hamburg-Literatur

S 268 Treppenhaus Portal C 2024©Foto_Heinz-Joachum Hettchen

Michael Batz´ „ChilehausStory“ bereichert die Hamburg-Literatur mit einem konzeptionell gut durchdachten, aufwendig und sorgfältig recherchierten, reich bebilderten Band, der die menschlichen Akteure hinter all den bekannten Superlativen in den Vordergrund stellt. Er gewährt kenntnisreiche Blicke hinter die Klinkerfassade des singulären Prachtbaus, in die Büros der Firmen, deren Exponenten und einfachen Mitarbeitern durch all die Jahrzehnte, der Weimarer Republik, der Zeit des Nationalsozialismus, der Kriegs- und Nachkriegszeit bis in unsere Gegenwart. Das Buch gibt ebenso Einblicke in die politischen Verstrickungen des Baumeisters Fritz Höger, der bereits 1932 in die NSDAP eintrat, sich Hitler allerdings vergebens andiente. Und: Von Beginn an wurde das Chilehaus zum Mythos stilisiert, zu einem Symbolträger der mächtigen Hamburger Kaufmannschaft.

Heute beherbergt das Chilehaus 79 Firmen und weitere Geschäfte im Erdgeschoss. Das kleine Café im Innenhof  mit Blick auf das gegenüberliegende Treppenhaus ist für einen Besuch zu empfehlen.

 

Michael Batz: ChilehausStory · 100 Jahre einer Hamburger Legende, Dölling & Galitz, Hamburg 2024, Gebunden, 232 S.

[i] aus: Hamburg History live-Magazin, Ausgabe 14, S. 62

 

Unser Gastautor Hartmut Höhne, geboren 1958, lebt seit 1984 in seiner Wahlheimat Hamburg, der er sich in kritischer Sympathie verbunden fühlt. Als Erzieher und Diplom-Soziologe übte er Tätigkeiten in diversen Branchen wie der Kinder- und Jugendarbeit, im Gesundheitswesen, in Umfrageinstituten und in der Erwachsenenbildung aus, aber auch im gewerblichen Bereich (Brauerei, Hafen). Er schreibt Romane, Erzählungen und Kurzprosa. »Mord am Thalia« ist sein zweiter Krimi im Gmeiner-Verlag.
(Text: Gmeiner-Verlag)

Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie 2025

Ab dem 1. Oktober können sich professionelle Fotografinnen und Fotografen sowie Absolventen von Fotostudiengängen an Hochschulen, Universitäten und Akademien wieder für den „Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie“ bewerben.

Der Preis, der mit einem Arbeitsstipendium in Höhe von 8.000 Euro dotiert ist, wird von der Stiftung Historische Museen Hamburg gemeinsam mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen für eine künstlerisch-dokumentarische Auseinandersetzung mit dem Stadtbild Hamburgs und seinen aktuellen Veränderungen vergeben. Die Entscheidung der Jury über den „Georg Koppmann Preis“ des Jahres 2025 wird Anfang des nächsten Jahres bekannt gegeben

Die Bewerbungsfrist endet am 30. November 2024.

Weitere Informationen zu den Bewerbungsunterlagen sind auf der Website der Stiftung Historische Museen Hamburg zu finden unter: www.shmh.de/fotopreis

Hamburgs rasante Entwicklung zur Großstadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde intensiv mit dem damals neuen Medium der Fotografie dokumentiert. Der Hamburger Fotograf Georg Koppmann (1842–1909) war einer der Pioniere dieser Stadtfotografie und wurde 1874 von der Baudeputation beauftragt, den Wandel des Stadtbildes im Zuge der Entwicklungen nach dem Großen Brand von 1842 festzuhalten. Mit seinen zahlreichen Aufnahmen dokumentierte er wegweisende Ereignisse der Stadtentwicklung, wie den Abriss der Kehrwieder-Wandrahm-Viertel und den Bau der Speicherstadt.

Zu Ehren Koppmanns vergibt die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen gemeinsam mit der Stiftung Historische Museen Hamburg seit 2018 den „Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie“. Dieser Preis richtet sich an Fotografinnen und Fotografen, die Hamburg aus einer eigenständigen, künstlerischen Perspektive als urbanen Lebensraum dokumentieren und aktuelle städtische Veränderungsprozesse visuell begleiten. Als Heimat einer vielfältigen Stadtgesellschaft, ist Hamburg permanenten Veränderungen unterworfen, die das Stadtbild und das Leben seiner Bewohner prägen. Immer wieder werden die Fragen neu zu beantworten sein: Wie funktioniert die Stadt? Wem gehört die Stadt?

Kontakt:
Stabsstelle Presse & Marketing
Stiftung Historische Museen Hamburg
Holstenwall 24
20355 Hamburg
Tel.: +49 176 428 663 04
mira.linzenmeier@presse.shmh.de
www.shmh.de

 

 

ChilehausStory: 100 Jahre einer Hamburger Legende

Ein neues fesselndes Geschichtslesebuch von Michael Batz über das Chilehaus Hamburg

Seit 2015 zählt das Chilehaus, Hamburgs spektakuläres Wahrzeichen, mit dem Lagerhauskomplex der Speicherstadt zum UNESCOWelterbe. Die expressionistische Backstein-Ikone des Architekten Fritz Höger ist Deutschlands bekanntestes Kontorhaus und gilt bis heute als Meilenstein der Baugeschichte.

1922 – 1924 erbaut im Auftrag des im kolonialen Chile reich gewordenen »Salpeterbarons« Henry B. Sloman, steht das stadtbildprägende Gebäude mit seiner genialen Linienführung und vielzitierten Schiffsbug-Spitze für die hanseatische Moderne.

Michael Batz zeichnet zum 100. Jubiläum nun erstmals eine Chronologie seiner Nutzung auf Grundlage von dokumentarischen Recherchen. Entstanden ist so ein kenntnisreiches und fesselndes Porträt der Innenseite des Jahrhundertbaus. Batz gibt Einblicke in die Stadtentwicklungspolitik seit dem Abbruch der einstigen Hamburger Altstadt und versammelt spannende Geschichten der im Haus oft über Jahrzehnte ansässigen Firmen und Menschen. Namen wie Krupp, Bd. Blumenfeld, Charles Hosie, Budnikowsky, Pulvermann, Wolsdorff sind mit dem Haus ebenso verbunden wie SPIEGEL TV, das Pianohaus Bechstein oder die legendäre »Weinhexe«. Die Epoche des »Dritten Reichs« mit Arisierungen jüdischer Unternehmen wird ebenso beleuchtet wie die  Nachkriegszeit mit ihren Kontinuitäten. Eine üppige Bebilderung, u.a. mit bisher unveröffentlichten Abbildungen und Infokästen schließt den Bogen der Erzählung bis in die Gegenwart dieses – heute im Eigentum der Union Investment Real Estate befindlichen – sehr lebendigen Denkmals.

  • Ein neues fesselndes Geschichtslesebuch von Michael Batz
  • 100 Jahre UNESCO-Welterbe Chilehaus Hamburg
  • Abriss der Baugeschichte von Architekturhistoriker Gert Kähler
  • Kritische Darstellung der NS-Zeit im Chilehaus
  • Porträt eines Beispiels gelungener City-Belebung

»Schlank wie ein Schiff … unheimlich leicht und unheimlich stark wie die Schwungfeder eines Adlers …« Rudolf G. Binding, 1925

Michael Batz ist Theatermacher, Lichtkünstler und Autor (u.a. »Das Haus des Paul Levy. Rothenbaumchaussee 26« und NULL UHR NEUNZEHN«) in Hamburg. Zu seinen vielbeachteten
Arbeiten zählen Projekte der Erinnerungskultur, u.a. für die Hamburgische Bürgerschaft, und
internationale Lichtinszenierungen wie die Biennale »Blue Port«.

296 Seiten, 350 Farbabbildungen, Hardcover mit Fadenheftung und Lesebändchen,
15,6 x 22,0 cm, ISBN 978-3-96060-702-1, € 34,00
Dölling und Galitz Verlag
in der Junius Verlag GmbH · Hamburg
www.dugverlag.de

Handgefertigtes, Buchkunst und ein hochinteressiertes Publikum

Seit 1998 wird im Hamburger Museum der Arbeit, die Messe BuchdruckKunst veranstaltet. Der Name sagt zwar fast alles aus, aber wenn man hingeht, öffnen sich dem Betrachter neue Welten.

Mehr als 60 Aussteller haben am Wochenende vom 5. bis 7. April 2024 ihre Arbeiten gezeigt. Jedoch waren nicht nur Bücher zu sehen, ihr Anteil ist in den letzten Jahren zurückgegangen, sondern sehr viele kleinformatige Drucke, egal ob als Holzschnitt, Linolschnitt, Radierung, Siebdruck und Ähnlichem mehr sowie Reproduktionen solcher Werke. Das ist der Haupttrend der Veränderung in den letzten Jahren.

