100 Jahre „Das Trauma der Geburt“

Online-Tagung des Instituts für Pränatale Psychologie und Medizin Heidelberg am 23.11.2024

Otto Rank (1884-1939): 100 Jahre „Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse“

Das Institut für Pränatale Psychologie und Medizin Heidelberg lädt ein zu einem Rank-Tag in Form von Online-Vorträgen, die die Bedeutung des im Jahre 1924 erschienenen wegweisenden Buches „Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse“ von Otto Rank in den Blick nehmen. Dies betrifft insbesondere das von Rank erschlossene Wissen zur weiblich-mütterlichen Dimension menschlicher Lebenswirklichkeit. So gibt es heute ein im Rahmen der Pränatalen Psychologie gesammeltes breites empirisches Wissen auf verschiedenen methodischen Ebenen wie der Stressforschung, der Hirnforschung, der Epidemiologie, der Forschung zur pränatalen Programmierung oder der Epigenetik, die in direkten Zusammenhang mit den somatischen Aspekten von Schwangerschaft und Geburt gebracht werden können. Auf Seite der psychologischen Forschung gibt es umfassende Beobachtungen im Rahmen verschiedener psychotherapeutischer Settings zum Fortwirken vorgeburtlicher und geburtlicher Erfahrungen. Zudem hat die Übertechnisierung der heutigen Geburtshilfe in einer Art unfreiwilligem Massenexperiment zu Erweisen der Langzeitwirkungen von Geburtsbedingungen geführt. Durch die Dokumentationen der geburtshilflichen Eingriffe sind die Ausgangsbedingungen bekannt; deshalb können die Rekonstruktionen derer Folgewirkungen zunehmend auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden.

Unabhängig davon hat die evolutionsbiologische Forschung gezeigt, dass die Geburt beim Menschen elementare Besonderheiten hat, weil sie wegen des aufrechten Ganges mit einer besonderen Belastung verbunden ist und wegen einer Verkürzung der Schwangerschaft in einem Zustand der besonderen Unreife erfolgt. Einher damit geht, dass ein Großteil der neurologischen Entwicklung außerhalb des Mutterleibs stattfindet. Die mit all dem verbundenen traumatischen Aspekte hatte Rank in seinen Behandlungen entdeckt. Die heute mögliche Zusammenführung und Reflexion dieser Zusammenhänge eröffnet auch den Blick auf dessen erstaunliche intuitive Erfassung dieser tiefsten Schichten des vorsprachlichen Unbewussten. Dazu will der Rank-Tag Einblick und Würdigung bieten. Alle Interessierten sind somit herzlich zur Online-Tagung am Samstag, den 23.11.2024 von 8.45 bis 18.30 Uhr eingeladen!

Veranstalter

Institut für Pränatale Psychologie und Medizin (IPPM), Heidelberg

Wissenschaftliche Leitung

Dr. med. Ludwig Janus

Link zum Flyer: www.praenatalpsychologie.de/tagungen/

Tagungsort

Online-Tagung als Zoom-Meeting

Information und Organisation

Dr. Axel Bischoff, Tel.: 06221 892729

E-mail: rank-tag@praenatalpsychologie.de

 

Teilnahmegebühren

Regulär € 50
Ermäßigte oder Studierende € 30

Anmeldung

Anmeldung mit E-mail an rank-tag@praenatalpsychologie.de und durch Überweisung auf das Konto »Institut für Pränatale Psychologie und Medizin« – Sparkasse Heidelberg, IBAN: DE12 6725 0020 1003 4856 48. Kennwort: Rank-Tag 2024.

Anmeldungen nach dem 19.11.2024 sind aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich.

Zertifizierung für Psychotherapeuten und Ärzte erfolgt durch die Ärztekammer Baden-Württemberg.

für die Veranstalter: Götz Egloff, Ludwig Janus

Institut für Pränatale Psychologie und Medizin (IPPM) – Friedhofweg 8 – 69118 Heidelberg – Leitungsgremium: Ludwig Janus, Dr. med. – Otwin Linderkamp, Prof. Dr. med. – Götz Egloff, Mag. (Geschäftsführung) – Axel Bischoff, Dr. (Sekretariat) – www.praenatalpsychologie.de

Für nähere Fachlektüre sind neben Büchern und Artikeln der Vortragenden zu empfehlen:

Janus L (2024). Die psychologische Dimension von Schwangerschaft und Geburt. gyn – Praktische Gynäkologie 29(2):115-129. Download unter: www.researchgate.net/profile/Ludwig-Janus

Goetzmann L, Janus L (2023). Das Pränatale als eine Hintergrund-Dimension des Realen. Y – Zeitschrift für atopisches Denken 3(6):1-25. Download unter: www.y-zeitschrift.de/essays/122-das-praenatale-als-eine-hintergrund-dimension-des-realen

Egloff G, Djordjevic D, Janus L (2024). Identitätsentwicklung – das ´kleine Stück des Realen´. Deutsches Ärzteblatt PP 23(8):358-360. Download unter: www.researchgate.net/profile/Goetz-Egloff

Freud und Rank

 

Buchcover
Buchcover

Rezension zu E. James Lieberman, Robert Kramer: Sigmund Freud und Otto Rank. Ihre Beziehung im Spiegel des Briefwechsels 1906-1925. Psychosozial-Verlag, Gießen, 2014.

