Betreuter Kunstgenuss: Die Caspar David Friedrich Ausstellung in Hamburg

Caspar David Friedrich (1774–1840)
Selbstbildnis mit aufgestütztem Arm, um 1802. Feder in Braun über Bleistift, 26,7 x 21,5 cm. Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett
© Hamburger Kunsthalle / bpk
Foto: Christoph Irrgang

Dies vorab: Die Ausstellung zum 250. Geburtstag des großen Romantikers entwickelt sich zu einem veritablen „Blockbuster.“ Die Hamburger Kunsthalle zählte kaum sechs Wochen nach der Eröffnung bereits an die 100.000 Besucher. Und der Ansturm hält an. Wer bis zum Ende der Schau am 1. April 2024 noch ein Zeitfenster erhaschen will, muss sich sehr beeilen.

Glücklich ist….

Ich gehörte zu den Glücklichen, die das Werk Friedrichs an einem Sonnabend aus nächster Nähe betrachten durften. Meine Freude erhielt jedoch nach Betreten der Ausstellung einen herben Dämpfer. Friedrichs Werk kommt in diesen kleinen Räumen nicht optimal zur Geltung, zumal die Bilder extrem eng gehängt sind. Aufgrund des Gedränges ist es schwer, die Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen auf sich wirken zu lassen

Betreuter Kunstgenuss? Für manchen eine Zumutung, aber das ist nicht der einzige Kritikpunkt. Nahezu verstörend empfand ich die großen Tafeln an den Wänden, die dem Besucher wortreich erklären, was er auf den Bildern sehen soll. Waren da Influencer am Werk, die zwar keine Waren bewerben, dem Publikum aber ihre einzig richtige Sicht auf das Werk verkaufen wollen? Mit dem seinerzeit nicht thematisierten, jedoch heute täglich beschworenen Klimawandel hatte der liberale Künstler Friedrich wahrlich nichts zu tun. Aber genau in diese Richtung soll der Betrachter angesichts der „Zerbrechlichkeit der Natur“ gelotst werden. Und das mit Nachdruck. Als Aufhänger dient das Gemälde „Das Eismeer.“ Es zeigt ein Schiff, das von riesigen Eisschollen zerquetscht wird. Eine kritische Stimme sieht hier keine Klimakatastrophe, sondern eine Anspielung auf die gescheiterten Hoffnungen des Künstlers auf nationale Einheit am Ende der napoleonischen Befreiungskriege.

Nun malt man schön

Über den „Vermittlungsraum“ ist zu sagen, dass die Ausstellungsmacher dessen großflächige Wände für einige der spektakulärsten Gemälde Friedrichs , u.a. „Kreidefelsen auf Rügen“ und „Auf dem Segler“, hätten nutzen sollen. Stattdessen sind die Besucher aufgerufen, sich Gedanken über die Rettung der geschundenen Welt zu machen und ihre hehren Gedanken in Bildchen auszudrücken. Infantiler geht nicht.

Mehrere zeitgenössische Künstler, die sich dem Romantiker Friedrich auf ihre Art angenähert haben, präsentieren ihre Werke in einem Nebenraum. Während der Japaner Hiroyuki Masuyama mit seinen raffinierten Fotomontagen in LED-Leuchtkästen einen sehenswerten Beitrag zur Ausstellung beisteuert, wirkt das Werk des afro-amerikanischen Malers Kehinde Wiley mit seiner postkolonialen Botschaft reichlich deplatziert: Kitsch-as-Kitsch-can!

Caspar David Friedrich (1774–1840)
Wanderer über dem Nebelmeer, um 1817
Öl auf Leinwand, 94,8 x 74,8 cm
Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen
© SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk
Foto: Elke Walford

Fazit: Trotz aller Kritik an dem aus meiner Sicht verfehlten Konzept war die Wiederbegegnung mit Friedrichs Werk ein Gewinn. Da der ehemalige Direktor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark (1852 bis 1914) einige der berühmtesten Gemälde Friedrichs erwarb – u.a. „Das Eismeer“ und „Wanderer über dem Nebelmeer“ – werde ich die Werke genüsslich in aller Ruhe auf mich wirken lassen, sobald sie nach einer längeren Tournee an ihre angestammten Plätze in Hamburgs Kunsttempel zurückgekehrt sind.

