Lesefreude trifft Dampfschiff St. Georg
Tour I: Lilo Hoffmann, Wolf-Ulrich Cropp, Joachim Frank und Christine Sterly-Paulsen
Auf der Alster, der Lebensader unserer Stadt, erleben Sie Autorinnen und Autoren mit ihren Geschichten und Gedichten. Auf drei Touren durch die Alsterkanäle mit Live-Lesungen können Sie die Fahrt mit dem historischen Dampfschiff, die malerische Umgebung und die Literatur genießen.
Auf Tour I am 1.6.2023 um 10 Uhr erwartet Sie dieses Programm:
Lilo Hoffmann: Das Glück ist selten pünktlich
Die Hauptfigur in dem Roman „Das Glück ist selten pünktlich“ ist die erfolgreiche Psychotherapeutin Julia. Nach einer großen Enttäuschung verliebt sie sich in den smarten Sachsa, der nach allen Regeln der Kunst um sie wirbt. Dumm nur, dass dieser ausgerechnet ihr Patient ist. Das sieht nach einer Menge Ärger aus, denn ein Patient, so charmant er auch sein mag, sollte für eine Therapeutin absolut tabu sein. https://www.amazon.de/Lilo-Hoffmann/e/B07DY63SHS%3Fref=dbs_a_mng_rwt_scns_share
Wolf-Ulrich Cropp: Die Batavia war ihr Schicksal
Vor genau 394 Jahren entsandte die V.O.C., die mächtigste Handelsgesellschaft der damaligen Welt, ihr größtes und schnellstes Flaggschiff, die BATAVIA, zur Jungfernfahrt nach Südostasien. Was der TITANIC des späten Mittelalters nach ihrer Havarie vor West-Australien passierte, ist ungeheuerlich, ja einmalig in der Seefahrt. Am 15. Mai 1629 brach im Houtman-Abrohos-Archipel eine Meuterei mit grauenhaften Folgen aus … http://www.wolf-ulrich-cropp.de/
Joachim Frank: Farben in wechselndem Licht 3 Kurzgeschichten
Oft beginnt das Geschehen seiner Geschichten im Banalen, bevor etwas Unerwartetes das Beliebige durchbricht. In den durch Ereignisse oder innere Vorgänge veränderten Situationen entstehen neue, oft überraschende Blickwinkel, die sowohl bei den Protagonisten als auch bei den Lesern bisher Gedachtes infrage stellen und zu veränderten An- oder Einsichten führen können. http://www.joachimfrank.info/
Christine Sterly-Paulsen: Gegenliebe Eine düster-poetische Zukunftsvision
In Cleos Welt herrschen Sicherheit und Ordnung. Die Straßen sind verwaist und Kinder verboten. Mit ihrem Geliebten Jacques träumt sie davon, der alles umfassenden Kontrolle zu entkommen. Als Jacques verschwindet und die Wohlfahrtsbehörde Cleo mit Verhaftung droht, wird das Spiel mit der Flucht zur unheimlichen Realität. https://www.sterly-paulsen.de/
Lesefreude trifft Dampfschiff St. Georg
Tour II: Susanne Bienwald, Gino Leineweber, Reimer Boy Eilers und Maren Schönfeld
Auf der Alster, der Lebensader unserer Stadt, erleben Sie Autorinnen und Autoren mit ihren Geschichten und Gedichten. Auf drei Touren durch die Alsterkanäle mit Live-Lesungen können Sie die Fahrt mit dem historischen Dampfschiff, die malerische Umgebung und die Literatur genießen.
Auf Tour II am 01.06.2023 um 12 Uhr erwartet Sie dieses Programm:
Susanne Bienwald: Ich, Mina aus der Gärtnerstraße
„Ich halte mich nur an Regeln, die ich selbst gut finde.“ Das ist der Wahlspruch der selbstbewussten Terrierhündin, die in diesem Buch aus ihrem Leben erzählt und dabei das merkwürdige Gebaren der Zweibeiner aufs Korn nimmt. https://susanne-bienwald.jimdosite.com/
Reimer Boy Eilers: Mehr Nordsee
Reimer Boy Eilers
„In Reimer Boy Eilers‘neuem Gedichtband ist die Zaubermacht der deutschen Sprache weder zerstört noch verweht. Sie hält allen Stürmen stand, die auf und an der Nordsee toben. … Möge der Wortpianist noch viele klingende Worte finden, um uns laut zu sagen, was ist, an der Nordsee und anderswo.“ (Sibylle Hoffmann, Juli 2021) https://www.reimereilers.de/
Gino Leineweber: Wo Zeit im Wege steht
Foto: Katja Dietermann
Der Gedichtband verknüpft mythologische und spirituelle Erinnerungen mit aktuellen Wahrnehmungen und Ideen. Die Verse entsprechen in Inhalt und Form Leinewebers Philosophie, angelehnt an die Stoa, Schopenhauer und die buddhistische Lehre. Oft sind sie in surrealistischer, manchmal auch dadaistischer Diktion geschrieben. http://www.gino-leineweber.de/
Maren Schönfeld: Flusstöne und Engelschatten
Foto: Ele Runge
Der Lyrik- und Kurzprosaband „Töne, metallen, trägt der Fluss – eine lyrische Elbreise“ enthält Texte von Hamburg bis ans Meer. Drei Kapitel gliedern das Buch in Stadt, Fluss und Meer. Je nachdem, wo man die Reise beginnen möchte, kann man das Buch vorwärts und rückwärts lesen. Außerdem liest sie noch einige Gedichte aus ihrem aktuellen Buch „Engelschatten“. https://schoenfeld.blog/
Lesefreude trifft Dampfschiff St. Georg Tour III: Vera Rosenbusch, Jörg Krämer, Gabriele Albers und László Kova
Auf der Alster, der Lebensader unserer Stadt, erleben Sie Autorinnen und Autoren mit ihren Geschichten und Gedichten. Auf drei Touren durch die Alsterkanäle mit Live-Lesungen können Sie die Fahrt mit dem historischen Dampfschiff, die malerische Umgebung und die Literatur genießen.
Auf Tour III am 01.06.2023 um 14 Uhr erwartet Sie dieses Programm:
Vera Rosenbusch: Den Fischen ist das egal
Vera Rosenbusch, Foto Bernd Hellwage
In der Anthologie „Von Menschen und Masken“ hat Vera Rosenbusch literarische Tagebuchnotizen aus dem Herbst 2020 veröffentlicht. Wie surreal ist ein Schreib- und Urlaubsaufenthalt in der Coronaphase? Hat man mehr Inspiration durch Zeit und Ruhe – oder gar keine mehr? http://www.hamburgerliteraturreisen.de/
Jörg Krämer: Im Schatten von Schlägel und Eisen
Jörg Krämer, Foto privat
1865: Johannes Biel ist Bergmann auf der Zeche Neu-Iserlohn. Seine Ehefrau, Wilhelmine Biel, bringt acht Kinder zur Welt, die sie in armen Verhältnissen resolut aber liebevoll großzieht. Abseits der glanzvollen Geschichten bekannter Industriellenfamilien gewährt der Autor tiefe Einblicke in das Leben der einfachen Bergleute. Die Arbeit auf der Zeche ist dabei nur am Rande Thema. Der Blick ist immer in die Familie und das Gefühlsleben hinein gerichtet. https://www.ruhrpottstory.com/
Gabriele Albers: Nordland 2061 – Gleichheit
Gabriele Albers, Foto Henning Angerer
Gabriele Albers, Autorin und Politikerin liest aus ihrem utopisch-dystopischen Roman „Nordland 2061 – Gleichheit“. In einem nicht allzu fernen Hamburg, in dem nur noch das Geld zählt und Frauen nichts wert sind, ist Lillith die einzige Person, die an den herrschenden Verhältnissen etwas ändern könnte. Doch Nordland ist voller Intrigen und Verrat, und sie weiß nie, wer Freund ist und wer Feind. https://www.gabriele-albers.de/
László Kova: Erzählungen
László Kova, Foto privat
Gedichte und Erzählungen sind dynamisch, klar, allgemein-verständlich, wahrheitssuchend, glaubhaft und humorvoll. Seine emotionsreichen und philosophischen Gedanken lagern sich in einer natürlichen Stimmung in seinen Schriften ab, die sich auf dem Papier mit feinen schriftstellerischen und künstlerischen Mitteln einfinden – zu hören in den drei Erzählungen „Erinnerungen an eine Stadt, an Lübeck“, „Unser Hund Bátor“ und „Zufall? Fügung? Arno?“. http://www.edition-kova.de/
In „Dandys, Diebe, Delinquenten“ begeben wir uns mit der Autorin Bettina Müller auf eine Zeitreise durch das kriminelle Berlin der dreißiger Jahre. In einer etwas langatmigen Einleitung schlägt sie den Bogen vom beschaulichen kaiserlichen Berlin bis in die chaotischen Jahre der Weimarer Republik. Die unübersichtlichen Verhältnisse brachten es mit sich, dass ein bunter Haufen von Verbrechern ihrem kriminellen „Metier“ nachgehen konnte. Manche Sumpfblüte gedieh in dem schwülen Klima und brachte die Polizei schier zur Verzweiflung. Aus der Fülle von Vergehen hat die Autorin vierzehn besonders spektakuläre Fälle herausgepickt, die sich seinerzeit im „Chicago“ des Reiches ereigneten. Sie bewegen sich auf einer Skala von skurril bis tödlich.
Ein Mann mit dem klingenden Namen Georges Manolescu, dem man den Ehrentitel „Fürst der Diebe“ ans Revers heftete, eröffnet den Reigen. Unter dem Motto „Mehr Schein als Sein“ trieb er sein Unwesen, wechselte je nach Gusto seine Identität, „befreite“ die Reichen auf seinen Raubzügen von allem Kostbaren, das nicht niet- und nagelfest war, landete im Kittchen und fand schließlich in Menton an der Côte d’Azur seine letzte Ruhestätte. Ein weiterer „Gentleman-Verbrecher“ – sprich Hochstapler – führte jahrelang die Berliner Polizei an der Nase herum. Sein Vorbild war offensichtlich der Hauptmann von Köpenick. Er zwängte sich zwar nicht in eine preußische Uniform, trug dafür aber einen gestutzten Schnurrbart à la Wilhelm Zwo und präsentierte sich stets in feinem Zwirn. Auch einen berüchtigten Juwelendieb hatte das Berliner „Milljöh“ zu bieten, der sich während eines Raubzugs vor der Inhaftierung aus dem Fenster stürzte und sich dabei das Bein brach. Ende der Karriere.
Eine der skurrilsten Erscheinungen jener Verbrecherriege war der Fassadenkletterer Fritz Wald, ein Dandy aus dem Sächsischen, der seinem riskanten Beruf stets in Smoking und Lackschuhen nachging. Man nannte ihn das „Nachtgespenst“, das nicht nur seine Opfer bestahl, sondern auch den in tiefem Schlummer befindlichen Damen des Hauses einen zarten Kuss auf die Lippen drückte, bevor er sich abseilte. Ein gefundenes Fressen für den bekannten Schauspieler und Sänger Kurt Gerron, der – echte Berliner Schnauze – dichtete: „Ick bin dein Nachtgespenst. Ick weck dich, wennde pennst.“
Dieses spannend geschriebene Buch enthält neben völlig unblutigen Vergehen auch grauenvolle Verbrechen. Da ist der Fall eines Polizisten, der sich 1924 vor dem Schwurgericht wegen besonders brutaler Morde an zwei älteren Frauen zu verantworten hatte. Ein Gutachter bescheinigte dem Mörder eine schwere psychische Störung und sorgte dafür, dass er statt unter dem Fallbeil in einer psychiatrischen Anstalt landete. Eine humane Entscheidung. Diese Einstellung änderte sich schlagartig, als wenig später die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Für die waren alle Delinquenten „Ungeziefer“, von denen sehr viele umgehend deportiert wurden.
