Dreimal Hans-Peter Kurr oder: Ein halber Abschied oder: Morandi, Der Bär und Die Stühle

Von Johanna Renate Wöhlke

Hans-Peter Kurr
Hans-Peter Kurr

Hans-Peter Kur (78), Schauspieler, Regisseur und Rhetoriklehrer, wird im Januar 2015 Abschied von seiner Schauspielerlaufbahn nehmen. Dies wird mit einer Reihe von Aufführungen geschehen, für die der Terminkalender des kommenden Jahres 2015 schon einmal vorsorglich gefüllt werden sollte.

Liebe Leser und Freunde dieses mit Leib und Seele Theatermannes Hans-Peter Kurr – von dem man sich gar nicht vorstellen kann, ihn nicht mehr auf der Bühne sehen: an dieser Stelle schon einmal ein terminlicher und inhaltlicher Vorgeschmack auf die zu genießenden Theaterabende mit „Hans-Peter Kurr und Freunden“.

Aber dies wird nur ein Abschied auf den „Brettern, die die Welt bedeuten“, sein, nicht als Regisseur. Ein halber Abschied also? Darüber freuen wir uns besonders, lieber Hans-Peter Kurr, denn das bedeutet: Es geht weiter – nur eben anders!

Bei den Abschiedsvorstellungen handelt sich dabei um drei Einakter, in denen Kurr eine kleine, eine mittlere und eine Solorolle spielen wird.

Es handelt sich um folgende Stücke, die alle im Mozartsaal an der Moorweidenstraße 8 in Hamburg zur Aufführung kommen werden, Beginn 20 Uhr. Continue reading „Dreimal Hans-Peter Kurr oder: Ein halber Abschied oder: Morandi, Der Bär und Die Stühle“

Spaziergang

Eine Weihnachtsgeschichte von Maren Schönfeld

Schnee fehlt noch... Foto: Maren Schönfeld
Schnee fehlt noch…
Foto: Maren Schönfeld

Still, bewegungslos steht sie an der Tür zum Garten. Durch die Scheibe spürt sie die Kälte. Eine Amsel pickt an der Apfelhälfte, die sie am Morgen für die Tiere hingelegt hat. Eine Handvoll Schwarz auf der Schneedecke. Sie lässt den Blick am Ahorn hochwandern, soweit es geht. Der Baum überragt das Haus, ein Riese in einem Hinterhof, von der Straße aus nicht zu sehen. Kahle schneebepuderte Äste, die beiden Tauben sind nicht da. Die Amsel pickt noch immer. Vorsichtig tritt sie einen Schritt zurück, wendet sich ab. Die Küche ist aufgeräumt. Auf dem Tisch steht die kleine Keramikvase mit zwei Tannenzweigen. Continue reading „Spaziergang“

Die Kräne

Foto: Maren Schönfeld
Foto: Maren Schönfeld

von Maren Schönfeld

Die Kräne ragen nicht in die Wolken, sie tragen die Wolken, die sich wie riesige Kissen übereinander türmen, zwischen denen eine Lücke Licht blitzen lässt, ein Loch im Stoff oder nur eine poröse Stelle.

Die Kräne ragen nicht über die Schiffe, sie halten die Schiffe am Kai mit Containerarmen, Greifhänden halten sie sie, schmiegen sich Riesen an die Mauern für ein paar Stunden, bevor die See sie zurückholt und die Kräne einsam am Kai stehen wie Liebhaber, die man versetzt hat, und den Fluss entlangschauen mit erwartungsvollem Blick und am Kai entlangwandern. Continue reading „Die Kräne“

„Hannelore-Greve-Literaturpreis 2014“ für die Trägerin des Literaturnobelpreises Herta Müller

Von Johanna Renate Wöhlke

von links) Herta Müller, Gino Leineweber-Vorsitzender der Hamburger Autorenvereinigung e. V. ; Hannelore Greve; Erster Bürgermeister Olaf Scholz
(von links) Herta Müller; Gino Leineweber,Vorsitzender der Hamburger Autorenvereinigung e. V. ; Hannelore Greve; Erster Bürgermeister Olaf Scholz

Wir freuen uns, an dieser Stelle die unten folgende Rede des Vorsitzenden der Hamburger Autorenvereinigung, Gino Leineweber, veröffentlichen zu können. Er hielt sie anlässlich der Verleihung des „Hannelore-Greve-Literaturpreises 2014“ am 7. Oktober 2014 im Festsaal des Hamburger Rathauses.

