Glück, Schicksale und Visionen in Prosa

Lesefreude trifft Dampfschiff St. Georg
Tour I: 
Lilo Hoffmann, Wolf-Ulrich Cropp, Joachim Frank und Christine Sterly-Paulsen

Auf der Alster, der Lebensader unserer Stadt, erleben Sie Autorinnen und Autoren mit ihren Geschichten und Gedichten. Auf drei Touren durch die Alsterkanäle mit Live-Lesungen können Sie die Fahrt mit dem historischen Dampfschiff, die malerische Umgebung und die Literatur genießen.

Auf Tour I um 10 Uhr erwartet Sie dieses Programm:

Lilo Hoffmann: Das Glück ist selten pünktlich

Die Hauptfigur in dem Roman „Das Glück ist selten pünktlich“ ist die erfolgreiche Psychotherapeutin Julia.  Nach einer großen Enttäuschung verliebt sie sich in den smarten Sachsa, der nach allen Regeln der Kunst um sie wirbt. Dumm nur, dass dieser ausgerechnet ihr Patient ist. Das sieht nach einer Menge Ärger aus, denn ein Patient, so charmant er auch sein mag, sollte für eine Therapeutin absolut tabu sein.
https://www.amazon.de/Lilo-Hoffmann/e/B07DY63SHS%3Fref=dbs_a_mng_rwt_scns_share

 

Wolf-Ulrich Cropp: Die Batavia war ihr Schicksal

Vor genau 394 Jahren entsandte die V.O.C., die mächtigste Handelsgesellschaft der damaligen Welt, ihr größtes und schnellstes Flaggschiff, die BATAVIA, zur Jungfernfahrt nach Südostasien. Was der TITANIC des späten Mittelalters nach ihrer Havarie vor West-Australien passierte, ist ungeheuerlich, ja einmalig in der Seefahrt. Am 15. Mai 1629 brach im Houtman-Abrohos-Archipel eine Meuterei mit grauenhaften Folgen aus … http://www.wolf-ulrich-cropp.de/

 

Joachim Frank: Farben in wechselndem Licht
3 Kurzgeschichten

Oft beginnt das Geschehen seiner Geschichten im Banalen, bevor etwas Unerwartetes das Beliebige durchbricht. In den durch Ereignisse oder innere Vorgänge veränderten Situationen entstehen neue, oft überraschende Blickwinkel, die sowohl bei den Protagonisten als auch bei den Lesern bisher Gedachtes infrage stellen und zu veränderten An- oder Einsichten führen können. http://www.joachimfrank.info/

 

Christine Sterly-Paulsen: Gegenliebe
Eine düster-poetische Zukunftsvision

In Cleos Welt herrschen Sicherheit und Ordnung. Die Straßen sind verwaist und Kinder verboten. Mit ihrem Geliebten Jacques träumt sie davon, der alles umfassenden Kontrolle zu entkommen. Als Jacques verschwindet und die Wohlfahrtsbehörde Cleo mit Verhaftung droht, wird das Spiel mit der Flucht zur unheimlichen Realität. https://www.sterly-paulsen.de/

 

Eintritt: 5 €

Vorverkauf über Eventbrite: https://www.eventbrite.de/e/lesefreude-trifft-historisches-dampfschiff-tour-i-um-10-uhr-tickets-635309496807 oder Barzahlung auf dem Schiff

DAP in Kooperation mit dem Verband deutscher Schriftsteller*innen Hamburg
Gefördert von Neustart Kultur

Poesie von Mensch und Hund

Lesefreude trifft Dampfschiff St. Georg
Tour II: Susanne Bienwald, Gino Leineweber, Reimer Boy Eilers und Maren Schönfeld

Auf der Alster, der Lebensader unserer Stadt, erleben Sie Autorinnen und Autoren mit ihren Geschichten und Gedichten. Auf drei Touren durch die Alsterkanäle mit Live-Lesungen können Sie die Fahrt mit dem historischen Dampfschiff, die malerische Umgebung und die Literatur genießen.

Auf Tour II um 12 Uhr erwartet Sie dieses Programm:

Susanne Bienwald: Ich, Mina aus der Gärtnerstraße

„Ich halte mich nur an Regeln, die ich selbst gut finde.“ Das ist der Wahlspruch der selbstbewussten Terrierhündin, die in diesem Buch aus ihrem Leben erzählt und dabei das merkwürdige Gebaren der Zweibeiner aufs Korn nimmt. https://susanne-bienwald.jimdosite.com/

Reimer Boy Eilers: Mehr Nordsee

Reimer Boy Eilers

„In Reimer Boy Eilers‘neuem Gedichtband ist die Zaubermacht der deutschen Sprache weder zerstört noch verweht. Sie hält allen Stürmen stand, die auf und an der Nordsee toben. … Möge der Wortpianist noch viele klingende Worte finden, um uns laut zu sagen, was ist, an der Nordsee und anderswo.“ (Sibylle Hoffmann, Juli 2021) https://www.reimereilers.de/

Gino Leineweber: Wo Zeit im Wege steht

Foto: Katja Dietermann

Der Gedichtband verknüpft mythologische und spirituelle Erinnerungen mit aktuellen Wahrnehmungen und Ideen. Die Verse entsprechen in Inhalt und Form Leinewebers Philosophie, angelehnt an die Stoa, Schopenhauer und die buddhistische Lehre. Oft sind sie in surrealistischer, manchmal auch dadaistischer Diktion geschrieben. http://www.gino-leineweber.de/

Maren Schönfeld: Flusstöne und Engelschatten

Foto: Ele Runge

Der Lyrik- und Kurzprosaband „Töne, metallen, trägt der Fluss – eine lyrische Elbreise“ enthält Texte von Hamburg bis ans Meer. Drei Kapitel gliedern das Buch in Stadt, Fluss und Meer. Je nachdem, wo man die Reise beginnen möchte, kann man das Buch vorwärts und rückwärts lesen. Außerdem liest sie noch einige Gedichte aus ihrem aktuellen Buch „Engelschatten“. https://schoenfeld.blog/

 

Eintritt: 5 €

Vorverkauf über Eventbrite: https://www.eventbrite.de/e/lesefreude-trifft-historisches-dampfschiff-tour-ii-um-12-uhr-tickets-635318704347 oder Barzahlung auf dem Schiff

DAP in Kooperation mit dem Verband deutscher Schriftsteller*innen Hamburg
Gefördert von Neustart Kultur

Gestern, Heute und Morgen in Prosa

Lesefreude trifft Dampfschiff St. Georg
Tour III: Vera Rosenbusch, Jörg Krämer, Gabriele Albers und László Kova

Auf der Alster, der Lebensader unserer Stadt, erleben Sie Autorinnen und Autoren mit ihren Geschichten und Gedichten. Auf drei Touren durch die Alsterkanäle mit Live-Lesungen können Sie die Fahrt mit dem historischen Dampfschiff, die malerische Umgebung und die Literatur genießen.

Auf Tour III um 14 Uhr erwartet Sie dieses Programm:

Vera Rosenbusch: Den Fischen ist das egal

Vera Rosenbusch, Foto Bernd Hellwage

In der Anthologie „Von Menschen und Masken“ hat Vera Rosenbusch  literarische Tagebuchnotizen aus dem Herbst 2020 veröffentlicht. Wie surreal ist ein Schreib- und Urlaubsaufenthalt in der Coronaphase? Hat man mehr Inspiration durch Zeit und Ruhe – oder gar keine mehr?
http://www.hamburgerliteraturreisen.de/

Jörg Krämer: Im Schatten von Schlägel und Eisen

Jörg Krämer, Foto privat

1865: Johannes Biel ist Bergmann auf der Zeche Neu-Iserlohn. Seine Ehefrau, Wilhelmine Biel, bringt acht Kinder zur Welt, die sie in armen Verhältnissen resolut aber liebevoll großzieht. Abseits der glanzvollen Geschichten bekannter Industriellenfamilien gewährt der Autor tiefe Einblicke in das Leben der einfachen Bergleute. Die Arbeit auf der Zeche ist dabei nur am Rande Thema. Der Blick ist immer in die Familie und das Gefühlsleben hinein gerichtet. https://www.ruhrpottstory.com/

Gabriele Albers: Nordland 2061 – Gleichheit

Gabriele Albers, Foto Henning Angerer

Gabriele Albers, Autorin und Politikerin liest aus ihrem utopisch-dystopischen Roman „Nordland 2061 – Gleichheit“. In einem nicht allzu fernen Hamburg, in dem nur noch das Geld zählt und Frauen nichts wert sind, ist Lillith die einzige Person, die an den herrschenden Verhältnissen etwas ändern könnte. Doch Nordland ist voller Intrigen und Verrat, und sie weiß nie, wer Freund ist und wer Feind.
https://www.gabriele-albers.de/

László Kova: Erzählungen

László Kova, Foto privat

Gedichte und Erzählungen sind dynamisch, klar, allgemein-verständlich, wahrheitssuchend, glaubhaft und humorvoll. Seine emotionsreichen und philosophischen Gedanken lagern sich in einer natürlichen Stimmung in seinen Schriften ab, die sich auf dem Papier mit feinen schriftstellerischen und künstlerischen Mitteln einfinden – zu hören in den drei Erzählungen „Erinnerungen an eine Stadt, an Lübeck“, „Unser Hund Bátor“ und „Zufall? Fügung? Arno?“. http://www.edition-kova.de/

1. Juni 2023, 14 Uhr

Anleger 4, Jungfernstieg

Eintritt: 5 €

Vorverkauf über Eventbrite: https://www.eventbrite.de/e/lesefreude-trifft-historisches-dampfschiff-tour-iii-um-14-uhr-tickets-635320008247?aff=erelpanelorg&keep_tld=1 oder Barzahlung auf dem Schiff

DAP in Kooperation mit dem Verband deutscher Schriftsteller*innen Hamburg
Gefördert von Neustart Kultur

Wenn die Mutter fast Gott ist

Titel, Foto: DAP

Die italienische Erstausgabe des Romans „La Madre“ von Grazia Deledda erschien 1920. Genau 95 Jahre später erregte eine Studie aus Israel internationale Aufmerksamkeit, mit dem Begriff #regrettingmotherhood wurde ein Tabu thematisiert: Was, wenn Frauen es bereuen, Mutter geworden zu sein? Eine Entscheidung, die unumkehrbar ist. Eine Diskussion, die das überhöhte und idealisierte Mutterbild ins Wanken brachte. 2022 legte nun der Input-Verlag eine von Ulrike Lemke neu übersetzte Auflage von „Die Mutter“ vor.