„Dandys, Diebe, Delinquenten“ von Bettina Müller, erschienen im Elsengold Verlag, 191 Seiten, zum Preis von €22,–, ISBN 978-3-96201-112-3
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Preußischen Allgemeinen Zeitung
Sabine Witt, Vorsitzende der HAV / Foto: Maren Schönfeld
Ihr 45-jähriges Bestehen feierte die Hamburger Autorenvereinigung (HAV) am 16.03.2023 im Lichtwarksaal.
Zum Jubiläum erschien die Sonderausgabe der Zeitschrift „Hamburger Autoren“ mit elf Beiträgen, die einen Rückblick in kurzen Erzählungen und Gedichten geben. Mitglieder erzählen, wie sie zur HAV kamen, und berichten von Begegnungen mit prominenten Vereinskollegen wie Arno Surminski, Siegfried Lenz, Walter Kempowski und anderen.
Wolfgang Müller-Michaelis / Foto: Ralf Plenz
Acht Beiträge der Zeitschrift wurden zu Gehör gebracht und zeichneten ein buntes Bild der Geschicke und Ereignisse der HAV. Die Vorsitzende Sabine Witt bereicherte den Abend mit einigen Anekdoten aus ihrem persönlichen Werdegang in der Vereinigung, in der sie als Kartenverkäuferin begonnen hatte und langsam, aber kontinuierlich „aufstieg“, bis sie schließlich 2015 den Vorsitz übernahm. Wolfgang Müller-Michaelis erinnerte mit einem einfühlsamen Porträt an die damalige Mitbegründerin der Hamburger Autorenvereinigung, Rosemarie Fiedler-Winter, die sich nur für wenige Monate hatte wählen lassen wollen, das Amt jedoch insgesamt ein Vierteljahrhundert innehatte. Der informative Beitrag G. G. von Bülows verrät viel über die Geschichte der Vereinigung, ihre prägenden Mitglieder, Literaturreisen und Veranstaltungen. Mit einer Prise Humor offenbart G. G. von Bülow, wie sie Rosemarie Fiedler-Winter bei Tee und Schnittchen aus ihren Werken vorlesen musste, weil sie bei Antrag auf Mitgliedschaft noch keine zwei Verlagspublikationen hatte vorweisen können. Ein Porträt von Maren Schönfeld über Hildegard Kempowski, deren Ehemann Walter Ehrenmitglied der HAV war, nahm die Gäste mit ins Haus Kreienhoop nach Nartum, das vielen HAV-Mitgliedern von Besuchen sehr gut bekannt ist.
Reisen und Veranstaltungen
Wolf-Ulrich Cropp / Foto: Ralf Plenz
Auf den Spuren Thomas Manns war Wolf-Ulrich Cropp mit der HAV nach Nidden gereist, wo die Reisegruppe im Kaminzimmer des Thomas-Mann-Hauses in gemütlicher Runde diskutierte. Man soll den Dichterfürsten förmlich am Kamin lehnend gesehen haben … Margret Silvester ehrte die Vorsitzende mit ihrer Ballade „Wittewittewitt (hehehe)“, deren Melodie von Marina Savova vor dem Vortrag einmal angespielt wurde. Die Pianistin zeichnete sich durch ihre spontan ausgewählten Stücke aus, die hervorragend zu den literarischen Beiträgen passten. Auch sie gehört schon seit vielen Jahren zur HAV und ist als musikalische Begleitung verschiedenster Lesungen mit ihrer leidenschaftlichen und ergreifenden Interpretation der Kompositionen von Chopin, Brahms und anderen nicht mehr wegzudenken. Wie Elisabeth Melzer-Geissler erst nach Hamburg und dann zur HAV kam, verrät ihre Erzählung im Jubiläumsheft.
Marina Savova (li.) und Antje Thietz-Bartram / Foto: Ralf Plenz
Antje Thietz-Bartram bewarb sich zunächst vergeblich um eine Mitgliedschaft, zu der sie dann aber schließlich eingeladen wurde, nachdem ein Weihnachtsbuch aus ihrer Feder ein voller Erfolg geworden war. Schließlich berichtete László Kova, wie er unversehens in eine Sitzung der HAV geriet und von einem netten Herrn zur streng dreinblickenden Frau Fiedler-Winter geführt wurde, wobei diese ihn im Gegensatz zu G. G. von Bülow nicht zum Vorlesen einlud. Möglicherweise lag es daran, dass er bereits mehrere Publikationen vorweisen konnte, auch wenn diese nur auf Ungarisch vorlagen. Oder daran, dass der nette Herr Arno Surminski hieß und die Vorsitzende ermahnte, es nicht zu kompliziert mit dem ungarischen Kollegen zu machen. Farhad Ahmadkhan beschloss die literarischen Beiträge des Jubiläumsabends mit einem Gedicht über die Einsamkeit der Schriftsteller und das Miteinander in der Hamburger Autorenvereinigung.
László Kova / Foto: Maren Schönfeld
Der Austausch untereinander, das gemeinsame Erleben von Veranstaltungen und Reisen sowie die Anthologien, die die Hamburger Autorenvereinigung in Abständen herausbringt, dies sind die Vorteile, die von den HAV-Mitgliedern hochgeschätzt werden. Vorstandsmitglied und Inhaber des Input-Verlags Ralf Plenz berichtete zum Schluss von seinem Podcast, in dem Sabine Witt und er die Beiträge des Jubiläumshefts als Hörversion eingelesen haben und diese kostenlos anbieten.
Die Auswärtige Presse ist mit der HAV traditionell verbunden, mehrere Mitglieder sind in beiden Vereinigungen anzutreffen. Wir freuen uns daher besonders mit der HAV über deren 45-jähriges Bestehen, zu dem wir sehr herzlich gratulieren.
In seinem jüngst erschienenen Buch „Zwischen Hamburg und der Ferne“ lädt uns der bekannte Schriftsteller Wolf Cropp auf eine Reise rund um die Welt ein. Leichtfüßig bewegt er sich zwischen der Hansestadt und zahlreichen Ländern auf der nördlichen und südlichen Halbkugel unseres Globus. In Insgesamt zweiundvierzig völlig voneinander unabhängigen Erzählungen gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in sein abenteuerliches Leben, das ihn stets fernab der ausgetretenen touristischen Pfade nicht nur in die interessantesten, sondern häufig auch gefährlichsten Regionen des Planeten führten.
Die Reise um die Welt beginnt vor der Haustür
Mal wieder im Hamburger Hafen bei der Verholung der PAMIR
Ein kluger Fahrensmann sagte einst, dass einer, der die Welt erkunden will, zuerst seine Heimat richtig kennenlernen solle. Dann erst habe er das Rüstzeug für die weite Ferne. Folgerichtig beginnt Cropp seinen Erzählzyklus in seiner Vaterstadt Hamburg. „Kampfplatz Stadtpark“ berichtet von einem gefährlichen Abenteuer, das er und seine Spielkameraden nach 1945 in der vom Krieg zerstörten Hansestadt zu bestehen hatten. Vielleicht war dieses Erlebnis zusammen mit anderen gewagten „Aktionen“ auch die Feuertaufe für diesen drahtigen Mann, der auf seinem weiteren Lebensweg nie einer Herausforderung auf dem Weg ging.
Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen
Der Voodoo-Priester mit der Plastiktüte?
Wer kann sich etwas Schöneres vorstellen als die Inseln der Südsee? So verschlug es den Autor nach Moorea, Tahiti, wo er mit dem „Inselschreck“ Bekanntschaft schloss. Mit den Füßen im Stillen Ozean plätschernd, überlegte er sich, wie er zu Wasser nach Papeete gelangen könnte, mietete ein Auslegerkanu und landete in der Tat am Ziel seiner Träume, trotz der Warnung eines Einheimischen, er könne zwar heil in Tahiti ankommen, aber auch bei ungünstiger Strömung auf dem offenen Meer verloren gehen. Hatte der Waghalsige nur Glück oder war er einfach ein begnadeter Navigator? Wir vermuten letzteres. Von dieser Tour de Force etwas erschöpft, wandelt Cropp beseelt auf den Spuren des Malers Paul Gauguin und lässt uns an der tragischen Lebensgeschichte des Malers teilhaben. Der Künstler erträumte sich einen Garten Eden in der Südsee, frei von allen Konventionen der westlichen Zivilisation, fand aber zu seinem Leidwesen eine durch die französische Kolonialherrschaft zerstörte autochthone Kultur vor. Quelle déception! Dennoch schuf er wunderbarer Gemälde, die zwar zu seinen Lebzeiten niemand kaufen wollte, die aber heute unbezahlbar sind. Ein Schicksal, das er mit anderen genialen Künstlern teilt. Man denke nur an Vincent van Gogh.
Eisfischen am Nordrand Alaskas
Auf den „Marktbesuch“ im westafrikanischen Benin folgen spannende Geschichten auf dem „Transalaska Highway“ sowie eine „Kreuzfahrt ins ewige Eis“ Alaskas. Ferner erfahren wir, dass am Sambesi „Die Hölle stinkt.“ Es gehört schon viel Mut dazu, sich auf eine „entspannte Bootsfahrt“ oberhalb der Victoriafälle zu begeben. Noch viel gefährlicher aber sind die Gewässer darunter, in denen hungrige Krokodile leben und auf Beute lauern. Doch auch diesen Höllentrip übersteht Cropp mit einem Lächeln auf den Lippen, als er gleich zwei der riesigen Echsen mit weit aufgerissenen Mäulern neben seinem Boot erblickt. Nach einem solchen Abenteuer mutet der Ausflug in die Wüste im Tschad zwar auf den ersten Blick wie ein Spaziergang an, entpuppt sich jedoch als Ausflug voller Tücken. Als der Autor die Orientierung verliert, verlassen ihn bald seine Kräfte. Völlig erschöpft legt er sich im Wüstensand zum Schlaf nieder: „Ich suchte den Boden ab. Schwarzkäfer bohrten sich in den Grund. Skinke huschten über den Sand. Ein Skorpion hastete davon. Eine Hornpiper grub sich ein. Der Abendwind blies sie weg, die letzten Lebensspuren…“ Aber auch aus dieser prekären Lage arbeitet sich Cropp heraus, der offenbar wie eine Katze über sieben Leben verfügt. Der wunderbaren Geschichten sind viele in diesem lesenswerten Buch. Eine der anrührendsten ist jene, in der sich der Autor auf die Suche nach dem verlorenen Sohn eines Freundes in Thailand begibt und diesen nach endlosen Umwegen auch findet.
Kein Platz für Märchen
Der Autor on Tour
Wenn auch manche Erzählungen etwas fantastisch anmuten, so haben wir es im Autor Cropp nicht etwa mit einem Claas Relotius zu tun, der den „Spiegel“ vor nicht langer Zeit mit Geschichten beglückte, die ausschließlich seiner allzu lebhaften Fantasie entsprangen. Keines von Cropps Abenteuern ist erfunden. Hier geht es ausschließlich um „histoires vécues“ – am eigenen Leib Erlebtes und Erlittenes. Manche der in „Zwischen Hamburg und der Ferne“ enthaltenen Erzählungen kennen wir bereits aus verschiedenen Büchern, die der Autor im Laufe der Zeit über seine Reisen rund um den Globus geschrieben hat. Sein einzigartiges Fabuliertalent lässt uns seine Abenteuer hautnah miterleben. Dazu gehören u.a. „Fluchtort Guantánamo, „Heimaterde“ und „Die Brandung.“ In diesem Kontext hervorzuheben ist „Insel der Meuterer (Pitcairn), eine faszinierende Geschichte, die das Schicksal der Überlebenden der legendären „Bounty“ auf einer gottverlassenen Insel in der Südsee erzählt. Da dieses felsige Eiland offenbar auf den Seekarten der britischen Admiralty im 18. Jahrhundert nicht zu finden war, biss man sich im fernen London die Zähne aus nach dem Verbleib von Fletcher Christian und den übrigen Meuterern. Kaum zu glauben, aber es gibt auf Pitcairn immer noch Nachkommen dieses Aufrührers gegen die britische Krone.
