Eine andere Einsamkeit – Hochsensibilität als Romanthema

von Maren Schönfeld

(c) Kadera Verlag
(c) Kadera Verlag

Während ich das Gefühl habe, dass unsere Welt immer lauter wird, immer voller mit Informationen und Nachrichten, stolpere ich über ein Buch, dessen Thema das genaue Gegenteil ist: Die Stille. Nicht die Stille in der Natur oder in der Nacht, sondern die Stille als ein Grundbedürfnis des Menschen. Es ist kein kontemplatives Sachbuch mit Anleitung zur Meditation, sondern ein Roman aus dem Hier und Jetzt, über eine Frau, die schon in ihrer Kindheit an dem Zuviel ihres Umfelds leidet. Als ihre Schwester geboren wird, melden die Eltern die dreijährige Xenia im Kindergarten an. Das Kind erlebt diesen Ort als die „Große Qual“ (S. 13), dessen Lärmmischung aus Geschirrgeklapper, Geschmatze, Geschrei und als Krönung der immer wieder erklingenden „Vogelhochzeit“ kaum auszuhalten ist. Ihre Versuche, sich innerhalb dieser Struktur zurückzuziehen, in Ecken zu verschwinden und allein zu spielen, scheitern an dem Eingewöhnungsprogramm der Erzieher. Xenia fühlt sich verkehrt, und dieses Gefühl soll ihr prägendes werden. Denn es wird nicht besser. Continue reading „Eine andere Einsamkeit – Hochsensibilität als Romanthema“

Tadschikistan – „das Land der Krone“

von Ferenc Horvath (Text und Fotos)

Bild 2
Bild 2

Man nennt dieses in Zentralasien gelegene Land wegen seiner Form auch „Hasenland.“ Es ist auch das Land der Arier, das zu 93% aus Gebirgszügen besteht – den höchsten in der seinerzeitigen Sowjetunion. Der höchste Berg ist die Leninspitze. Das Territorium weist zudem 2.000 Seen und 8.000 Gletscher aus. Ein weiterer Superlativ sind 300 Sonnentage im Jahr. Ein atemberaubendes Land! Continue reading „Tadschikistan – „das Land der Krone““

Transistrien – ein unbekannter europäischer Nachbar

Transistrien III
Transistrien III

von Ferenc Horvath

Existiert dieses Land namens Transistrien eigentlich wirklich? Ja, denn de facto ist es laut Wikipedia seit 1992 unabhängig. „Im Jahre 2004 hatte Transistrien 555.000 Einwohner. Es ist ein bedeutendes Zentrum der Schwerindustrie und steht unter entscheidendem russischen Einfluss. Völkerrechtlich wird die Region allerdings weiterhin als Teil Moldawiens betrachtet. Bislang erkennt kein anderer Staat, keine andere Region oder internationale Organisation das Land als souveränen Staat an. Transistrien ist aber seit 1990 faktisch von der Zentralregierung in Chisinau unabhängig und verfügt u.a. über eine eigene Regierung und Währung. Gleiches gilt für die Verwaltung und das Militär. Das Land ist Continue reading „Transistrien – ein unbekannter europäischer Nachbar“

DON’T LOSE THE PLACE – THE NEW PLAY AT THE ENGLISH THEATRE OF HAMBURG

by Uta Buhr
Photos: Stefan Kock

The English Theatre of Hamburg 2016 DON´T LOSE THE PLACE
Eddie, be a sport and come to the guest-room

Rejoice and look forward to a performance of a wonderful comedy at your favourite theatre in Hamburg! All those who never miss a play at the TET already know and love Derek Benfield, one of Britain’s foremost theatre playwrights, who not only wrote some extremely amusing comedies, but at the same time appeared himself on stage in several plays. Experts agree that he was a very gifted actor. What a pity that this man who gave so much joy to millions of people died in 2009 at the age of 83. Anyway, Derek will no be forgotten as long as his plays are performed in theatres and on TV stations worldwide. But now let us have a look at Sylvia and her unique idea to find the “ideal husband.” Continue reading „DON’T LOSE THE PLACE – THE NEW PLAY AT THE ENGLISH THEATRE OF HAMBURG“

