
Eine Annäherung an einen linguistischen Genius.
Dies vorab: Mein Dank geht an Ralf Plenz, den Herausgeber der Reihe „Perlen der Literatur,“ in welcher jüngst „Die Sprache, der Eros der Logik“, erschienen ist. Die hierin enthaltenen Aufsätze aus der im Jahre 1899 von Karl Kraus gegründeten satirischen Zeitschrift „Die Fackel“ sind ein intellektueller Hochgenuss, der seinesgleichen sucht.
Altes Werk in neuem Glanz
Wer dieses elegant gestaltete Buch aufschlägt, legt es so schnell nicht wieder aus der Hand. Allerdings muss der Leser starke Nerven besitzen und sich seiner sprachlichen Defizite bewusst sein. Denn der Scharfrichter Karl Kraus kennt keine Gnade mit grammatikalischen Fehlern oder – noch schlimmer – sprachlichen Schlampereien. Einer der erbittertsten Feinde heutiger deutscher Literaten – von den Zeitungsschreibern ganz zu schweigen – ist offenbar der Genitiv. Nur wenige scheinen ihn noch zu beherrschen. Und auch die korrekte Anwendung von Pronomen ist ins Hintertreffen geraten. Weilte Karl Kraus noch unter uns, würde er so manchem selbsternannten Linguisten eine gnadenlose Lehrstunde erteilen.
Mein ganz persönlicher Karl Kraus
Karl Kraus saß, um es salopp auszudrücken, in meiner Familie mit am Tisch. Mein Bruder und ich liebten seine geistreichen Essays und geschliffenen Wortspiele, die unseren Wortschatz bereicherten. „Was zutrifft, trifft“ und „Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken“ waren unsere Lieblings-Aphorismen aus der Feder des Karl Kraus. Leuten, die ihn nicht mochten, schrieb er folgendes ins Stammbuch: „Manche wollen nur mit mir reden. Andere mir den Kopf einschlagen. Vor jenen schützt mich das Gesetz.“ Wer „seinen“ Karl Kraus kennt, kommt mit einer Sammlung geistreicher Zitate gut durch das Jahr.
Fast hätte ich mich – horribile dictu – als Kraus Fan „geoutet.“ Auf der Stelle nehme ich diese Wortwahl zurück. Denn Kraus hätte ein derartiges Kauderwelsch mit Sicherheit gegeißelt. Oder mit Verachtung gestraft.
König der Satire
Karl Kraus‘ Weg auf den Olymp der großen Geister der Weimarer Republik war nicht vorgezeichnet. Als Sohn eines jüdischen Fabrikanten im Böhmen der k&k-Monarchie kam er in seiner Jugend eher mit Bilanzen und Produktpaletten in Kontakt. Dies erschien dem Genius des geschliffenen Dialogs offenbar zu banal. Und so entschloss er sich stattdessen zum Studium der Germanistik und Philosophie. Allerdings ohne einen universitären Abschluss. Sein literarisches Oeuvre und zahlreiche Auftritte im Theater verhalfen ihm zu frühem Ruhm in den einschlägigen intellektuellen Zirkeln Wiens. Das Diktum „Viel Feind, viel Ehr‘“ war ihm auf den Leib geschrieben. Denn nicht jeder goutierte Kraus‘ beißenden Spott. Berühmte Zeitgenossen wie Sigmund Freud und Arthur Schnitzler, um nur zwei zu benennen, sollen Kraus gar nicht geschätzt haben. Sein Kollege Stefan Zweig bezeichnete ihn gar als den „Schriftsteller des giftigen Spotts.“ Ein unabhängiger Geist wie Kraus hat vermutlich nur mit der Schulter gezuckt und gesagt: „Ach geh. Warum seids ihr nur so empfindlich. Satire darf halt alles.“
„Die Fackel“ Über den Gebrauch der Sprache