Zurück zu den Wurzeln
Mit „Zwischen Hamburg und der Ferne“ überreicht uns Wolf Cropp einen bunten Blumenstrauß wunderbarer, den ganzen Erdball umspannender Erzählungen. Die literarische Reise endet, wo sie begann, in Hamburg. Hier begegnen wir der drallen „Seemannsbraut“ auf St. Pauli, erfahren manch Bizarres über die „Liebe in Zeiten von Corona“ und wohnen der Überführung der „Viermastbark Peking“ in ihren heimatlichen Hafen auf dem Grasbrook bei.
Fazit
Wer sehnt sich in dieser trüben kalten Jahreszeit nicht nach Sonne, Meer und Abenteuern in fernen Ländern? Empfehlung: Man greife zu „Zwischen Hamburg und der Ferne“ und genieße dieses fast 500 Seiten starke Buch in vollen Zügen. Viel Spaß bei der Lektüre.
Buchcover (c) Verlag Expeditionen, Hamburg
„Zwischen Hamburg und der Ferne“ von Wolf Cropp ist im Verlag Expeditionen erschienen, umfasst 491 Seiten und kostet 20 Euro. ISBN 978-3-947911-68-4
Ich fragte Siri nach dem Sinn des Lebens
und sie sagte: 42
seitdem vertraue ich ihr
und nun warte ich vor dem Neptun
der seinen Dreizack hoch über das Gewässer hält
Zur Rechten und zur Linken flüstert der Wind
in Schilf und Weiden
in meinem Rücken eine asphaltierte Promenade
und das Gras auf der Liegewiese dahinter
ist raspelkurz gehaltenen von einer Herde Gänse
alle beringt und sprachfreudig und von guter Verdauung
Ich frage Siri, und sie sagt
die Gänse sprechen von Futter und Liebe
Genau wie ich, ist meine Antwort
und Siri sagt: deine Verabredung
ist 30 Minuten überfällig
Ich sage: das hat nichts zu bedeuten
sie wird schon kommen
wir haben uns mehr zu sagen
als alle Gänse zusammengenommen
und Bilder lügen nicht
davon hat sie mir auch genügend geschickt
das Grübchen, dieser offene Blick
Siri sagt: dein Provider ist vertrauenswürdig
aber das besagt nichts
über die Nutzerinnen der Programme
Ich ärgere mich über die Antwort
wir schweigen beide und lauschen den Gänsen
bis hinter dem Sockel des Neptuns
eine Bewegung entsteht und
meine Verabredung hervortritt und mich fragt
sprichst du mit deinem Handy?
ich habe mich nicht getraut dich zu stören
Darauf will ich etwas entgegnen
aber Siri übernimmt und sagt
so einfach liegen die Dinge nicht
ich kenne eine Angststörung
wenn ich sie höre
wie lange bist du schon in Therapie?
Und meine Verabredung sagt
seit einem Jahr, mein Therapeut meint
ich mache gute Fortschritte
In der Pause, die folgt, schnattern die Gänse
der Wind streicht durch Schilf und Weidenlaub
und winzige Wellen glucksen ans Ufer
während meine Verabredung
die Finger zu einer Raute aneinanderlegt
Siri fragt dann an meiner statt
warum versteckst du dich hinter einem Denkmal
gehört das zur Therapie?
Ich komme meiner Verabredung zuvor
und sage zu meinem Phone
die Frage ist berechtigt
doch sollte sie nicht zur Unzeit gestellt werden
hörst du nicht die Gänse
von Futter und Liebe und Sex reden?
Und Siri sagt: dieses Gespräch führt zu keinem Ziel
es ist ein Fehler, wir sollten es löschen
aber wie du willst – kein Problem
wenn du deine Verabredung behalten möchtest
dann wirf mich ins Wasser
Worauf meine Verabredung gründlich erschrickt
das kann ich nicht zulassen
also gehe ich jetzt wieder zum Neptun
dahinter hat es eine schöne Aussicht
über den See und wir alle tun so
als hätte es dieses Treffen nie gegeben
Siri sagt: das scheint mir eine elegante Lösung
bravo und nichts für ungut
richte das deinem Therapeuten aus
Ich schüttele den Kopf und schaue auf meine Uhr
und Siri sagt: jetzt schon 45 Minuten Verspätung
du sollest dich nach einer Alternative umsehen
Meine Verabredung winkt mir Adieu und sagt
ich werde meinem Therapeuten von dir erzählen
Grüße an dein Phone, wenn’s genehm ist
Hinter mir schnattern die Gänse
während meine Verabredung Leine zieht,
Siri was reden die Gänse?
komm mit auf die Wiese
wir wollen uns umhören
Der Countdown läuft, am 24.12. ist Deadline. Der Weihnachtsmann ist soo müde, ginge er in Urlaub, gäbe es einen Shitstorm, denn er hat Millionen Follower.
Unser Weihnachtsmann und seine Crew, The Angel Company, sponsered by himmlischer Power, gehen zum Meeting-Point, einer Location im Norden zu einem Get-together.
Es ist kein junges Start-up, dieses Business is old-school.
Die Engel sind ein Dream-Team.
Sie geben viel Support und arbeiten rund um die Uhr im Job-Sharing, eine Challenge mit der Zeit.
Es gibt lange To-Do-Listen, und es ist ein Full-Time-Job. Viel Action, High Speed und Multitasking sind angesagt.
Briefings, Stop and Go. Es geht zu wie beim Black Friday Sale.
Das Arbeiten im Standby-Modus, – das wäre ein absolutes No-Go.
Ebenso sind Flops – obwohl – shit happens – ein absolutes Don’t,
– never, ever –
jetzt braucht man viel Manpower und ein gutes Timing, dann ist alles easy going.
Viele Wunschzettel treffen als Last-Minute-Order ein.
Nachdem der Weihnachtsmann die Mails gecheckt hat, hört er die Voice-Mails in der Mailbox seiner Hotline ab.
Beim Check-up der Wunschzettel wird der Code gescannt und an das Marketing-Management weitergeleitet. Es kommen auch Spams und Fakes an, die der Weihnachtsmann als Junkmails gleich cancelt.
Im Callcenter, das wie ein Show-Room mit einem High Tech Equipment aussieht, arbeiten viele Engel auf höchstem Level an Terminals, Screenings und einem Counter für Sonderwünsche.
Es ist ein seasonal Trade, viele Freelancer und Newcomer angeworben durch Headhunter gehören zum Team.
Hashtag: job placement.
Der Weihnachtsmann macht ein Pokerface, denn er ist soo müde, er denkt, für eine Midlife-crisis ist er eigentlich zu alt.
So holt er sich erst einmal im Drive-in einen Coffee to Go, einen iced flavored Latte mit Caramel Cream.
Er träumt von einer ruhigen After-work-party, oder an das Chillen mit einem guten Sience- Fiction-Thriller, einem Bestseller und Pageturner in seinem Kingsize-Bett oder im Whirl-Pool.
Trotz Kaffee fühlt er sich ausgepowert, er isst ein Sandwich und trinkt einen Energy Drink, schöner wäre ein Cocktail bei einem Sundowner zur Happy Hour.
Vor dem großen Weihnachtshappening ist der Weihnachtsmann ein richtiger Workaholic, und um einem Burn-Out vorzubeugen, geht er erst mal in die Lounge zum Relaxen und Come down.
Dort trifft er ohne die geringste Lust auf einen Small Talk seinen Coach.
Dieser gibt Crash-Kurse in Beauty Treatment, er verteilt Papers und Handouts für Workshops.
Von Zeit zu Zeit gibt es auch eine Supervision für die Work-Life-Balance.
Der Weihnachtsmann ist als Frontman everybody’s Darling.
Coca-Cola machte ihn zum Shooting-Star und Teaser für das Weihnachtsbusiness.
Sein old fashioned Vintage-Look, etwas oversized, und sein mega Bart sind absolute Eyecatcher. Auf sein groovy Styling hat er ein Copyright, auch in Schokolade gegossen.
Jetzt sitzt er erschöpft wie ein Couch Potatoe auf dem Sofa.
Sein Personal- Trainer macht ein paar Warm-ups mit ihm. Er empfiehlt ihm Nordic Walken, Stretching und Aerobic sowie die Zeitschrift Mens‘ Health. Dort gibt es Workouts, Bodycare und Food Specials für die Sixpack-Figur. Der Weihnachtsmann liebt aber all you can eat!
Vielleicht Finger-Food als Appetizer und dann etwas Ordentliches, einen homemade Brunch, jedenfalls kein Fast Food.
Und beim Big-Body-Mass-Index gibt ja auch noch die Weight Watchers.
Nach einem Softdrink mit Bitter Lemon und einem Hot Dog mit French Dressing im Self-Service-Restaurant muss der Weihnachtsmann mit einem Milchshake in sein Home-Office.
Er war schließlich die ganze Zeit offline.
Sein Büro ist durchdesigned, es hat einen Touch von Lifestyle,
ein sehr kluges Investment, gelernt in der Trading Masterclass,
alles gegen Cash, keine Peanuts, kein Leasing.
Es hat Airconditioning, Spotlights und einen Lift zum Basement.
Dort sind in vielen Containern die Geschenke, zum Teil in Limited Edition. Die Security ist im Ground floor.
Der Weihnachtsmann fährt seinen Laptop hoch. Er loggt sich ein und macht Backups und Upgrades der vielen Wunschzettel.
Dabei muss er zwischen vielen Anfragen hin und her switchen und einiges googlen. Er macht Online Banking und muss sich als Kontroll-Freak sehr viele Pin-Codes merken.
Sein Arbeitsplatz ist ein Activity-Center mit Hot Spots und App-Stores.
Aber Weihnachten boomt, da ist nichts mit just for fun.
Er ist auch der Ghostwriter des himmlischen Newsletters „X-mas goes public“ mit weihnachtlichem Cover, vielen Statements und Headlines.
Und er steckt sein Know-How in die x-mas-Homepage:
die Website www.x-mas.com .
Weihnachtsshows und die Charity-Events organisiert er als Public Viewing für die Publicity.
Ein Weihnachtsumzug ist genauso ein Highlight wie die Love Parade oder der Schlager-Move.
Das grooved.
Die himmlische Public-Relation-Abteilung hat gute Connections zur Fashion Week, – exklusiv – kein Mainstream.
Auch der Weihnachtsmann hat sich schon bei einem Stylisten coachen lassen. Abgesehen von seiner Dienstkleidung mag er schon Labels.
Er geht gern in Factory-Outlet-Stores zum Late-Night-Shoppen.
Second Hand Shops promoten keine Fashion, die seinem Dresscode entsprechen. Und manche Outfits eignen sich eher für eine Bad-Taste-Party, das ist ihm zu strange und entspricht nicht seinem Mindset.
Das ist nicht der Burner, sondern Bullshit.
Ein gewisses Understatement findet er abgefuckt, obwohl, für die Fahrt mit dem Rentierschlitten – Open Air in der Kälte – bevorzugt er Sport- und Streetwear, Jeans im Five-Pocket-Style, blue used, stone-washed mit dezente destroyed Effekten und die Musthave XL-Bodybag mit einem Lunchpaket.
Er hat viele Relationships und macht gute Deals. Besonders zur Community der Sales-Manager hat sich im Laufe der Jahre eine Win-Win-Beziehung entwickelt.
Gutscheine stehen im Ranking der Geschenke ganz oben. Ein Gutschein für ein Candlelight- Dinner, für eine Pool-Party mit Top-Catering, für Piercings, eine Reise all inclusive mit Sightseeing ins Survival Camp.
Es gibt auch Wünsche nach einem Speed- oder Blind-Date, nach einem One-Night-Stand, nach einem coolen Lover mit Sex-Appeal, nach einem toughen Womanizer, nach einem Model Scout, nach einem Bodygard, nach Sex and Drugs und Rock´ n Roll und nach etwas Glamour, Love and Peace und nach Happiness.