DON’T LOSE THE PLACE – Das neue Stück am English Theatre of Hamburg

von Uta Buhr
Fotos: Stefan Kock

The English Theatre of Hamburg 2016 DON´T LOSE THE PLACE
Eddie, sei ein guter Junge und komm mit ins Gästezimmer

Vorweihnachtszeit ist Lustspielzeit an der Mundsburg. Das vom britischen  Erfolgsautor Derek Benfield geschriebene Stück hat das Zeug zu einem Kassenschlager! Denn wer erfreut sich an trüben Wintertagen nicht an diesem temporeichen Verwirrspiel um Liebe und Täuschung, das bereits unter dem Titel „Falscher Tag – falsche Tür“ an verschiedenen deutschen Theatern Furore machte.

Der Plot selbst ist auf den ersten Blick schlicht: Sylvia, eine hübsche erfolgreiche Boutiquebesitzerin, die in einem schicken Londoner Vorort mit Blick auf einen Flusslauf – vermutlich ein Nebenarm der Themse – residiert, ist gerade von ihrem langjährigen Freund betrogen und verlassen worden. Was liegt da näher, als sich nach einem anderen Mann umzusehen. Motto: Andere Mütter haben auch schöne Söhne. Doch sie will diesmal auf Nummer sicher gehen. Deshalb wählt sie gleich drei Männer als mögliche Ehepartner, die unterschiedlicher nicht Continue reading „DON’T LOSE THE PLACE – Das neue Stück am English Theatre of Hamburg“

se Weisswörst änd se Brezl, Bäibie*

von Maren Schönfeld

Buchcover
Buchcover

Nach 30 Jahren hochdeutscher Dichtung, in der er sich vor allem durch eine sehr eigenwillige Art des Enjambements einen Namen machte, hat Anton G. Leitner nun seinen ersten Gedichtband in bairischer Mundart vorgelegt. Neben Fitzgerald Kusz mit Gedichten in fränkischer Mundart, häufig in der jährlich erscheinenden Zeitschrift DAS GEDICHT aus dem Anton G. Leitner Verlag vertreten, kenne ich eher plattdeutsch-hochdeutsche Bücher, was sicherlich an meinem nördlich gelegenen Wohnort liegt. Hat Kusz mir schon immer viel Freude bereitet, habe ich an Schnablgwax diebisches Vergnügen. Gar nicht so einfach für eine Hamburger Deern, das bairische Kauderwelsch auseinander zu tüdeln! Im Zuge dieser Bemühungen fange ich also an, laut zu lesen. Laut lesen, das ist ohnehin sehr gut bei Gedichten, und die mundartlichen Versionen laden förmlich dazu ein. Zwar gibt es auch Aufnahmen des Autors, jetzt sogar als Hörbuch, aber Spaß bringt es doch, es selbst zu versuchen. Oft kann man durch lautes Lesen hinter die Bedeutung der wirklich schräg aussehenden Wörter mit vielen Doppelmitlauten kommen. Schaut man dann auf die hochdeutsche Übersetzung, merkt man schnell, dass hier nicht einfach eine Handreichung zum Verständnis vorliegt, sondern dass Leitner auch in der hochdeutschen Variante seine satirische Komponente zu halten vermag. So wird aus „seina Oidn“ seine „Angetraute“ („Da Mezzgamoasda mediddiad“, S. 22/23) und „Gscheid Continue reading „se Weisswörst änd se Brezl, Bäibie*“

„Mephistos“ Geldschwemme: Schuldenberge bei maroder Infrastruktur und wachsender Ungleichheit

Text und Foto:Dr. Immo H. Wernicke, Berlin

Aquarium im Foyer des Tagungshotels
Aquarium im Foyer des Tagungshotels

Dank der Geldpolitik des Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi, die manchen an Mephistos Einflüsterungen erinnern, schwimmen die Staaten in Geld mehr als Fische im Wasser eines Aquariums (Foto).