Etliche Aussteller sind schon zum 15. Mal auf der Messe, und dem Veranstalter Klaus Raasch ist es zu verdanken, dass auch jüngere Buchkünstler einen Ausstellerstand haben. Die Qual der Wahl, aus doppelt so vielen Bewerbungen auszuwählen, ist sicher nicht zu unterschätzen. Jedes Jahr kommen etwa 2.500 Besucher nach Hamburg-Barmbek, um sich inspirieren zu lassen, besonders schöne Stücke zu finden und diese zu kaufen. In diesem Jahr waren es laut Veranstalter rund 1.900. Im Eintrittspreis von 12 Euro sind der farbige Katalog und ein Ausstellerverzeichnis enthalten. Sicherlich werden keine ganz großen Geschäfte abgewickelt, dient doch ein Messestand in erster Linie der Kundenpflege und dem absolut grandiosen haptischen Vergnügen, neue Produkte in die Hand zu nehmen und zu bewundern. Hierbei ist nicht entscheidend, ob es Unikate, Drucke in Kleinstauflagen oder Offset-Reproduktionen in größeren Auflagen sind, es geht um Buchkunst abseits des Üblichen.

Für mich als Journalist beginnt die Qual der Auswahl, was ich dem geneigten Leser näherbringen möchte. Ich habe mich auf fünf Beispiele konzentriert, die unterschiedlicher im Handwerk nicht sein können. Beginnen möchte ich mit der Grafikerin Sabine Riemenschneider aus Wernigerode, die in Kleinstauflagen Bücher im Digitaldruck produziert. Im Bild zu sehen ist eine Papierrolle, auf der durch Stanzung Töne einer Orgel gespeichert und automatisch abgespielt werden können. Dieses Papierunikat hat sie bemalt und beschriftet. Um es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat sie es nach der Reproduktion digital in ein großformatiges Leporello-Buch ganz ähnlich wie dieses endlos lange Papier gedruckt.

Gerd J. Wunderer aus Augsburg hat sich auf Unikate spezialisiert. Im Bild zu sehen ist ein Bücher-Karussell, ein Papptheater der ganz besonderen Art. Hiervon gibt es keine Reproduktionen und auch kein Buch, sondern nur das Original.

Der Schweizer Buchbinder Roland Meuter zeigte wunderschöne Bucheinbände aus Leder und anderen Materialien. Besonders angetan haben es mir die Illustrationen auf dem Leder und ganz speziell der Buchschnitt. Jeder Leser kennt einen Goldschnitt: goldfarbener Kopfschnitt, Seitenschnitt und Fußschnitt, aber bei diesem Buchkünstler kommt noch etwas hinzu, was ich in 40 Jahren Praxis noch nicht gesehen habe.

Blättert man das Buch, wie im Foto gezeigt, schräg auf, ergibt sich unter dem Goldschnitt eine weitere Malerei. Meuter benennt es mit dem Fachausdruck „unterbemalter Goldschnitt“. Das sind Unikate mit Aquarellfarbe, die erst dann sichtbar sind, wenn man den Buchblock schräg aufblättert: Höchst künstlerisch.

An einem weiteren Stand entdeckte ich die Logbuch-Buchhandlung aus Bremen, die seit zehn Jahren den Logbuch-Verlag nebenberuflich betreibt. Buchumschläge in schmalen Formaten werden künstlerisch im Hochdruck hergestellt, der Innenteil, schön zwei- oder mehrfarbig gestaltet, im Offsetdruck. Mittlerweile sind zwölf Titel lieferbar (im Foto sind sie in einem Schuber zu sehen), ein optisch und haptisch sehr schönes Erlebnis. Es kommen Autoren wie Edgar Alan Poe, Mary Shelley und Washington Irving in der kleinen Buchreihe, die eigentlich eine Heftreihe ist, vor.

Was passiert mit Büchern, die nicht mehr ins Bücherregal passen, oder was passiert nach einer Haushaltsauflösung? Im besten Fall werden sie in gute Hände weitergegeben, gespendet, und wenn sie besonders wertvoll sind, landen einige in einem Antiquariat. Mein letztes Gespräch führte ich mit dem Hamburger Antiquar Dietrich Schaper, der an einem sehr zentralen Ort in Hamburg, im Pavillon in der Nähe vom Dammtor-Bahnhof, sein Antiquariat hat. Er zeigte auf der Messe BuchDruckKunst  etwa 100 Bücher zum Themenbereich Typografie und Druck. Mit ihnen wurden Generationen von Mediengestaltern und Grafikern aus- oder fortgebildet. Mit diesem Flashback in die Geschichte der Gestaltung und der Druckkunst beende ich diesen kleinen Rundgang und lese auf der Rückfahrt das Buch „Danke Artur“, das dem großartigen Setzer Artur Dieckhoff gewidmet ist, der 72jährig im Jahr 2020 verstarb. Er hat die Druck-Abteilung im Museum der Arbeit mit aufgebaut, war der „schwerste Setzer Deutschlands“ und begann sein Gespräch gerne so: „Du kannst mich auch Meister nennen“. Dass er sich an der Düsseldorfer Kunstakademie vom weltberühmten Künstler Joseph Beuys inspirieren ließ, muss nicht extra erwähnt werden.

Der Buchtitel meiner Roman-Trilogie über die Revolution der Druckbranche in den 1980er Jahren heisst nicht von ungefähr „Lebe wild und gefährlich, Arthur“. Als Abgrenzung zum Original wird Artur hier mit „h“ geschrieben.

Dass auch die Hamburger „Büchergilde Gutenberg“-Buchhandlung mit einem eigenen Stand vertreten war, freute mich ebenfalls, denn dort konnte ich mein vorbestelltes Buch von Uwe Timm abholen, da ich seit etlichen Jahren Mitglied in dieser Buchgemeinschaft bin, die sich dem „schönen Buch“ verschrieben hat. Wer diese hervorragende Buchgemeinschaft mit über 100 Partnerbuchhandlungen noch nicht kennt, findet sie natürlich auch online.

 

Hier finden Sie die Websites der beschriebenen Aussteller:

www.atelier-soso.de Sabine Riemenschneider

www.gerd-j-wunderer.de Gerd Wunderer

www.rmeuter.ch Roland Meuter

www.logbuchladen.de Axel Stiehler

www.antiquariat-schaper.de  Dietrich Schaper

www.buechergilde.de Büchergilde Verlag

 

Der Messetermin für 2025 ist hier zu finden: www.buchdruckkunst.com

(Fotos: Ralf Plenz)

„Lobby Hero“ by Kenneth Lonergan, the new Premiere at the English Theatre of Hamburg

„Listen to me, Jeff. You can do it if you really want it.“

Prologue: After a good many thrilling moments before Christmas with Sir Arthur Conan Doyle’s “The Hound of the Baskervilles”, the ETH now offers its aficionados a new great play. Most remarkable is Longergan’s fine study of character.

Jeff is a lonely boy, lonely and blue…

Having just left an old castle in Victorian England, we are now walking into the lobby of a New York high-rise apartment building in the heart of Manhattan. Lobby hero Jeff (Ned Rudkins-Stow) , better described as anti-hero, is sitting behind his big desk of fake marble trying to solve a crossword puzzle. He seems utterly bored with his job as a watchman on shift during night-time. Just look at his desolate work-place and you will easily understand his state of mind: Walls painted in dirty grey, horrible posters all over the place and a couple of plastic chairs scattered around. Distraction comes along with some rare visitor who talks to the lonely young man. To-night it is Wiliam (Daniel Gregory), his boss, a smart black man in his thirties, who enjoys a chat with Jeff before doing his nightly rounds. William is the sheer contrast to Jeff, the dreamy unambitious loner. As a family man he is trying to climb up the social ladder to secure his folks a better future. You can call William a model of seriousness, a man totally loyal to the laws.

A question of loyalty and abuse

William has a big problem. He tells Jeff that his younger brother has just been arrested by the police for a horrible crime committed in a hospital where a nurse, the mother of three little kids, was killed. What’s more, his brother wants William to give him an alibi for the time when the crime took place. All of a sudden Jeff is involved in the case. When two police men enter the lobby, it is on him to decide either to tell the truth or to lie for his boss. Jeff is in a dilemma.
Two new characters step in and complete the quartet: Bill ((Peter Dewhurst) an arrogant, corrupt and cynic cop who thinks that he is above the law, and Dawn (Chloe Ballantine) , his young naive female partner. Although Bill sleeps with Dawn, he regularly “contacts” Mrs. Heinwald when on duty. She is an attractive prostitute who lives and works in apartment 22-J on the second floor of the building. Bill lies to Dawn that he has a friend named Jim whom he sees from time to time for a chat.

A false alibi

Can I be sure about Bill?

Bill has heard of William’s trouble and offers help to get his brother out of jail. He knows someone at the District Attorney`s Office who could do something for him – of course strictly within the law “ and maybe a little bit around the edges.” William accepts nolens volens. What else could he do to help his brother. William knows that he has something “to do” for Bill in exchange when the cop should be in trouble, according to the famous Latin dictum: “Manus manum lavat” which means “I do you a favour and in return you do me a favour when I am in trouble.” During all his life William has always followed a strict moral code that saved him from a fate similar to his brother’s – a life on the streets with criminal buddies. William is proud of his impeccable career as a security man. It causes him great pain to break the law.

Crime does not pay and lies are short-lived

Thanks to Bill’s intervention William’s brother has been released from jail. But this is not the end of the story and by no means a happy end. Since when Dawn finds out that Bill has been lying to her all the time, she gets furious. Did he not tell her that he loved her and even thought of leaving his wife for her. She decides to contact the District Attorney’s Office and disclose the deal between Bill and William. She urges Jeff to do the same and tell the whole truth. However, he does not agree with her and thinks that she is nothing but trouble and wrecking her own chances. But after thinking twice, he admits that she is courageous and a moral example. He will do his best to come up to her. Jeff squeezes Dawn’s shoulder. Isn’t this the beginning of a wonderful friendship? Curton.