Alle 250 Gäste, die sich an diesem Abend im Rathaus auf den Weg in den Festsaal machten, tauchten ein in ein Wechselbad aus Freude und Trauer, denn im Rathausfoyer machte das feierlich ausgestellte Kondolenzbuch der Stadt für den Schriftsteller Siegfried Lenz deutlich: Der Hamburger Ehrenbürger und auch Mitglied der Hamburger Autorenvereinigung war am selben Tage in Hamburg verstorben. Continue reading „„Hannelore-Greve-Literaturpreis 2014“ für die Trägerin des Literaturnobelpreises Herta Müller“

Rhododendronsymphonie

Von Johanna Renate Wöhlke

 

Rhododendronsymphonie
Rhododendronsymphonie

Schlangen schlängeln sich. Ihre Wege sind breit und an manchen Stellen werden sie schmal. Ihre Bahnen verwischen sich in endlosen Linien und teilen sich und sind nicht mehr. Ein  Blatt nimmt eine Linie auf und windet sie in Kreisen über sich und zerstäubt sie in eine große, weite Fläche, die ihre Farbe wechselt wie verwischt von einem gewaltigen Pinsel. Da tanzen und reiben sich alle Farben aneinander, die Platz haben, miteinander eine Verbindung einzugehen. Sie stoßen sich. Sie gehen ineinander über und verlieren ihre eigene Form immer wieder in einem gewaltigen Brei von Verästelungen, Schleifen, Rosetten, Quadraten und Dreiecken. Es tun sich immer neue Wege auf und immer neue Zielpunkte, zu denen sie streben. Sie sind gejagt und still, feurig und zahm, auch blütenhaft und stengelig wie ein alter, kahler Apfelbaum im Winter. Wohin wollen sie? Was ist ihr Ziel? Es gibt kein Ziel, es gibt nur eine unendlich scheinende Lust am Rausch mit sich selbst, sich zu betrinken an sich selbst. Nirgendwo sonst hat sich die Lust in so unwidersprochenen Bahnen ergossen und ohne Ende und Angst vor dem Ende immer wieder gewunden und gekrümmt. Einmal lebt sie von der Wiederkehr. Ein andermal von einem sich überschlagenden Chaos von Farben und Formen. Suche den Sonnenaufgang, und du wirst ihn finden. Suche den Mond und die Sterne, du wirst sie erkennen. Alles ist da.

Katharsis – Was sich Künstler und Intellektuelle vom 1. Weltkrieg erhofften

Ein Essay von  Joachim Frank

Bitte lesen Sie den vollständigen Beitrag mit Anmerkungen unter: Katharsis 2

Vor etwas mehr als hundert Jahren begann der I. Weltkrieg, dessen Entstehung viel weniger im Bewusstsein verankert ist als seine fünfundzwanzig Jahre später folgende, noch brutalere, radikalere und menschenverachtendere Steigerung.
Sind die Ursachen des II. Weltkriegs in zahlreichen Publikationen und Dokumentationen für meine Begriffe hinlänglich sichtbar gemacht worden, so verstehe ich bis heute nicht so recht, wieso das Attentat auf den Thronfolger der österreichisch-ungarischen Monarchie einen Weltkrieg auslösen konnte, und schon Stefan Zweig schrieb: „Wenn man … sich fragt, warum Europa 1914 in den Krieg ging, findet man keinen einzigen Grund vernünftiger Art und nicht einmal einen Anlaß.“ Im am 28. Juni 1919 in Paris unterzeichneten Versailler Vertrag wurde jedenfalls die alleinige Kriegsschuld Deutschlands festgeschrieben. Vielleicht zu Recht, obwohl mir meine umfängliche Lektüre zu diesem Thema ein sehr viel differenzierteres Bild vermittelt hat: Es gab jede Menge internationaler Verflechtungen, Bündnisse, Gegen-Bündnisse, nationale und globale Interessen, die aufeinanderprallten und die vor allem eines gemeinsam hatten: den Willen, ganz eigene, nationale, egoistische Interessen gegenüber anderen durchzusetzen. Deutschland war nicht der Böse unter den Guten, sondern einer der – heute würde man sagen – „Global Player“ der Weltpolitik, allerdings ein Emporkömmling unter den etablierten Großmächten Großbritannien, Frankreich, Russland und Österreich-Ungarn , der, wirtschaftlich und militärisch immer stärker geworden, nun nach einer entsprechenden politischen (Welt-) Geltung strebte. Continue reading „Katharsis – Was sich Künstler und Intellektuelle vom 1. Weltkrieg erhofften“