Gewaltige Schuldenberge sind auch in Deutschland entstanden, aber die Infrastruktur wird zusehends maroder, erhofftes Wachstum bleibt aus, Immobilienpreise explodieren, und die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen steigt. Zur Diskussion dieser Thematik bot der jährlich stattfindende True-Sales-International-Kongress im September in Berlin Finanzexperten, Bankmanagern und Finanzpolitikern zum 10. Mal ein adäquates Forum.

Im Vordergrund stand die Frage, wie mit Kreditangeboten durch Verbriefung von Forderungen mittelständischer Unternehmen (Asset Backed Securities) Investitionen für Innovationen und Wirtschaftswachstum bewirkt werden können. Kritiker sehen nicht die mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten des Mittelstands als wesentliche Ursache für die Wachstumsschwäche, sondern gesättigte Märkte und stagnierende Nachfrage. Continue reading „„Mephistos“ Geldschwemme: Schuldenberge bei maroder Infrastruktur und wachsender Ungleichheit“

Cherchez la femme d´Orient… 

BuchcoverWeiblichkeit, Verschleierung, Bilderverbot – ganze Themenkomplexe eröffnen sich bei der Lektüre der herausragenden Arbeit der Theaterwissenschaftlerin Skwirblies, die in der Reihe Kleine Mainzer Schriften zur Theaterwissenschaft im Tectum Verlag erschienen ist. So  geht es in dieser interkulturellen und transdisziplinären Studie um Individuierung und Repräsentation, um Eros und Macht, um Sex, Gender und Identität im Spannungsfeld der Geschlechter und Kulturen. Im muslimisch-christlichen Gefüge, in dem naheste Verwandtschaften im Gefolge aufgeheizter Extremismus-Debatten glatt vergessen werden (vgl. Bertau, 2005), ein wohltuender Blick aus wissenschaftlicher Perspektive.

Schleier und Verhüllung in ihrer Verarbeitung in den performativen Künsten nach dem 11.September 2001 stehen im Blickpunkt der Arbeit. Die Chiffren, in denen der Schleier verhandelt wird, sind weit-gefächert, mehr-schichtig, rück-bezüglich, und in ihrer Komplexität nicht zu unterschätzen, sodass sich zur Lektüre von Skwirblies´
Arbeit eine weitere Beschäftigung mit Semiotik, (Post-)Strukturalismus, Psychoanalyse und Performanztheorie empfiehlt. Der Erkenntnisgewinn ist groß. Aber auch ohne zusätzliche Intensivierung macht das Buch Spaß, ein gewisses Grundwissen vorausgesetzt; und es gibt Einblicke in hochinteressante zeitgenössische Kunst-Aktionen. Die Verschleierungsdarstellungen im medial-künstlerischen Kontext so verschiedener Inszenierungen wie Princess Hijabs „Hijabizing“-Graffitis, dem Kurzfilm „Submission“ von Ayaan Ali und Theo van Gogh, den an Eve Enslers Vagina-Monologe angelehnten „Veiled Monologues” von Adelheid Roosen, und der Performance „Manta“ von Héla Fattoumi und Eric Lamoureux werden untersucht, und es wird deutlich, wie die extrakorporale Trennung der Geschlechter in der durch den Schleier symbolisierten geschlechtlichen Ordnung zum Gegenstand innerer und äußerer Auseinandersetzung wird.