Conclusion: Bill is frustrated since he will not be awarded the gold plaque he so desperately desired. How could he act the way he did. What a fucking fool he was. Bingo. Insight is the first step to improvement! Sorry for this most unladylike word. But fecal language is used throughout the play. It neither does harm to the play nor to the actors. Dear spectator, enjoy this outstanding performance with four outstanding tespians.

Let’s stick together, Dawn.

“Lobby Hero” premiered Off-Broadway in 2001. It fell asleep like the Brother Grimm’s Dornröschen (sleeping beauty), although not exactly for a span of a hundred years. It was only awakened in 2018. This time the play dealing with corruption, racism, sexism and a good many other isms was produced on Broadway. And the critics were full of praise for Kenneth Lonergan, the well-known author of “This is our Youth” and “You can count on Me.” Lonergan also co-wrote the film “Gangs of New York.”
While the Evening Standard wrote: “Lobby Hero is a fascinating comedy”, the Daily Mail found the play “superb, brilliant, blissful comic writing.” Last but not least The New York Times praised Mr. Lonergan’s “most ambitious study to date in the damage caused by impure motives.”

Last performance of “Lobby Hero” on April 6, 2024.
Tickets under phone number: 040- 227 70 89 or online under: www.englishtheatre.de
Next premiere: “Lizard Boy”- a new musical by Justin Huertas – on April 22, 1024

Photos: Stefan Kock/ETH

Tag der Deutschen Einheit 2023: in Hamburg Deutschlands Einheit feiern

Am 2. und 3. Oktober 2023 richtet Hamburg die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit aus. Dazu gehört auch das Bürgerfest an der Binnenalster: Das Festival der Einheit bietet seinen Gästen aus Hamburg und aus den anderen Bundesländern spannende Inhalte und einzigartige Erlebnisse – und mit der „Nacht der Einheit“ ein ganz besonderes kulturelles Highlight.
„Horizonte öffnen“: Das ist das Motto, unter dem – genau wie die Hamburger Bundesratspräsidentschaft – auch das Bürgerfest in Hamburg steht. Es soll die Vielfalt, Modernität und Weltoffenheit Deutschlands erlebbar machen, die neue Perspektiven für die Zukunft des wiedervereinigten Deutschlands eröffnen. Hamburg wird sich dabei von seinen besten Seiten zeigen: bunt, inspirierend und international. Die Gäste erwartet eine spannende Mischung aus Information, Unterhaltung und Aktionen zum Mitmachen, Mitdenken und Erleben.

Von Politik zum Anfassen bis zu den Ideen für morgen: Highlights des Bürgerfests in der Innenstadt

Das „Bürgerfest – ein Festival der Einheit“ findet am 2. und 3. Oktober 2023 an der Binnenalster, auf dem Rathaus- und dem Gänsemarkt sowie in der Mönckebergstraße und auf den angrenzenden Plätzen statt. Auf der NDR Alsterbühne – sie befindet sich auf einem Ponton vor der Treppenanlage am Jungfernstieg – sorgen namhafte Künstlerinnen und Künstler für gute Unterhaltung, darunter Stefanie Hempel und Überraschungsgäste, Michael Schulte sowie Alex Christensen & Friends.

Die „Nacht der Einheit“ am 2. Oktober 2023 ist der unterhaltsame Übergang zum Tag der Deutschen Einheit und ein einmaliges Erlebnis – mit Musik, Tanz, Infotainment und zahlreichen kulturellen Höhepunkten in der Innenstadt. Ob PoetrySlam im Jupiter, Hip Hop Streetdance in der Europapassage, Impro-Theater in der Patriotischen Gesellschaft, Lichtkunst an der Galerie der Gegenwart, Musik auf den Bühnen und in den Kirchen oder Polit-Talk, Kino und Ausstellungen: Bis Mitternacht lässt sich hier kulturelle Vielfalt hören, sehen und erleben.

Ländermeile mit allen Bundesländern

Auf der traditionellen Ländermeile können Besucherinnen und Besucher eine Deutschlandreise unternehmen, ohne Hamburg zu verlassen: Alle Bundesländer zeigen durch originelle Präsentationen die Vielfalt ihres Landes und damit auch Deutschlands – von Menschen und Landschaften über Institutionen aus Kultur, Wissenschaft und Politik bis zu gastronomischen und musikalischen Angeboten.

Auf dem Rathausmarkt, im Innenhof des Rathauses und in der Handelskammer stellen die Verfassungsorgane Bundesrat, Bundestag, Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht ihre Aufgaben und Arbeit vor. Im nachgebauten Plenarsaal kann man in die Rolle von Bundestagsabgeordneten schlüpfen, Bundesministerinnen und Bundesminister bieten Bürgergespräche an und der Bundesrat bietet Infotainment auf dem Rathausmarkt.

Young Future Lab

Networking, Workshops, Edutainment: Das Young Future Lab auf dem Gänsemarkt ist Zukunftswerkstatt, Think Tank und Hotspot für alle, die heute schon unsere (Um-)Welt von morgen gestalten. Auf Aktionsflächen und einer großen Bühne diskutieren Influencer, finden Workshops statt und wird beim ScienceSlam Wissenschaft unterhaltsam auf den Punkt gebracht. Dabei sind unter anderem die Landeszentrale für politische Bildung, die Hamburger Stiftungstage, Seed e. V., das GIGA (German Institute for Global and Area Studies) und „Use the news“.

Entlang des Neuen Jungfernstiegs präsentieren rund 35 Institutionen, Vereine und Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsprojekte, klären über die Nachhaltigkeitsziele der UN auf und machen Nachhaltigkeit erlebbar – zum Beispiel mit einer Fahrrad-Disco. Inspiration liefern unter anderem die interaktive Kunstausstellung Art for Trees und EcoNation mit ihrer interaktiven App für das Abfallrecycling, die auch direkt auf dem Bürgerfest für die praktische Umsetzung des Abfallkonzepts eingesetzt wird. Ein Forum für den breiten Austausch über nachhaltige Handlungsfelder bietet die Speakers‘ Corner. Das Alsterufer wird bei Beginn der Dämmerung vom Cluster Erneuerbare Energien Hamburg mit Hilfe einer wasserstoffangetriebenen Lichtinszenierung eindrucksvoll illuminiert.

Den Fortschritt live erleben

Wie die Digitalisierung unser Leben erleichtert, zeigt Hamburg am westlichen Ende des Jungfernstiegs zwischen Große Bleichen und Colonnaden. Hier gibt es spannende digitale Facetten des Alltags zu entdecken, darunter innovative Lösungen für die Mobilität von morgen, Neues zum digitalen Lernen und Studieren, mehr über Künstliche Intelligenz, innovative Start-ups und Projekte für eine moderne Verwaltung.

Weitere Veranstaltungsbereiche

Über 60 Vereine, Stiftungen und Institutionen aus den Bereichen Engagement, Kultur, Sport, Wissenschaft und gesellschaftliches Leben stellen ihre Arbeit am Ballindamm vor. Hier ist der Treffpunkt für alle, die sich zivilgesellschaftlich engagieren und für ein starkes, vielfältiges Gemeinwesen einsetzen. Auf der Vereinsmeile sorgen unter anderem Hamburg Pride e. V. und BID Reeperbahn auf Bühnen für eine beschwingte Stimmung, Hochschulen und Forschungseinrichtungen bieten spannende Einblicke in die zahlreichen Projekte und Institutionen des Wissenschaftsstandortes Hamburg, die Active City Initiative sowie verschiedene Hamburger Sportvereine bringen Sportbegeisterte in Bewegung. Darüber hinaus informieren verschiedene Bundesinstitutionen über Themen der SED-Diktatur.

Ein besonderes Highlight steuert auch das Miniatur Wunderland zum Bürgerfest bei. Gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung wurde eine Ausstellung unter dem Titel „Die geteilte Stadt – eine bebilderte Geschichte der deutschen Teilung und Wiedervereinigung“ konzipiert, die die innerdeutsche Nachkriegsgeschichte, Wiedervereinigung und das Leben nach dem Mauerfall anhand von neun außergewöhnlichen und einmaligen Miniaturwelten darstellt.

Auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz zeigt Hamburg seine Internationalität. Hier finden die Gäste das Tor zur Welt, für das Hamburg bekannt ist: Über 40 in Hamburg ansässige Konsulate präsentieren mit bunten Ständen die Beziehungen ihrer Länder zur Hansestadt, der Pakt für Solidarität und Zukunft zwischen Hamburg und Kyiv informiert über seine Projekte, Hafen Hamburg Marketing stellt den Hafen mit seinen weltweiten Verbindungen vor und die Europa-Union sowie Unicef Hamburg berichten von ihrer Arbeit. Darüber hinaus können die Besucherinnen und Besucher die Vielfalt der in Hamburg lebenden internationalen Communities entdecken. Im Mittelpunkt stehen Information, Mitmach-Aktionen, Kultur und internationale Kulinarik. Ein facettenreiches Bühnenprogramm, moderiert von Nathalie Strauß von Radio Hamburg, mit kulturellen Beiträgen sowie Talks zu

Städtepartnerschaften und mehr auf der Blaulichtmeile

Hamburgs Städtepartnerschaften und seinen weiteren Verbindungen in alle Welt, rundet den internationalen Auftritt ab.