Museumsinsel Heide: „Kunst-Stücke“

von Dirk-Uwe Becker

Finissage mit Lesung zur Ausstellung „Kunst-Stücke“ – Museumsinsel Heide

Die Lesenden
Die Lesenden

Nachdem die Vernissage zur Ausstellung „Kunst-Stücke“ von Uschi Bramke und Michael Schulte mit der Einführung durch den Schriftsteller Uwe Herms aus Eiderstedt so erfolgreich gewesen war und beim Publikum gut angekommen ist, lädt der Kunstverein Heide zum Abschluss der Ausstellung am Sonntag, den 21. September, um 14.00 Uhr in die Museumsinsel, Lüttenheid 40 in Heide, zu einer Lesung mit Kostproben des schriftstellerischen Schaffens von Michael Schulte und Uwe Herms ein. Es werden feine, interessante und amüsante Texte sein, die wir von beiden Autoren zu hören bekommen werden. Continue reading „Museumsinsel Heide: „Kunst-Stücke““

Literatrubel in Hamburg: 12. und 13. September 2014

Von Johanna Renate Wöhlke

Das Plakat
Das Plakat

Das Plakat zitiert den großen Herrn Geheimrat Goethe: „Man sollte alle Tage wenigstens ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.“ Für die Hamburger Schrifsteller des „Literatrubel“ ist dies wohl mit Freude gelebter Ansporn, dazu beizutragen, diese Wünsche zu erfüllen. Die „guten Gedichte“ werden sich in den Ohren festsetzen und die „vernünftigen Worte“ sollten ebenfalls nicht ungesagt bleiben. Das alles zusammen könnte dann ein „treffliches Gemälde“ ergeben, ein buntes Mosaik gelebter Schriftstellerfantasie.

Gelesen wird an zwei Tagen: am 12. September und am 13. September; Freitag von 11 bis 18.30 Uhr und Sonnabend von 11 bis 19 Uh – und das in der Zentralbibliothek Hamburg, Hühnerposten 1. Die Lesereihe wird von der Kulturbehörde Hamburg unterstützt. Continue reading „Literatrubel in Hamburg: 12. und 13. September 2014“

Hamburger Autorenvereinigung trauert um Gerlind Fischer-Diehl

Von Johanna Renate Wöhlke

Gerne veröffentlichen wir an dieser Stelle den Nachruf auf Gerlind Fischer-Diehl, langjähriges Vorstandsmitglied und Ehrenmitglied der Hamburger Autorenvereinigung.

Gerlind Fischer-Diehl
Gerlind Fischer-Diehl

Wie erst jetzt bekannt wurde, verstarb das langjährige Vorstandsmitglied Gerlind Fischer-Diehl am 25. Juni nach langer schwerer Krankheit. Sie wurde 76 Jahre alt. 

Gerlind Fischer-Diehl brachte über viele Jahre an der Seite ihres Lebensgefährten Gabriel Laub wichtige Impulse in die Arbeit des1977 gegründeten Hamburger Schriftstellerverbandes. Die „Literarischen Salons“,
die beide begründeten, waren legendär. Gerlind Fischer-Diehl war ein starke Persönlichkeit und auch bis auf das letzte Jahrunübersehbar auf Veranstaltungen und Empfängen der Hamburger Kulturszene.