 

Zwischen Liebe und Zölibat

Der junge Priester Paolo, von seiner Mutter bis zu deren Selbstaufgabe unterstützt, lebt in einem kleinen italienischen Dorf mit der Mutter unter einem Dach. Ihrer beider Leben läuft in festen Bahnen, die Dorfbewohner schätzen sie. Doch dann verliebt Paolo sich in eine junge Witwe und findet sich im Spannungsdreieck zwischen dieser Liebe, seinem Gelübde und den Ansprüchen seiner Mutter wieder. Denn sie hat ihr Leben nicht aufgegeben, damit er sich nun in Schimpf und Schande in eine Liebe stürzt und sein Priesteramt verliert. Man könnte glauben, dass Paolo hier die Hauptperson ist, aber das Buch trägt den Titel „Die Mutter“ nicht umsonst. Eine Mutter, die aus dem kleinen sardinischen Dorf einst wegzog, um als Dienstmagd ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihrem Sohn die Ausbildung zum Priester zu ermöglichen. Später, zurück in ebenjenem Dorf, nun mit dem erwachsenen Sohn als Priester, lebt sie nur aus dem Stolz auf ihn und der Anerkennung der Dorfbewohner, dem Status als Mutter des Priesters, den alle schätzen und achten. Was hätte sie wohl aus ihrem Leben gemacht, wenn sie kinderlos geblieben wäre?

Was bedeutet es, Mutter zu sein?

Ausschnitt, Foto DAP

Diese Mutter ist mir unheimlich. Natürlich geht es auch um Macht, um Kontrolle, die vermeintliche Aufopferung hat ihren Preis, nicht nur für Paolo, wie sich am Ende des Buchs zeigen wird. Dieser schmale Band aus der Reihe „Perlen der Literatur“ wirft elementare Fragen auf, die mir nachgehen. Ist die Aufopferung einer Mutter so selbstverständlich, wie sie auch in unserer Gesellschaft noch vielfach angenommen wird und die einmal pro Jahr mit dem Muttertag mit großem Medienzirkus gefeiert wird? Wie tief stecken wir noch in alten Rollenbildern? Wie ergeht es einer Mutter, die es bereut, Mutter zu sein? Und was bedeutet es für ein Kind, entweder eine aufopfernde oder eine weniger altruistische Mutter zu haben? Für Paolo ist die Mutter eine Instanz, die so mächtig ist, dass sie mit Gott verschmilzt. Er glaubt, dass die Mutter ein Werkzeug Gottes ist, um dem Sohn die göttliche Weisung zu überbringen, wie er sich in dem Dilemma der Liebe zu der Witwe einerseits und seinem Priesteramt andererseits zu entscheiden hat. Wie diese Entscheidung ausfällt, soll hier nicht vorweggenommen werden.

Dieser schmale Band ist einmal mehr ein wunderbares Beispiel dafür, wie aus einer Story mit wenigen Figuren und minimaler Handlung tiefgehende Literatur werden kann. Umso mehr, wenn auch die Erzählsprache – aus dem Italienischen übersetzt von Ulrike Lemke – in ihrer Eloquenz das Thema aufnimmt und die Leserschaft in Bann zieht. Grazia Deledda erhielt für ihr Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur. Es ist erfreulich, dass sie dem deutschsprachigen Lesepublikum mit der Neuauflage des Titels „Die Mutter“ wieder vorgestellt wird.

Wie alle Bände der Reihe „Perlen der Literatur“ ist auch dieser liebevoll in Leinen mit Prägung gebunden, hat ein eigenes Vorsatzpapier, eine eigene Schrifttype mit einigen kalligraphierten Absätzen und eine mit Kalligraphie versehene Banderole erhalten.

Foto: DAP

Grazia Deledda: Die Mutter (übersetzt von Ulrike Lemke)
Input Verlag, Hamburg 2022
Link zum Verlag: https://input-verlag.de/19-20-die-mutter-meister-floh/

Wir gratulieren der Hamburger Autorenvereinigung

Sabine Witt, Vorsitzende der HAV / Foto: Maren Schönfeld

Ihr 45-jähriges Bestehen feierte die Hamburger Autorenvereinigung (HAV) am 16.03.2023 im Lichtwarksaal.

Zum Jubiläum erschien die Sonderausgabe der Zeitschrift „Hamburger Autoren“ mit elf Beiträgen, die einen Rückblick in kurzen Erzählungen und Gedichten geben. Mitglieder erzählen, wie sie zur HAV kamen, und berichten von Begegnungen mit prominenten Vereinskollegen wie Arno Surminski, Siegfried Lenz, Walter Kempowski und anderen.

Wolfgang Müller-Michaelis / Foto: Ralf Plenz

Acht Beiträge der Zeitschrift wurden zu Gehör gebracht und zeichneten ein buntes Bild der Geschicke und Ereignisse der HAV. Die Vorsitzende Sabine Witt bereicherte den Abend mit einigen Anekdoten aus ihrem persönlichen Werdegang in der Vereinigung, in der sie als Kartenverkäuferin begonnen hatte und langsam, aber kontinuierlich „aufstieg“, bis sie schließlich 2015 den Vorsitz übernahm. Wolfgang Müller-Michaelis erinnerte mit einem einfühlsamen Porträt an die damalige Mitbegründerin der Hamburger Autorenvereinigung, Rosemarie Fiedler-Winter, die sich nur für wenige Monate hatte wählen lassen wollen, das Amt jedoch insgesamt ein Vierteljahrhundert innehatte. Der informative Beitrag G. G. von Bülows verrät viel über die Geschichte der Vereinigung, ihre prägenden Mitglieder, Literaturreisen und Veranstaltungen. Mit einer Prise Humor offenbart G. G. von Bülow, wie sie Rosemarie Fiedler-Winter bei Tee und Schnittchen aus ihren Werken vorlesen musste, weil sie bei Antrag auf Mitgliedschaft noch keine zwei Verlagspublikationen hatte vorweisen können. Ein Porträt von Maren Schönfeld über Hildegard Kempowski, deren Ehemann Walter Ehrenmitglied der HAV war, nahm die Gäste mit ins Haus Kreienhoop nach Nartum, das vielen HAV-Mitgliedern von Besuchen sehr gut bekannt ist.

Reisen und Veranstaltungen
Wolf-Ulrich Cropp / Foto: Ralf Plenz

Auf den Spuren Thomas Manns war Wolf-Ulrich Cropp mit der HAV nach Nidden gereist, wo die Reisegruppe im Kaminzimmer des Thomas-Mann-Hauses in gemütlicher Runde diskutierte. Man soll den Dichterfürsten förmlich am Kamin lehnend gesehen haben … Margret Silvester ehrte die Vorsitzende mit ihrer Ballade „Wittewittewitt (hehehe)“, deren Melodie von Marina Savova vor dem Vortrag einmal angespielt wurde. Die Pianistin zeichnete sich durch ihre spontan ausgewählten Stücke aus, die hervorragend zu den literarischen Beiträgen passten. Auch sie gehört schon seit vielen Jahren zur HAV und ist als musikalische Begleitung verschiedenster Lesungen mit ihrer leidenschaftlichen und ergreifenden Interpretation der Kompositionen von Chopin, Brahms und anderen nicht mehr wegzudenken. Wie Elisabeth Melzer-Geissler erst nach Hamburg und dann zur HAV kam, verrät ihre Erzählung im Jubiläumsheft.

Marina Savova (li.) und Antje Thietz-Bartram / Foto: Ralf Plenz

Antje Thietz-Bartram bewarb sich zunächst vergeblich um eine Mitgliedschaft, zu der sie dann aber schließlich eingeladen wurde, nachdem ein Weihnachtsbuch aus ihrer Feder ein voller Erfolg geworden war. Schließlich berichtete László Kova, wie er unversehens in eine Sitzung der HAV geriet und von einem netten Herrn zur streng dreinblickenden Frau Fiedler-Winter geführt wurde, wobei diese ihn im Gegensatz zu G. G. von Bülow nicht zum Vorlesen einlud. Möglicherweise lag es daran, dass er bereits mehrere Publikationen vorweisen konnte, auch wenn diese nur auf Ungarisch vorlagen. Oder daran, dass der nette Herr Arno Surminski hieß und die Vorsitzende ermahnte, es nicht zu kompliziert mit dem ungarischen Kollegen zu machen. Farhad Ahmadkhan beschloss die literarischen Beiträge des Jubiläumsabends mit einem Gedicht über die Einsamkeit der Schriftsteller und das Miteinander in der Hamburger Autorenvereinigung.

László Kova / Foto: Maren Schönfeld

Der Austausch untereinander, das gemeinsame Erleben von Veranstaltungen und Reisen sowie die Anthologien, die die Hamburger Autorenvereinigung in Abständen herausbringt, dies sind die Vorteile, die von den HAV-Mitgliedern hochgeschätzt werden. Vorstandsmitglied und Inhaber des Input-Verlags Ralf Plenz berichtete zum Schluss von seinem Podcast, in dem Sabine Witt und er die Beiträge des Jubiläumshefts als Hörversion eingelesen haben und diese kostenlos anbieten.

Die Auswärtige Presse ist mit der HAV traditionell verbunden, mehrere Mitglieder sind in beiden Vereinigungen anzutreffen. Wir freuen uns daher besonders mit der HAV über deren 45-jähriges Bestehen, zu dem wir sehr herzlich gratulieren.