Luftaufnahme Alster_(c)Mediaserver Hamburg

Polizei und Feuerwehr, Bundeswehr und Zoll sowie viele Hilfsorganisationen bilden zusammen eine Blaulichtmeile in der Großen Johannisstraße und auf dem Adolphsplatz. Spannend für Technikbegeisterte sind insbesondere die ausgestellten Spezialfahrzeuge, darunter ein Boot der Wasserschutzpolizei, Löschfahrzeuge und mehrere historische Polizeimotorräder.
Rund um die St. Petri-Kirche und den Speersort sowie in den Colonnaden gibt es spannende Angebote für die Kleinen und Kleinsten in den Familienbereichen. Die Elbkinderland-Chöre treten gemeinsam mit Musiklegende Rolf Zuckowski auf, ein großer Fahrrad-Parcours, Aufführungen des Verkehrskaspers oder die Rabauken vom FC St. Pauli laden ebenso zum Verweilen ein wie der Verein KinderKinder e. V., der Kinderrechte interaktiv präsentiert.
Die Metropolregion Hamburg ist die Heimat von fünf Millionen Menschen im Norden Deutschlands. Er ist ein starker Wirtschaftsraum mit vielen innovativen Unternehmen. An der Reesendammbrücke zwischen Jungfernstieg und Ballindamm zeigt die Region ihre Vielfalt – und was sie für die Zukunft plant.
Auf der offiziellen Event-Webseite www.tag-der-deutschen-einheit.de/programm/ finden sich alle Programmpunkte stets aktuell sowie Informationen für die Nachbarschaft und Anlieger.

Rückfragen der Medien
Pressestelle des Senats
Telefon: 040 42831 2242
E-Mail: pressestelle@sk.hamburg.de

Hamburg Tourismus Gmbh
Sascha Albertsen
Telefon: 040 300 51 111
E-Mail: sascha.albertsen@hamburg-tourismus.de
Internet: www.hamburg-tourismus.de

Buchpräsentation im Museum für Hamburgische Geschichte: „Die bedrohte Stadtrepublik. Hamburg 1923

Buchcover

von Hartmut Höhne

Zum Krisenjahr 1923 liegen gegenwärtig zahlreiche neue Veröffentlichungen vor.

In der Folge des Ersten Weltkriegs sah sich die junge parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik den unterschiedlichsten Zerreißproben ausgesetzt. So besetzten belgische und französische Truppen das Ruhrgebiet, der Hitler-Putsch war ein erstes Vorzeichen auf die späteren Entwicklungen, und die Hyperinflation brachte große Bevölkerungsteile in existenzielle Not.

In Hamburg kam es auf dem Höhepunkt der Inflation im Oktober 1923 zu einem bewaffneten Aufstand von KPD-Mitgliedern und ihnen verbundenen Arbeitern, der als Hamburger Aufstand in die Geschichte einging. Es war der Versuch, nach russischem Vorbild mit revolutionären Mitteln eine neue Staatsform durchzusetzen. Der Versuch scheiterte innerhalb weniger Tage.

In der Hauptsache von diesem Ereignis handelt das gerade erst erschienene Buch „Die bedrohte Stadtrepublik. Hamburg 1923“, das am 28. August im Museum für Hamburgische Geschichte von den beiden Herausgebern Olaf Matthes und Ortwin Pelc gewohnt sachkundig vorgestellt wurde. Eingeleitet wurde die Präsentation durch Prof. Bettina Probst, Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte und von Dr. Sabine Bamberger-Stemmann, Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg. Hier die vollständigen Angaben:

Die bedrohte Stadtrepublik. Hamburg 1923. Herausgegeben von Olaf Matthes und Ortwin Pelc für die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg in Verbindung mit dem Museum für Hamburgische Geschichte, Wachholtz Verlag, Kiel-Hamburg, 252 Seiten, 34 Euro, ISBN 978-3-529-05084-8

Das Buch bildet auch die Grundlage für die bevorstehende Ausstellung „Hamburg 1923. Die bedrohte Stadt“, die am Montag, 18. September 2023 um 18 Uhr im Museum f. Hamb. Geschichte eröffnet wird. Sie ist dann vom 20. 09. 2023 bis 07. 01. 2024 zu sehen. Im Ausstellungsflyer heißt es: „Originalobjekte, neu entdeckte Dokumente und zahlreiche Bildquellen beleuchten diese dramatische Zeit unter verschiedenen Blickwinkeln und betten sie in die allgemeine Stadtgeschichte zwischen 1918 und 1924 ein.“

Liebe in Zeiten von Corona *)

Auszug aus Wolf-Ulrich Cropps neuem Buch „Zwischen Hamburg + der Ferne“, erschienen im Verlag Expeditionen.

Für Paul war es Liebe auf den ersten Blick. Sie begegneten sich auf dem Jungfernstieg. Blickten zufällig in dasselbe Schaufenster. Für Sekunden nur. Er sah ihre Augen: dunkelgrün, von einem feinen Lidschatten umrandet. Die geschwungenen Augenbrauen, eine hohe Stirn. Ein Haaransatz, der unter dem Hut schwarze Locken vermuten ließ.

Paul, ein junger Anwalt, der überaus eloquent und charmant sein konnte, sprach sie – einfach so – von der Seite an. Er fühlte sich, wie vom Blitz getroffen.
Und sie war nicht abgeneigt, ihm zu folgen.

Also schlenderten sie über die Straße, setzen sich gemeinsam auf eine Bank an der Alster, um etwas zu plaudern. Sie hieß Claudia, studierte Psychologie im letzten Semester.
Sie bat ihn eine Maske anzulegen. Paul Krüger entsprach ihrem Wunsch.

So unterhielten sie sich eine ganze Weile mit gedämpften Stimmen. Claudia beklagte die Zeit, in der weder Bekanntschaften, Freundschaften, oder Flirts möglich wären. Es gäbe keine Berührungen mehr, keine Umarmungen, geschweige Liebkosungen.
Man ginge sich ständig aus dem Weg.
Ja, sie war überzeugt, dass die Kontaktarmut zur Vereinsamung führe und seelische Schäden verursache. Wesensveränderungen, Umbrüche der Seele hätten sich bereits bei jüngeren Menschen fundamentiert.
Paul pflichtete ihr bei.

Claudia ergänzte: „Was mir besonders Sorgen macht, ist, dass die Psyche unter Corona extrem leidet. Im Anfangsstadium, kaum erkennbar, wird die Seele heimtückisch angegriffen, irreparabel verändert!“
„In der Tat, da stimme ich Ihnen zu“, sagte Paul.
In der Beurteilung der Situation waren sich die Diskutanten einig. Erkannten eine fast harmonische Gemeinsamkeit im Geiste. Da schwang sogar Vertrautes mit. Das fühlte Paul.
Er war dankbar, und er war sicher, auch Claudia müsste Ähnliches empfinden.

Eine so schöne Übereinstimmung durfte nach einem einzigen Gespräch nicht einfach ausklingen.
Also verabredeten sich die Beiden für den nächsten Tag auf derselben Bank.
So trafen sich Paul und Claudia immer wieder auf ihrer Bank, die man schon Liebesbank nennen konnte.
Paul war nämlich verliebt.
Insgeheim hoffte er, dass Amors Pfeil auch Claudias Herz berührt hätte.
Sie diskutierten über Psychologie, ihrem Lieblingsthema … geistig kamen sie sich Schritt für Schritt näher.

Nach dem fünften oder sechsten Treffen wuchs sein Wunsch, sie näher kennen zu lernen.
Stets erschien Claudia in einem grauen Mantel, mit Hut und Maske, die Mund und Nase vorschriftsmäßig verdeckte. Noch nie hatte Paul ihr Gesicht gesehen, bis auf die grünen Augen, die ihn von Anfang an faszinierten.
Heute nahm er sich ein Herz und fragte: „Claudia, darf ich Sie für heute Abend zu mir einladen? So gern würde ich Sie bei einem Gläschen Wein, einem kleinen Imbiss einmal etwas näher kennen lernen. Wären Sie einverstanden? – Bitte doch!“
Claudia wandte sich ab. Blickte über die Alster, wo Gänse lustig turtelten.
Dann schaute sie Paul prüfend an.
Ihre Augen leuchteten als sie antwortete: „Ja, gern.“

Pauls exklusive Vier-Zimmerwohnung lag im ersten Stockwerk in der Isestraße. Als es um 19 Uhr klingelte fühlte er sich ganz leicht, so, wie Glück sich anfühlt.
Er öffnete.
Sie stand in der Wohnungstür.
Eigentlich wie immer: grauer Mantel, Hut, Mund-Nasen-Schutz. Nur die Schuhe waren dieses Mal keine Turnschuhe, sondern hochhackige Pumps in auffallendem Rot. Sie trat in die Wohnung.

Paul vernahm das fordernde Klacken ihrer Absätze, das sich ihm zielstrebig näherte.
Er wich zurück.
Claudia tat so, als ob sie sich heute das erste Mal begegneten.
Jedoch in einer gänzlich anderen Rolle.