Verhüllung wird hier als ´Differenzkonstruktion´ (Schneider, 2011) verhandelt, wobei einerseits das muslimische Besondere, der Schleier als Ausdruck der Sakralität des weiblichen Körpers (v.Braun, 2016), aber auch das differenzstiftende Allgemeine betrachtet werden. Der Schleier fungiert als Membran zwischen Innen und Außen, ähnlich der psychoanalytischen Auffassung des Randes als körperlich-anatomischer Grenze zwischen Innen und Außen, die die ent-scheidende Differenz zwischen Ich und Nicht-Ich bildet. Analog erinnert dieser nicht nur an die in Südeuropa weiterverbreitete weibliche Praxis der Nutzung des Fächers (der gewiss nicht nur klimatische Gründe hat), sondern verweist auch auf Erkenntnisse des nur sehr selten anzutreffenden Faches der Psycho- und Soziogeographie, das mit dem vor einigen Jahren verstorbenen Kasseler Forscher Peter Jüngst ihren renommiertesten Vertreter verloren hat, sowie auf die ebenso seltene Ozeanographie in ihren psychosozialen Bezügen. Fächer, Schleier, aber auch Teppiche und Vorhänge sind in manchen Kulturräumen nicht ohne Grund fester Bestandteil von In- und Exterieur; verstanden als Barrieren, die mit Offen- und Geschlossenheit zu spielen wissen (vgl. Critchley & Webster, 2014), weisen sie weit über die alltägliche Wahrnehmung derer hinaus. Eingang in die Alltagskultur haben sie ohnehin gefunden: Schuh- und Wäsche-Hersteller wissen um dieses Spiel, und wenn der größte Stoffteil eines Wäschestücks aus einem an der Vorderseite locker vernähten Stück Gaze besteht, heißt er ‚avec un voile‘ – mit Schleier.

Verbergen und enthüllen ist also das Thema, und auch das Meta-Thema der im Band vorgestellten Kunst-Aktionen. Gibt es etwas zu enthüllen? Oder sind die Inhalte in den Formen, den Ritualen, in der Praxis aufgegangen? Oder sowohl als auch? Das Wechselspiel von (Post-)Kolonialismus und kultureigenem Feminismus ist oft schillernd, selten leicht zu fassen, und Rollenzuschreibungen sowie Selbst-Erleben sind bei weitem nicht so eindeutig wie man im Westen gerne annehmen möchte.

Zum Thema lassen sich historisch etliche Querbezüge in Hoch- und Popkultur herstellen. Einer der interessantesten ist gewiss Nathaniel Hawthornes Kurzgeschichte „The Minister´s Black Veil“ von 1837, in der das christliche Konzept der Erbsünde einer tiefenpsychologisch anmutenden Kritik unterzogen wird. Die Gemeinde muss sehen lernen; sie erblickt Eigenes im Anderen, was die Projektion als Maßnahme zur Abwehr der eigenen Unzulänglichkeit deutlich werden lässt. Und auch Pauline Réages 1954 erschienene „Geschichte der O“, diese einflussreiche Fabel von Unfreiheit und Sadomasochismus, sowie „Emmanuelle“ von Emmanuelle Arsan (1959) und „Neuneinhalb Wochen“ von Elizabeth McNeill aus dem Jahr 1978 geben erzählerische Einblicke in die westliche Spätmoderne, in der Verschleierungen in der einen oder anderen Form auftauchen. Interessant ebenso, dass auch diese Werke alle von Rollen, Sex und Beziehung handeln, während zur Jahrtausendwende BDSM rasch in den anomischen Alltag einwandert (Illouz, 2013). Im westlich-postmodernen Kontext kann dies bedeuten: “The paradox of sexual liberation is that when everything is possible, nothing is possible. When we are liberated from all those dreary old bourgeois repressive constraints, we are suddenly disoriented and unable to act. The hidden consequence of sexual freedom is impotence. (…) But the truth is, it is only repression that keeps desire alive” (Critchley & Webster, 2014).