Es versteht sich, dass ein Sprachpurist wie Karl Kraus mit den meisten seinerzeit populären Presseprodukten nichts anfangen konnte. Wohl deshalb gründete er im Jahr 1899 „Die Fackel“, seine eigene satirische Zeitschrift, die sich vehement gegen die Verwahrlosung der deutschen Sprache positionierte. Die hierin enthaltenen Beiträge wurden in den intellektuellen Kreisen jener Epoche mit großem Interesse gelesen und kontrovers diskutiert. Um eine Vielfalt der Beiträge zu garantieren, lud Kraus zahlreiche namhafte Autoren ein, Gastbeiträge in der „Fackel“ zu veröffentlichen. Dazu gehörten unter anderen Detlev von Liliencron, Peter Altenberg, Egon Friedell und Else Lasker-Schüler.
Springen wir mitten hinein in das Opus Magnum des Karl Kraus, das seine sprachliche Meisterschaft in all ihren Facetten ausleuchtet.
Lieber Leser, lassen Sie jedes Kapitel des Buches auf sich wirken und stellen Sie fest, wie auch Sie als aus Ihrer eigenen Sicht der deutschen Sprache Mächtiger in Ihren Formulierungen nur allzu oft daneben liegen. Greifen wir nur das winzige Wörtchen „bis“ heraus, das laut Kraus kaum ein Österreicher jemals richtig einsetzt. Wer die Abhandlung gelesen hat, wird feststellen, dass auch wir Deutschen hier nicht besser abschneiden als unsere Nachbarn. Denn der Winzling „bis“ bezeichnet nicht den Weg, sondern das Ziel. Kraus erklärt dies ebenso wortreich wie logisch. Mit „nur noch“ und „nur mehr“ sieht es ähnlich aus. Wer beide Kapitel sorgsam gelesen und verinnerlicht hat, wird hoffentlich in Zukunft ein ebenso druckreifes Deutsch sprechen und schreiben wie der Verfasser. Zugegeben, das Studium der einzelnen Kapitel erfordert höchste Konzentration, denn hier zählt jedes Wort, ja sogar jeder Beistrich – vulgo Komma – dem Kraus viele Worte widmete.
Finde den oder die Fehler!
Wer sich durch den ambitionierten Sprachkurs des Karl Kraus durcharbeitet, erkennt schnell, dass er nichts von Haupt- aber noch weniger von Relativsätzen versteht. Asche auf unser Haupt. Hier eine Kostprobe: „Der schlechteste Sprachlehrer, den ich gekannt habe.“ Falscher geht’s nimmer. Denn Kraus korrigiert diesen einfachen Satz stante pede: „Das ist nicht der schlechteste Sprachlehrer überhaupt, sondern der schlechteste von denen, die ich gekannt habe.“ Noch Fragen?
Kein Zweifel, Kraus kann jeden, der meint, die deutsche Sprache zu beherrschen, zur Verzweiflung bringen. Denn, egal wie sorgsam er seine Worte wählt, irgendein Haar findet der Mann immer in der Suppe. Sei es nun die Syntax, ein falsch gesetztes Zeichen oder ein Casus. Nahezu brutal verfährt er mit der Journaille im Kapitel „Die Neue Freie Presse erteilt Sprachlehre“ aus dem Jahr 1929. Da werden die Schreiberlinge geradezu standrechtlich hingerichtet, denn so argumentiert Kraus unerbittlich: „Es ist nicht notwendig, dass der deutschen Sprache zu dem Schaden, den sie durch die Journalistik erleidet, noch deren Spott zugefügt wird.“ Selbst vor Ikonen deutscher Formulierkunst wie Friedrich Nietzsche und Dichterfürst Goethe macht Kraus nicht halt. Während er bei ersterem einen falsch gesetzten „Beistrich“ moniert, wird Johann-Wolfgang wegen eines Adjektivs gerügt.
Und so wird in diesem Werk jeder sprachliche Lapsus unter die Lupe genommen und vom Autor genüsslich seziert. Häme ist derweil nicht angebracht, sondern die Einsicht, dass auch der Gebildete nie auslernt.
Ein streitbarer Geist
Kraus hat es seinen Zeitgenossen nicht leicht gemacht. Viele haben ihn dennoch wegen seiner sprachlichen Virtuosität und politischen Hellsichtigkeit verehrt, andere ihn heißen Herzens gehasst. Dass er Stefan Zweig, einen der populärsten Schriftsteller seiner Zeit, abfällig einen „Schmuser“ nannte, wird dieser ihm kaum verziehen haben. Da aber nur wenige Weggenossen des großen Karl ohne verbale Blessuren davongekommen sind, ist dies nur eine Randnotiz. Keine Randnotiz hingegen ist Kraus‘ lapidare Bemerkung über den „Führer“, der in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts das politische Parkett Europas betrat: „Zu Hitler fällt mir nichts ein.“ Unverständlich, dass ein kritischer Geist wie er zu diesem Schluss kommen konnte. Vielleicht war ihm „Mein Kampf“ in die Hände gefallen, und nicht nur Hitlers abstruse Ideen, sondern auch der grottenschlechte Stil des Machwerks hatten dem Sprachästheten Kraus schlicht die Sprache verschlagen. Das wäre die einzige plausible Erklärung.
Fazit: Dieses Werk ist jedem empfohlen, dem der korrekte Umgang mit der deutschen Sprache am Herzen liegt. Der Sprachwitz sowie die
Wortklaubereien eines Karl Kraus sind dazu angetan, dieses amüsante „Libretto“ (Büchlein) zu einem ständigen Begleiter zu machen. Viel Spaß bei der Lektüre.
Epilog: Viele unserer heutigen selbsternannten Satiriker müssten angesichts ihrer flachen Witzchen und primitiven Diktion vor Scham im Boden versinken. Sie wissen nicht, dass Satire mit der feinen Klinge des Floretts ausgefochten wird und nicht mit der Brechstange. Es ist sicherlich müßig, diesen vulgären Sprachpantschern Karl Kraus‘ Meisterwerk zu empfehlen. Sie würden es wohl kaum verstehen. Im Volksmund nennt man dies „Perlen vor die Säue werfen.“ Diese Perle aus dem Input-Verlag hat in der Tat etwas Besseres verdient.
Karl Kraus: „Die Sprache – Der Eros der Logik“, 192 Seiten, erschienen im Input-Verlag, ISBN 978-3-941905-62-7 zum Preis von 20 Euro