Wenn der Weihnachtsmann alle Wunschzettel abgearbeitet hat, schickt er sie mit einem Shuttle-Bus ans Controlling.
Die Geschenke werden dann vom Facility Manager auf den Schlitten geladen.
Der Pick-up-und-Return-Service und das Recycling gehen in die Holidays, die holy Days bedeuten eine echte Verschnaufpause.
Der Weihnachtsmann ist ein Allround-Entertainer, immer just in Time, immer cool und voll im Trend.
Er bekommt gute Feedbacks und viele Likes.
Er ist ein Global Player mit jährlichem Comeback.
Und er ist nicht zu toppen,
alle Jahre wieder!
(Hanna Malzahn las diesen Text bei unserer Weihnachtsfeier 2022, s. dazu den Artikel von Uta Buhr vom 10.12.2022)
Ein Nachruf auf den Schauspieler und Rezitator Herbert Tennigkeit
Dies vorweg. Herbert Tennigkeit war ein lustiger Vogel, stets zu Scherzen und heiteren Geschichten aufgelegt, die er in seiner unnachahmlichen Art zum Besten gab. Hinter dieser mitreißenden Fröhlichkeit verbarg sich ein nachdenklicher belesener Feingeist, der gern über die Dinge philosophierte, die weit über das Alltägliche hinausreichten.
„Mir hat keiner an der Wiege gesungen, dass ich einmal Schauspieler werden würde. Ursprünglich hatte das Leben offenbar etwas ganz anderes mit mir vor,“ gestand Herbert Tennigkeit mir einst, als ich ihn während eines Hamburger Gastspiels in seiner Theatergarderobe aufsuchte.
1937 im ostpreußischen Memelland geboren, floh er 1944 kurz vor Kriegsende unter dramatischen Umständen mit seiner Mutter und seinen Brüdern vor der Roten Armee gen Westen. Nach einem Aufenthalt in Sachsen trieb es die Familie weiter nach Berlin. Herberts Mutter war praktisch veranlagt und bestand darauf, dass der Sohn erst einmal etwas Ordentliches lernte. Der ging daraufhin bei einem Maler und Anstreicher in die Lehre, der ihm beibrachte, wie man vom Krieg verwahrloste Häuser wieder in einen bewohnbaren Zustand zurückversetzte. Geschadet habe ihm diese Ausbildung zum Handwerker nicht, gestand Tennigkeit einmal. Aber sein Traumziel, Schauspieler zu werden, habe er nie aus den Augen verloren. 1962 war es dann so weit. Er zog nach Düsseldorf und nahm dort Unterricht bei einem seinerzeit bekannten Schauspieler. Auch zum Sänger ließ er sich ausbilden.
Diese solide Ausbildung hatte sich gelohnt, denn in der Folgezeit durfte sich der frisch gebackene Mime über eine Reihe von Engagements an bekannten westdeutschen Bühnen freuen.
Während ein Tourneetheater ihn durch viele Städte der Republik führte, stand er auf der Bühne des Hamburger Ernst-Deutsch-Theaters, brillierte bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen, trat in der Komödie Frankfurt auf und wirkte in Theaterproduktionen mit, die ihn in die Niederlande, Österreich und nach Großbritannien führten. Sein umfangreiches Repertoire umfasste unter anderen Stücke von Shakespeare, Osborne, Brecht, Kleist und Hochhuth. Auch in Operetten und Musicals trat dieser vielseitige Künstler auf. Besonders gelungen empfand er seinen Auftritt in „Irma la Douce“: „Ein bezaubernd frivoles Stück.“ Schade nur, dass er der Irma aller Irmas Shirley MacLaine nie begegnet ist. Aber man kann halt nicht alles haben.
Als Sprecher machte Herbert Tennigkeit sich ebenfalls einen Namen. Seine sonore Stimme eignete sich gut für Hörspiele. Dabei lagen ihm die Karl-May-Hörspiele besonders am Herzen: „Welcher Jugendliche hat nicht alle oder die meisten der insgesamt 65 Romane dieses Titanen der spannenden Lektüre verschlungen?“ Nicht wenige von uns haben sie mit der Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen. Die Chronistin war eine von ihnen.
In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts begann der Mime Tennigkeit noch eine viel beachtete Karriere als Darsteller in Fernsehfilmen und -serien. Unvergessen ist seine Rolle als Anästhesist Dr. Laudann in der „Schwarzwaldklinik“, einer Serie, „die sich zu einem veritablen Straßenfeger entwickelte. Kitsch as Kitsch can? Wahrscheinlich. Aber das Publikum war begeistert von der heilen Welt des Schwarzwaldes und den Protagonisten, die so sympathisch menschlich rüberkamen. Fast genau so beliebt waren Serien vom Schlage „Das Erbe der Guldenbergs“ , „Das Traumschiff“, „Hotel Paradies“ und „Kreuzfahrt ins Glück“, in denen Tennigkeit ebenfalls Erfolge feierte.
Unschlagbar war Herbert Tennigkeit als Rezitator. Seine Lesungen in ostpreußischer Mundart sind bis heute unvergessen. Wenn er aus Siegried Lenz‘ „So zärtlich war Suleyken“ las oder Günther Ruddies‘ „Woher kommen die Marjellchens?“ rezitierte, blitzte in den Augen mancher Zuhörerin aus der „kalten Heimat“ nicht selten ein heimliches Tränchen auf.
Seine ostpreußische Heimat hat Herbert Tennigkeit nie vergessen. Er trug sie immer im Herzen. Mehrmals ist er an den Ort seiner Kindheit zurückgekehrt. In einem Interview vor Jahren, das die PAZ mit ihm führte, bekannte er sich offen zu seiner Sehnsucht nach seinem heimatlichen Poggen. Er wollte seinen Sandkasten, den Apfelbaum im elterlichen Garten und auch seine Schule wieder sehen. Und – oh Wunder – alles war noch da. Da darf auch ein gestandenes Mannsbild eine Träne vergießen.
Ich erinnere mich noch genau an eine gemeinsame Fahrt mit Herbert Tennigkeit zu einem Termin an der Ostsee. Während der kurzen Reise erzählte er mir in beredten Worten viel aus seinem ereignisreichen Leben als Darsteller großer Rollen und gestand ganz nebenbei, dass er sogar mit dem Gedanken gespielt habe, Schlagersänger zu werden. Einfach, weil er gern singe. Ganz so wie der große Kollege Gustav Gründgens, der einmal bekannte: „Ich weiß ja, ich kann nicht singen. Und dabei singe ich doch so gern.“ Aber Herbert Tennigkeit konnte wirklich singen. Immerhin hatte er in jungen Jahren Gesangsunterricht genommen. Und so sangen wir auf unserem Weg nach Timmendorfer Strand aus voller Kehle „Lilli Marlen“, „Die Beine von Dolores“ und „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt.“ Ein unvergessliches Erlebnis.
Schließlich, doch nicht zuletzt muss an dieser Stelle noch Herbert Tennigkeits langjährige enge Freundschaft mit der in Königsberg geborenen Autorin und Journalistin Ruth Geede erwähnt werden, die im April 2018 im biblischen Alter von 102 Jahren verschied. Ruth, die Doyenne ihrer Zunft, teilte ihre Liebe und lebenslange Sehnsucht nach Ostpreußen mit Herbert. Und niemand konnte ihre Gedichte und Prosa so schön im ostpreußischen Idiom rezitieren wie er. Eine Kostprobe seiner Kunst wurde uns zur Feier des 100. Geburtstages von Ruth Geede im Jahre 2016 geboten.
Nun ist auch Herbert Tennigkeit von uns gegangen. Er starb am 10. Oktober 2022 im Alter von 85 Jahren in seiner Wahlheimat Hamburg.
Requiescat in pace!
(Dieser Nachruf erschien zuerst in der Preußischen Allgemeinen Zeitung)
Meine Begegnungen mit einem Ritchie Boy extraordinaire Guy Stern habe ich nur zweimal persönlich getroffen und beide Male mit seiner Frau Susanna. 2013 war es in Detroit und 2018 in Frankfurt/Main. Von ihm gehört hatte ich schon vorher. Mehr mit ihm zu tun bekam ich erst durch die Vorstandsarbeit des P. E. N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland (früher Deutscher Exil-P. E. N.). Guy gehörte dem Vorstand schon längere Zeit an, als ich 2017 dazukam. Seit 2018 ist er unser Präsident.
Das Treffen in Frankfurt ergab sich, als er den Ovid-Preis, den er im Jahr zuvor erhalten hatte, an die neue Preisträgerin Herta Müller überreichte. In Detroit hatte ich mich selbst bei ihm eingeladen. Ich wollte ihn kennenlernen, und in Michigan habe ich seit 2012 ein Domizil. Wir verbrachten einen halben Tag zusammen, und aus dem Treffen sind mir zwei Dinge in besonderer Erinnerung geblieben.
Als er mich durch das Holocaust-Museum in Detroit führte, dessen Direktor er einst gewesen war, zog ein Exponat meine besondere Aufmerksamkeit auf sich. Der „Hannoversche Bahnhof“ mit einem alten Eisenbahnwaggon, in dem man zur Nazizeit die Juden in die Vernichtungslager transportiert hatte. Von Hamburg aus, meiner Heimatstadt, die gerade einen neuen Stadtteil, die HafenCity, entwickelte. Hier lag der frühere „Hannoversche Bahnhof“. Alle Parteien in Hamburg wollten dort einen Gedenkort einrichten. Uns – ich war in jener Zeit Mitglied in der Deputation der Kulturbehörde – war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, dass es eine ähnliche Gedenkstätte bereits in Detroit gab. Nach meinem Treffen mit Guy informierte ich meine Kollegen und stellte auch den Kontakt zwischen den zuständigen Personen in Hamburg und Detroit her.
Guy Stern (r.) und Gino Leineweber, Foto: privat
Außerdem werde ich nicht vergessen, wie mich Guy mit einem spitzbübischen Lächeln fragte: „Weißt du eigentlich, dass ich ein Filmstar bin?“ Ich wusste es nicht, war sehr erstaunt und erfuhr, dass es einen Film von 2004 mit dem Titel The Ritchie Boys gibt, in dem er mitgewirkt hatte. Er schenkte mir zum Abschied eine DVD davon, auf deren Cover neben anderen auch er als „Ritchie Boy“ abgebildet ist.
Der Titel trägt den Namen einer Einheit amerikanischer Soldaten im II. Weltkrieg, die im Camp Ritchie in Maryland ausgebildet wurden. Darunter viele deutsche Juden, die in die USA geflüchtet waren. Ihre Aufgabe war es, ihre Kenntnisse der deutschen Sprache und Kultur im Kampf gegen die Nazis zu nutzen, und sie wurden nach der Invasion als Geheimwaffe vor allem für Verhöre von Gefangenen an der Front und zur Spionageabwehr in Europa eingesetzt. Guy Stern war einer von ihnen.
Er war auch einer von drei „Ritchie Boys“, die in der bekannten CBS-Sendung „60 Minutes“ am 9. Mai 2021 zu Wort kamen und in der sie und ihre frühere Einheit für die Effektivität ihrer Arbeit gerühmt wurden: Sie hätten Leben gerettet und man müsse sie als Helden bezeichnen, hieß es.
Guy zu sehen und ihm zuzuhören ist immer eine Bereicherung, wie mir aus den Treffen und vielen Internet-Meetings vertraut ist. Bei CBS wirkte er trotz seiner 99 Jahre mit seiner freundlichen und offenen Art fast jugendlich. Die Sendung führte mich in einen Teil seiner Vergangenheit, der sehr bedeutend für ihn gewesen war. Und wieder sind es zwei Dinge, an die ich seither zurückdenke.
Seinen Eltern war aus finanziellen Gründen nur möglich, eine Person in die USA ausreisen zu lassen, und sie entschieden sich für den ältesten Sohn. Günther, wie er damals noch hieß. Er hat danach weder sie noch seine Geschwister und Großeltern je wiedergesehen. Seine Antwort auf die Frage, was er vom Abschied von seinen Eltern in Erinnerung behalten habe, hat mich gefühlsmäßig stark berührt. Sie bestand aus einem Wort: Taschentücher!