Zum Schluss eine Empfehlung: Florian Illies, Autor, Journalist Kunsthistoriker und Kunstsammler, hat rechtzeitig zum 250. Geburtstag Friedrichs eine Biografie über den Künstler unter dem Titel „Zauber der Stille“ bei S. Fischer herausgebracht. Das Buch führt den Leser einfühlsam und kenntnisreich durch das bewegte Leben des Künstlers. Hörbuch bei Audible, gelesen von Stephan Schad. Ein Lese- und Hörgenuss.

Digitale Angebote zur Ausstellung: https://cdfriedrich.de/

Die erste arabische Autorin einer Autobiographie

Porträt von Emily Ruete (Sayyida Salme) in traditioneller Kleidung als Prinzessin von Sansibar. (Foto: gemeinfrei)

Vor 100 Jahren starb Emily Ruete, die Witwe eines Hamburger Kaufmanns und Autorin des Werkes „Memoiren einer arabischen Prinzessin“

Die erste Autobiographie einer Araberin in der Literaturgeschichte, „Memoiren einer arabischen Prinzessin“, erschien in Deutschland. Ihre Autorin beschrieb sich wie folgt: „Ich verließ meine Heimat als vollkommene Araberin und als gute Mohammedanerin, und was bin ich heute? Eine schlechte Christin und etwas mehr als eine halbe Deutsche.“ Das klingt nach einer bewegten Biographie, und das ist sie auch.

Bei der besagten Adeligen handelt es sich um die Prinzessin von Oman und Sansibar Salama (Salme) bint Said. Die Prinzessin kam als Tochter des regierenden Sultans von Oman und Sansibar, Said ibn Sultan, und einer verschleppten tscherkessischen Sklavin in einem Palast ihres Vaters in dessen Reich zur Welt. Dem Herrscher ein Kind zu schenken, erhöhte Prestige und Status einer Sklavin ungemein, machte sie zur Nebenfrau, und Salme war das einzige Kind ihrer Mutter. Das ist eine mögliche Erklärung für das gute Verhältnisse zwischen den beiden Frauen. Mit ihrer Mutter wuchs Salme in Wohlstand im besagten Palast auf.

Die Prinzessin wusste, was sie wollte und was nicht. Beispielsweise wollte sie schreiben können, und so brachte sie es sich selbst bei. Sie wollte keinen Mann, den ihr die Familie ausgesucht hatte, und so war sie mit 22 Jahren noch ledig. 1856 starb ihr Vater und drei Jahre später auch ihre Mutter. Das Erbe beider ermöglichte ihr ein Leben in Wohlstand und Unabhängigkeit.

Die Liebe kostete sie die Heimat

Ihren Ehemann wählte sie sich selbst aus. Der Glückliche war ihr Nachbar, der Kaufmann Heinrich Ruete aus Hamburg. Eine Eheschließung in ihrer Heimat war ausgeschlossen. Als sie von ihm ein Kind erwartete, entschloss sie sich in Absprache mit Ruete, der später nachreiste, zur Flucht übers Meer. Sie war mit der Ehefrau des britischen Konsuls befreundet, und so nahm sie 1866 vor der Küste ein britisches Kriegsschiff auf seinem Weg nach Aden auf. In Aden heiratete sie Ruete, und die Fahrt ging weiter nach Hamburg. Die Prinzessin nahm neben der Staatsangehörigkeit auch den Glauben ihres geliebten Ehemannes an. Als Taufnamen wählte sie den Namen der befreundeten Ehefrau des Konsuls, der sie ihre gelungene Flucht maßgeblich zu verdanken hatte. Abgesehen vom ersten Kind, Heinrich, mit dem Salme in Afrika schwanger war und das kurz nach seiner Geburt in Aden dort auch verstarb, bekam das Paar 1868, 1869 und 1870 im Jahresabstand noch drei Kinder: Antonie Thawka, Rudolph und Rosalie Guza.

