Seit 1998 wird im Hamburger Museum der Arbeit, die Messe BuchdruckKunst veranstaltet. Der Name sagt zwar fast alles aus, aber wenn man hingeht, öffnen sich dem Betrachter neue Welten.
Mehr als 60 Aussteller haben am Wochenende vom 5. bis 7. April 2024 ihre Arbeiten gezeigt. Jedoch waren nicht nur Bücher zu sehen, ihr Anteil ist in den letzten Jahren zurückgegangen, sondern sehr viele kleinformatige Drucke, egal ob als Holzschnitt, Linolschnitt, Radierung, Siebdruck und Ähnlichem mehr sowie Reproduktionen solcher Werke. Das ist der Haupttrend der Veränderung in den letzten Jahren.
Etliche Aussteller sind schon zum 15. Mal auf der Messe, und dem Veranstalter Klaus Raasch ist es zu verdanken, dass auch jüngere Buchkünstler einen Ausstellerstand haben. Die Qual der Wahl, aus doppelt so vielen Bewerbungen auszuwählen, ist sicher nicht zu unterschätzen. Jedes Jahr kommen etwa 2.500 Besucher nach Hamburg-Barmbek, um sich inspirieren zu lassen, besonders schöne Stücke zu finden und diese zu kaufen. In diesem Jahr waren es laut Veranstalter rund 1.900. Im Eintrittspreis von 12 Euro sind der farbige Katalog und ein Ausstellerverzeichnis enthalten. Sicherlich werden keine ganz großen Geschäfte abgewickelt, dient doch ein Messestand in erster Linie der Kundenpflege und dem absolut grandiosen haptischen Vergnügen, neue Produkte in die Hand zu nehmen und zu bewundern. Hierbei ist nicht entscheidend, ob es Unikate, Drucke in Kleinstauflagen oder Offset-Reproduktionen in größeren Auflagen sind, es geht um Buchkunst abseits des Üblichen.
Für mich als Journalist beginnt die Qual der Auswahl, was ich dem geneigten Leser näherbringen möchte. Ich habe mich auf fünf Beispiele konzentriert, die unterschiedlicher im Handwerk nicht sein können. Beginnen möchte ich mit der Grafikerin Sabine Riemenschneider aus Wernigerode, die in Kleinstauflagen Bücher im Digitaldruck produziert. Im Bild zu sehen ist eine Papierrolle, auf der durch Stanzung Töne einer Orgel gespeichert und automatisch abgespielt werden können. Dieses Papierunikat hat sie bemalt und beschriftet. Um es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat sie es nach der Reproduktion digital in ein großformatiges Leporello-Buch ganz ähnlich wie dieses endlos lange Papier gedruckt.
Gerd J. Wunderer aus Augsburg hat sich auf Unikate spezialisiert. Im Bild zu sehen ist ein Bücher-Karussell, ein Papptheater der ganz besonderen Art. Hiervon gibt es keine Reproduktionen und auch kein Buch, sondern nur das Original.
Der Schweizer Buchbinder Roland Meuter zeigte wunderschöne Bucheinbände aus Leder und anderen Materialien. Besonders angetan haben es mir die Illustrationen auf dem Leder und ganz speziell der Buchschnitt. Jeder Leser kennt einen Goldschnitt: goldfarbener Kopfschnitt, Seitenschnitt und Fußschnitt, aber bei diesem Buchkünstler kommt noch etwas hinzu, was ich in 40 Jahren Praxis noch nicht gesehen habe.
Blättert man das Buch, wie im Foto gezeigt, schräg auf, ergibt sich unter dem Goldschnitt eine weitere Malerei. Meuter benennt es mit dem Fachausdruck „unterbemalter Goldschnitt“. Das sind Unikate mit Aquarellfarbe, die erst dann sichtbar sind, wenn man den Buchblock schräg aufblättert: Höchst künstlerisch.
An einem weiteren Stand entdeckte ich die Logbuch-Buchhandlung aus Bremen, die seit zehn Jahren den Logbuch-Verlag nebenberuflich betreibt. Buchumschläge in schmalen Formaten werden künstlerisch im Hochdruck hergestellt, der Innenteil, schön zwei- oder mehrfarbig gestaltet, im Offsetdruck. Mittlerweile sind zwölf Titel lieferbar (im Foto sind sie in einem Schuber zu sehen), ein optisch und haptisch sehr schönes Erlebnis. Es kommen Autoren wie Edgar Alan Poe, Mary Shelley und Washington Irving in der kleinen Buchreihe, die eigentlich eine Heftreihe ist, vor.
Was passiert mit Büchern, die nicht mehr ins Bücherregal passen, oder was passiert nach einer Haushaltsauflösung? Im besten Fall werden sie in gute Hände weitergegeben, gespendet, und wenn sie besonders wertvoll sind, landen einige in einem Antiquariat. Mein letztes Gespräch führte ich mit dem Hamburger Antiquar Dietrich Schaper, der an einem sehr zentralen Ort in Hamburg, im Pavillon in der Nähe vom Dammtor-Bahnhof, sein Antiquariat hat. Er zeigte auf der Messe BuchDruckKunst etwa 100 Bücher zum Themenbereich Typografie und Druck. Mit ihnen wurden Generationen von Mediengestaltern und Grafikern aus- oder fortgebildet. Mit diesem Flashback in die Geschichte der Gestaltung und der Druckkunst beende ich diesen kleinen Rundgang und lese auf der Rückfahrt das Buch „Danke Artur“, das dem großartigen Setzer Artur Dieckhoff gewidmet ist, der 72jährig im Jahr 2020 verstarb. Er hat die Druck-Abteilung im Museum der Arbeit mit aufgebaut, war der „schwerste Setzer Deutschlands“ und begann sein Gespräch gerne so: „Du kannst mich auch Meister nennen“. Dass er sich an der Düsseldorfer Kunstakademie vom weltberühmten Künstler Joseph Beuys inspirieren ließ, muss nicht extra erwähnt werden.
Der Buchtitel meiner Roman-Trilogie über die Revolution der Druckbranche in den 1980er Jahren heisst nicht von ungefähr „Lebe wild und gefährlich, Arthur“. Als Abgrenzung zum Original wird Artur hier mit „h“ geschrieben.
Dass auch die Hamburger „Büchergilde Gutenberg“-Buchhandlung mit einem eigenen Stand vertreten war, freute mich ebenfalls, denn dort konnte ich mein vorbestelltes Buch von Uwe Timm abholen, da ich seit etlichen Jahren Mitglied in dieser Buchgemeinschaft bin, die sich dem „schönen Buch“ verschrieben hat. Wer diese hervorragende Buchgemeinschaft mit über 100 Partnerbuchhandlungen noch nicht kennt, findet sie natürlich auch online.
Hier finden Sie die Websites der beschriebenen Aussteller:
www.atelier-soso.de Sabine Riemenschneider
www.gerd-j-wunderer.de Gerd Wunderer
www.rmeuter.ch Roland Meuter
www.logbuchladen.de Axel Stiehler
www.antiquariat-schaper.de Dietrich Schaper
www.buechergilde.de Büchergilde Verlag
Der Messetermin für 2025 ist hier zu finden: www.buchdruckkunst.com
(Fotos: Ralf Plenz)