Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller zu Gast bei der Hamburger Autorenvereinigung

Von Sabine Witt und Peter Schmidt

Sabine Witt (rechts) im Gespräch mit Herta Müller
Sabine Witt (rechts) im Gespräch mit Herta Müller

Herta Müller, die Literaturnobelpreisträgerin des Jahres 2009, erhielt 2014 auch den Hannelore-Greve-Literaturpreis der Hamburger Autorenvereinigung.
Die als Dank für den im Vorjahr im Hamburger Rathaus verliehenen Hannelore-Greve-Literaturpreis gedachte Veranstaltung war ein gelungener Auftakt der neuen Reihe „Literatur im Grand Elysée Hamburg“ – eine Kooperation zwischen der Hamburger Autorenvereinigung und dem Grandhotel.

Herta Müller las zunächst aus ihrem neuesten Buch „Mein Vaterland war ein Apfelkern“ – ein autobiografischer Text in Interviewform -, um dann ein Podiumsgespräch mit zwei Literaturwissenschaftlern zu führen: mit mir, der Vorsitzenden der Hamburger Autorenvereinigung Sabine Witt, und Prof. Jürgen Wertheimer von der Universität Tübingen – unterstützt durch die Moderation von Prof. Wolfgang Müller-Michaelis.

Es ist uns gelungen, Herta Müller dazu zu animieren, offen und ausführlich über ihr Werk, ihre Literatur, ihre Weltsicht und ihr Leben zu sprechen. Die Veranstaltung endete mit der Lesung eines Abschnitts aus dem Roman „Herztier“ – die Episode, die in der Inszenierung des Hamburger Schauspielhauses unter „Reisende auf einem Bein“ auf die Bühne gebracht wird.

Die Autorin faszinierte durch ihre schonungslose Offenheit, mit der sie ihren Werdegang als Schriftstellerin beschrieb. Sie begriff (und begreift) sich nicht als solche, für sie war (und ist) die Sprache, vor allem die deutsche, eine Flucht aus der unerträglichen Lebenswelt in der rumänischen Diktatur.

Ein vermeintlich hoffnungsloses Leben – selbst die Schönheit der Natur zeigt Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal ihrer Bewohner, und so kann auch ein Panorama in seiner Unendlichkeit zur Bedrohung werden: Die in den Niederungen arbeitenden Bewohner sehen es als randlosen Blick auf ein allumfassendes Drama. Herta Müller beschrieb uns das Gefühl des Ausgeliefertseins an die Natur wortreich und durchaus nachvollziehbar.

Außerdem demonstrierte sie uns ihr Verhältnis zur gesprochenen und geschriebenen Sprache sehr anschaulich anhand ihrer neuesten Veröffentlichung „Mein Vaterland war ein Apfelkern“, ein autobiografischer Text, der aus einem Interview entstanden ist. Der Inhalt musste Stück für Stück in einer Neukonstruktion der literarischen Schriftsprache angepasst werden.

Prof. Wertheimer beschrieb in seiner – ebenso profunden wie unterhaltsamen – wissenschaftlichen Einführung Müllers Bücher als Werke, die nichts Tröstendes enthielten. An manchen Tagen könne man sie einfach nicht lesen und wiederum an anderen Tagen, bei veränderter Stimmungslage, als Leser geradezu verschlingen.

Gerade die Antworten der Hannelore-Greve-Preisträgerin zu ihrer Person, zu ihrer Arbeitsweise, zu ihren Zweifeln, zu ihren Irrungen und Wirrungen und Suchen nach Antworten überzeugten das Publikum, das uns mit lang anhaltendem Applaus bedachte.

Die Messlatte für „Literatur im Elysee“ liegt nun von Beginn an hoch.

 

Foto:  Marcus Schmidt