Egon Madsen: Ein Tanzleben

Von Hans-Peter Kurr

Ein Tanzleben – beschrieben von einer Tänzerin. Neuerscheinung: Dagmar Ellen Fischers Biographie des großen Tänzers Egon Madsen

Egon Madsen

Dieser wertvollen Neu-Erscheinung wünsche ich ebenso innig wie intensiv eine große Leserschaft.

Wie Sie bemerken, verehrter Bücherfreund, nutzt der Rezensent die im Journalismus in der Regel unübliche Ich-Form, um seiner Begeisterung und Freude über das Werk der „schreibenden Tänzerin“ und Kollegin Dagmar Ellen Fischer Ausdruck zu verleihen, die mit  der  h e u t e  im Henschel-Verlag erschienenen Biographie

„Egon Madsen – Ein Tanzleben“ eine lange, zu lange klaffende literarische Lücke geschlossen hat. Grund für diese Würdigung in der „Ich-Form“  aber ist ein anderer:

Der Rezensent arbeitete während der Generalintendanz  Walter Erich Schäfers am Württembergischen Staatstheater, in der John Cranko das Stuttgart-Ballett, dem auch der Däne Egon Madsen angehörte, zu Weltruhm brachte, als Feuilletonredakteur in Stuttgart, hatte sich während der Zeit, als das berühmte Stuttgarter Gastspiel ( noch im alten Gebäude ) der New Yorker Metropolitan Opera dortselbst Furore machte, im Big Apple als Filmproduktions-Berichterstatter  für die Paramount verpflichten lassen und war einer der engsten Mitarbeiter des vor Erfurth und Gielen  als Frankfurter Generalintendant engagierten Harry Buckwitz, dessen eng mit der Mainmetropole verbundene Biographie er im Auftrag der Berliner Akademie der Künste schrieb, als Madsen  Balletdirektor im neuen Frankfurter Opernhaus wurde.

Merkwürdig – „ zufällige“ Co-inzidenz? Gewiss, ja. Sie wurde dennoch hier erwähnt, weil sie meine Hochachtung vor Fischers Madsen-Biographie zusätzlich begründet.Es ist hier nicht der Ort, den biographischen Inhalt des Buches nachzuzeichnen, das nicht nur durch tolle Erinnerungsphotos zusätzlich dokumentarischen Charakter erfährt, sondern von einer Meisterin des Wortes nahezu romanhaft erzählt wird.

Romanhaft und vor allem geschmackvoll, wenn ich zum Beispiel an den 1973 als Sensation durch die Gazetten rasenden Bericht über John Crankos Tod an Bord der PANAM-Boeing denke, die das Team von New York zurückflog und, um den schwer erkrankten Ballettdirektor zu retten, eine Zwischenlandung in Dublin einlegte, allwo Cranko dann allerdings verstarb. In der Bunten Welt der Darstellenden Kunst hat es nach meiner Kenntnis einen ähnlichen Fall nur noch einmal gegeben, zwanzig Jahre später, als einer meiner Freunde, der deutsche Schauspieler Günter Strack,ebenfalls an Bord einer Düsenmaschine über dem Atlantik, verstarb.

Cranko’s Protagonisten, die nach New York alle sehr bald zu Weltstars wurden, trauerten an diesem 26. Juni 1973 um ihren Meister. Ihre Namen sind noch heute im Gedächtnis derjenigen Menschen, die Ballett berechtigterweise für eine bedeutende Kunstform halten:

Marcia Haydee,Birgit Keil, Susanne Hanke, Richard Cragun (, der vor wenigen Tagen in Rio de Janeiro im Alter von 67 Jahren starb )und ebenso Egon Madsen , der noch immer aus seinem italienischen Olivengarten zu Gastspielen reist und wahrscheinlich zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser bewundernden Rezension irgendwo bei Gauthier oder in Stuttgart auf der Bühne steht…….

Zurück zum Buch: Ich würde es gern – in Anlehnung an den Poeten Ernst Pentzold – „ein Biodram“ nennen, denn: Dagmar Ellen Fischer, selber eine begabte Tänzerin, findet offenbar Madsens Biographie, um die der große Tänzer – wie wir im Vorwort erfahren – selber gebeten hat, leise, schön und gemüthaft fundiert, aber sie erzählt auch von der nicht nur körperlich höchst anstrengenden Erarbeitung jener berühmten Rollen, die Madsen tanzte, bis er endlich in die hohen Regionen des „Onegin“ aufgestiegen war

Bis hin zur Applausordnung am Ende eines der bedeutenden Balletabende in New,York, deren zwei ich miterleben durfte, bewunderten und schätzten ihn die Zuschauer. Er verbeugte sich aber auch auf höchst persönliche, originelle Weise  mit seinem stets staunenden Biedermeierkopf, der klassischen Nase und den heiter, unter der Schminke verrunzelten ,Augen.

Und liebevoll arbeitet Fischer heraus: Madsen hatte die Überlegenheit der Güte. Die getanzten Bilder der Weisheit , die er seinen Figuren aufgab (Ich habe Hamlet in selten intensiver Erinnerung!), brachte er stets warm und mit kluger Skepsis zur Evidenz.

Fazit: Chapeau vor dem noch immer unverwechselbar arbeitenden Egon Madsen. Und Gratulation einer Autorin, die  mit dem literarischen Erfassen von dessen Biographie einen künstlerischen Sieg errungen hat, der in der Szene der schreibenden Zunft seinesgleichen sucht.