Gino Leineweber, Vorsitzender der Hamburger Autorenvereinigung: “ Gerlind Fischer -Diehl bestritt viele Lesungen mit großem Erfolg und ihre Spruchsammlung ( „Toleranz ist manchmal Feigheit. Aber Intoleranz deswegen noch kein Zeichen von Mut“- „Zur Familie gehörten auch die Sklaven- später nannte man sie Hausfrauen“) zeigt auf eine hellwache, lebenserfahrene Person, die Continue reading „Hamburger Autorenvereinigung trauert um Gerlind Fischer-Diehl“

Buch Erstling von Ariane de Melo

Von Hans-Peter Kurr und Ariane de Melo

Das Buch
Das Buch

ARIANE de MELO hat einen schönen Erfolg zu verzeichnen: Der brasilianische Verlag „Selo Jovem“ hat soeben ihren Buch-Erstling unter dem Titel „Banshee – Os Guardiões“ (Banshee – Die Wächter) in São Paulo – in portugiesischer Sprache also – heraus  und einen zweiten in Auftrag gegeben.

Ariane de Melo lebt in Hamburg, ist Buchautorin, Journalistin, Regisseurin und Schauspielerin aus Rio de Janeiro – eine originale Carioca also – in Hamburg –verheiratet – lebend, literarisches Deutsch akzentfrei sprechend, in zwei Sprachen schreibend. So schreibt sie inzwischen auch für die  „Die Auswärtige Presse e.V.“ in Hamburg.

Im ersten Roman, der im Jahr 2015 auch in ihrer Wahlheimat Deutschland erscheinen soll, fabuliert die Autorin (geplant ist eine dreibändige Ausgabe) über eine junge, an Schizophrenie erkrankte, Continue reading „Buch Erstling von Ariane de Melo“

Eine kleine Schöpfungsgeschichte

Von Johanna Renate Wöhlke

Vom Göttlichen Spiel mit Vielfalt und Kunst

Eine kleine Schöpfungsgeschichte

Als es Gott in den Sinn gekommen war, die menschliche Welt zu erschaffen, machte er viele Versuche. Ein Baumeister braucht  keine festen Pläne im Kopf, er kann auch mit Möglichkeiten spielen  und experimentieren, entwerfen und verwerfen. Er sieht und begutachtet. Er testet und entscheidet. Gott ist ein omnipotenter Planer und Spieler, ein Allmöglichkeitenspieler. Weil das so ist, hat er aus göttlicher Weisheit und wissendem Mitgefühl auch den Menschen ähnliche Möglichkeiten eingeräumt, aber davon will ich später erzählen.

Er nahm sich also Papier und Stoff, malte sich seine Welt in bunten Farben und vielfältigen Formen auf und begann, mit den Abbildern seiner Welt zu experimentieren. Glatt und schön sollte die Welt aussehen,  so fand er zuerst. Continue reading „Eine kleine Schöpfungsgeschichte“

Welche Wahl lässt uns die Krise?

Von Renate Gandor

Ein Essay

Krise? Welche Krise? Pessimisten, Optimisten, Realisten resümieren. Sind wir nur Schaufensterpuppen?

Pessimisten sagen, was Pessimisten schon immer gesagt haben, die Welt stehe kurz vor dem Kollaps – Krise hin, Krise her.

Optimisten sagen, was auch Optimisten immer gesagt haben, cool bleiben. Krise hin, Krise her, es gebe immer eine Wahl, auch wenn nur zwischen Pest und Cholera.

Realisten sagen, die Welt sei nun mal so. Pest oder Cholera, es gebe leider keine Wahl. Das Leben ende in jedem Fall tödlich.

Ich würde sagen, das Leben endet zwar tödlich, aber man stirbt nur ein Mal. An der Weltwirtschaftskrise werden wir sicher nicht alle untergehen, eher an der Umweltkatastrophe, am besagten Kollaps, aber darüber wird seit der Krise geschwiegen, als wäre diese Gefahr bereits Continue reading „Welche Wahl lässt uns die Krise?“