Von der Gesellschaftsdiagnose zum Subjekt und wieder zurück; dies sind die potentiellen Stationen der behandelten Stoffe ganz allgemein – ähnlich der Sozialwissenschaftlerin Reyhan Şahin, die mittels ihres Alter Ego als Lady Bitch Ray auf die ´pussisi delik´ als östlich-westlich-postmoderne Inszenierung zugreift – und des dichten Bandes von Skwirblies im Besonderen. Skwirblies bezieht  auch die ‚embodied science‘ mit ein, die Semiotik nicht losgelöst, sondern in den realen Körpern konzipiert – die dringend notwendige Erweiterung eines sonst körperlosen Diskurses. Wo liegt die Lust? Die libidinöse Aufladung? An den Rändern, würde wohl auch Lacan sagen und wiederum auf das Zwischen von Innen und Außen verweisen. Und wo liegen Macht und Gewalt? Das Ich und der Andere gehen immer eine soziale Beziehung ein, der Gewalt vorgängig sein könnte – nimmt man an, dass die Möglichkeitsbedingung der Herausbildung des Ich gegenüber dem Anderen bereits Gewalt darstellt (vgl. Boelderl, 2001). Erst die spätere Ausgestaltung dessen, was folgt, kann Milderungen schaffen.

„Vielleicht ist die Wahrheit ein Weib…“, spekulierte Nietzsche (vgl. Schulte, 2000). Die Annäherung derer in Skwirblies´ Arbeit verweist auf die Darstellung der Vulva, der weiblichen Scham, die verschleiert wird, weil dahinter das Nichts lauere – wie es die orthodoxe Psychoanalyse sieht –, im Gegensatz zum männlichen Genital, das sichtbar sei. Das ist der eigentliche biologische Skandal, aus dem dann ein sozialer wird – aber womöglich nicht werden muss? Oder doch in der psychischen Tiefenschicht bleibt? Ähnlich zitiert Skwirblies auch Joan Rivière,  die mit ihrer Theorie der weiblichen Maskerade vor vielen Jahrzehnten ein gewisses Aufsehen erregte. Ist dahinter nichts, oder doch etwas?! Dies ist und bleibt die Frage, die nun auch Männern gestellt werden darf. Deren Unentscheidbarkeit muss zu praktischen Konsequenzen führen. Der tiefere Sinn von Gleichstellung und Genderdebatte, auch aus psychoanalytischer Sicht, ist die Chancengleichheit, und nicht die etwaige Verleugnung biologischer Gegebenheiten. Nur: nicht alles was sich biologisch gebärdet, ist biologisch. Erst an dieser Stelle beginnt die Debatte. Man muss nicht Camille Paglia sein; doch eine rein konstruktivistische Anthropologie ohne Essentialismus, sprich Biologie, ist und bleibt schwierig. Dies ist aber nicht der Autorin entgegenzuhalten, die eine in sich hoch konsistente Arbeit vorlegt, sondern der Ausklammerung von Körper, Leib, Begehren in Teilen von Semiotik und Strukturalismus, die Paglia wohl der jüdisch-christlichen Überbewertung von Sprache zu Ungunsten des Körperlichen zuschreiben würde. Dafür greift Skwirblies auch die Phämonenologie des Körperlichen auf, die Maurice Merleau-Ponty bereits zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts ausarbeitete, und die erhebliche Anknüpfungspunkte bietet.

Festzuhalten bleibt: Der Band von Skwirblies vollbringt glänzend den Balance-Akt zwischen Theorie und Praxis. Die exzellente Auswahl an szenischen Texten bzw. Aktionen und deren Bearbeitung lassen nicht zu wünschen übrig und bieten reichlich Diskussionsstoff. Und auf relativ knappem Umfang solch einen hohen inhaltlichen Ausschöpfungsgrad zu erreichen ist ungewöhnlich. Der Band ist, obschon komplexer Thematik, relativ leicht lesbar und denen zu empfehlen, die hinter die Oberflächen schauen möchten, um Verborgenes oder eben weitere Oberflächen – hinter, vor, oder auf den Oberflächen – zu entdecken.