 

Website der Hamburger Autorenvereinigung: https://www.hh-av.de/

Von dort kommt man auch zu dem Podcast.

Wir trauern um unseren Ehrenpräsidenten

(von Uta Buhr, Dr. Manuel Ruoff und Maren Schönfeld) 

Günther Falbe leitete Die Auswärtige Presse für die Dauer von drei Legislaturperioden und wurde anschließend zum Ehrenpräsidenten ernannt. Ehrenpräsident war er sodann von 2007 bis zu seinem Tod 2023.

Als er den Vorsitz übernahm, war der Verein noch ein „wilder Haufen“, wie er es einmal nannte. Denn der Verein war noch gar nicht im Vereinsregister eingetragen. So trieb Günther das Erreichen des formellen Status des eingetragenen Vereins voran, sodass aus der Auswärtigen Presse bald ein „e. V.“ wurde.

„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ (Friedrich Schiller) Dieser Satz war Günther wohl nicht unbekannt, denn er drängte darauf, die DAP ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Eine kleine Delegation der bis dahin mit der Schreibmaschine bestens vertrauten Journalisten begab sich also ins Internetcafé, um sich mit dem neuen Medium vertraut zu machen. Ergebnis dieser Bemühungen war die Website, die 2003 erstellt wurde und aus der schnell ein Online-Magazin entstand, das wir noch heute mit Freude betreiben und das mittlerweile bis zu 12.000 Besucher am Tag verzeichnen kann.

Günther war ein Mann der leisen Töne. Mit Charme und Beharrlichkeit, großer Toleranz und seiner Fähigkeit, verschiedenste Charaktere in unserer Journalisten-Vereinigung zusammenzubringen, prägte er die DAP. Nicht zu vergessen sein Humor, mit dem er bei jeder Weihnachtsfeier das traditionelle Würfelspiel so launig erklärte, dass für so manchen Gast die Erklärung mindestens ebenbürtig mit dem eigentlichen Spiel war…

Wir haben gemeinsam mit dem Lions Club Altona und den Anonymen Alkoholikern von Günther Falbe Abschied genommen und werden sein Andenken dankbar bewahren.

Fotos: DAP

„Ein Jahr noch, und dann ist es aus“

Vorsatzpapiere, (c) Input-Verlag

Diesen Satz sagt Felix zu seiner Geliebten Marie, als sie im Prater in einem Wirtshaus sitzen. Dieser Satz ist der Anfang eines Verhängnisses, das Arthur Schnitzler in seiner Novelle „Sterben“ auf 134 Seiten aufrollt und von allen Seiten beleuchtet, auf so packende Weise, dass man das Buch kaum weglegen mag.

Felix ist krank, sterbenskrank – oder glaubt er nur, es zu sein? Es gibt allenfalls diffuse Symptome.  Sein Arzt Alfred äußert sich gleichzeitig so vage, resolut und Mut machend, dass es argwöhnisch macht. Entweder ist Felix ein Hypochonder oder ein todkranker junger Mann. Jedenfalls ist er davon überzeugt, in einem Jahr sterben zu müssen. In ihrer Verzweiflung und Angst verspricht Marie, mit ihm zu sterben.

Man könnte glauben, dass dies ein trauriges, vielleicht gar trostloses Buch sei, resignativ durch das schwere Thema. Dass es kein Happy End geben wird, ist in der Atmosphäre der Geschichte angelegt. Wie das Ende aussehen wird, jedoch nicht, es bleibt bis zum Schluss spannend. Und nicht weniger spannend ist die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens, der Liebe, des Schönen und des Schrecklichen. Schnitzlers unvergleichliche, poetische Sprache schafft eine oszillierende Schönheit, die – gepaart mit der inhaltlichen Spannung – den Leser in den Bann schlägt.

Im Spannungsfeld der starken Nähe zweier Verschwörer in Erwartung des baldigen gemeinsamen Endes und der großen Entfremdung, als Marie von ihrem Lebenswillen gepackt wird, fühlt man als Leser mal mit der einen, dann mit der anderen Figur, ist hin- und hergerissen und kann es kaum aushalten, nicht zu wissen, was nun wirklich los ist. Denn Schnitzler benennt die Krankheit an keiner Stelle, man weiß sehr lange nicht, ob Felix wirklich krank ist oder sich alles nur einbildet.

So geht es auch Marie. Während eines Kuraufenthalts in den Bergen scheint Felix wieder zu genesen, das quälende Versprechen Maries, mit ihm in den Tod zu gehen, scheint sie nicht einhalten zu müssen. Fast könnte man glauben, dass nun alles gut würde. Fast. Wenn da nur nicht dieser immerwährende Zweifel wäre, den Arthur Schnitzler meisterhaft zwischen den Zeilen hält.

Wie diese großartige Novelle endet, soll hier nicht vorweggenommen werden. „Sterben“ ist ein wunderbares Buch für den Winter, für die stillere Zeit. Der Verzicht auf drastische Schilderungen und Effekte macht die Erzählung stark und zeigt, wie weite Räume sich mit poetischer, bildhafter Sprache und Andeutungen öffnen lassen. Man darf als Leser hier Phantasie haben.

Dieser Band trägt die Nummer 14 der Reihe „Perlen der Literatur“ aus dem Input-Verlag und zeichnet sich, wie die anderen Bände auch, durch sein bibliophiles Erscheinungsbild aus. Dadurch wird das Lesevergnügen noch einmal gesteigert. Mehr über die außergewöhnliche Reihe finden Sie in diesem Artikel:

https://die-auswaertige-presse.de/2021/09/eine-perlenkette-fuers-buecherregal/

 

Arthur Schnitzler: Sterben
Perlen der Literatur, Band 14
Input-Verlag, Hamburg 2022

Sibyl Gräfin Schönfeldt ist gestorben

Foto: privat

Die Journalistin, Autorin, Übersetzerin und Literaturkritikerin war eins der langjährigsten Mitglieder unseres Journalisten-Verbands. Sie hat die literarische Landschaft mit geprägt, sei es durch ihre unterhaltsamen Bücher wie das „Kochbuch für die kleine alte Frau“, durch ihre klugen Gedanken in „Anstand: Warum wir Takt und gutes Benehmen brauchen“, ihre Weihnachtsbücher und nicht zuletzt ihre prunkvoll ausgestatteten Bibel-Ausgaben – um nur einige ihrer zahlreichen Veröffentlichungen zu nennen.

Unvergessen ist für mich eine urkomische Lesung gemeinsam mit Gerlind Fischer-Diehl (1937-2014) von der Hamburger Autorenvereinigung, in der es um Truthähne zu Thanksgiving und diverse kulinarische und andere Katastrophen rund um die Weihnachtszeit ging.

Sibyl Gräfin Schönfeldt wurde 1927 in Österreich geboren und verstarb 95-jährig am 14. Dezember 2022 in Hamburg. Wir werden ihr Andenken in Ehren halten.

Große Jubiläumsausstellung mit 72 Werken

(c) Barbara Nelle

Das Berenberg-Gossler-Haus feiert sein 25-jähriges Bestehen mit einer großen Gemeinschaftsausstellung. Künstler und Künstlerinnen aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Berlin und Dänemark zeigen ihre Arbeiten.

 

Freiherr John von Berenberg-Gossler war als Stifter des Gebäudes auch Namensgeber des Bürgerhauses Niendorf. Von Anfang an war das schöne, denkmalgeschützte Haus mit dem gemütlichen Ambiente ein Ort der Kunst und Kultur, und in dieser Tradition wird es seit 1997 geführt. So startete im Jahr 2002 die Reihe „TonArt“ zur Förderung der Stadtteilkultur auch auf dem Gebiet der klassischen Musik in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater, gepaart mit der Förderung junger aufstrebender Künstler. Am 14.10.22 wird das 70. Konzert der Reihe – ein Liederabend mit Seungwoo Simon Yang – erklingen.

(c) Hanna Malzahn

Ebenfalls traditionell sind die Kunstausstellungen im Berenberg-Gossler-Haus, die seit 2018 von der Künstlerin Hanna Malzahn kuratiert werden. Für die aktuelle Jubiläumsausstellung hat sie 72 Arbeiten von Künstlern ausgewählt, die in den vergangenen 25 Jahren bereits Ausstellungen im Haus gezeigt haben. So ist eine vielfältige und breite Auswahl entstanden, wie die Kuratorin sagt: „Zweiundsiebzig Handschriften, Botschaften, Stile und Positionen finden sich zu einer großen Retrospektive von 1997 bis 2022 zusammen.“

(c) Peter Bangert

Im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit sehen die Besucher Arbeiten in Öl, Ei-Tempera, Gouache, Aquarell und Tusche. Die verschiedenen Interpretationen zeigen eine enorme Vielfalt und Virtuosität in Form von Stillleben, Landschaften, Porträts, experimentellen und digitalen Arbeiten sowie eine beeindruckende Bandbreite der Zeichnungen, Radierungen und Werke der Fotokünstler. Zu dieser Ausstellung „25 Jahre Kunst im Berenberg-Gossler-Haus“ ist ein Katalog erschienen.

Zu sehen ist jedoch nicht, wie groß das Engagement des ehrenamtlichen Teams hinter den Kulissen ist. So helfen Hanna Malzahn und ihre Kollegen beim Hängen, Rahmen oder bei der Anbringung stabiler Halterungen an Leinwände. Hinter den Kulissen führen der Vorsitzende Reno Malzahn und das Team des Bürgerhauses immerhin einen aus annähernd 600 Mitgliedern bestehenden Verein, und das mit Bravour. Neben Ausstellungen und Konzerten erwartet die Gäste auch ein vielseitiges Kursprogramm. Als Gast bei der Vernissage kommt man sich vor wie ein Teil einer großen Familie, in die man fröhlich aufgenommen wird. Wenn Fachkompetenz, Engagement und Zugewandtheit so zusammenkommen wie im Berenberg-Gossler-Haus, braucht man sich um das Gelingen künftiger Projekte nicht zu sorgen.