Guy Stern, Foto: Susanna Piontek
Vergessen werde ich auch nicht, was er dabei empfindet, als einziger der Familie überlebt zu haben. Dazu sagte er: „Wenn du gerettet wurdest, sagte ich mir, musst du zeigen, dass du dessen würdig bist. Und das war die treibende Kraft in meinem Berufsleben.“
Im Film The Ritchie Boys gibt es eine Szene, in der Guy mit seinem alten Kameraden Fred Howard im Fond eines Autos sitzt, auf dem Weg zum früheren Camp Ritchie. Während Guy schon glaubt, die Gegend zu erkennen, sagt Fred, das könne auch Texas sein. Sie kabbeln sich ein wenig, bis Fred sagt: „Imagine. You see already the Blue Mountains. – Guy, you are the best.“
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
—————————————————————-
(Dieser Artikel erschien zuerst in „Von der Exilerfahrung zur Exilforschung: Zum Jahrhundertleben eines transatlantischen Brückenbauers. Festschrift zu Ehren von Guy Stern“ von Frederick A. Lubich (Herausgeber), Marlen Eckl (Herausgeber), 738 Seiten, Deutsch, Englisch, Französisch, 48 Euro, Verlag Königshausen u. Neumann, Januar 2022
Gemeinsam mit dem Verband Deutscher Schriftsteller*innen Hamburg und gefördert von Neustart Kultur laden wir sehr herzlich zu unserem Lese-Fest ein. Seien Sie herzlich willkommen! Unternehmen Sie mit uns einen literarischen Spaziergang durch blühende Landschaften in „Planten un Blomen“.
Ohne Anmeldung, einfach stehenbleiben und lauschen.
Programm:
Musikpavillon
16.00-17.00 Gaby Albers
17.00-18.00 Reimer Boy Eilers
18.00-19.00 Charlotte Ueckert
19.00-20-00 Gino Leineweber
Zur historischen Dystopie „Wenn der Führer wüsste…“ von Heiger Ostertag – Mal angenommen, Hitler hätte den Krieg gewonnen und wir lebten jetzt unter der Regierung seines Enkels Adolf II., der mit vierzig Jahren nach dem Tod seines Vaters Adolf Wolf die Herrschaft übernommen hätte. Den Leuten hat man die Legende erzählt, alle Juden hätten in Madagaskar ihren eigenen Staat bekommen. Die Denkmäler stehen noch, die nationalsozialistischen Werte auch – doch es beginnt zu rumoren. Nächstes Jahr wird eine Revolution angezettelt werden, in deren Folge die Regierung gestürzt werden soll. Finden Sie das schräg? Ist es auch. Aber so gut gemacht, dass es einem bei der Lektüre des Romans kalt den Rücken runterläuft. Nach dem viel beachteten Buch „Die Welle“ von Morton Rhue, das sich mit der Frage befasst, wie so ein Regime wie Hitlers möglich werden konnte, befasst sich „Wenn der Führer wüsste…“ mit einer Möglichkeit von Realität unter einer nationalsozialistischen Herrschaft und dem Aufbegehren der unterdrückten Bevölkerung.
Studentenrevolte unter Adolf II.
Der Studentenführer Rudolf von Bracken und seine Clique sind die Hauptfiguren der Geschichte. Groß geworden mit den nationalsozialistischen Rassegesetzen, sind für ihn die polnischen und russischen Raumpflegerinnen „rassisch minderwertige Arbeitsweiber, die man zumeist nicht wahrnahm oder schlicht übersah“ (S. 15). Gerade die Selbstverständlichkeit, mit der solche Lebenswirklichkeiten der Romanfiguren erwähnt werden, offenbart die Grausamkeit dieses „Wertesystems“. In Rudolfs Realität sind er und seine Freunde die künftige Reichselite, und das – nach jahrzehntelanger Einprägung dieses Denkens – mit größter Selbstverständlichkeit. Doch während diese künftige Elite zur „neudeutschen Welle“ schwooft, braut sich unter den Studenten ein Aufruhr zusammen. Die strikte Trennung zwischen den unterschiedlichen „Rassen“ weicht auf, die Studenten sind die alten Zöpfe leid, sie wollen sich nicht mehr gängeln lassen. In dieser Aufbruchstimmung kommen Zweifel auf, was das Schicksal der Juden zuzeiten des Zweiten Weltkriegs angeht. Gerüchte kursieren, dass es geheime Akten gäbe. Rudolf und seine Freunde geraten in diese Umbruchzeit und wollen aufklären, was von der Kriegsgeneration der Nazis vertuscht wurde. Wird es ihnen gelingen und wird sich Regierung samt Wertesystem wandeln?
Gar nicht so abwegig …
Heiger Ostertags Roman überzeugt vor allem, weil die Story nicht weit hergeholt erscheint. Hinzu kommen viele kleine sarkastische Einsprengsel vor allem bei den Namen („Hagens Speer“ heißt eine Musikgruppe) oder Bezeichnungen wie „Handfon“ statt Handy. Wen Timur Vermes‘ „Er ist wieder da“ begeistert hat, wird auch an diesem Buch seine Freude und seinen Grusel haben.
Im Anhang erläutert der Autor und Historiker in einer „Historisch-kritischen Nachbetrachtung“ die Hintergründe und Inspirationsquellen, aber auch die Quellen für die eingebauten Fakten der Geschichte. Hier wird deutlich, wie nah an tatsächlichen Begebenheiten oder auch nationalsozialistischen Visionen die Geschichte entwickelt wurde. Das macht den Roman noch beklemmender und zeigt, was uns hätte blühen können, wenn der Zweite Weltkrieg anders ausgegangen wäre.
Dr. Heiger Ostertag (M.A.) gehörte der Luftwaffe an, in der er u. a. eine fliegerische Ausbildung absolvierte. In Freiburg studierte Ostertag Geschichte, Germanistik sowie Nordgermanische Philologie und promovierte mit einem historisch-germanistischen Thema zum Kaiserreich. Seit den 90er Jahren ist Heiger Ostertag als Autor und Historiker in Forschung, Bildung und Lehre sowie als Lektor im Verlagswesen tätig. Die Fachliteratur erschien bei Ullstein, Herder, Rombach und Mittler. Das belletristische Werk wird beim Südwestbuch-Verlag, Gmeiner und im Theiss Verlag/WBV verlegt. Auf der Basis exakter Recherchen und psychologischer Personenprofile entstanden in den 30 Jahren seines Schreibens kontextsituierte Geschichten und zahlreiche Romane von großer Dichte und Spannung. Unter Pseudonym sind vom Autor weitere brisante Politthriller erschienen. Einige Romane wurden zudem als Hörbuch vertont. Aktuell arbeitet der Schriftsteller am Abschlussband seiner Junker-von-Schack Reihe mit dem Arbeitstitel „Von Austerlitz nach Waterloo“.
Ilhan Sami Çomak wurde 1994 im Alter von 22 Jahren festgenommen und sitzt nunmehr seit 28 Jahren im Gefängnis. Bis heute wurden von ihm neun Bücher mit Gedichten veröffentlicht. Neben Lyrik hat er auch noch viele Essays geschrieben, die in Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht wurden, und seine Autobiographie, die bereits in der 4. Auflage erschienen ist.
Wenn man seine Schriften liest, kann man Zeuge seiner Liebe, Freude und seines Optimismus werden.
Ipek Özel ist Sozialarbeiterin und besucht Ilhan zweimal im Monat. Sie hat eine Veranstaltung des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland und des Letters with Wings aus Irland organisiert, die am 20. November 2021 zum Day of the Imprisoned Writers stattgefunden hat. Einen Mitschnitt der mehrsprachigen Veranstaltung ist auf YouTube zu sehen (https://youtu.be/3FTvXLpgpqI).
Mit einem Gratulationsvideo zu Ilhan Sami Çomaks Geburtstag am 8. März 2022 hat Gino Leineweber, Vorstandsmitglied des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland, ein Gedicht von ihm gelesen, das hier vorgestellt wird.
Auf dem Video wird das Gedicht in Englisch vorgetragen.
Hier folgt der Text mit einer anschließenden deutschen Übersetzung.
FEATHER COLLECTING By Ilhan Sami Çomak Translated by Caroline Stockford
With my conscious dark I correct my writing
Why did I clap and come into this world?
Hear me
I asked the world whilst in your presence:
Why did I land?
These days my mind is seeded with flight
Not with the static stare of stone, but degree by degree
With a flight that denies the road
With the boundlessness that opens the woven cage of sky:
Frighten me
Prove me the stars’ slightest movement!
My consciousness I refresh in the darkness
Bird feathers I collect for you
At the sound of wings the pomegranate cracks
From the hoop that is love to the palm of the leaf
I came from the stratum of rain in the conscious-raising roar
I drank water
From this stairway of no sound and into the world
why did I come?
I sing songs with the distant dream of flying
my name suits well to blue, and you
Your name fits the distances
The wind blows, the wind is blowing, shadows leaning
I collect up the blowing, the footstep sounds of morning
The clear destiny of laughing to your heart’s content,
Yes, in this realm of sheer habit why did life
Come to me?
The limitless law of flight is steeping in your warmth
The lightness of embracing my awareness refreshes
What meaning has flying
I have bird feathers
I have the sky
A heartbeat that is washed by your smiles
I have that.
Ein Gedicht von Ilhan Sami Çomak Aus der englischen Version von Caroline Stockford übersetzt von Gino Leineweber
Im Dunkel des Bewusstseins ändere ich meine Texte
Warum erfreute es mich in diese Welt zu kommen?
Höre!
Ich fragte die Welt als du bei mir warst:
Warum bin ich hier?
Mein Geist ist jetzt vom Fliegen berauscht
Nicht mit statischem Starren auf Mauern
sondern Stufe für Stufe
Vom Fliegen ohne Straßen zu berühren
Grenzenlosigkeit die den gewebten Himmelskäfig öffnet:
Lasse mich schaudern
Zeige mir die kleinsten Bewegungen der Sterne!
Im Dunkel erfrische ich mein Bewusstsein
Sammle für dich Vogelfedern
Vom Flügelschlag platzt der Granatapfel
Das Band der Liebe umspannt Palmenblätter
Ich kam aus den Regenwolken
im bewusstseinssteigernden Tosen
Wassertrinkend
Stillschweigend in die Welt:
Warum?
Ich träume Lieder von fernem Fliegen
Mein Name ist passend zum Blau
und deiner
Deiner zur Ferne
Der Wind bläst, weht und die Schatten neigen sich
Ich sammle das Wehen, die Trittgeräusche des Morgens,
Die heitere Fügung nach Herzenslust zu lachen
Ja und im Reich der reinen Gewohnheit die Frage:
Warum?
Warum ist das Leben zu mir gekommen?
Die grenzenlose Bestimmung des Fliegens taucht in deine Wärme ein
Die unbeschwerte Umarmung erfrischt mein Bewusstsein
Welchen Sinn hat Fliegen?
Ich habe Vogelfedern
Den Himmel
Und mein Herz ist von deinem Lächeln umspült
Das ist was ich habe
Im ersten Teil seiner zweibändigen Familiensaga führt Jörg Krämer seine Leser in die Welt des Bergbaus im Ruhrgebiet im Jahr 1865. Der Bergmann Johannes Biel und seine Frau Wilhelmine leben in sehr einfachen Verhältnissen und mit harter Arbeit. Acht Kinder ziehen sie liebevoll groß und freuen sich an den kleinen Dingen.
Jörg Krämer erzählt die Geschichte handlungsorientiert und direkt, man ist sofort in das Geschehen eingebunden. Faszinierend ist der Einblick in eine untergegangene Welt ohne Handy, Fernsehen und Multimedia, dafür mit Arbeit bis über die eigenen körperlichen und seelischen Grenzen hinweg. Da sitzt die Frau zu Hause und bangt, weil der Bergmann nicht zur gewohnten Zeit erscheint. Heute würde man eben anrufen. Kinder werden nicht zur Schule gefahren, sondern müssen weite Wege zu Fuß zurücklegen. Jüngere Geschwister tragen die Kleidung der älteren auf.