Die vielleicht engste Beziehung in der ersten Generation der Psychoanalyse bestand zwischen deren Begründer Sigmund Freud und dessen wenig beachtetem Meisterschüler Otto Rank, die immerhin 29 Jahre Altersunterschied voneinander trennte. Umso verbindender ihre lang währende gemeinsame Arbeit an den Grundfesten der Psychoanalyse, wenn im Verlauf auch Trennendes in den Vordergrund rückte, vielleicht rücken musste. Die Autoren E. James Lieberman – der auch für die großartige Biographie „Otto Rank – Leben und Werk“ (Gießen, 1997) – verantwortlich zeichnet, und Robert Kramer – langjähriger politischer Berater während der Clinton Administration – haben den ungewöhnlichen Weg einer Historiographie entlang des Briefwechsels der Protagonisten gewagt, und das Experiment ist geglückt.

Die Geburtserfahrung; die Mutterfixierung, die der Urverdrängung gleichkommt; die verlorene Mutter-Kind-Beziehung, die in der Mutter-Imago als Phantasma von Angst und Sehnsucht – eins gibt es nicht ohne das Andere – wieder auftaucht: all dies sind Grundpfeiler heutigen psychoanalytischen Verstehens, die auf Ranks Denken zurückgehen. Jene Bilder, die dem Leser dieser Zeilen beim Gedanken an das, was heute Psychotherapie genannt wird, durch den Kopf gehen, was aus unzähligen Filmen, Texten, Berichten und vielleicht aus der eigenen Erfahrung bekannt ist, wäre nicht nur ohne Freud, sondern auch ohne Rank so nicht möglich gewesen. Zumindest sähe es anders aus, fühlte sich anders an, hätte sich mit anderen Akzenten entwickelt. Rank hat entscheidende Impulse an Carl Rogers gegeben, dessen Gesprächspsychotherapie heute noch in den USA die weiteste Verbreitung hat und neben der Psychoanalyse im Liegen auf der Couch über Jahrzehnte hinweg maßgebend war. Erst postmoderne konstruktivistische Ansätze modifizierten bzw. definierten Therapie teilweise in neue Richtungen, dies zunächst mit mitunter ähnlich bahnbrechenden neuen Perspektiven, von denen viele jedoch mittlerweile wieder relativiert wurden. Wenn man so will, landete man in den letzten Jahren auf einem gemeinsamen psychodynamischen Nenner, der in der heute noch in Deutschland am weitest verbreiteten Therapieform, der sogenannten tiefenpsychologischen Psychotherapie, die ein- bis zweimal pro Woche im Sitzen stattfindet, ihren wohlbegründeten Sinn gefunden hat. Ranks vielleicht bedeutendstes Werk jedoch, das „Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse“ (1924) führt bis heute ein Schattendasein, zu problematisch erscheint der Gedanke an ein Real-Trauma der Geburtserfahrung. Dieser führte letztlich auch zum Bruch mit Freud.

Die Autoren Lieberman und Kramer, die bereits 1997 auf der Heidelberger Tagung „Die Wiederentdeckung Otto Ranks für die Psychoanalyse“ eindrucksvoll die Person Rank und ihr Wirken vorgestellt hatten, verknüpfen 250 Briefe aus der Korrespondenz Freud-Rank mit den Persönlichkeiten, der Politik und den Wissenschaften ihrer Zeit. Sie zeichnen dabei die Entwicklung psychoanalytischen Denkens und das der zwei Protagonisten (und Antagonisten), die das Denken der westlichen (und auch von nicht unbedeutenden Teilen der östlichen) Welt maßgeblich geprägt haben, eindrucksvoll nach. „The Letters of Sigmund Freud and Otto Rank: Inside Psychoanalysis“, bei der Johns Hopkins University Press 2011 in Baltimore erschienen, wurde von Antje Becker hervorragend ins Deutsche übersetzt und dankenswerterweise vom Psychosozial-Verlag in Gießen veröffentlicht. Das Buch gibt einen hochinteressanten, lebensnahen Einblick in die Psychoanalyse und ihre Entstehungsgeschichte.