Gedenken an Rosemarie Fiedler-Winter

Dr. Rosemarie Fiedler-Winter

Heute wäre unsere geschätzte Kollegin Rosemarie Fiedler-Winter, eins der langjährigsten Mitglieder der Auswärtigen Presse, 100 Jahre alt geworden. Ihre Verdienste um die DAP sind auch heute nicht vergessen.

Aus Anlass ihres 100. Geburtstags möchten wir Sie gern auf zwei Artikel hinweisen:

Im Jahr 2005 erhielt Rosemarie Fiedler-Winter das Bundesverdienstkreuz, worüber unser Kollege Dr. László Kova hier im Online-Magazin berichtete:
https://die-auswaertige-presse.de/2005/05/bundesverdienstkreuz-fur-rosemarie-fiedler-winter/

Bitte lesen Sie hier ferner einen Beitrag von Ginny G. von Bülow zum Abschied:
https://die-auswaertige-presse.de/2012/11/worte-zum-abschied-fur-unser-mitglied-rosemarie-fiedler-winter/

Mittsommer-Geschichten: Lese-Fest in Planten un Blomen

Gemeinsam mit dem Verband Deutscher Schriftsteller*innen Hamburg und gefördert von Neustart Kultur laden wir sehr herzlich zu unserem Lese-Fest ein. Seien Sie herzlich willkommen! Unternehmen Sie mit uns einen literarischen Spaziergang durch blühende Landschaften in „Planten un Blomen“.
Ohne Anmeldung, einfach stehenbleiben und lauschen.

Programm:

Musikpavillon
16.00-17.00 Gaby Albers
17.00-18.00 Reimer Boy Eilers
18.00-19.00 Charlotte Ueckert
19.00-20-00 Gino Leineweber

Picknickbaum am Seeufer
16.00-17.00 Christine Sterly-Paulsen
17.00-18.00 Susanne Bienwald
18.00-19.00 Margret Silvester
19.00-20.00 Hartmut Höhne

Wasserkaskaden
16.00-17.00 Ruth Frobeen
17.00-18.00 Esther Kaufmann
18.00-19.00 Birgit Rabisch
19.00-20.00 Joachim Frank

Rosengarten
16.00-17.00 Wolf-Ulrich Cropp
17.00-18.00 Jörg Krämer
18.00-19.00 Christina Oskui
19.00-20.00 László Kova

Was uns hätte blühen können

Zur historischen Dystopie „Wenn der Führer wüsste…“ von Heiger Ostertag – Mal angenommen, Hitler hätte den Krieg gewonnen und wir lebten jetzt unter der Regierung seines Enkels Adolf II., der mit vierzig Jahren nach dem Tod seines Vaters Adolf Wolf die Herrschaft übernommen hätte. Den Leuten hat man die Legende erzählt, alle Juden hätten in Madagaskar ihren eigenen Staat bekommen. Die Denkmäler stehen noch, die nationalsozialistischen Werte auch – doch es beginnt zu rumoren. Nächstes Jahr wird eine Revolution angezettelt werden, in deren Folge die Regierung gestürzt werden soll. Finden Sie das schräg? Ist es auch. Aber so gut gemacht, dass es einem bei der Lektüre des Romans kalt den Rücken runterläuft. Nach dem viel beachteten Buch „Die Welle“ von Morton Rhue, das sich mit der Frage befasst, wie so ein Regime wie Hitlers möglich werden konnte, befasst sich „Wenn der Führer wüsste…“ mit einer Möglichkeit von Realität unter einer nationalsozialistischen Herrschaft und dem Aufbegehren der unterdrückten Bevölkerung.

Studentenrevolte unter Adolf II.

Der Studentenführer Rudolf von Bracken und seine Clique sind die Hauptfiguren der Geschichte. Groß geworden mit den nationalsozialistischen Rassegesetzen, sind für ihn die polnischen und russischen Raumpflegerinnen „rassisch minderwertige Arbeitsweiber, die man zumeist nicht wahrnahm oder schlicht übersah“ (S. 15). Gerade die Selbstverständlichkeit, mit der solche Lebenswirklichkeiten der Romanfiguren erwähnt werden, offenbart die Grausamkeit dieses „Wertesystems“. In Rudolfs Realität sind er und seine Freunde die künftige Reichselite, und das – nach jahrzehntelanger Einprägung dieses Denkens – mit größter Selbstverständlichkeit. Doch während diese künftige Elite zur „neudeutschen Welle“ schwooft, braut sich unter den Studenten ein Aufruhr zusammen. Die strikte Trennung zwischen den unterschiedlichen „Rassen“ weicht auf, die Studenten sind die alten Zöpfe leid, sie wollen sich nicht mehr gängeln lassen. In dieser Aufbruchstimmung kommen Zweifel auf, was das Schicksal der Juden zuzeiten des Zweiten Weltkriegs angeht. Gerüchte kursieren, dass es geheime Akten gäbe. Rudolf und seine Freunde geraten in diese Umbruchzeit und wollen aufklären, was von der Kriegsgeneration der Nazis vertuscht wurde. Wird es ihnen gelingen und wird sich Regierung samt Wertesystem wandeln?

Gar nicht so abwegig …

Heiger Ostertags Roman überzeugt vor allem, weil die Story nicht weit hergeholt erscheint. Hinzu kommen viele kleine sarkastische Einsprengsel vor allem bei den Namen („Hagens Speer“ heißt eine Musikgruppe) oder Bezeichnungen wie „Handfon“ statt Handy. Wen Timur Vermes‘ „Er ist wieder da“ begeistert hat, wird auch an diesem Buch seine Freude und seinen Grusel haben.

Im Anhang erläutert der Autor und Historiker in einer „Historisch-kritischen Nachbetrachtung“ die Hintergründe und Inspirationsquellen, aber auch die Quellen für die eingebauten Fakten der Geschichte. Hier wird deutlich, wie nah an tatsächlichen Begebenheiten oder auch nationalsozialistischen Visionen die Geschichte entwickelt wurde. Das macht den Roman noch beklemmender und zeigt, was uns hätte blühen können, wenn der Zweite Weltkrieg anders ausgegangen wäre.

Dr. Heiger Ostertag (M.A.) gehörte der Luftwaffe an, in der er u. a. eine fliegerische Ausbildung absolvierte. In Freiburg studierte Ostertag Geschichte, Germanistik sowie Nordgermanische Philologie und promovierte mit einem historisch-germanistischen Thema zum Kaiserreich. Seit den 90er Jahren ist Heiger Ostertag als Autor und Historiker in Forschung, Bildung und Lehre sowie als Lektor im Verlagswesen tätig. Die Fachliteratur erschien bei Ullstein, Herder, Rombach und Mittler. Das belletristische Werk wird beim Südwestbuch-Verlag, Gmeiner und im Theiss Verlag/WBV verlegt. Auf der Basis exakter Recherchen und psychologischer Personenprofile entstanden in den 30 Jahren seines Schreibens kontextsituierte Geschichten und zahlreiche Romane von großer Dichte und Spannung.  Unter Pseudonym sind vom Autor weitere brisante Politthriller erschienen. Einige Romane wurden zudem als Hörbuch vertont. Aktuell arbeitet der Schriftsteller am Abschlussband seiner Junker-von-Schack Reihe mit dem Arbeitstitel „Von Austerlitz nach Waterloo“.

Website des Autors: http://www.heigerostertag.de/

Heiger Ostertag: Wenn der Führer wüsste…, Südwestbuch Verlag/SWB Media Entertainment, Calw 2021

Fantastisches Plastik: Zum neuen Album von Goetz Egloff

Cover

Goetz Egloff. Plastic Fantastic. TuneCore, New York, 2022
Audiovorstellung eines neuen Komponisten-Albums

Goetz Egloffs wieder bei TuneCore erschienenes Komponisten-Album wartet mit zehn neuen Titeln im R&B Pop-Genre auf. Dabei bietet ´Plastic Fantastic´ im Vergleich zum 2021 erschienenen ´Demos, Baddest´ vielleicht noch etwas rundere Songs – bei gleichzeitiger Vielfältigkeit  der Stile im Pop-Paradigma.

So erinnert  z.B. „Teri Teri“ charmant an den Groove von Pebbles´ US-Hit  „Givin´ You the Benefit“, das darauffolgende „I Ain´t Here No More” aber könnte auch von den Red Hot Chili Peppers sein; die Vocals haben vielleicht etwas von einem bedröhnten Kid Rock. „I Luv Luvin U“ wiederum stellt ganz klar eine Upbeat-Soul-Hymne für Howard Hewett dar, und wer das String Pad der Pet Shop Boys auf deren frühem 80er-Hit „West End Girls“ liebt, fragt sich: wieso hört man das eigentlich sonst nicht mehr?

Doch das Album hat noch anderes zu bieten: unverschämte Titel wie „C.U.C.I.M.M.“ oder „Hots“ erinnern musikalisch und textlich an Prince, Sheila E. oder auch The Family Stand. Hier und da könnte man auch sagen: Prince trifft auf Police-Drummer Stewart Copelands vertrackte Instrumentalvisionen. Aber auch simple, doch starke Popsongs wie „Chinese Love“ oder „YoDancinShooz“ sind hier anzutreffen – man kann dann das gute alte R&B-Radio bei Sommerwind im Cabrio fühlen… Letzterer Titel erinnert übrigens an Scritti Politti, aber mit einem GoGo-Beat à la Damian Dame. Dies und noch viel mehr im Plastiksound der 80er Jahre…

Nicht nur im Gefolge von ´Demos, Baddest´ gilt auch hier wieder: minimalistische Songs, aber immer in Bewegung, und keine Statik. Nachdem die im Sommer 2021 nachgeschobene Single „Mr Clinton, President“ – zum 80. Geburtstag von Funk-Großmeister George Clinton –  sich seit über 30 Wochen auf der Spotify-Playlist der Washingtoner Return Records befindet, darf ´Plastic Fantastic´ hier locker anschließen. Bleibt zu wünschen, dass es fantastisch abhebt – denn wer auch diesmal alle Regler aufzudrehen gewillt ist, wird mit feinen R&B Pop-Kompositionen belohnt.