Am 20. September 2024 stellte der Krimiautor Hartmut Höhne sein neues Buch „Mord im Thalia“ in den atmosphärischen Räumen des Speicherstadtmuseums vor. Dr. Ralf Lange, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums und Verfasser zahlreicher Bücher im Themenbereich Hamburger Hafen-, Schifffahrts- und Baugeschichte sowie zur deutschen Nachkriegsarchitektur, moderierte die Veranstaltung.






Der neuste Lyrikband von Sybille Fritsch, „DA! Gedichte“, beschwört durch die Dichtkunst eine Metaphysik des Dauernden im Flüchtigen.












In „Dandys, Diebe, Delinquenten“ begeben wir uns mit der Autorin Bettina Müller auf eine Zeitreise durch das kriminelle Berlin der dreißiger Jahre. In einer etwas langatmigen Einleitung schlägt sie den Bogen vom beschaulichen kaiserlichen Berlin bis in die chaotischen Jahre der Weimarer Republik. Die unübersichtlichen Verhältnisse brachten es mit sich, dass ein bunter Haufen von Verbrechern ihrem kriminellen „Metier“ nachgehen konnte. Manche Sumpfblüte gedieh in dem schwülen Klima und brachte die Polizei schier zur Verzweiflung. Aus der Fülle von Vergehen hat die Autorin vierzehn besonders spektakuläre Fälle herausgepickt, die sich seinerzeit im „Chicago“ des Reiches ereigneten. Sie bewegen sich auf einer Skala von skurril bis tödlich.
Man könnte glauben, dass dies ein trauriges, vielleicht gar trostloses Buch sei, resignativ durch das schwere Thema. Dass es kein Happy End geben wird, ist in der Atmosphäre der Geschichte angelegt. Wie das Ende aussehen wird, jedoch nicht, es bleibt bis zum Schluss spannend. Und nicht weniger spannend ist die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens, der Liebe, des Schönen und des Schrecklichen. Schnitzlers unvergleichliche, poetische Sprache schafft eine oszillierende Schönheit, die – gepaart mit der inhaltlichen Spannung – den Leser in den Bann schlägt.








Zur historischen Dystopie „Wenn der Führer wüsste…“ von Heiger Ostertag – Mal angenommen, Hitler hätte den Krieg gewonnen und wir lebten jetzt unter der Regierung seines Enkels Adolf II., der mit vierzig Jahren nach dem Tod seines Vaters Adolf Wolf die Herrschaft übernommen hätte. Den Leuten hat man die Legende erzählt, alle Juden hätten in Madagaskar ihren eigenen Staat bekommen. Die Denkmäler stehen noch, die nationalsozialistischen Werte auch – doch es beginnt zu rumoren. Nächstes Jahr wird eine Revolution angezettelt werden, in deren Folge die Regierung gestürzt werden soll. Finden Sie das schräg? Ist es auch. Aber so gut gemacht, dass es einem bei der Lektüre des Romans kalt den Rücken runterläuft. Nach dem viel beachteten Buch „Die Welle“ von Morton Rhue, das sich mit der Frage befasst, wie so ein Regime wie Hitlers möglich werden konnte, befasst sich „Wenn der Führer wüsste…“ mit einer Möglichkeit von Realität unter einer nationalsozialistischen Herrschaft und dem Aufbegehren der unterdrückten Bevölkerung.
Dr. Heiger Ostertag (M.A.) gehörte der Luftwaffe an, in der er u. a. eine fliegerische Ausbildung absolvierte. In Freiburg studierte Ostertag Geschichte, Germanistik sowie Nordgermanische Philologie und promovierte mit einem historisch-germanistischen Thema zum Kaiserreich. Seit den 90er Jahren ist Heiger Ostertag als Autor und Historiker in Forschung, Bildung und Lehre sowie als Lektor im Verlagswesen tätig. Die Fachliteratur erschien bei Ullstein, Herder, Rombach und Mittler. Das belletristische Werk wird beim Südwestbuch-Verlag, Gmeiner und im Theiss Verlag/WBV verlegt. Auf der Basis exakter Recherchen und psychologischer Personenprofile entstanden in den 30 Jahren seines Schreibens kontextsituierte Geschichten und zahlreiche Romane von großer Dichte und Spannung. Unter Pseudonym sind vom Autor weitere brisante Politthriller erschienen. Einige Romane wurden zudem als Hörbuch vertont. Aktuell arbeitet der Schriftsteller am Abschlussband seiner Junker-von-Schack Reihe mit dem Arbeitstitel „Von Austerlitz nach Waterloo“.