Paul, erst perplex, lächelte schief, spielte aber mit. Er ging davon aus, dass sie die Maske abstreift, ihm lachend entgegentritt, das Theater als charmante Einlage gleich beenden würde.
Weit gefehlt.
Claudia spielte das überraschende Stück, als wäre es eine Uraufführung.
„Nix, da!“ sagte sie bestimmt, als Paul sie für einen Begrüßungskuss an sich ziehen wollte.
„Was sucht eine so schöne Frau in meinen bescheidenen vier Wänden?“, sagte Paul und spielte den Amüsierten.
„Das fragst du noch? Du hast mich bestellt. Also – ich bin nicht umsonst hier. Und Küssen kostet extra!“
Claudia schiebt ihn vor sich her.
„Wo ist dein Schlafzimmer?“

Er stößt mit dem Rücken die Tür auf. Sie standen vor seinem Bett.
„Nun mal her mit den Scheinen. Vorkasse, wenn ich bitten darf. No money, no honey!“
Ihre ordinäre Sprechweise belustigte Paul. Er fand es wunderbar, dass sie ihn jetzt duzte.
„Ja – was bekommst du denn so?“ fragte er schnippisch.
„Den ganz normalen Nuttentarif. Für’s Kommen, das Doppelte!“

Er legte einige Scheine auf den Nachttisch. Sie zählte aus den Augenwinkeln mit. „Ich hab’s gewusst, du bist einer von der spendablen Sorte. Oder einfach nur scharf auf mich?“
„Ha, ha, beides!“, Paul lachte. Er wurde von Claudias Theater animiert. „Nun mach schon!“, bat er.
„Was denn?“, sagte sie listig. „Was soll ich machen?“
„Na – dich ausziehen! Ich kann nicht mehr an mich halten.“
Der Anwalt griff nach ihr.
„Finger weg! Anfassen erst, wenn ich es dir erlaube!“
Claudia legte den Hut ab – tatsächlich hatte sie schwarzblaue Locken… knöpfte langsam ihren grauen Mantel auf und legte ihn mit Bedacht über einen Stuhl.
Paul hielt sie fest im Blick.

Nun stand sie in einem scharlachroten Wollkleid vor ihm. Das Kleid war hauteng, brachte Po und Busen herausfordern zur Geltung. Paul glotzte auf ihren Körper. Das scharlachrote Kleid glitt an ihr herab. Jetzt war sie nackt wie Gott sie schuf – und begehrenswert.
Eine Aphrodite mit Maske.
Sein Verlagen war fast schmerzhaft. Er wollte ihr den verdammten Mund-Nasen-Schutz herunterreißen, sich auf sie stürzen.
Sie verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.
Erschrocken wich er zurück.
Kam sich vor, als schlug er aus einem reinen, unendlich fernen Himmel hart auf die Erde.

Ihr Blick schweifte an Paul vorbei, – landete auf einem Wandspiegel in dem sie sich sah. Ihr verführerisches Grinsen riss ab. Ihre Augen verengten sich erschrocken zu engen Schlitzen.
„Wie sehe ich denn aus? Mein Gott, bin ich das? Wo bin ich überhaupt? Wer hat mich hierhergebracht? Was wollen Sie von mir? Was haben Sie mit mir vor? Und was ist das für ein ordinäres Kleid?“
Claudia schluchzte hilflos.

Paul, der sich wieder gefangen hatte, breitete die Arme aus, wollte sie trösten. Doch sie wich schreckhaft zurück. Geduckt klaubte sie ihre Kleidung zusammen.
„Bitte, bitte, tun Sie mir nichts. Lassen Sie mich einfach gehen!“, flehte sie, streifte sich den Mantel über, schlüpfte in die Schuhe.
Hastete zur Haustür – verwirrt, wie ein in Panik geratenes Tier.
Riss die Tür auf und rannte die Treppe hinab …

Paul stand an der Schwelle, blickte ihr verstört nach – und, wie in ein schwarzes, unbegreiflich tiefes Loch …


*) Die Geschichte ist eine von 42 aus Wolf-U. Cropps neuem Buch „Zwischen Hamburg + der Ferne“, Verlag Expeditionen

Unser Lesefest auf der Alster

Foto: Wolfgang Schönfeld

Auf drei Touren durch die Alsterkanäle mit Live-Lesungen haben am 1. Juni 2023 zwölf Autoren aus ihren Gedichten und Geschichten gelesen. Dabei konnten die Gäste neben der Literatur und der malerischen Natur auch das historische Dampfschiff St. Georg genießen, einen Blick in den Maschinenraum werfen und sich mit Getränken an Bord stärken.

 

Glück, Schicksale und Visionen in Prosa

Die erste Tour von 10:00 Uhr bis 11:30 Uhr unter dem Motto „Glück, Schicksale und Visionen in Prosa“ bestritten Lilo Hoffmann, Wolf-Ulrich Cropp, Joachim Frank und Christine Sterly-Paulsen:

Die Hauptfigur in Lilo Hoffmanns Roman „Das Glück ist selten pünktlich“ ist die erfolgreiche Psychotherapeutin Julia.  Nach einer großen Enttäuschung verliebt sie sich in den smarten Sachsa, der nach allen Regeln der Kunst um sie wirbt. Dumm nur, dass dieser ausgerechnet ihr Patient ist. Das sieht nach einer Menge Ärger aus, denn ein Patient, so charmant er auch sein mag, sollte für eine Therapeutin absolut tabu sein.
https://www.amazon.de/Lilo-Hoffmann/e/B07DY63SHS%3Fref=dbs_a_mng_rwt_scns_share

Vor genau 394 Jahren entsandte die V.O.C., die mächtigste Handelsgesellschaft der damaligen Welt, ihr größtes und schnellstes Flaggschiff, die BATAVIA, zur Jungfernfahrt nach Südostasien. Was der TITANIC des späten Mittelalters nach ihrer Havarie vor West-Australien passierte, ist ungeheuerlich, ja einmalig in der Seefahrt. Am 15. Mai 1629 brach im Houtman-Abrohos-Archipel eine Meuterei mit grauenhaften Folgen aus … Wolf-Ulrich Cropp las aus seinem spannenden Buch.
http://www.wolf-ulrich-cropp.de/

Oft beginnt das Geschehen in Joachim Franks Kurzgeschichten im Banalen, bevor etwas Unerwartetes das Beliebige durchbricht. In den durch Ereignisse oder innere Vorgänge veränderten Situationen entstehen neue, oft überraschende Blickwinkel, die sowohl bei den Protagonisten als auch bei den Lesern bisher Gedachtes infrage stellen und zu veränderten An- oder Einsichten führen können.
http://www.joachimfrank.info/

Eine düster-poetische Zukunftsvision hatte Christine Sterly-Paulsen mitgebracht. In Cleos Welt herrschen Sicherheit und Ordnung. Die Straßen sind verwaist und Kinder verboten. Mit ihrem Geliebten Jacques träumt sie davon, der alles umfassenden Kontrolle zu entkommen. Als Jacques verschwindet und die Wohlfahrtsbehörde Cleo mit Verhaftung droht, wird das Spiel mit der Flucht zur unheimlichen Realität.
https://www.sterly-paulsen.de/

Poesie von Mensch und Hund

Auf der zweiten Tour von 12:00 Uhr bis 13:30 Uhr erwartete die Gäste das Motto „Poesie von Mensch und Hund“:

„Ich halte mich nur an Regeln, die ich selbst gut finde.“ Das ist der Wahlspruch der selbstbewussten Terrierhündin, die in Susanne Bienwalds, pardon, Minas Buch aus ihrem Leben erzählt und dabei das merkwürdige Gebaren der Zweibeiner aufs Korn nimmt.
https://susanne-bienwald.jimdosite.com/

Für „Mehr Nordsee“ plädierte Reimer Boy Eilers. „In Reimer Boy Eilers‘neuem Gedichtband ist die Zaubermacht der deutschen Sprache weder zerstört noch verweht. Sie hält allen Stürmen stand, die auf und an der Nordsee toben. … Möge der Wortpianist noch viele klingende Worte finden, um uns laut zu sagen, was ist, an der Nordsee und anderswo.“ (Sibylle Hoffmann, Juli 2021) https://www.reimereilers.de/

Gino Leinewebers Gedichtband „Wo Zeit im Wege steht“ verknüpft mythologische und spirituelle Erinnerungen mit aktuellen Wahrnehmungen und Ideen. Die Verse entsprechen in Inhalt und Form Leinewebers Philosophie, angelehnt an die Stoa, Schopenhauer und die buddhistische Lehre. Oft sind sie in surrealistischer, manchmal auch dadaistischer Diktion geschrieben.
http://www.gino-leineweber.de/

Maren Schönfelds Lyrik- und Kurzprosaband „Töne, metallen, trägt der Fluss – eine lyrische Elbreise“ enthält Texte von Hamburg bis ans Meer. Drei Kapitel gliedern das Buch in Stadt, Fluss und Meer. Je nachdem, wo man die Reise beginnen möchte, kann man das Buch vorwärts und rückwärts lesen. Außerdem las sie noch einige Gedichte aus ihrem aktuellen Buch „Engelschatten“.
https://schoenfeld.blog/

Gestern, Heute und Morgen in Prosa

Die letzte Tour von 14:00 Uhr bis 15:30 Uhr stand unter der Überschrift „Gestern, Heute und Morgen in Prosa“:

In der Anthologie „Von Menschen und Masken“ hat Vera Rosenbusch  literarische Tagebuchnotizen aus dem Herbst 2020 veröffentlicht. Wie surreal ist ein Schreib- und Urlaubsaufenthalt in der Coronaphase? Hat man mehr Inspiration durch Zeit und Ruhe – oder gar keine mehr?
http://www.hamburgerliteraturreisen.de/