 

Literaturhinweise:

Bertau, Karl (2005). Schrift – Macht – Heiligkeit in den Literaturen des jüdisch-christlich-muslimischen Mittelalters. Hg. Sonja Glauch. Berlin/New York: Walter deGruyter.

Boelderl, Artur R. (2001). Der Andere als ´social alter´. Die Ethik der Psychohistorie im Blick auf das Gewaltproblem. In: Kurth, W. & Rheinheimer, M. (Hg.). Gruppenfantasien und Gewalt. Jahrbuch für psychohistorische Forschung 1. Heidelberg: Mattes, S. 37-46.

Braun, Christina von (2016). Die symbolische Geschlechterordnung in den drei Religionen des Buches – Säkularisierung und Post-Sexualität. In: Sexuologie, Jg. 23, 1-2, S. 39-47.

Critchley, Simon & Webster, Jamieson (2014). Reproductive Wrongs. In: Playboy (US), May 2014, A-Z Special Edition, p. R.

Illouz, Eva (2013). Die neue Liebesordnung. Frauen, Männer und ´Shades of Grey´. Berlin: Suhrkamp.

Schneider, Irene (2011). Der Islam und die Frauen. München: C.H. Beck, S. 234-239.

Schulte, Günter (2000). „Vielleicht ist die Wahrheit ein Weib…“ (Nietzsche). Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Was ist Wahrheit?“, Universität Köln, 12.4.2000.

 

“Orphans” – The New Play at the English Theatre of Hamburg

by Uta Buhr
Photos: Stefan Kock

Listen guy, you too are part of the universe
Listen guy, you too are part of the universe

Have you ever heard of Lyle Kessler, the famous American playwright?  If not, you should not hesitate to make his acquaintance by buying a ticket for “Orphans”, which recently premiered at the TET. Written in the mid-eighties and recently revived on Broadway with Alan Baldwin in the role of Harold, it was given standing ovations by New York audiences. Other great actors such as Albert Finney and Al Pacino also fell in love with the wonderful stage figure Harold, who is a gangster and a benefactor at the same time. You don’t believe it.

Just start reading the following text and learn what is going on in the play. Continue reading „“Orphans” – The New Play at the English Theatre of Hamburg“

„Orphans“ – das neue Stück am English Theatre of Hamburg

von Uta Buhr
Fotos: Stefan Kock

Lieber Junge, auch du bist ein Teil des Universums
Lieber Junge, auch du bist ein Teil des Universums

In seinem Stück „Orphans“ (Waisen) lädt der amerikanische Bühnenautor Lyle Kessler sein Publikum zu einem Trip auf der Geisterbahn ein. Die Gratwanderung zwischen freundlicher Hingabe und teilweise extremer Gewalttätigkeit lässt so manchem das anfängliche Lachen auf den Lippen gefrieren. Fest steht, dass sich keiner während der zweistündigen Vorstellung auch nur eine Sekunde langweilen wird. Offenbar war es höchste Zeit, dieses vor nicht allzu langer Zeit wieder an  den Broadway zurückgekehrte Stück auf die Bühne des English Theatre zu bringen. Namhafte Schauspieler wie Albert Finney, Al Pacino und unlängst Alec Baldwin glänzten in diesem hinreißenden Drei-Personen-Stück, das erfrischend frei von jeglicher lähmenden politischen Korrektheit ist und in welchem am laufenden Band geflucht wird, was das Zeug hält. Continue reading „„Orphans“ – das neue Stück am English Theatre of Hamburg“

Ein begnadeter Fabulierer – Hommage zum  90. Geburtstag von James Krüss

Dieser Artikel erschien in der August 2016-Nummer des Deutschen Ärzteblattes

 von Uta Buhr

©Smilla Dankert
©Smilla Dankert

Wie haben wir uns doch immer auf ein neues Buch von James Krüss gefreut!
Die Lektüre war so spannend, dass keiner sie aus der Hand legen wollte, bevor nicht die letzte Zeile gelesen war. Besondere Leckerbissen: „Der Leuchtturm auf den Hummerklippen“ und „Timm Thaler.“ Beide wurden schon an den ersten Ferientagen verschlungen mit dem innigen Wunsch nach mehr Geschichten des Schriftstellers.