Goetz Egloff. Plastic Fantastic. TuneCore, New York, 2022, 48 min., 8,99 $
Zugänglich und erhältlich z.B. über YouTube, Amazon, Spotify, itunes, Deezer, Pandora u.ä.

Tracklist:

  1. Sex on the Beach
  2. I Don’t Know
  3. Chinese Love
  4. Teri Teri
  5. I Ain´t Here No More
  6. Kabbazah
  7. YoDancinShooz
  8. C.U.C.I.M.M.
  9. I Luv Luvin U
  10. Hots

Link zu Chinese Love: https://www.youtube.com/watch?v=1kdt8bE2i8c

Link zu C.U.C.I.M.M.: https://www.youtube.com/watch?v=S24pDtJsq_o

Link zum Album auf Amazon:
https://www.amazon.de/music/player/albums/B0B1VDTN88?ref=sr_1_16&s=dmusic&keywords=plastic+fantastic&crid=23557HYS4JRPL&sprefix=%2Cdigital-music%2C230&qid=1654372269&sr=1-16

80 Jahre und kein bisschen leise

Foto: Jan-Rasmus Lippels

Sängerin Janice Harrington, Urgestein des Gospel, Blues und Jazz sowie Finalistin der TV-Show „The Voice Senior“ von SAT 1, feiert ihren runden Geburtstag mit neuer CD und Jubiläumskonzerten.

In Las Vegas stand sie mit Sammy Davis Jr. auf der Bühne, spielte im Vorprogramm von Joan Armatrading und B.B. King, trat mit Frank Sinatra Jr., Big Jay McNeely und Lionel Hampton auf. In Oslo sang sie für den kürzlich verstorbenen Bischof Desmond Tutu, als ihm dort gerade der Friedensnobelpreis verliehen worden war. Janice Harrington hat viel von der Welt gesehen und viel erlebt.

Janice Harrington mit Blues-Legende B.B. King.
Foto: Archiv Janice Harrington

Coronabedingt musste das geplante Geburtstagskonzert in der Lüneburger St. Nikolaikirche zwar ausfallen, doch das hält Janice Harrington nicht auf. Sie ist eine Naturgewalt. Wer sie live auf der Bühne sieht, kann kaum glauben, dass das Energiebündel mit der kraftvollen Stimme bereits ein so stolzes Alter erreicht hat, in dem sich die meisten Menschen längst auf ihr Altenteil zurückgezogen haben und das Leben in ruhigem Fahrwasser genießen. Ein beschauliches Rentnerdasein ist ihre Sache nicht, im Gegenteil. In fettgedruckten Lettern prangt auf ihrer Webseite ihr Lebensmotto: „Alter ist nur eine Zahl. Ich bin immer noch allzu bereit das Haus zu rocken!“

Mit 76 Jahren ins Finale von „The Voice Senior“ von SAT 1

In der Tat verspricht sie ihrem Publikum nicht zuviel. Im Alter von 76 konnte sie auch die Fernsehzuschauer in Deutschland sowie die Jury der SAT 1 – Show „The Voice Senior“ von ihrem Talent überzeugen. Als Kandidatin schaffte sie es als Schützling von Yvonne Catterfeld bis ins Finale. Ihre drei Auftritte erreichten auf YouTube bis heute über 2,2 Millionen Klicks.
Für „The Great Grandma Jan“, wie sie sich selbst nennt, sah der Start ins Leben zunächst jedoch alles andere als einfach aus. 1942 in Cleveland, USA geboren herrschte in Amerika noch die Rassentrennung. Erst 1964 wurde diese in öffentlichen Einrichtungen wie Hotels, Bussen oder Sanitäranlagen durch die Verabschiedung des amerikanischen Bürgerrechtsgesetzes „Civil Rights Act“ aufgehoben. Von der musikalischen Mutter, die in einem Gospelchor sang, erbte sie die Liebe zur Musik. Der Vater war bei der Armee und viel unterwegs. Als die junge Janice mit 14 Jahren schwanger wurde, drängte die Mutter sie zur Heirat und so schloss sie mit 15 Jahren in den USA den ersten Bund für’s Leben, der knapp vier Jahre dauern sollte und ihr zwei weitere Kinder brachte. Mit dem zweiten Mann bekam sie Zwillinge, aber erst mit Ehemann Nr. 4 fand sie in Deutschland die Liebe ihres Lebens.

Mit Sammy Davis Jr. in Las Vegas
Mit Sammy Davis Jr. in Las Vegas.
Foto: Archiv Janice Harrington

Doch zunächst baute sie sich als junge Frau in den USA schrittweise eine Karriere als professionelle Musikerin auf, während ihre Mutter als Babysitterin einsprang, wenn sie auf der Bühne stand. Das erste Engagement erfolgte bei den United Service Organizations (USO), einer gemeinnützigen Organisation, die US-amerikanische Streitkräfte und ihre Angehörigen unterstützt. Mit dem Showprogramm zur Unterhaltung der Soldaten, die sich im Ausland befanden, ging es nach Südostasien, Panama, Grönland, Neufundland, Island, Schottland und Irland. Es folgte ein dreijähriger Vertrag mit dem Flamingo-Hotel in Las Vegas, wo sie von 1975-1977 allabendlich mit ihrer Band auf der Bühne stand und dort auch auf besagte Showgrößen wie Sammy Davis Jr. traf.

Umzug nach Deutschland
Mit Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu. Foto: Archiv Janice Harrington

Nach Gastauftritten als Schauspielerin in einer amerikanischen TV-Serie, als Autorin und Produzentin verschiedener Musicals und einer Zwischenstation in Norwegen folgte der Sprung nach Deutschland, wo sie schließlich ihren heutigen Ehemann kennenlernte. Seit 33 Jahren ist sie inzwischen mit Werner Gürtler verheiratet, ebenfalls Musiker und zudem ausgebildeter Klavierbauer und –stimmer, dem man vor Konzerten die Flügel großer Namen wie Leonard Bernstein und Oscar Peterson anvertraute. Getroffen hatten sich die beiden Ende der 1980er Jahre in Norddeutschland als Janice im Rundfunk sang und dort auf ihren zukünftigen Mann traf, der sofort von ihr fasziniert war. Als Posaunist begleitet er seine Frau regelmäßig auf der Bühne, vor allem bei ihrer erfolgreichen Musikshow „What my eyes have seen“, die sich seit vielen Jahren als Dauerbrenner etabliert hat und ihr stets hochgelobte Kritiken einbringt. Auf musikalische Weise lässt Janice Harrington mit den jeweils passenden Songs ihr Leben Revue passieren, Diashow und Kostümwechsel inklusive.

Lady of the Gospel
Foto: Ute Bösch

Ihr Mann unterstützte sie auch tatkräftig, als sie in den 1990er Jahren den Gospel nach Deutschland holte. Nach dem ersten Gospel-Konzert in der St. Nikolaikirche in Lüneburg folgten die allerersten Gospel-Workshops in Deutschland. Die Menschen waren begeistert von den ungewohnten Klängen und die Gospelmusik verbreitete sich im ganzen Land, was ihr den Titel „Germany’s Lady of the Gospel“ einbrachte. Nach wie vor hält sie Workshops und Masterclasses ab und konzentriert sich seit 2000 auch auf die Arbeit mit jungen Menschen und Menschen mit Behinderungen. Sie will Vorbild und Inspiration sein, sowohl für die jungen als auch für die älteren Generationen.

Live auf der Bühne, begleitet von Ehemann Werner Gürtler (Posaune) und Gottfried Böttger („3nach9“) am Klavier. Foto: Archiv Janice Harrington

Zu ihren persönlichen Vorbildern gehören Frauen wie Tina Turner, Ma Rainey, die „Mutter des Blues“ und Iris Apfel. Die exzentrische US-Amerikanerin mit der markanten Riesenbrille gilt mit ihren einhundert Jahren und ihren schrill-bunten Outfits als Mode-Ikone und ältestes Model der Welt. Mit 97 unterschrieb sie einen Vertrag bei der renommierten Model-Agentur IMG, neben hochbezahlten Models wie Gigi Hadid und Kate Moss. Soviel kreative Geschäftigkeit im reifen Alter inspiriert auch Janice Harrington. In Kürze veröffentlicht sie ihre neue CD mit dem Titel „Janice Harrington. 80 Years Of International Friendship“.

Eine weitere CD, auf der sie von vielen befreundeten Gastmusikern begleitet wird, ist bereits in Arbeit und wird heißen: „Janice Harrington sings Dinah Washington“. Geplant ist für 2022 auch eine große Jubiläumstournee mit Konzerten im gesamten Jahresverlauf.
Immer an ihrer Seite wird natürlich Ehemann Werner Gürtler sein. Die Liebe und die Musik sind bekanntlich die besten Jungbrunnen.

Mehr Informationen zu Janice Harrington, der neuen CD und den aktuellen Konzertterminen unter:
www.janice-harrington.com

Janice Harrington bei „The Voice Senior“ von SAT 1:
Hound Dog (Big Mama Thornton):
https://www.youtube.com/watch?v=hq_IAlYBDKk

Honky Tonk Woman (Rolling Stones):
https://www.youtube.com/watch?v=OK0x6eO45WE

International Poetry Reading Part 2

SPRING’S BLUE RIBBON, edited by poet Gino Leineweber, is the fourth international poetry anthology published by Verlag Expeditionen, Germany. The publishing house presents an extraordinary project in which worldwide poets have participated. The poetry collection contains poems from 61 poets from 20 countries on five continents. With its different cultural and personal imprints, the range of poetry is unique and provides a profound insight into contemporary, lyrical work. Each poem is printed in mother-tongue and English and is likewise performed in the reading series. Anyone who has heard such multilingual readings knows how special it is to listen to a poem recited in a foreign language, even if you don’t understand it; the sound and rhythm of the language is always an experience.