1865: Johannes Biel ist Bergmann auf der Zeche Neu-Iserlohn. Seine Ehefrau, Wilhelmine Biel, bringt acht Kinder zur Welt, die sie in armen Verhältnissen resolut aber liebevoll großzieht. Abseits der glanzvollen Geschichten bekannter Industriellenfamilien gewährte Jörg Krämer tiefe Einblicke in das Leben der einfachen Bergleute. Die Arbeit auf der Zeche ist dabei nur am Rande Thema. Der Blick ist immer in die Familie und das Gefühlsleben hinein gerichtet.
https://www.ruhrpottstory.com/

Gabriele Albers, Autorin und Politikerin las aus ihrem utopisch-dystopischen Roman „Nordland 2061 – Gleichheit“. In einem nicht allzu fernen Hamburg, in dem nur noch das Geld zählt und Frauen nichts wert sind, ist Lillith die einzige Person, die an den herrschenden Verhältnissen etwas ändern könnte. Doch Nordland ist voller Intrigen und Verrat, und sie weiß nie, wer Freund ist und wer Feind.
https://www.gabriele-albers.de/

Lásló Kovas Gedichte und Erzählungen sind dynamisch, klar, allgemein-verständlich, wahrheitssuchend, glaubhaft und humorvoll. Seine emotionsreichen und philosophischen Gedanken lagern sich in einer natürlichen Stimmung in seinen Schriften ab, die sich auf dem Papier mit feinen schriftstellerischen und künstlerischen Mitteln einfinden – zu hören war dies in den drei Erzählungen „Erinnerungen an eine Stadt, an Lübeck“, „Unser Hund Bátor“ und „Zufall? Fügung? Arno?“.
http://www.edition-kova.de/

Jede Tour hatte rund 20 begeisterte Gäste, die sich sehr über dieses außergewöhnliche Format zum zudem sehr günstigen Eintrittspreis von fünf Euro freuten.

Die Auswärtige Presse e.V. und der Verband deutscher Schriftsteller*innen bedanken sich beim Deutschen Literaturfonds Neustart Kultur für die großzügige Förderung.

 

Fotos: Wolfgang Schönfeld

Hamburgs hoher Gast – mit Verbindung zur PEKING?

Charles und Camilla bei der offiziellen Eröffnung des Walisischen Parlaments, Cardiff, Wales; Mai 2011
Von Senedd Cymru / Welsh Parliament; Wales – https://www.flickr.com/photos/nationalassemblyforwales/5841743257/in/album-72157626782715823/ Flickr, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=105812773

Erstaunlich pünktlich um 12.30 Uhr traf er ein, der ICE von Berlin in die Hansestadt, von der es heißt, sie sei die britischste aller Städte in Deutschland. Am Dammtor-Bahnhof verließen sie den Waggon 14: König Charles III. und seine Gemahlin Königin Camilla samt erlauchter Equipage. Ganz im Sinne des Monarchen, dem Umweltfreak und Hobby-Ökobauern, wurde nicht mit Hubschraubergeknatter oder Triebwerkspfeifen eingeschwebt.

Sie wurden begrüßt vom 1. Bürgermeister Peter Tschentscher mit Frau Eva-Maria. Eine lange Verweilzeit vor dem Bahnhof ließ das stramme Protokoll nicht zu. Etwa 200 Schaulustige hatten sich Union-Jack-wedelnd, bei Hamburger Schmuddelwetter, dennoch gut gelaunt, verhaltend jubelnd: „Welcome! – Moin in Hamburg!“, versammelt. Rasch war der rote Teppich überschritten und ab gings im Konvoi zum „Kindertransport – der letzte Abschied“, wo Camilla am Denkmal mit weißen Rosen an von hier nach Großbritannien verbrachte jüdische Kinder erinnerte.

Auf dem Weg zum nächsten Programmpunkt zeigte das Königspaar noch rasch etwas Bürgernähe durch Händeschütteln und Wortwechsel. Der König sei volksnah, humorvoll, interessiert. Ein sympathischer Zuhörer, hieß es. Und Camilla habe sich mit Charme vom „Rottweiler“ zum „Rockstar“ gewandelt, der merklich beliebter werde. Beliebtheit, die  erntete das Königspaar schon zuvor in Berlin, wo Charles III. zwei bemerkenswerte Reden auf Deutsch mit englischen Einschüben hielt.


Prinz_Charles_III._am_31.03.2023_in_Hamburg
Von Minzoblate – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=130234848

Wenig später fand am Mahnmal St. Nikolai eine Kranzniederlegung statt und das Königspaar lauschte den Worten von Bischöfin Kirsten Fehrs. Fast schon im Schweinsgalopp gings ins Rathaus zum Eintrag in das Goldene Buch, das eigentlich kein Buch ist, sondern eine lose Blattsammlung in einer Lederschatulle. Der König trug sich kurz mit „Charles R“, seine Frau mit „Camilla R“ ein. „R“ für König, Königin. Charles, heute 74-jährig, wird am 6. Mai 2023 in London gekrönt. Abweichend vom Protokoll zeigte sich das Paar auf dem Rathaus-Balkon und winkte vielen begeisterten Hamburgern zu.

Während der König sich auf eine Hafenrundfahrt begab, besuchten Camilla und die Frau unseres Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, die Rudolf-Roß-Schule in der Neustadt. An der Grundschule können Kinder bereits in den Vorschulklassen Englisch lernen.

Foto: Dr. Wolf-Ulrich Cropp

Der königliche Tross traf unterdessen bei Regen am Fischereihafen ein. Von dort gings mit der Barkasse HAMBURG auf Hafenrundfahrt. An Bord wurde der König über maritime Wirtschaft, regenerative Energie, Wasserstofftechnologie und klimagerechte Transformation der Industrie informiert.

Nicht verbrieft, aber mit Sicherheit hat sich Charles III. nach der Viermastbark PEKING am Kai des Schuppens 50 A erkundigt. Die aufragenden, stolzen Masten des berühmten Großseglers werden ihn neugierig gemacht haben. Warum, mag man sich fragen?

Foto: Dr. Wolf-Ulrich Cropp

Doch einleuchtend: Am 2. April ist Saisoneröffnung im Deutschen Hafenmuseum mit Standort Schuppen 50 A. Das Programm: Führungen mit Hafensenioren, Barkassenfahrten, spezielle Kinderattraktionen, geführte Rundgänge über die einmalig restaurierte PEKING. Der Hamborger Veermaster, 1911 bei Blohm & Voss für die Reederei Laeisz gebaut, ist seit der Heimkehr nach Hamburg am 07. September 2020 ein zusätzliches Wahrzeichen der Hansestadt geworden.

Ja, und was hat das mit Großbritannien zu tun? Nun, der P-Liner war schon was Besonderes. Unter vollem Zeug brachte er 17 Knoten, also 31 Kilometer pro Stunde, damit war er schneller als die damaligen Dampfschiffe, von denen sich keines um Kap Hoorn wagte. Und nun kommt‘s: 1932 wurde die PEKING nach England verkauft, wo sie mit dem Namen ARETHUSA II (das ist übrigens  der Name einer Nymphe aus der griechischen Mythologie) als stationäres Ausbildungsschiff nach Upnor, an den Medway River verholt wurde und vor Anker blieb. An Bord wurden in straffen Lehrgängen sozialbenachteiligte und schwererziehbare Jugendliche in 18- und 36-monatigen Lehrgängen zu lebenstüchtigen Bürgern erzogen. Bis 1974 bereitete eine gemeinnützige Institution viele Menschen auf ein Leben vor, dass den gesellschaftlichen Regeln entsprach.

Foto: Dr. Wolf-Ulrich Cropp

Noch heute haben Männer der AOBA (Arethusa Old Boys Association) eine lebendige, ja rege Verbindung zur PEKING, die von einer Abordnung der „Old Boys“ im Sommer 2023 in Hamburg besucht wird. Es wird dem zweiten Leben der Viermastbark „Vom Frachtensegler zum Sozialprojekt“ gedacht. Die Shaftesbury Homes and Arethusa Training Ship Co. ist eine der ältesten Wohlfahrtseinrichtungen Großbritanniens und Charles III. wohl bekannt. Am 25. Juli 1933 übergab der Bruder des Prince of Wales, der spätere König Georg VI., das stationäre Schulschiff ARETHUSA seiner Bestimmung. Dann, 65 Jahre später wurde der Großsegler, wieder als PEKING, für umgerechnet 400 000 DM an ein US-Museum nach New York verkauft … wo er leider bis 2017 vor sich hin rottete.