Auch die Hommage des gebürtigen „Hallunders“ James Krüss an seine Heimat Helgoland ist bis heute unvergessen: „Irgendwo ins grüne Meer hat ein Gott mit leichtem Pinsel, lächelnd wie von ungefähr, einen Fleck getupft, die Insel.“ Diese in Versform geschriebene, mit zauberhaften Skizzen des Autors selbst bebilderte Chronik stammt aus den Schicksalsjahren 1945-1946 – James Krüss war keine zwanzig Jahre alt –, Continue reading „Ein begnadeter Fabulierer – Hommage zum  90. Geburtstag von James Krüss“

Nichts ist mir zu klein: Fragmente in Farben und Eisen

von Maren Schönfeld

Wächter (Uwe Jaensch)
Wächter (Uwe Jaensch)

Wenn Uwe Jaensch über einen Schrottplatz geht und zum Beispiel eine alte Zange findet, dann sieht er keine alte Zange – sondern er sieht eine Skulptur, in die er diese Zange integriert, vielleicht als gehörnten Kopf. Der Eisenwerker enthebt banale und alltägliche Gegenstände ihrer ursprünglichen Bestimmung und führt sie zu neuen Identitäten. So entstehen Wächter, Meerjungfrauen, Schiffe und Figuren wie Don Quichotte und Sancho Panza. Der Arbeitsprozess besteht aus schweißen, trennen, schleifen und nach Erwärmung verformen. Dabei tilgt der Künstler keine Abnutzungsspuren, sondern lässt diese in der Skulptur die spezifische Oberflächenstruktur bilden. So sieht der Betrachter im ersten Hinschauen eine Figur, im zweiten identifiziert er die Zange, im weitergehenden Betrachten findet er die neue Bedeutung der Skulptur. So gelingt es Uwe Jaensch, mit geringen Mitteln ein Höchstmaß an Umdeutung zu erreichen. Continue reading „Nichts ist mir zu klein: Fragmente in Farben und Eisen“

Alstervergnügen auf dem historischen Dampfer „St. Georg“

von Uta Buhr
Fotos: Maren Schönfeld

Alsterfahrt 1
Alsterfahrt 1

Am 7. August feierte die Auswärtige Presse zusammen mit der Hamburger Autorenvereinigung ihr diesjähriges Sommerfest mitten auf der Alster. Also dort, wo die Hansestadt sich von ihrer schönsten Seite präsentiert. Mit dieser Veranstaltung begingen wir nachträglich auch den Geburtstag der Schriftstellerin und Journalistin Ruth Geede, die Anfang 2016 hundert Jahre alt wurde. Eine erstaunliche Frau mit einer noch erstaunlicheren Biografie, ein Mensch, der trotz seines hohen Alters auch heute noch jede Woche eine einseitige Kolumne in der Preußischen Allgemeinen Zeitung – kurz PAZ – veröffentlicht. Die Doyenne unserer beiden Vereinigungen ist die älteste noch tätige Journalistin der Welt. Wir verneigen uns vor der Schaffenskraft dieser Grande Dame des deutschen Journalismus. Continue reading „Alstervergnügen auf dem historischen Dampfer „St. Georg““

Das Glitzerimperium von Wattens – die Swarowski Kristallwelten

Dieser Artikel erschien am 31. Juli in Schleswig-Holstein am Sonntag

von Uta Buhr

Kristallwolke
Kristallwolke

Es ist früher Morgen. Die Tautropfen auf den Wiesen glitzern mit den Kristallen um die Wette, welche in die aus grauem Drahtgeflecht bestehende Wolke eingewebt sind. Das Kunstwerk schwebt über den Swarovski Kristallwelten, die sich heute über eine Fläche von insgesamt 7,5 Hektar erstrecken. Der Magie des 1995 vom genialen Künstler und Schöngeist André Heller anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Kristallmanufaktur im idyllischen Inntal geschaffenen Glitzerwelt kann sich kaum ein Besucher entziehen. Inzwischen ist ihre Zahl auf jährlich 850.000 angewachsen. Tendenz steigend.