The recitals of the poets will be framed by the moderation of the editor and poet Gino Leineweber and music videos of the musicians Ulrike Gaate and Thomas Styhn from Germany. The readings will be broadcast via Facebook and recorded to be made available later on YouTube and on the publisher’s website.

The first out of five readings from the international poetry anthology SPRING’S BLUE RIBBON will take place on

March 26, 2022, 12 pm EDT, 5 pm CET 

The whole Program you will find here: http://www.weblesung.de/

Every reading will be broadcast on FB-page “Cultivating Voices.”

If you want to join on the Zoom platform, you need to register in advance here:

https://us02web.zoom.us/meeting/register/tZIsfu2pqDkrE9av_ZG-PNShbmPuqsmqCZXt

After registration, you will get an email with an access link.

Reading Poets on March 26 are:

Daniel Calabrese – Argentina,
Gülname Eslek – Turkey,
Maren Schoenfeld – Germany,
Raquel Martínez Gómez López – Spain,
Susanna Piontek – USA/Germany,
Zorin Diaconescu – Romania,
Dorel Cosma – Romania,
Hilal Karahan – Turkey,
Utz Rachowski – Germany

Moderation: Gino Leineweber, Germany

Music Videos: Ulrike Gaate & Thomas Styhn Germany

Internet Technic: Don Krieger, USA

Three members of the DAP, Ulrike Gaate, Maren Schönfeld and Gino Leineweber, are part of these special event.

Neuerscheinung: Hochbegabung und Hochsensibilität

Buchcover Hochbegabung und Hochsensibilität

Sind Sie etwa hochbegabt?
Fühlen Sie sich manchmal wie von einem anderen Stern? Wundern Sie sich, weil Ihr Gegenüber so lange braucht, um einen Text zu lesen? Nimmt man Sie manchmal als abgehoben wahr? Wenn Sie sich fragen, ob das wahr sein kann: Vielleicht gibt es Fakten und Hintergründe, die Sie – und die anderen – nicht kennen.

Ungefähr zwei bis drei Prozent der Bevölkerung werden als hochbegabt eingestuft. Traditionell wird ein Mensch als hochbegabt bezeichnet, wenn er in einem Intelligenztest einen Intelligenzquotienten (IQ) von mindestens 130 erreicht. Bei ca. 80 Millionen Einwohnern leben in Deutschland also ungefähr 1,6 Millionen Hochbegabte.
Wie man eine Hochbegabung bei sich oder seinem Kind erkennt, welches Potenzial sich dahinter verbirgt, aber auch welche Gefahren, Probleme und Herausforderungen damit verbunden sein können, darauf gehen die Herausgeber in ihrem umfassenden Ratgeber ausführlich ein. Diese sind fast alle selbst hochbegabt und können mit ihren breit gestreuten psychologischen, therapeutischen und pädgagogischen Expertisen auf langjährige Berufserfahrung zurückgreifen.

Mythen und Vorurteile
Zeichnung: Natalie Bromberger

Da mit dem Wort Hochbegabung noch immer viele Vorurteile und falsche Vorstellungen verbunden sind und es deshalb sogar zu folgenschweren, ärztlichen Fehldiagnosen kommen kann, soll das Buch einer breiten Zielgruppe die Augen öffnen. Gedacht ist das Werk sowohl für Betroffene und deren Bezugspersonen, als auch für Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen, der Pädagogik, dem Sozialwesen bis hin zu Führungskräften und Seelsorgern.

Die IQ-Zahl alleine hilft oft nicht weiter

Da mit einer Hochbegabung eine auffallende Häufung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale und Charakterzüge verbunden ist, hilft die ausschließliche IQ-Zahl aus einem Intelligenztest den Betroffenen meist nicht weiter. Die markanten Merkmale zu kennen, die im zwischenmenschlichen Umgang oder bei vielen Lebensentscheidungen, von der Berufs- bis zur Partnerwahl, von zentraler Bedeutung sein können, ist daher besonders wichtig. So nimmt dieses Thema im Buch einen zentralen Stellenwert ein.

Markante Persönlichkeitsmerkmale bei Hochbegabten

Zu den typischen Merkmalen gehören z.B. ein auffallend hohes Lern- und Denktempo, schnelles Erfassen komplexer Zusammenhänge, sprunghaftes Denken, ausgeprägter Wissensdurst, gutes Abstraktions- und logisches Denkvermögen, sowie ein großer Wortschatz. Aber auch Eigenschaften wie Perfektionismus, Ungeduld, wenn andere nicht auf den Punkt kommen und Frustration, wenn andere zu langsam sind, gehören dazu. Durch ausgeprägtes Reflektieren kann es zu Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung führen.

Zeichnung: Natalie Bromberger

Aufallend sind auch Probleme mit einfachen Aufgaben und Routinearbeiten, sowie Widerwille, Unlust, Konzentrationsschwierigkeiten und schnell aufkommende Langeweile bei monotonen Aufgaben, Wiederholungen oder mangelnder Weiterentwicklung, die das Lebensgefühl der Betroffenen prägen können. Das starke Bedürfnis nach Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Freiheit und Nonkonformismus, sowie ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn können zur täglichen Herausforderung werden und tragen zum sogenannten „Alien-Effekt“ bei. Viele Betroffene fühlen sich wie von einem anderen Stern und nicht für diese Welt geschaffen, was den Aufbau von Freundschaften und Beziehungen auf Augenhöhe mangels Gleichgesinnter erschweren kann.

Hochbegabte Erwachsene, Hochsensibilität, Fallbeispiele

Da ca. 70 Prozent der Bücher von der Hochbegabung von Kindern und Jugendlichen handeln, liegt der Schwerpunkt dieses Buches auf unentdeckten und erkannten hochbegabten Erwachsenen.
Da eine Hochbegabung auch mit einer Hochsensibilität einhergehen kann, aber nicht muss!, wird auch dieses Phänomen im Buch ausführlich erläutert.
Neben aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, beruflichen und persönlichen Erfahrungen der Herausgeber, haben auch verschiedene Erfahrungsberichte von Betroffenen Eingang in das Werk gefunden, was es sehr lebensnah macht.

Das ABC des Lebens von hochbegabten und hochsensiblen Menschen

Das Buch ist alphabetisch aufgebaut, sodass man die verschiedenen Themenfelder schnell finden kann. Am Ende jeden Kapitels werden die Kernaussagen noch einmal übersichtlich zusammengefasst.
Die Texte sind verständlich geschrieben und werden der breiten Zielgruppe, vom Laien bis zum Experten, gerecht. Zahlreiche Zeichnungen lockern die Textpassagen sehr angenehm auf.

Zeichnung: Natalie Bromberger

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Inhalte aus der Psychologie, Medizin, Psychiatrie, Pädagogik, Psychosomatik und alternativen Medizin wie Green Care (z. B. tiergestützte Therapie oder Gartentherapie) einbezogen werden und sich in diesem Ratgeber erstmalig ein ganzheitlicher und interdisziplinärer Ansatz findet. Das Buch schließt die Lücke zwischen der allgemein üblichen Betrachtungsweise kognitiver Hochbegabung und einem breiteren Ansatz, wie zum Beispiel musischer, kreativer, naturzentrierter und hochsensibler Hochbegabung, die sich bislang nicht mit Hilfe von Intelligenztests messen lässt.

Lebenshilfe
Zeichnung: Natalie Bromberger

Der umfassende Ratgeber, den die Herausgeber als Lebenshilfe verstehen, enthält neben wertvollen Informationen und vielen Tipps auch Kontaktadressen zu Beratungsstellen, Webseiten und Netzwerken. Normalbegabte bekommen einen ausführlichen Einblick in die Situation, Gefühls- und Gedankenwelt von Hochbegabten. Somit kann auch das Zusammenleben von Hochbegabten und Normalbegabten harmonischer gestaltet werden und Vorurteile gegenüber Hochbegabten können abgebaut werden.

Die Herausgeber

Theres Germann-Tillmann ist freiberufliche Fachfrau für Tiergestützte Therapie/Pädagogik und Beratung. Sie arbeitet mit ihrem Hintergrund als Pflegefachfrau HF, Dipl. Berufsschullehrerin Pflege WPI und Dipl. Schulleiterin SRK in den Fachbereichen Psychiatrie, Forensik, Pädagogik / Heilpädagogik. Sie engagiert sich ehrenamtlich für eine bessere Lebensqualität von hochbegabten Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern.

Dr. Karin Joder ist Betriebswirtin, Master of Public Health (Gesundheitswissenschaftlerin), Diplom-Psychologin und promovierte an der Universität Kiel über das Thema Hochbegabung. Von 2003 bis 2021 leitete sie in Kiel ihre psychologische Privatpraxis mit den Schwerpunkten Hochbegabungs-diagnostik, Beratung/Coaching und Gutachtenerstellung. Sie lebt in der Schweiz und leitet dort das von ihr gegründete Online-Unternehmen „Clever People GmbH“, das besondere Netzwerk für Hochbegabung und Neurodiversität.

Dr. med. René Treier ist selbständiger Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und arbeitet in einer Praxisgemeinschaft in der Schweiz.

Renée Vroomen-Marell schloss an der Radboud-Universität in Nijmegen ihren Master of Science in Pädagogische Wissenschaften ab. Seit 2014 hat sie eine eigene Praxis in den Niederlanden. Sie ist spezialisiert auf Bindungsprobleme und Traumatherapie und führt zudem regelmäßig psychodiagnostische Tests durch, einschließlich Intelligenztests.

Zeichnungen
Natalie Bromberger studierte Soziologie und machte Weiterbildungen im Bereich Coaching und als Legasthenietrainerin. Seit 2003 arbeitet sie mit hochbegabten, kreativen und legasthenen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Sie arbeitet vorwiegend als Illustratorin und für ihren eigenen Verlag.