Am Schuppen 52 war das Königspaar wieder vereint. Die Veranstaltungshalle ist ein Relikt aus der Kaiserzeit. Geladene Gäste genossen mit Charles und Camilla das Royal Marine Orchestra und den Shanty-Chor De Tampentrekker. Hernach begab sich das Paar zu den Gästen zum Smalltalk bei Wein, Bier, Pimm’s, Fish & Chips, Steak and Stout Pie und Käse … Das Event im Schuppen 52 klang aus. Um 17.25 Uhr nämlich verließen die Royals Hamburg mit dem Flieger nach London, um wieder zu Haus, im Buckingham Palace zu sein. Der anregend-harmonische Deutschlandbesuch war zu Ende. In London lauerte wieder Ungemach: Prinz Harry macht seiner Royal Family neue Vorwürfe. Sie soll von der Bespitzelung durch Journalisten gewusst, die Indiskretion verschwiegen haben. Dazu der sarkastische Dialog von Burkhard Mohr: King Charles sagt: „Wie schön, in ein Land zu kommen, in dem alles funktioniert!“ Darauf Olaf Scholz: „Herrlich, dieser britische Humor!“

Nimm uns mit, Kapitän, auf die Reise…

Mit dem Sahara-Express durch die Wüste

In seinem jüngst erschienenen Buch „Zwischen Hamburg und der Ferne“ lädt uns der bekannte Schriftsteller Wolf Cropp auf eine Reise rund um die Welt ein. Leichtfüßig bewegt er sich zwischen der Hansestadt und zahlreichen Ländern auf der nördlichen und südlichen Halbkugel unseres Globus. In Insgesamt zweiundvierzig völlig voneinander unabhängigen Erzählungen gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in sein abenteuerliches Leben, das ihn stets fernab der ausgetretenen touristischen Pfade nicht nur in die interessantesten, sondern häufig auch gefährlichsten Regionen des Planeten führten.

Die Reise um die Welt beginnt vor der Haustür
Mal wieder im Hamburger Hafen bei der Verholung der PAMIR

Ein kluger Fahrensmann sagte einst, dass einer, der die Welt erkunden will, zuerst seine Heimat richtig kennenlernen solle. Dann erst habe er das Rüstzeug für die weite Ferne. Folgerichtig beginnt Cropp seinen Erzählzyklus in seiner Vaterstadt Hamburg. „Kampfplatz Stadtpark“ berichtet von einem gefährlichen Abenteuer, das er und seine Spielkameraden nach 1945 in der vom Krieg zerstörten Hansestadt zu bestehen hatten. Vielleicht war dieses Erlebnis zusammen mit anderen gewagten „Aktionen“ auch die Feuertaufe für diesen drahtigen Mann, der auf seinem weiteren Lebensweg nie einer Herausforderung auf dem Weg ging.

Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen
Der Voodoo-Priester mit der Plastiktüte?

Wer kann sich etwas Schöneres vorstellen als die Inseln der Südsee? So verschlug es den Autor nach Moorea, Tahiti, wo er mit dem „Inselschreck“ Bekanntschaft schloss. Mit den Füßen im Stillen Ozean plätschernd, überlegte er sich, wie er zu Wasser nach Papeete gelangen könnte, mietete ein Auslegerkanu und landete in der Tat am Ziel seiner Träume, trotz der Warnung eines Einheimischen, er könne zwar heil in Tahiti ankommen, aber auch bei ungünstiger Strömung auf dem offenen Meer verloren gehen. Hatte der Waghalsige nur Glück oder war er einfach ein begnadeter Navigator? Wir vermuten letzteres. Von dieser Tour de Force etwas erschöpft, wandelt Cropp beseelt auf den Spuren des Malers Paul Gauguin und lässt uns an der tragischen Lebensgeschichte des Malers teilhaben. Der Künstler erträumte sich einen Garten Eden in der Südsee, frei von allen Konventionen der westlichen Zivilisation, fand aber zu seinem Leidwesen eine durch die französische Kolonialherrschaft zerstörte autochthone Kultur vor. Quelle déception! Dennoch schuf er wunderbarer Gemälde, die zwar zu seinen Lebzeiten niemand kaufen wollte, die aber heute unbezahlbar sind. Ein Schicksal, das er mit anderen genialen Künstlern teilt. Man denke nur an Vincent van Gogh.

Eisfischen am Nordrand Alaskas

Auf den „Marktbesuch“ im westafrikanischen Benin folgen spannende Geschichten auf dem „Transalaska Highway“ sowie eine „Kreuzfahrt ins ewige Eis“ Alaskas. Ferner erfahren wir, dass am Sambesi „Die Hölle stinkt.“ Es gehört schon viel Mut dazu, sich auf eine „entspannte Bootsfahrt“ oberhalb der Victoriafälle zu begeben. Noch viel gefährlicher aber sind die Gewässer darunter, in denen hungrige Krokodile leben und auf Beute lauern. Doch auch diesen Höllentrip übersteht Cropp mit einem Lächeln auf den Lippen, als er gleich zwei der riesigen Echsen mit weit aufgerissenen Mäulern neben seinem Boot erblickt. Nach einem solchen Abenteuer mutet der Ausflug in die Wüste im Tschad zwar auf den ersten Blick wie ein Spaziergang an, entpuppt sich jedoch als Ausflug voller Tücken. Als der Autor die Orientierung verliert, verlassen ihn bald seine Kräfte. Völlig erschöpft legt er sich im Wüstensand zum Schlaf nieder: „Ich suchte den Boden ab. Schwarzkäfer bohrten sich in den Grund. Skinke huschten über den Sand. Ein Skorpion hastete davon. Eine Hornpiper grub sich ein. Der Abendwind blies sie weg, die letzten Lebensspuren…“ Aber auch aus dieser prekären Lage arbeitet sich Cropp heraus, der offenbar wie eine Katze über sieben Leben verfügt. Der wunderbaren Geschichten sind viele in diesem lesenswerten Buch. Eine der anrührendsten ist jene, in der sich der Autor auf die Suche nach dem verlorenen Sohn eines Freundes in Thailand begibt und diesen nach endlosen Umwegen auch findet.

Kein Platz für Märchen
Der Autor on Tour

Wenn auch manche Erzählungen etwas fantastisch anmuten, so haben wir es im Autor Cropp nicht etwa mit einem Claas Relotius zu tun, der den „Spiegel“ vor nicht langer Zeit mit Geschichten beglückte, die ausschließlich seiner allzu lebhaften Fantasie entsprangen. Keines von Cropps Abenteuern ist erfunden. Hier geht es ausschließlich um „histoires vécues“ – am eigenen Leib Erlebtes und Erlittenes. Manche der in „Zwischen Hamburg und der Ferne“ enthaltenen Erzählungen kennen wir bereits aus verschiedenen Büchern, die der Autor im Laufe der Zeit über seine Reisen rund um den Globus geschrieben hat. Sein einzigartiges Fabuliertalent lässt uns seine Abenteuer hautnah miterleben. Dazu gehören u.a. „Fluchtort Guantánamo, „Heimaterde“ und „Die Brandung.“ In diesem Kontext hervorzuheben ist „Insel der Meuterer (Pitcairn), eine faszinierende Geschichte, die das Schicksal der Überlebenden der legendären „Bounty“ auf einer gottverlassenen Insel in der Südsee erzählt. Da dieses felsige Eiland offenbar auf den Seekarten der britischen Admiralty im 18. Jahrhundert nicht zu finden war, biss man sich im fernen London die Zähne aus nach dem Verbleib von Fletcher Christian und den übrigen Meuterern. Kaum zu glauben, aber es gibt auf Pitcairn immer noch Nachkommen dieses Aufrührers gegen die britische Krone.

Zurück zu den Wurzeln

Mit „Zwischen Hamburg und der Ferne“ überreicht uns Wolf Cropp einen bunten Blumenstrauß wunderbarer, den ganzen Erdball umspannender Erzählungen. Die literarische Reise endet, wo sie begann, in Hamburg. Hier begegnen wir der drallen „Seemannsbraut“ auf St. Pauli, erfahren manch Bizarres über die „Liebe in Zeiten von Corona“ und wohnen der Überführung der „Viermastbark Peking“ in ihren heimatlichen Hafen auf dem Grasbrook bei.

Fazit

Wer sehnt sich in dieser trüben kalten Jahreszeit nicht nach Sonne, Meer und Abenteuern in fernen Ländern? Empfehlung: Man greife zu „Zwischen Hamburg und der Ferne“ und genieße dieses fast 500 Seiten starke Buch in vollen Zügen. Viel Spaß bei der Lektüre.

Buchcover
(c) Verlag Expeditionen, Hamburg

„Zwischen Hamburg und der Ferne“ von Wolf Cropp ist im Verlag Expeditionen erschienen, umfasst 491 Seiten und kostet 20 Euro. ISBN 978-3-947911-68-4

Fotos: Wolf-Ulrich Cropp

Good News from The English Theatre of Hamburg

Sharon Facinelli

Rejoice, rejoice! The English Theatre is planning its comeback on May 2. As you all will remember, the premiere of “Shirley Valentine” was originally planned for November 20 last year. However, owing to the Corona pandemic disease the start of the play was postponed several times.

Meanwhile Helen Sheals who was originally engaged for this one-woman-show had to leave Hamburg for good. Helen is a well-known star in Britain. Besides her performances on stage, she appears frequently on television. She also plays a part in the popular TV series “Downton Abbey.”

The TET takes pleasure in announcing that Sharon Facinelli, another well-known British star (photo), will take over the part of Shirley Valentine in Willy Russel’s hilarious comedy. Sharon works in film, theatre and musical productions. She regularly performs in theatres as part of the Director’s Cut Theatre Company and is delighted to be making her Hamburg debut.

Last but not least a few words about the plot: Shirley, a frustrated housewife living in Liverpool is fed up with her marriage to a loveless husband. Therefore she is delighted when a friend asks her to spend a holiday with her in Greece. A couple of days in this sun-bathed country work wonders on Shirley and change her whole life.

We do hope that the premiere of this new play will take place on May 2, as scheduled. All of us are keeping our fingers crossed. We say good-bye for the time being and look forward to seeing you on May 2.