Als Hof-, Hirten- und Jagdhunde setzten die Germanen robuste, ausdauernde und wachsame Hunde, sogenannte Germanische Bärenhunde, ein. Diese mussten in einer harten, lebensfeindlichen Umwelt überleben und ihre Sippe verteidigen.
Jörg Krämer: Germanischer Bärenhund






Das Buch von Reimer Boy Eilers: eigenwillig, ungewöhnlich, auf jeden Fall interessant. Ausgerechnet im Ramadan segelt der Held von Sansibars Nordwestküste aus zur sechs Kilometer vorgelagerten Insel Tumbatu. Tumbatu ist ein von Saumriffen umgebenes Eiland, verwunschen, dünn besiedelt, geheimnisvoll. Kein Wunder, dass dort, Erzählungen nach, irgendwo am Ufer ein heiliger Baum wachsen soll, vor dem einst eine Dhau, beladen mit Sklaven, wahrscheinlich aus dem Kongo, havarierte. Die Überfahrt mit einer einheimischen Crew und einem mysteriösen Geistheiler an Bord, ist zwar nur von kurzer Dauer, dennoch strapaziös. Der Held, ein weißer Tourist, leidet an diesem mörderisch heißen Tag an Wahnvorstellungen infolge quälenden Durstes. Wie Trugbilder erscheinen ihm Szenen von Sklaven, die auf eine Dhau gepfercht, eigentlich auf dem größten Sklavenmarkt Afrikas verkauft werden sollen. Das Riff macht sie zu Schiffbrüchigen, die verzweifelt um ihr Leben kämpfen. Der Sklavenmarkt befindet sich auf Sansibar. Dort regiert der Sultan von Oman und Sansibar, ein unermesslich reicher Araber, der durch Sklaven, Sklavenhandel und Gewürznelken seinen Reichtum erwarb. Lieferant der Menschenfracht ist Tippu Tip, ein mächtiger Sklaven- und Elfenbeinhändler. Selbst mit dunkler Hautfarbe geboren, signalisiert er Vertrauen unter den Einheimischen Zentralafrikas. Lächelnd wickelt er seine Mitmenschen ein. Tritt der wahre, der grausame Händler hinter seiner Maske hervor, ist es zu spät. Er lässt Menschen aus dem Kongo jagen, treibt sie an die Küste, wo sie auf Schiffe verfrachtet, über den Sansibar-Kanal nach Stone Town auf den Sklavenmarkt geschleppt und verkauft werden. Sklavenschiffe kreuzten in jener Zeit überall auf den Weltmeeren. Geortet wurden sie an ihren Gestanksfahnen, die sie meilenweit hinter sich herzogen. Was es nun mit der Sklaven-Dhau, die da am Riff vor Tumbatu, in der Nähe des heiligen Baums zerschellte, auf sich hat, soll nicht verraten werden. Nur so viel: Der Autor führt uns auf eindringliche Weise die Schrecken der Sklaverei vor Augen. Nicht in Form aufrüttelnder Prosa, nein, mit einem epischen Gedicht, durch das man sich von wachsender Neugierde und Anteilnahme getrieben, durcharbeitet.





Mit dem gut 200 Seiten starken Gedichtband „Silberfäden“ legt Gino Leineweber in einer Gesamtausgabe seine beiden ersten Sammlungen vor. Der Verleger und Poet Simo Eric aus dem Verlag „Das Bosnische Wort“ würdigt den international vernetzten Lyriker und Verleger in seinem Vorwort.