Foto: Pavlofox/Pixabay
Die Geschichte spielt in der Zeitspanne von 1865 bis 2001, auf knapp über 600 Buchseiten in zwei Bänden („Im Schatten von Schlägel und Eisen“ und „Herz schlägt Krieg“, beide im net-Verlag erschienen). Sie konzentriert sich in der Erzählweise vor allem auf den chronologischen Ablauf und die Personen. Bedingt durch die große Familie kommen viele verschiedene Personen vor, was teilweise etwas verwirrend ist. Im zweiten Teil ist am Ende ein Personenverzeichnis eingefügt, das einige Orientierung bietet.
Eigenhändige Aufzeichnungen der Großmutter
Hat Jörg Krämer den ersten Teil in Autorenperspektive als Roman geschrieben, so tritt der Autor im zweiten Teil ganz hinter der Erzählstimme Hilde Niggetiets – seiner Großmutter – zurück. Die Erzählung wechselt in die Ich-Perspektive und einen Tagebuchstil. Das bringt einige Sprünge im Erzählfluss mit sich, die nicht literarisch bearbeitet wurden; womöglich, um den authentischen Bericht der Protagonistin nicht zu verfälschen. Nun hat es durchaus etwas für sich, einen Menschen des Jahrgangs 1910 in seiner eigenen Sprache erzählen zu lassen. Die Ich-Form berührt direkt, vor allem in den schweren Phasen der Armut und des Krieges, und die aus anderen Zeitzeugenberichten bekannten Motive wie Kinderlandverschickung und Hamstertouren werden durch die eigenen Erlebnisse sehr lebendig. Durch Hilde Niggetiets eher sachlich-zurückhaltenden Stil sind einige Szenen besonders verstärkt, wenn sie beispielsweise berichtet, wie ihrer Tochter Edith nach der Zangengeburt des ersten Kindes die Beine zusammengebunden wurden, damit die Nähte nicht rissen.
Mit Blick auf das Positive
Foto: Congerdesign/Pixabay
Berührend ist auch, wie die Erzählerin sich bemüht, möglichst viel Positives zu berichten. Immer wieder kommentiert sie ihre Ausführungen selbst in dem Sinne, dass sie dem Schweren nicht zu viel Raum geben möchte. Eine Haltung, die mich an meine Großeltern (Jahrgang 1920) erinnert. Und wie konnte diese Generation auch anders überleben als durch Verdrängung? Meine Großmutter sagte in schweren Zeiten immer, man solle sich nur Schönes ansehen. Und so ist auch in der Familie des Autors Jörg Krämer der Blick eher auf das Schöne als auf das Schlimme gerichtet, und das bei Schicksalsschlägen, die mir beim Lesen manchmal den Atem verschlagen haben. Irgendwie muss es weitergehen, so ist das Motto, und es geht auch weiter, irgendwie. Männer schuften in der Zeche und leisten sich vielleicht ein bescheidenes Hobby wie die Taubenzucht, Frauen schuften zu Hause, zu Anfang von Krämers Geschichte ohne Waschmaschine und mit Wasser auf dem Kohleherd. In jeder freien Minuten scheinen die Frauen der Familie feinste Handarbeiten herzustellen, denn Schönheit war ihnen durchaus wichtig, und da sie nichts kaufen konnten, stickten, häkelten, nähten und strickten sie eben alles selbst und freuten sich daran. Der Einblick in diese Welt, auch in die Fertigkeiten der Menschen, in das Bemühen um Frieden und liebevolles Miteinander, ist sehr anrührend. Manches Wort, wie z. B. „Gabelarbeit“ (eine Häkeltechnik), musste ich nachschlagen. Nicht nur eine untergegangene Welt, auch untergegangene Worte finden sich in Jörg Krämers Familiensaga.
Gleichwohl birgt die tagebuchartige Erzählweise die Gefahr, dass man als Leser mit einigen Sprüngen zwischen Personen nicht mehr nachkommt. Auch wenn es noch schwieriger gewesen wäre, als es vermutlich ohnehin schon war, so einen langen Zeitraum in zwei Büchern unterzubringen, habe ich teilweise im ersten Teil ein Verweilen bei einzelnen Personen vermisst. Im zweiten Teil wäre es vielleicht einen Versuch wert gewesen, behutsam in den Tagebuchstil einzugreifen und ihn mit romanhaften Verbindungen zu ergänzen; allerdings ist es verständlich, wenn der Autor dies aus Gründen der Authentizität unterlassen hat.
Spannung aus vergangenen Zeiten
Foto: Uki_71/Pixabay
Wie auch immer: Eine spannend erzählte Geschichte ist es allemal, man wird als Leser etwas daraus mitnehmen, sei es die eine oder andere Information, wie man „damals“ und speziell in der Bergbau-Welt – die es wohl bald gar nicht mehr geben wird – gelebt hat; sei es ein Einblick in das Seelenleben einer Generation, die sich mit existenziellen Fragen tagtäglich buchstäblich abarbeiten musste und das Wohl der Familie über alles stellte, was mir beim Betrachten unserer heutigen Gesellschaft durchaus den einen oder anderen Denkimpuls gibt. Jörg Krämer hat ein Zeitzeugendokument geschaffen und dabei seiner Großmutter eine Stimme verliehen. Sie beschreibt an einer Stelle, dass es ihm als Oberschüler an Ehrgeiz gemangelt hätte (S. 239, „Herz schlägt Krieg“). Das muss sich später allerdings gründlich geändert haben, denn ohne Ehrgeiz ist so eine Recherche und Romanarbeit kaum zu bewerkstelligen.
Über den Autor:
Jörg Krämer Foto: privat
Jörg Krämer, Autor und Taekwondoin, wurde 1966 in Witten geboren, wo er gemeinsam mit seiner Familie lebt. Die Liebe zum Schreiben entdeckte er durch seinen Hund Odin, über dessen Rasse Germanischer Bärenhund er bereits ein Buch schrieb. Oft spielt in seinen Geschichten ein Germanischer Bärenhund mit.
Die Familiensaga entstand in der Zeit von 2013 bis 2017 und basiert auf handschriftlichen Aufzeichnungen der Hauptfigur Hilde Niggetiet sowie deren Aufnahmen auf Kassette. Dabei war es Jörg Krämer wichtig, den authentischen Originaltext für die Nachwelt zu erhalten.
„Kuba, Hemingway, eine Cohiba + ich“ von Wolf Cropp liest sich wie ein Vademecum durch die wechselvolle Geschichte der karibischen Zuckerinsel, angereichert mit akribisch recherchierten Episoden aus der Vita des amerikanischen Schriftstellers Ernest Hemingway. Hier ist dem Autor der perfekte Spagat zwischen Reiseführer und Biografie gelungen.
Cropp beginnt seine weit ausgreifende Geschichte in den Keys, dem äußersten Zipfel der Vereinigten Staaten. Zunächst in Key West gestrandet, wie er im Eingangskapitel schreibt, schaut er, ein Lager aus der Flasche trinkend, auf den Golf von Mexiko und die mit vielen kleinen Eilanden gesprenkelte Straße von Florida. Hier ließ sich Hemingway auf Empfehlung seines Schriftsteller-Freundes John Dos Passos 1928 nieder. Das Ambiente seines aus Muschelkalk im amerikanischen Kolonialstil erbauten Wohnhauses – heute Museum – hat ihn offenbar zu Höchstleistungen inspiriert. Denn hier schrieb er „Wem die Stunde schlägt“ und „Die grünen Hügel von Afrika“, die weltweit zu seinen berühmtesten Werken wurden. Zudem frönte er in Key West der Hochseefischerei, seinem liebsten Hobby neben der Jagd. Aus Gesprächen, die Cropp mit Aficionados Hemingways vor Ort führte, ist unschwer zu entnehmen, dass er nicht zu „Papas“ Bewunderern zählt. Seine Sprache sei primitiv, die Plots nicht selten langweilig, findet Cropp. Eine Einschätzung, die die Rezensentin seines Buches über Kuba und Hemingway weitgehend teilt. Hemingways ausschweifendes Leben – man denke nur an seine zahllosen Liebschaften – war hingegen hoch interessant und füllte jahrelang die Seiten einschlägiger Publikationen.
An der Fassade Camilo Cienfuegos
Endlich landet Cropp auf Kuba. Er führt den Leser durch das laute quirlige Havanna, dessen bröckelnde Fassaden entfernt an die einstige Pracht der reichsten spanischen Kolonie erinnern. Das Straßenbild wird auch heute noch von den bonbonfarbenen amerikanischen Straßenkreuzern dominiert, die die Oberschicht des korrupten Bastista-Regimes zurückließ, bevor Fidel Castro mit seinen Genossen als „El Máximo Lider“ das Ruder übernahm. Von der anfänglichen Euphorie ist nichts geblieben. Mangelwirtschaft, wohin man schaut, leere Regale in den Läden. Und – Ironie der Geschichte – selbst der Zucker wird der Bevölkerung der Zuckerinsel in fast homöopathischen Dosen zugeteilt. Umso erstaunlicher berührt die Fröhlichkeit der Kubaner, deren Leidensfähigkeit unendlich zu sein scheint.
Die tropische Pracht Kubas fasziniert
Während seiner Erkundungstour kreuz und quer über die Insel gerät der Autor in manche prekäre Lage. Während eine „patrulla de policiá“ Cropps Papiere peinlich genau in Augenschein nimmt, versuchen ein paar Insulaner – allesamt arme Teufel – ihn mit einer angeblichen Hilfeleistung beim Reifenwechsel am gemieteten Renault über den Tisch zu ziehen. 500 US-Dollar her oder… Da kann der Autor nur das Hasenpanier ergreifen und weiterfahren in Richtung Santa Clara, dem Wallfahrtsort der Verehrer des Helden aller Linken dieser Welt, Che Guevara, dem man in diesem armseligen Ort ein monumentales Denkmal errichtet hat. Obwohl an den Händen dieses Revoluzzers – seines Zeichens Humanmediziner – das Blut vieler unschuldiger Menschen klebt, wird er auch fünfzig Jahre nach seinem gewaltsamen Tod verehrt wie ein Heiliger. Das Che gewidmete Lied „Hasta siempre comandante“ – auf immer um ewig, Kommandant – hat sich zu einer Art Nationalhymne entwickelt. Der Geist Guevaras lebt weiter auf der Insel und manifestiert sich in diesem Diktum: “Man trägt die Revolution nicht auf den Lippen, um von ihr zu reden, sondern im Herzen, um mit ihr zu sterben.“ Doch die meisten Kubaner haben die Nase gestrichen voll von derart inhaltlosen Parolen und Castros ständig wiederholtem Aufruf: „Revolución o muerte.“ Die Menschen wollen nicht für eine Ideologie sterben, sondern ein besseres Leben in einem Land, das die Natur so reich beschenkt hat. Liebevoll beschreibt Cropp die tropische Pracht Kubas in all ihren Facetten und dokumentiert in jeder Zeile, wie eingehend er sich mit der Fauna und Flora der Insel beschäftigt hat.