Verlag: ‎ Schattauer, Klett-Cotta, 1. Aufl., 2021
Gebundene Ausgabe: 286 Seiten
ISBN-10: ‎3608400893
ISBN-13: 978-3608400892
Abmessungen:‎ 17 x 2.4 x 24.4 cm
Preis: 35 Euro

 

Herz schlägt Krieg: Eine Familiengeschichte aus erster Hand

Hilde Niggetiet Foto: privat

Im ersten Teil seiner zweibändigen Familiensaga führt Jörg Krämer seine Leser in die Welt des Bergbaus im Ruhrgebiet im Jahr 1865. Der Bergmann Johannes Biel und seine Frau Wilhelmine leben in sehr einfachen Verhältnissen und mit harter Arbeit. Acht Kinder ziehen sie liebevoll groß und freuen sich an den kleinen Dingen.

Jörg Krämer erzählt die Geschichte handlungsorientiert und direkt, man ist sofort in das Geschehen eingebunden. Faszinierend ist der Einblick in eine untergegangene Welt ohne Handy, Fernsehen und Multimedia, dafür mit Arbeit bis über die eigenen körperlichen und seelischen Grenzen hinweg. Da sitzt die Frau zu Hause und bangt, weil der Bergmann nicht zur gewohnten Zeit erscheint. Heute würde man eben anrufen. Kinder werden nicht zur Schule gefahren, sondern müssen weite Wege zu Fuß zurücklegen. Jüngere Geschwister tragen die Kleidung der älteren auf.

Foto: Pavlofox/Pixabay

Die Geschichte spielt in der Zeitspanne von 1865 bis 2001, auf knapp über 600 Buchseiten in zwei Bänden („Im Schatten von Schlägel und Eisen“ und „Herz schlägt Krieg“, beide im net-Verlag erschienen). Sie konzentriert sich in der Erzählweise vor allem auf den chronologischen Ablauf und die Personen. Bedingt durch die große Familie kommen viele verschiedene Personen vor, was teilweise etwas verwirrend ist. Im zweiten Teil ist am Ende ein Personenverzeichnis eingefügt, das einige Orientierung bietet.

Eigenhändige Aufzeichnungen der Großmutter

Hat Jörg Krämer den ersten Teil in Autorenperspektive als Roman geschrieben, so tritt der Autor im zweiten Teil ganz hinter der Erzählstimme Hilde Niggetiets – seiner Großmutter – zurück. Die Erzählung wechselt in die Ich-Perspektive und einen Tagebuchstil. Das bringt einige Sprünge im Erzählfluss mit sich, die nicht literarisch bearbeitet wurden; womöglich, um den authentischen Bericht der Protagonistin nicht zu verfälschen. Nun hat es durchaus etwas für sich, einen Menschen des Jahrgangs 1910 in seiner eigenen Sprache erzählen zu lassen. Die Ich-Form berührt direkt, vor allem in den schweren Phasen der Armut und des Krieges, und die aus anderen Zeitzeugenberichten bekannten Motive wie Kinderlandverschickung und Hamstertouren werden durch die eigenen Erlebnisse sehr lebendig. Durch Hilde Niggetiets eher sachlich-zurückhaltenden Stil sind einige Szenen besonders verstärkt, wenn sie beispielsweise berichtet, wie ihrer Tochter Edith nach der Zangengeburt des ersten Kindes die Beine zusammengebunden wurden, damit die Nähte nicht rissen.

Mit Blick auf das Positive
Foto: Congerdesign/Pixabay

Berührend ist auch, wie die Erzählerin sich bemüht, möglichst viel Positives zu berichten. Immer wieder kommentiert sie ihre Ausführungen selbst in dem Sinne, dass sie dem Schweren nicht zu viel Raum geben möchte. Eine Haltung, die mich an meine Großeltern (Jahrgang 1920) erinnert. Und wie konnte diese Generation auch anders überleben als durch Verdrängung? Meine Großmutter sagte in schweren Zeiten immer, man solle sich nur Schönes ansehen. Und so ist auch in der Familie des Autors Jörg Krämer der Blick eher auf das Schöne als auf das Schlimme gerichtet, und das bei Schicksalsschlägen, die mir beim Lesen manchmal den Atem verschlagen haben. Irgendwie muss es weitergehen, so ist das Motto, und es geht auch weiter, irgendwie. Männer schuften in der Zeche und leisten sich vielleicht ein bescheidenes Hobby wie die Taubenzucht, Frauen schuften zu Hause, zu Anfang von Krämers Geschichte ohne Waschmaschine und mit Wasser auf dem Kohleherd. In jeder freien Minuten scheinen die Frauen der Familie feinste Handarbeiten herzustellen, denn Schönheit war ihnen durchaus wichtig, und da sie nichts kaufen konnten, stickten, häkelten, nähten und strickten sie eben alles selbst und freuten sich daran. Der Einblick in diese Welt, auch in die Fertigkeiten der Menschen, in das Bemühen um Frieden und liebevolles Miteinander, ist sehr anrührend. Manches Wort, wie z. B. „Gabelarbeit“ (eine Häkeltechnik), musste ich nachschlagen. Nicht nur eine untergegangene Welt, auch untergegangene Worte finden sich in Jörg Krämers Familiensaga.

Gleichwohl birgt die tagebuchartige Erzählweise die Gefahr, dass man als Leser mit einigen Sprüngen zwischen Personen nicht mehr nachkommt. Auch wenn es noch schwieriger gewesen wäre, als es vermutlich ohnehin schon war, so einen langen Zeitraum in zwei Büchern unterzubringen, habe ich teilweise im ersten Teil ein Verweilen bei einzelnen Personen vermisst. Im zweiten Teil wäre es vielleicht einen Versuch wert gewesen, behutsam in den Tagebuchstil einzugreifen und ihn mit romanhaften Verbindungen zu ergänzen; allerdings ist es verständlich, wenn der Autor dies aus Gründen der Authentizität unterlassen hat.

Spannung aus vergangenen Zeiten
Foto: Uki_71/Pixabay

Wie auch immer: Eine spannend erzählte Geschichte ist es allemal, man wird als Leser etwas daraus mitnehmen, sei es die eine oder andere Information, wie man „damals“ und speziell in der Bergbau-Welt – die es wohl bald gar nicht mehr geben wird – gelebt hat; sei es ein Einblick in das Seelenleben einer Generation, die sich mit existenziellen Fragen tagtäglich buchstäblich abarbeiten musste und das Wohl der Familie über alles stellte, was mir beim Betrachten unserer heutigen Gesellschaft durchaus den einen oder anderen Denkimpuls gibt. Jörg Krämer hat ein Zeitzeugendokument geschaffen und dabei seiner Großmutter eine Stimme verliehen. Sie beschreibt an einer Stelle, dass es ihm als Oberschüler an Ehrgeiz gemangelt hätte (S. 239, „Herz schlägt Krieg“). Das muss sich später allerdings gründlich geändert haben, denn ohne Ehrgeiz ist so eine Recherche und Romanarbeit kaum zu bewerkstelligen.

 

Über den Autor:
Jörg Krämer Foto: privat

Jörg Krämer, Autor und Taekwondoin, wurde 1966 in Witten geboren, wo er gemeinsam mit seiner Familie lebt. Die Liebe zum Schreiben entdeckte er durch seinen Hund Odin, über dessen Rasse Germanischer Bärenhund er bereits ein Buch schrieb. Oft spielt in seinen Geschichten ein Germanischer Bärenhund mit.

Jörg Krämers Seite in unserem Online-Magazin

 

Die Familiensaga entstand in der Zeit von 2013 bis 2017 und basiert auf handschriftlichen Aufzeichnungen der Hauptfigur Hilde Niggetiet sowie deren Aufnahmen auf Kassette. Dabei war es Jörg Krämer wichtig, den authentischen Originaltext für die Nachwelt zu erhalten.

 

Das beste Buch für guten Stil

Coverausschnitt, (c) Knesebeck Verlag

Wie viele Kleidungsstücke hängen aus alter Tradition in Ihrem Kleiderschrank? Gehören Sie auch zu den Leuten, die zwanzig Prozent ihrer Kleidung regelmäßig tragen, während der Rest so gut wie nie ans Tageslicht kommt? Die Verfasserin dieser Zeilen pflegt zweimal jährlich – nämlich zum Saisonwechsel – sinnierend vor ihrem Klamottenuniversum zu stehen und darüber nachzudenken, welche Teile aus dem Fach ganz oben nach unten in Greifnähe wandern und umgekehrt. Und vor allem, welche rausfliegen. Denn die Umsortierung nach Saison bietet sich dafür an. Allerdings sind die Gründe, warum ein Kleidungsstück mich verlassen oder eben nicht verlassen soll, höchst subjektiv. Nach einer Greenpeace-Studie kaufen wir rein statistisch gesehen jedes Jahr 60 Kleidungsstücke. Was passiert mit den anderen 600 aus den letzten zehn Jahren? Tatsächlich ist Fast Fashion für die Umwelt, aber auch für Menschen, die die Mode produzieren, ein großes Problem. Ob wir nun 60 oder 30 oder 100 Kleidungsstücke pro Jahr kaufen, es stellt sich die Frage: Braucht man das? Was braucht man wirklich, um gut angezogen zu sein? Habe ich mich früher gern experimentierend in verschiedene Fummel gewandet, hat sich im Lauf der Zeit meine Vorliebe eher hin zu schlichteren, kombinierbaren Stücken entwickelt. Was machen dann die alten Wallawallakleider im Schrank? Ziehe ich die noch mal an?

Fashion for Women. Not Girls.
Susanne Ackstaller/(c) Martina Klein, Knesebeck Verlag

In diese Überlegungen hinein fiel mir das Buch „Die beste Zeit für guten Stil“ von Susanne Ackstaller quasi vor’s Smartphone. „Fashion for Women. Not Girls.“ steht auf dem Cover und das sprach mich sofort an. Bei der fulminanten Online-Buchpräsentation war ich fasziniert von Susanne Ackstallers Energie und guter Laune. Und auch die Gemeinschaft der Frauen, die am Buch mitgewirkt haben, fand ich sehr einladend, unprätentiös, klar und spannend. Der Einblick in die Entstehung des Buches war beeindruckend, inklusive eines Blicks hinter die Kulissen der Fotostrecken. Ich bestellte also dieses Buch und las es fasziniert.