Uta Buhr

Gute Nachrichten vom English Theatre of Hamburg

Sharon Facinelli, Foto: Gemma Turnbull

Die Besucher des TET warten sehnsüchtig auf die Wiedereröffnung der Bühne an der Mundsburg. Am 2. Mai erlebt das Ein-Personen-Stück „Shirley Valentine“ von Willy Russel seine Hamburger Uraufführung. Diese hinreißende Komödie feiert seit langem Erfolge im Londoner Westend. Leider musste wegen des Lockdowns die Premiere am 20. November letzten Jahres abgesagt werden.

Der für die Erstaufführung vorgesehene Star der britischen Theaterszene Helen Sheals ist inzwischen nach England zurückgekehrt und steht für den Neustart nicht mehr zur Verfügung. Schade, denn Helen ist auch dem deutschen Publikum durch ihren Auftritt in der TV-Kultserie „Downton Abbey“ bestens bekannt.

Die Rolle der Shirley Valentine wird die in Großbritannien nicht minder bekannte Schauspielerin Sharon Facinelli (Foto) übernehmen. Sie ist seit Jahren eine bekannte Größe im Film- und Musicalgeschäft und präsentiert sich ihrem Publikum ebenfalls mit Leidenschaft auf den Brettern, die die Welt bedeuten.

Freuen wir uns also auf Sharon Facinelli als Shirley Valentine in diesem Stück über eine zutiefst frustrierte Liverpooler Hausfrau, die ihre Lebensfreude auf einer Reise ins von der Sonne verwöhnte Griechenland wiederfindet. Wir dürfen auf einen höchst amüsanten Theaterabend gespannt sein, In Zeiten wie diesen tut uns allen ein solches Trostpflaster besonders gut.

Wir melden uns zu gegebener Zeit an dieser Stelle wieder. Drücken wir also die Daumen, dass wir uns demnächst in unserem schmerzlich vermissten Theater wieder treffen.

Das wünscht uns allen

Ihre Uta Buhr

 

Willkommen zurück: Die Viermastbark PEKING

Der Viermaster PEKING vor der Elbphilharmonie

„Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn,
to my hoodah, to my hoodah!
De Masten so scheef as den Schipper sien Been.
to my hoodah, hooda, ho!
Blow, boys, blow for Californio …“

So schallte es von den Planken der CAP SAN DIEGO herüber und über Elbe und Hafen. An den Ufern, an Kaimauern, an der Überseebrücke drängten sich viele Tausend Schaulustige.

Was war los an diesem Nachmittag des 7. September 2020?

Der Großsegler im Fontänenvorhang

Na, das war doch nicht zu übersehen! Zwei Schlepper bugsierten einen Großsegler in den Hamburger Hafen. Nicht irgendein Segelschiff. Es war die PEKING. Der Stolz von einstmals neun Flying P-Linern der Reederei F. Laeisz. Nach ihrer Reise um die halbe Welt ist die PEKING nach 88 Jahren zurück nach Hamburg gekommen. Dorthin, wo sie 1911 auf der Werft Blohm + Voss vom Stapel gelaufen war.

Dazwischen liegt bewegende Seegeschichte: 1914 wurde der Frachtensegler in Chile an die Kette gelegt. 1918 kam er nach London. Dann, 1921 nach Italien und wurde schließlich 1923 von Laeisz wieder erworben, um auf der Hamburg – Chile – Route hauptsächlich Salpeter zu befördern. Salpeter, der der Stadt mit dem Reeder wirtschaftlichen Aufschwung bereitete.

Gebührender Empfang

Also Grund genug, den Veermaster, die einst so bedeutende und seinerzeit schnellste Bark PEKING gebührend zu empfangen!Barkassen, Jachten, ein Pulk von Traditionsschiffen, wie die SCHAARHÖRN oder TOLKIN und viele andere mehr, begleiteten die Attraktion in den Hafen. Auf der MS HAMBURG waren wir dabei. Und an den Ufern  staunten die Enthusiasten. Mathias Kahl, Vorsitzender des Vereins „Freunde der Viermastbark PEKING e. V.“ hatte die Begleitfahrt organisiert und mit anderen Hamburgern für das Tall Ship gekämpft. Es lag nämlich rund 20 Jahre als Museumsschiff in New York am East River, gleich neben der Brooklyn Bridge, wo es wegen Geldmangel allmählich verfiel. Nach langjährigen und zähen Verhandlungen wurde die PEKING vor der Verschrottung gerettet, dann per Dockschiff 2017 zur Peters Werft verbracht, wo sie in  Wewelsfleth an der Stör von Grund auf liebevoll und detailgetreu restauriert wurde. Ein finanzieller und technischer Kraftakt, der drei Jahre dauerte.

Gemälde von Angelika Kahl

„Hat ‚nen Haufen Geld gekostet“, meinte Kapitän i. R., Heinz Hinrichsen, „aber, verdammt noch mal, der Aufwand hat sich gelohnt. Die PEKING wird ein weiteres Wahrzeichen der Hansestadt!“
Mathias Kahl blickte versonnen hinüber zum Viermaster: „Es ist ein großes emotionales Gefühl, das Schiff wieder in Hamburg zu haben!“ Für ihn ist die Rückkehr besonders eindrucksvoll, weil sein Vater Ende der 1920er Jahre auf der PEKING zur See fuhr.

Kap Hoorn – Ruhe vor dem Sturm

Laut dröhnten die Typhone, Schiffshupen, zum Empfang. Löschschiffe schossen Wasserfontänen in den Himmel. Die Sonne lugte jetzt aus Haufenwolken – und durch Regenbogen und Wasservorhängen schob sich die PEKING ihrem Liegeplatz entgegen. Nicht nur Wasserratten, Teernacken und Salzbuckel wurden da von ganz starken Gefühlen übermannt. Nun mal ehrlich, mir ging es auch so. Vierunddreißig mal hatte der Großsegler Kap Hoorn umrundet. Wie es unten vor der Südspitze Südamerikas zu geht, kann nur jemand beurteilen, der „Kap Hoorn rund“ jäh gemacht hat. Ich hatte das „Vergnügen“ 1997 auf dem Dreimast-Vollschiff  KHERSONES die Hoorn zu umrunden – ein bleibendes Erlebnis!

„Tscha,“ sagte der alte Kaptain und schob die Mütze aus der Stirn, „dieser P-Liner war schon was Besonderes: Unter vollem Zeug brachte er es auf 17 Knoten, also 31 Kilometer pro Stunde, damit war er schneller als die damaligen Dampfschiffe von denen sich keines um die Hoorn wagte. Die Länge der PEKING über alles beträgt 115 Meter, die Breite 14,40 Meter, ihr Tiefgang ist 7,24 Meter. Sie besaß 34 Segel mit einer Fläche von 4100 Quadratmetern. Die Masthöhe über Kiel bringt 62 Meter. Vier Kilometer stehendes Gut, das sind die Stahlseile, befinden sich auf dem Schiff. Die Baukosten betrugen 680 000 Goldmark, umgerechnet wären das 3,8 Millionen Euro. Und befahren wurde der Großsegler mit 31 Mann und 43 Offiziersanwärtern.“

„Und wie ging’s mit der PEKING in den 1930er Jahren weiter?“ wollte ich wissen.

„Sie wurde 1932 nach England verkauft, wo sie mit dem Namen ARETHUSA als stationäres Schulschiff für Kadetten vor Anker ging. 1997 verhökerte man sie, wieder als PEKING an die USA. Wo sie dann in New York regelrecht vergammelte. – Kein Wunder, die Amis hatten keine Beziehung zu dem Schiff. Nie hatte die PEKING den Hafen angelaufen.“

Nun zogen wir im mords Geschwader am Michel vorbei und stießen vor die Elphie, deren Fassade in der Sonne wie geputztes Silber glänzte.

„Von den einst neun Flying P-Linern gibt’s nur noch vier“, erklärte Hinrichsen,“ die PASSAT als Museumsschiff in Travemünde, die POMMERN auf Aland in Finnland, und die PADUA. Mit dem Namen KRUZENSHTERN pflügt die PADUA noch als einzige unter Segeln den blauen Acker. Und zwar als russisches Schulschiff.“

„Die PAMIR ist ja im Orkan 1957 in einem Hurrikan, der südwestlich der Azoren tobte, gesunken,“ ergänzte ich.

„Genau. – Und die PEKING wird nun in den Hansahafen, an den Bremer Kai verholt. Besucher können sie ab Sommer 2021 besichtigen. Ihren endgültigen Liegeplatz im Hafenbecken des Kleinen Grasbrook bekommt sie erst später, wo sie dann auch der „Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) offiziell übergeben wird.“

„Wird die Bark jemals wieder in See stechen?“

„Nee, nee, das ist vorbei. Zwar fehlen ihr nur die Segel und die Gordinge. Schon könnte sie auf Fahrt gehen. Doch der Aufwand wäre immens, die Sicherheitsbestimmungen extrem hoch und irre teuer. Schade, aber so ist das man mit all den ollen, schönen Pötten!“

Die PEKING wurde gerade weiter in Richtung Hansahafen geschleppt, nur noch ihre gewaltig hohen Masten waren zu sehen. Die Begrüßungshörner verstummten, Wasserfontänen erloschen und vom Capstan Shanty „De Hamborger Veermaster“ war nichts mehr zu hören. Durchdrungen von melancholischen Gefühlen aus der Zeit der großen Windjammer verließen wir unser Begleitschiff MS HAMBURG in der Gewissheit, Hamburg hat sie wieder, die PEKING.