Continue reading „Das Glitzerimperium von Wattens – die Swarowski Kristallwelten“

It’s Party Time in Hungary

von Ferenc Horvarth

Budapest Park, Billy Talent
Budapest Park, Billy Talent

Ich denke oft an Piroschka, wenn ich das moderne Gesicht des heutigen Ungarn bestaune. Die reiche Vergangenheit ist in den Museen des Landes sorgfältig verwahrt. Gleichzeitig macht sich Ungarn täglich mehr für das „moderne Zeitalter“ im westlichen Sinne fit. Nicht allein die umfangreichen restauratorischen Bautätigkeiten in Budapest folgen dem Trend der Modernisierung. Selbst das neogotische Parlamentsgebäude am Ufer der Donau ist nach einem halben Jahrhundert zum ersten Mal wieder ohne Gerüste in voller Pracht zu bestaunen. Continue reading „It’s Party Time in Hungary“

Wo der Atlantik auf Europa trifft – „Die“ Fotoausstellung im Internationalen Maritimen Museum in der Hafencity – Kaispeicher B

von Uta Buhr

Hafenmole bei stuermischer See in Tapia de Casariego, harbour-mole at stormy sea in Tapia de Casariego
Hafenmole bei stuermischer See in Tapia de Casariego, harbour-mole at stormy sea in Tapia de Casariego

Wer den beeindruckenden Bildband „Europas Atlantikküste“ der beiden bekannten Fotografen Michael Pasdzior und Peter Haefcke auf sich hat wirken lassen, sollte sich die Ausstellung in der Hafencity nicht entgehen lassen. Das denkmalgeschützte rote Backsteingebäude mit seinen zahlreichen Exponaten zu 3000 Jahren Schifffahrtsgeschichte ist genau der richtige Ort für diese einzigartige Sonderausstellung. Eine Kunstexpertin sprach begeistert von „Bildern, die Wellen schlagen.“

Zwei befreundete, an der „Waterkant“ aufgewachsene und vom Meer faszinierte Fotografen haben das Projekt der europäischen Atlantikküste entwickelt und in einem mehrjährigen Zeitraum gemeinsam bereist. Herausgekommen ist ein Kaleidoskop großartiger Ansichten der verschiedenen Länder an den Gestaden des Atlantiks. Continue reading „Wo der Atlantik auf Europa trifft – „Die“ Fotoausstellung im Internationalen Maritimen Museum in der Hafencity – Kaispeicher B“

AnGEDICHTet im Kunstforum der GEDOK Hamburg

von Maren Schönfeld

Fotos: Günther von der Kammer

Künstlerinnen und Autorinnen der Ausstellung
Künstlerinnen und Autorinnen der Ausstellung

Im Juni 2015 war ich in Zwickau bei einer Tagung der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik, über die ich in diesem Magazin einen Artikel veröffentlichte. Das Thema hieß „Spiel-Arten der Lyrik“, und wir gaben und nahmen Einblick in die Arbeitsweise der verschiedenen Kolleginnen und Kollegen. Dass dabei das Zusammenwirken von Bildern und Literatur sowie von Musik und Literatur als naheliegend, beinahe selbstverständlich genommen wurde, überrascht diejenigen, die mittendrin im kreativen Prozess stehen, nicht. Aber was ist eigentlich der kreative Prozess, woher kommt die Inspiration? Continue reading „AnGEDICHTet im Kunstforum der GEDOK Hamburg“