Susanne Ackstaller hat einen Katalog aufgestellt, welche Kleidungsstücke eine gute Basisgarderobe ausmachen. Zwischen den Kapiteln für jedes Teil befinden sich elf Porträts über und Interviews mit stilsicheren Frauen, die von der Fotografin Martina Klein wunderbar in Szene gesetzt wurden. Diese Frauen geben auch ihre Empfehlungen für wichtigste Kleidungsstücke im Schrank, und das ist ebenso informativ wie lustig. Denn es geht von „Weiße Blusen in allen Varianten“ (Claudia Braunstein) über „Ein gut sitzendes schwarzes Kleid“ (Carola Niemann) bis „Keine (…)“ (Stephanie Gruppe). Manchmal stimmen die Empfehlungen der Frauen mit denen der Autorin überein, manchmal auch nicht. Etelka Kovacs-Koller bringt es auf den Punkt: „Jede Frau sollte das im Schrank haben, womit sie sich gut fühlt.“ Das kann man als Motto des Buchs begreifen, denn Susanne Ackstaller hat es geschafft, konkrete Empfehlungen mit der Ermutigung zu verbinden, alles so zu gestalten, wie man sich selbst damit am wohlsten fühlt. Dadurch ist das Buch unterhaltsam, locker und anregend statt dogmatisch. Der Anhang „Lassen Sie sich inspirieren“ stellt in sehr kurzen Texten weitere Frauen vor, auf deren Internetseiten Anregungen vielfältigster Art warten.

Lieblingsstücke und Stil-Ikonen
Annette Bopp / (c) Martina Klein, Knesebeck Verlag

Die interviewten und porträtierten Frauen erscheinen wie ein Miniquerschnitt der Frauentypen im mittleren Alter. Sie haben unterschiedlichste Berufe wie Food- und Modebloggerin, Art Directorin, Stylisting und Moderedakteurin, Malerin und Fotografin. Einige habe ich auf Instagram entdeckt. Sie sind rund und schlank, groß und klein, sie sind Frauen wie Sie und ich. Das spiegeln auch die Fotos wider, die die Frauen in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld zeigen. Annette Bopp sitzt barfuß auf der Lehne ihres Sofas vorm Bücherregal (S. 26), Christine Mortag lehnt im lässig-farbkräftigen Outfit in der Tür (S. 106). Die Interviewten verraten ihre Lieblingsmarken, Stil-Ikonen und dergleichen. So entsteht ein vielfältiges und beeindruckendes Kaleidoskop.

Illustrationen von Veronika Gruhl versprühen gute Laune und Schwung, sie hat Susanne Ackstaller sehr gut getroffen. Gemeinsam mit roten Überschriften, Textteilen und Zwischenseiten verleihen sie dem Buch eine frische Note.

Besitzen Sie einen Tüllrock?
Zeichnung: Verena Gruhl, Knesebeck Verlag

Nein? Ich auch nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, einen zu besitzen. Dass er aber in der Empfehlungsliste der Autorin auftaucht, finde ich wunderbar, denn er steht für mich symbolisch für die Ermunterung, etwas Ungewöhnliches, vielleicht sogar Verwegenes zu wagen. Wenn Sie womöglich lange Haare haben, kennen Sie sicherlich den Blick des Friseurs, der liebend gern die Haare kappen möchte, damit Sie jünger aussehen. Ich habe unzählige derartige Empfehlungen gehört. Aber ist es das Evangelium, jünger aussehen zu müssen? Warum soll ich mit Fünfzig, Sechzig oder Siebzig keine langen Haare tragen? Lange Haare sind zwar kein Thema in Susanne Ackstallers Buch, aber ich habe mich daran erinnert gefühlt, weil sie so charmant und souverän mit solchen Dingen aufräumt. Es ist nicht die Frage, ob man zu alt ist für einen Tüllrock, Glitzerschuhe oder lange Haare. Sondern es ist die Frage, ob man sich damit wohlfühlt!

Das ist schon einmal ein gutes Argument für meine Schrankbesichtigung. Obwohl Wallawalla gerade wieder in ist, fliegt das jetzt alles raus. Stattdessen prüfe ich, welche Kleidungsstücke von Susanne Ackstallers Liste bereits vorhanden sind und wie ich zu ihnen stehe. Ich hake ab: die weiße Bluse, die Jeans, die Sneakers, den Trenchcoat, das Nickituch. Wussten Sie, dass das Wort Bluse aus dem Mittelalter stammt? Der Kittel, den Kreuzritter als Schutz über ihrer Rüstung trugen, hieß „Blouse“. Wer schon mal in einer schwierigen beruflichen Situation war und eine gut sitzende weiße Bluse trug, weiß sofort, warum ich das stimmig finde.

Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen

In diesem Buch findet sich zu jedem Stück eine Erklärung zur Geschichte und ausführliche, kurzweilige Erläuterungen, was es mit dem Teil auf sich hat. Hinzu kommen Erklärungen zu Material und Schnitt („Was gibt’s zu beachten?“, Kombinierungsempfehlungen für verschiedene Anlässe („Wie wird’s gestylt?“) und letztlich sogar Bezugsquellen („Wo kriegt man’s?“). Dabei achtet die Autorin auf Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen.

Ihr Plädoyer für Qualität hat mich sofort überzeugt: „Ein Polyesterfetzen mag an 20-Jährigen noch charmant aussehen und bei einer 30-Jährigen gerade noch durchgehen. Aber bei Älteren wirkt er billig. Von möglichen Hitzewallungen unter Kunstfasern ganz abgesehen.“ (S. 23) Wobei heutzutage auch teure Teile aus Kunstfaser sein können. Doch dies ist das nächste Kriterium fürs Ausmisten. Tatsächlich fühle ich mich nicht mehr wohl in Polyester und bin jetzt so weit, alle unliebsamen Teile rauszuwerfen. Abgesehen davon hat man unlängst in Hamburg alle Altkleidercontainer eingesammelt, weil die abgegebenen Teile aus Kunstfasern nicht mehr verwertbar sind – nicht einmal als Lumpen. Die Entsorgung kostet für die Altwarenfirmen zu viel Geld, als dass sich eine Kleidersammlung noch lohnte. Ein Grund mehr, qualitativ Hochwertiges zu kaufen, das man später an Oxfam oder ähnliche Organisationen spenden kann.

Kreativ ins Umstylen

Weiter in Ackstallers Liste. Eine Jeansjacke? Besitze ich nicht. Sollte ich? Ich folge der Empfehlung der Autorin und schaue mich Second Hand um. Tatsächlich eine super Anschaffung, meine graue Jeansjacke! In meiner nächsten Online-Konferenz verpasste sie mir zu einem schlichten Shirt einen lässig-eleganten Look. „Nonchalance, Lässigkeit, Understatement“, meint die Autorin (S. 89) – sie hat recht! Hätte nicht gedacht, dass mir das steht.

Ich ergänze „die Umhängetasche“ durch „den Ledergürtel“ und finde beides in hervorragender Qualität in einem traditionellen Lederfachgeschäft einer niedersächsischen Kleinstadt, und das für sehr wenig Geld. Stattdessen verzichte ich auf „die Glitzerschuhe“, erwerbe aber umgehend „das weiße T-Shirt“. Langsam nimmt mein Stil-Experiment Form an! Ergänzend zu den Kleidungsstücken und Schuhe kommen die Kapitel „der rote Lippenstift“ und „die Augenbrauen“ mit guten Tipps daher. Welches Rot mir steht, finde ich allerdings schwer zu sagen – in einer Farbberatung habe ich gelernt, dass ich ein kühler Typ bin und deshalb eher blaustichige Töne wählen sollte, weil die gelbstichigen mich noch blasser erscheinen lassen, als ich ohnehin schon bin. Dass aber ein roter Lippenstift „Launeheber, Express-Stylist und Schönermacher par excellence“ ist (S. 43), das merke ich gleich, als ich ihn ausprobiere. Super!

Sie sehen schon, ich bin nicht unbedingt schnell durch mit dem Buch. Seit ich es habe, schaue ich jedes Teil im Schrank anders an. Es fällt mir leichter, mich zu trennen. Ich weiß die guten Teile mehr zu schätzen. Das Reduzieren ist ein erleichterndes Gefühl, weniger ist mehr. Ein gutes Teil anzuschaffen und dafür drei, die nichts mehr sind, wegzugeben, ist ein gutes Verfahren. Alles habe ich noch nicht ausprobiert, wie zum Beispiel „das Barrett“, aber das kommt noch! Mit diesem Buch werde ich noch lange Inspiration und Freude haben, und das wünsche ich Ihnen auch. Wer weiß, vielleicht findet sich ja Susanne Ackstallers Fanbase eines Tages mit Selfies, die vom Buch inspiriert sind, auf Instagram wieder?

(c) Knesebeck Verlag

Autorin und Fotografin

Susanne Ackstaller ist Kolumnistin, Bloggerin und Texterin. Seit 2009 schreibt sie auf ihrem Blog Texterella, der zu den bekanntesten Blogs Deutschlands zählt, über Mode und Lifestyle. Texterella richtet sich insbesondere an Frauen über 40, vor allem aber an Frauen, die ihren Weg voller Freude und Lebenslust gehen – unabhängig von Alter und Kleidergröße.

Martina Klein ist Fotografin und bloggt unter Still Sparkling über Stil, Reisen, Beauty und Genuss für die Generation Ü50. In ihren Bildern fängt sie mit viel Feingefühl die individuelle Persönlichkeit der Portraitierten ein und holt sich dabei besonders gerne Frauen Ü40 vor ihre Kamera.

Buchcover

Susanne Ackstaller: Die beste Zeit für guten Stil, Knesebeck, München 2021