Über Santa Ifigenia geht es heute zum berüchtigten Guantánamo, einem trostlosen Ort mit real existierenden sozialistischen Plattenbauten. „1903 besetzte die amerikanische Marine die südöstlich gelegene Bucht, seitdem gibt es Streit,“ resümiert Cropp lakonisch. Wohin der letztlich führte, wissen wir aus Beschreibungen von Folterungen in diesem von den Amerikanern betriebenen Straflager, das trotz aller Beteuerungen bis heute nicht aufgelöst ist und nur noch alte und kranke Insassen beherbergt. Verlassen wir dieses Schandmal fehlgeleiteter Politik und wenden uns der fast unberührten Natur zu, die der Autor nach seiner Exkursion in die Niederungen menschlicher Unbelehrbarkeit aufsucht. Seine Naturbetrachtungen gehören zum Lesenswertesten des Buches. Wer hatte je zuvor von dem Monte-Iberia-Fröschchen gehört, das mit seiner Größe von 10 Millimetern auf einer Fingerkuppe Platz hat? Ob Riesenspitzmaus oder seltene Vogelarten wie der Zuzun, ein kolibriartiges Vögelchen, das gerade einmal 1,8 Gramm auf die Waage bringt, Cropp hat diese kleinen Wunder der Wildnis im Visier und lässt uns an seiner Begeisterung teilhaben. Während seiner Wanderung unter 40 Meter hohen Königspalmen, Drachen- und Trompetenbäumen droht ihm keine Gefahr. Denn Giftschlangen und Vogelspinnen sind auf Kuba unbekannt.
Auf zur Schweinebucht! Wer denkt da nicht an die gescheiterte Invasion der Amerikaner im Jahre 1962. Ein Desaster für den seinerzeit amtierenden Präsidenten John F. Kennedy. Diese Episode darf in keinem Buch über Kuba fehlen. Cropp hakt sie kurz ab und begibt sich geradeswegs ans Wasser. Denn an diesem Tag ist eine Tauch- und Beobachtungstour angesagt, die zur Laguna de las Salinas führt. Hier gilt es an Deck eines Bootes Delfine und Haie zu beobachten. Die kabbelige See tut diesem Vergnügen keinen Abbruch.
Unter Krokodilen auf Sumpfsafari
Eine Sumpfsafari in einem unwegsamen Gelände, in dem sich Krokodile von stattlicher Größe tummeln, ist ein Erlebnis besonderer Art. Hier ist äußerste Vorsicht geboten, denn die Echsen sind erstaunlich gewandt und schnell. Der Legende nach haben die Taino, Kubas Ureinwohner, in den Sümpfen ihr Gold vergraben, um es vor den gierigen Konquistadoren in Sicherheit zu bringen. Ob der sagenhafte Schatz immer noch tief im Schilf unter den langen Wurzeln ewig blühender Seerosen schlummert? Die Begegnung mit den „Kroks“ verläuft ohne Zwischenfall. Und so verabschiedet sich dieser ereignisreiche Tag „mit einem grandiosen Sonnenuntergang. bei dem der Feuerball wie eine flammende Orange im Röhricht versinkt, Wasser und Himmel in mystisches Lila taucht.“ Poetischer kann man „eines langen Tages Reise in die Nacht“ nicht beschreiben.
Hemingways Wohnzimmer in Finca
Obwohl der Autor bekanntermaßen kein Fan Hemingways ist, kommt er am Ende seines Kuba-Aufenthaltes wiederum an Papa nicht vorbei. Die aufregende Fangfahrt im blauen Strom erinnert an das Opus Magnum Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ und trägt demgemäß folgendes Zitat des Schriftstellers im Titel: „Der letzte Ort der Freiheit, den es gibt, ist das Meer.“ Cropp als ein mit den Wassern aller Meere gewaschener Fahrensmann ist kein ambitionierter Fischer, aber kann der Versuchung nicht widerstehen, auch einmal einen großen Fisch zu fangen. Bald hat er einen kapitalen Thunfisch am Haken. Nach einem langen Kampf mit diesem Meeresbewohner ist er fix und fertig und fragt sich nach dem Sinn der Übung. Was hat der Fisch ihm getan? Hat er nicht Besseres verdient als den Tod?
Versunken in voluminösen Kunststoffledersitzen eines Cadillac
Szenenwechsel. Dort, wo das Abenteuer Kuba begann, findet es auch sein Ende – in Havanna. „Gerade versinke ich in den voluminösen Kunststoffledersitzen eines Cadillac mit steilen Heckflossen. Eingequetscht zwischen einer Hausfrau mit vollen Tüten und einem Liebespaar. Der Dinosaurier ist mindestens 70 Jahre alt und nennt sich Taxi Particular.“ Wer schon einmal auf Kuba mit einem solchen Ungetüm auf den engen Straßen unterwegs war, weiß, wovon der Autor spricht. Das ist Lokalkolorit pur! Noch ein paar Tage auf der Insel und Cropp muss die Heimreise antreten. Ein Abschied, der wehmütig stimmt. Salud y adiós.
Mit „Kuba, Hemingway, eine Cohiba + ich“ hat Wolf Cropp wieder ein exzellent geschriebenes Buch vorgelegt, das jedem empfohlen wird, der Kuba besuchen oder aus der Ferne kennenlernen möchte. Bemerkenswert sind nicht nur die Beschreibungen von Land, Leuten und der einzigartigen Natur der Karibikinsel, sondern auch die geschichtlichen und ethnischen Bezüge, die ein paradiesisches Fleckchen Erde prägen, auf das vor nunmehr über fünfhundert Jahren ein Europäer zum ersten Mal seinen Fuß setzte. Mit den bekannten Folgen.
Online-Spaß
Kuba, Florida
Cool durch Havanna
„Kuba, Hemingway, eine Cohiba + ich“ von Wolf Cropp, erschienen im Verlag Expeditionen, 304 Seiten, ISBN 978-3-947911-55-4, kostet 22 Euro
Unsere Gegenwart ist die Zeit der geistig-seelischen Wende, für jeden von uns daher auch lebensentscheidend. Die Spiritualität findet im Alltag und im Leben jedes einzelnen Menschen jene Aufmerksamkeit, die diese Welt ins Positive verändern wird.
Das wahre Leben kennt nur Gegenwart, Harmonie, Licht, Liebe, Glückseligkeit, Wahrheit und Unschuld. Das wissen wir Menschen – egal, wo wir uns auf diesem Planeten befinden. Wir Menschen haben all das sogar in unseren Seelen gespeichert, wollen es allerdings nicht immer oder nur teilweise wahrnehmen und wahrhaben und vor allem nicht in die Tat umsetzen.
Deshalb sollte es wieder zur prioritären Aufgabe aller Kunstbereiche werden, Hilfe zu leisten und die Menschen auf die spirituellen Werte des Lebens hinzuweisen. Demzufolge spricht sich jetzt der Urheber dieses Manifests ganz klar für das Ikigai als Ziel eines kollektiven Glücks aus.
Eine japanische Lebensphilosophie
Das Ikigai ist eine japanische Lebensphilosophie, und Ziel des Autors dieses Manifests ist es, auch für die deutschsprachige Lyrik den japanischen Namen IKIGAI zu übernehmen.
Ikigai ist ein japanisches Wort und bedeutet auf Deutsch so viel wie Lebenssinn, Freude oder Wert des Lebens. “Iki” bedeutet Leben und “gai” Wert. Ikigai ist auch bewusste Wahrnehmung sowie Selbstfindung und Selbstverwirklichung jenes Wesens, das man selbst ist.
Im Wort Ikigai ist schon alles enthalten, wonach der Mensch streben und auch suchen sollte: das eigene und das kollektive Glück.
Die Suche nach dem Ikigai ist ein Prozess innerhalb einer Vielfalt von Existenzen.
Die Ikigai Lebensphilosophie will sich jetzt ganz sicher nicht zufällig im deutschen Sprachraum verbreiten, sondern aus der bereits genannten spirituellen Notwendigkeit des einundzwanzigsten Jahrhunderts heraus.
Das Ikigai will sich als literarische, aber noch mehr als spirituelle Strömung der japa- nischen Kurzlyrik in deutscher Sprache durchsetzen. Es ist deshalb also nicht nur eine lyrische Gattung oder Form, sondern eine Lebenseinstellung, ein Lebensweg und ein Lebensauftrag, welche sich einiger japanischen Kurzlyrikformen und Kurzlyrikgattungen bedienen.
Das Ikigai bezieht sich vor allem auf die japanischen Lyrikformen und Gattungen wie Haiku, Senryu, Haibun, Haiga und Tanka, die im deutschen Sprachraum seit dem zwanzigsten Jahrhundert – sei es in japanischer Sprache als Original, als auch in deutscher Sprache als Übersetzung oder als Neuschaffung – in Erscheinung treten.
Ikigai ist nichts Geringeres als das allumfassende essenzielle Thema, um welches sich das ganze Leben dreht.
Ikigai ist also ein Sammelbegriff. Alle in diesem literarischen Manifest genannten japanischen Lyrikgattungen und Formen in deutscher Sprache dienen dem Ziel des kollektiven Glücks und werden hier deshalb als Ikigai bezeichnet.
Alles ist und hat Ikigai
Der Verfasser des Manifests will sogar von der grundlegenden Erkenntnis ausgehen: Alles ist und hat Ikigai, und jeder ist und hat Ikigai.
Die deutschsprachige Ikigai Kurzlyrik nach japanischem Vorbild will nach dem Wert des Lebens, also nach dem kollektiven Glück suchen und in diesem Zusammenhang und Kontext an die japanische literarische Blütezeit in der Edo-Periode anknüpfen.
Religionen, Philosophien und Denkweisen wie Shintoismus, Taoismus, Konfuzismus, Buddhismus und vor allem Zen-Buddhismus sollen das deutschsprachige Ikigai unterstützen.
Die deutschsprachigen lyrischen Ikigai Dichtungen nach japanischem Vorbild sind einerseits ausgesprochen der japanischen Tradition verpflichtet, andererseits aber auch der japanischen Moderne.
Da für jeden Ikigai-Dichter der Ausgangspunkt seiner Lyrik seine gegenwärtig geistig-seelische Ebene ist und das Ikigai sein sich gesetztes Ziel, darf die deutsch-sprachige Ikigai Dichtung nicht als spirituell vollkommenes Werk verstanden werden.
Der Frosch ist in Japan ein Glücksbringer. Foto: Gontran Peer
Dem Ikigai-Dichter muss es darum gehen, dass die Natur, die Umwelt sowie die Mitmenschen an seinem Alltag sowie an seinem inneren Leben vollkommen teilhaben können – um zu erreichen, dass er in einem immer umfassenderen Bewusstseinzustand die Freiheit des Geistes, also das Glück schrittweise für sich findet und es dann anderen Menschen weitergeben kann.
Der verantwortungsvolle Auftrag sowie die besondere, große Aufgabe des Ikigai-Dichters besteht darin, seine Leser sowie Zuhörer durch seine Lyrik schrittweise zum geistig-seelischen Glück zu verhelfen.
Das ist die Gegenwart, das ist die Wende. Es lebe hoch die Gegenwart – und hoch lebe die Wende!
Ebenda im einundzwanzigsten Jahr des einundzwanzigsten Jahrhunderts
Sie kamen im Doppelpack: Zwei Fahrensleute im besten Mannesalter, de wat to vertellen hebt. Wolf Cropp eröffnete die Lesung im wohl klingenden Bariton mit dem Shanty „Ick heff mol en hamborger Veermaster sehn, to my hoodah. to my hoodah, de Masten so scheef as den Schipper sien Been…“
Ein passender Einstieg in einen Törn mit der Viermastbark „Peking“, die der agile Autor im September letzten Jahres unternahm, als er die Verholung der aufwendig restaurierten Bark von Glücksburg nach Hamburg begleitete. Wolf ist Mitglied der „Freunde der Viermasterbark Peking e.V.“ und Experte bezüglich der Entstehungs- und Erfolgsgeschichte dieses ehrwürdigen Windjammers. Die „Peking“ ist einer der vier noch erhaltenen legendären Flying P-Liner der Hamburger Reederei Laeisz, die am 25. Februar 1911 zum ersten Mal auslief. Inzwischen ist das prachtvolle Segelschiff in die Jahre gekommen und reif fürs Museum. Sein künftiger Liegeplatz wird vermutlich bis zur Fertigstellung des Deutschen Hafenmuseums der Kleine Grasbrook sein. Da klingelt doch etwas. Wurde nicht im Jahre des Herrn 1401 direkt nebenan der berühmt-berüchtigte Seeräuber Klaus Störtebeker hingerichtet, den romantische Seelen zum Robin Hood der Meere verklärten?
Wolf-Ulrich Cropp
Doch zurück zur “Peking“, über deren abenteuerliche Reisen auf den Weltmeeren Wolf Cropp so anschaulich berichtet, dass man meint, dabei gewesen zu sein. „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er drei Mal um Kap Hoorn“, zitiert der Autor einen alten Seemannsspruch und schlägt mit seinen abenteuerlichen Erzählungen über Cap Horniers und deren gefährliche Unternehmungen das Publikum in seinen Bann.
Exkursion in die Sahara
Szenenwechsel. Nahtlos tauchen wir ein in geheimnisvolle Wüstenlandschaften, in die selten ein Europäer den Fuß setzt. In einer der fünfzehn Kurzgeschichten in „Jenseits der Westwelt“ beschreibt Cropp seine Erfahrungen während einer Exkursion in die Sahara. Nach einem Besuch bei den Tuareg findet er sich plötzlich mutterseelenallein in der Wüste wieder. Denn während er die Gegend erkundete, hatte der Stamm seine Zelte abgebrochen und sich auf den Weg zum nächsten Rastplatz gemacht. Rund um den Fremdling nur Sanddünen und eine atemlose Stille, wie er sie noch nie erlebt hatte. Was bei den meisten Panikanfälle ausgelöst hätte, führt Cropp zu Frieden und tiefer innerer Einsicht. Eine Erzählung, die tief bewegt und zum Nachdenken anregt.
Das Meer und Helgoland
Reimer Boy Eilers
Reimer Boy Eilers ist aus ähnlichem Holz geschnitzt wie Wolf Cropp. Auch er ist ein weit gereister Mann, der das Meer über alles liebt. Besonders die Nordsee. So lautet auch der schmale Band „Mehr Nordsee“, aus dem der Autor ein Gedicht zum Besten gab, bevor er zu seinem 570 Seiten starken Opus Magnum „Das Helgoland. der Höllensturz: Oder wie ein Esquimeaux das Glück auf der Roten Klippe findet“ überging. Hinter diesem etwas sperrigen Titel verbirgt sich ein äußerst kniffliger Kriminalfall, der sich Anfang des 16. Jahrhunderts auf Helgoland abspielte oder sich abgespielt haben soll. Ein Kapitän aus Amsterdam, der Station auf dem Roten Felsen macht, stürzt die Treppe zum Oberland hinunter. Er stirbt – horribile dictu – ohne die Sakramente der Heiligen Kirche empfangen zu haben, und wird von den Insulanern auf dem Friedhof der Wasserleichen und Namenlosen hoch oben in den Dünen verscharrt. Ist der Mann durch einen Unfall zu Tode gekommen oder war es Mord? Das ist die Frage, die den Autor bewegt. Die Ermittlungen werden von einem Mann namens Pay Edel Edlefsen und seinem Freund und Jagdgefährten Equimeaux Quivitoq, genannt Menschenkind, geführt. Und das gegen den Willen des Fischerhauptmanns, Pays Vater Boje Edlef. Hat der Hauptmann etwas zu verbergen? Bevor der Fall geklärt ist, wartet die Nordsee mit einer Reihe höllenartiger Stürme und anderer Unbill auf.
Der verscherbelte Kalkfelsen
Autor Eilers las einem andächtig lauschenden Publikum mehrere Kapitel seines Thrillers vor und erklärte nebenbei allerhand Wissenswertes über das rote Kliff, Deutschlands einzige Hochseeinsel. Wer wusste zum Beispiel, dass Helgoland einst neben der Langen Anna noch ein weiteres Wahrzeichen hatte? Der schneeweiße Kalkfelsen, von dem die Rede ist, existiert seit langem nicht mehr. Er wurde vom Landesherrn gegen klingende Münze verscherbelt, ohne dass er die Insulaner zuvor um ihre Zustimmung gebeten hatte. Profit stand eben seinerzeit schon an erster Stelle. Was interessierte schon die vox populi? Auch über die strengen Sitten und Gebräuche von anno dunnemals auf der Insel weiß der Autor anschaulich zu berichten. Ein durch und durch ebenso lesenswertes wie spannendes Buch. Eine ausführliche Besprechung von „Das Helgoland, der Höllensturz. Oder: Wie ein Esquimeaux das Glück auf der Roten Klippe findet“ wird in unserem DAP Online-Magazin erscheinen, sobald die Rezensentin den dicken Wälzer von weit über fünfhundert Seiten vollständig gelesen hat.
Vom Cap Horn zum Cap Hornisse
Die Lesung fand in einer sehr entspannten Atmosphäre statt. Frei von Genderei und „Gedöns.“ Ohne Zweifel wird es inzwischen auch weibliche „Cap Horniers“ geben, die die gefährliche Umrundung des Kaps mit Bravour meistern. Aber wie sollen wir die im Zeitalter des nahezu militanten Feminismus nennen? Ich habe da einen Vorschlag zur Güte: Wie wäre es mit „Cap Hornisse?“ Klingt gut und hat etwas unverkennbar Martialisches.
Wem eine bessere Lösung für dieses weltbewegende Problem einfällt, möge sich melden. Ach ja, und Esquimeaux oder Eskimo geht natürlich gar nicht, lieber Reimer Boy Eilers. Das soll ja Fleischfresser bedeuten und ist daher in Zeiten von Veggitum und Veganismus total verpönt. Immer dran denken: Heute ist Inuit angesagt. Man möge es den Helgoländern verzeihen, dass sie diese Sprachregelung im 16. Jahrhundert noch nicht kannten!
Sabine Witt
Die Zuhörer applaudierten den beiden Autoren und freuten sich über diesen gelungenen Abend in den Bethanien-Höfen. Ein herzliches Dankeschön geht an Sabine Witt, die Vorsitzende der Hamburger Autorenvereinigung, die die Lesung gewohnt charmant moderierte.
Susanna M. Farkas, Gerrit Pohl, Charlotte Ueckert und Ralf Plenz (v.l.n.r.)
Zum Start der Reihe „Perlen der Literatur“ hat der Input Verlag aus Hamburg die ersten 13 Bände vorgelegt. Verlagsinhaber und Büchermacher Ralf Plenz führt hier seine Vorlieben für anspruchsvolle Literatur, handgemachte Bücher sowie für Kalligrafie zusammen.
Plenz hat sich für sein Vorhaben, für das er 2018 beim Schreiben seiner Romantrilogie die erste Idee hatte, ein Team aus einer Literaturwissenschaftlerin, einer Autorin und und einem Übersetzer zusammengestellt – denn der Plan ist nichts weniger als eine Neuauflage europäischer Literatur als Kontrapunkt zur amerikanischen Literatur, die den Buchmarkt derzeit dominiert.
Gekürzt, vereinfacht, neu übersetzt
Bei den „Perlen der Literatur“ geht es ausschließlich um bereits im 19. oder 20. Jahrhundert erschienene und seinerzeit erfolgreich gewesene Bücher. „Sprachgewaltig, aber vergessen“, so Ralf Plenz. Zur Auswahl der Titel werden Germanisten, Anglisten und Romanisten, Buchhändler, Bibliothekare, Psychologen und Vielleser befragt; dann wird die Auswahl von einem Beirat kuratiert und von Ralf Plenz herausgegeben. Dieser kauft nach Möglichkeit die Erstausgabe eines Titels antiquarisch, um wirklich den Originaltext und nicht eine bereits lektorierte oder übersetzte Version als Basis zu nehmen. Die Autorin und Gesangspädagogin Susanna M. Farkas, der Autor und Übersetzer Gerrit Pohl und die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Charlotte Ueckert bilden das Team um Ralf Plenz, das sich mit dem Lektorat und der Übersetzung beschäftigt. Ein interessantes Unterfangen ist es dabei, dass die Texte auch bearbeitet werden. So hat Susanna M. Farkas den Roman „Schatzinsel“ verkürzt und vereinfacht, um Passagen ohne Brüche zu verbinden. Gerrit Pohl hat in der Neuübersetzung von „1984“ sprachliche Anpassungen an die „Jetzt-Sprache“ vorgenommen und den Satzbau angepasst. Was im ersten Moment verwundert und als kühn anmutet, erweist sich im näheren Befassen mit „Bezaubernder April“, eine ebenfalls von Gerrit Pohl neu übersetzte Version des als „Verzauberter April“ bekannten Romans Elisabeth von Arnims, als behutsame, wohl überlegte und angewandte Transferierung in die heutige Zeit. Der anspruchsvolle, leicht ironische Erzählstil von Arnims bleibt erhalten, auch die Sprache ist als aus einer anderen Zeit stammend erkennbar – jedoch liest sich Pohls Übersetzung sehr flüssig und angenehm, sodass die Hoffnung des Verlegers Ralf Plenz, auch jüngere Leute für diese Bücher zu interessieren, zumindest nicht an der Erzählsprache scheitern dürfte. Auch wenn Charlotte Ueckert nach eigenem Bekunden manchmal „Bauchschmerzen dabei hat, Weltliteratur zu verändern“ und sie sich mit Ralf Plenz zuweilen „fetzt“ – was nützt die schönste Literatur, wenn sie heute nicht mehr verstanden und gelesen wird?
Mit Hingabe zur Buchgestaltung
Die Zeitspanne, in der die jeweiligen Autoren lebten, und die Hintergründe des literarischen Werks sind in jede Ausgabe der „Perlen der Literatur“ eingebettet. Da gibt es Abbildungen der Originalausgaben und die Banderole enthält Informationen und Autorenbilder. Überhaupt ist die Ausstattung der Reihe bemerkenswert. Jede Ausgabe, Hardcover mit Fadenbindung, bekommt ein individuelles Vorsatzpapier, dessen Design mit dem Inhalt zusammenhängt, und einen Leineneinband. Die Vorsatzpapiere gestaltet der Bruder des Verlegers, der Grafiker Jörn Plenz. Statt eines Lesebändchens bekommt jeder Band eine individuell gestaltete Banderole, die mehrere Funktionen erfüllt: Sie lässt, im Gegensatz zu einem Buchumschlag, die Haptik des Leineneinbands erspüren, wenn man das Buch in Händen hält; sie fungiert als Lesezeichen, enthält Informationen und ist auf der Außenseite von Ralf Plenz kalligrafisch mit Wortkunst gestaltet, die wiederum Bezüge zum Inhalt aufweist. Stellt man die Bücher in der korrekten Reihenfolge ins Regal, ergibt sich eine Gesamtgrafik aller Banderolen auf den Buchrücken – so entsteht die Perlenkette fürs Bücherregal. Jedes Jahr sind acht Titel geplant, jeder Jahrgang bekommt eine andere Farbe, sodass die Reihe für Buchsammler attraktiv ist, die einen schönen Anblick im Regal zu schätzen wissen. Dabei ist der Preis von 15 Euro pro Buch sehr günstig, denn es liegt dem Verleger am Herzen, dass viele Menschen sich die Bücher leisten können.
Neben den erwähnten, recht bekannten Buchtiteln finden sich getreu dem Motto der Reihe auch Titel, die es neu zu entdecken lohnt. Mitten im Ersten Weltkrieg schrieb beispielsweise Felix Timmermans 1916 über den pfiffigen Bauer „Pallieter“, der zu einem flämischen Nationalheld wurde, ähnlich dem deutschen Till Eulenspiegel. Der hunderttausendfach gelesene, übersetzte und sogar verfilmte Roman mit hinreißenden Naturbeschreibungen ist „heute, in einer Zeit, in der Sinnsuche in Konsum und Besitz kaum mehr Grenzen kennt und anerkennt, aktueller denn je – das perfekte Buch zur Entschleunigung“ (Verlagstext). Ein Kleinod ist auch Walter Benjamins „Einbahnstraße“ mit kurzen Texten, Impulsen und Aphorismen.
Alles in allem sind die „Perlen der Literatur“ ein gelungenes Gesamtkonzept, dem ein respektabler Platz im Buchmarkt zu wünschen ist.