Das Glück währte indes nur kurz. Noch im Geburtsjahr ihres letzten Kindes kam Rudolph Heinrich Ruete buchstäblich unter die Räder. Auf dem Rückweg zu seiner Frau sprang er unglücklich von einer Pferde-Straßenbahn ab und wurde von dieser überfahren.

Emily Ruete, die in ihrer afrikanischen Heimat diverse Plantagen aus dem Erbe ihrer Eltern bewirtschaftet hatte, musste die Erfahrung machen, dass ihr für die Verwaltung des Erbes ihres Mannes ein Verwalter vor die Nase gesetzt wurde. So ist es denn auch nicht ihre Schuld, dass das ererbte Vermögen dahinschmolz. Es begann ein gesellschaftlicher, aber vor allem finanzieller Abstieg. Aufgefangen fühlte sie sich weder durch die Hamburger Gesellschaft noch durch die Familie ihres Mannes. Als sie merkte, dass man anderswo günstiger wohnen kann als in Hamburg, zog sie um. Doch in keiner deutschen Stadt konnte sie Wurzeln schlagen, weder in Dresden oder Berlin noch in Rudolstadt oder Köln. In Deutschland blieb sie überhaupt nur wegen der Kinder. Sie ist halt nur „etwas mehr als eine halbe Deutsche“ geworden.

Auf ihre Besitzungen in der afrikanischen Heimat zurück konnte sie auch nicht. Ihre diesbezüglichen Schreiben an den Sultan blieben unbeantwortet. Immerhin hatte sie unerlaubt das Land verlassen, sich unverheiratet schwängern lassen und schließlich auch noch dem Islam abgeschworen. 1875 erfuhr sie indes, dass Sansibars Sultan Barghasch ibn Said nach London kam, und sie fuhr mit geborgtem Geld extra dorthin, um ihn zu sehen. Doch nicht nur, dass ihr Halbbruder sie nicht sehen wollte. Die Briten hintertrieben das Vorhaben. Sie fürchteten, dass nach einer möglichen Versöhnung das Deutsche Reich versuchen könnte, Emilys Sohn Rudolph als Nachfolger seines Halbonkels durchzusetzen. London bot deshalb Ruete Unterhalt für ihre Familie an, wenn sie ihr Vorhaben abbrach. Ruete brach daraufhin ihr Vorhaben ab – aber die versprochene Gegenleistung blieb England schuldig.

Spielball der Kolonialmächte

Ein Jahrzehnt später schien sich Ruete abermals eine Chance zu bieten. Zwischen dem Deutschen Reich und Sansibars Sultan kam es zu Gebietsstreitigkeiten. In klassischer Kanonenbootpolitik-Manier tauchte ein deutscher Flottenverband vor Sansibar auf, unweit davon ein deutsches Zivilschiff mit Ruete an Bord. Sollte sich der Sultan als nicht kooperativ erweisen, wollte die Reichsregierung den Araber mit den Ansprüchen der deutschen Staatsangehörigen Ruete unter Druck setzen. Doch Barghasch zeigte sich kooperativ, und so verzichtete das Reich darauf, die Ansprüche seiner Staatsangehörigen zu unterstützen. Wenigstens durfte Ruete an Land gehen und ihren mitreisenden Kindern die Stätten ihrer Kindheit und Jugend zeigen. Danach ging es zurück nach Deutschland.

Ein Jahr später landete Ruete mit ihren Memoiren einen Erfolg, der ihre finanzielle Situation verbesserte. 1888 unternahm sie auf eigene Faust eine weitere Reise nach Sansibar. Wieder verweigerte ihr der Sultan eine Begegnung. Aber diesmal kehrte sie nicht nach Deutschland zurück. Denn ihre Kinder waren aus dem Gröbsten raus. Sie sah sich nun nicht mehr gezwungen, bei der Wahl ihres Wohnortes auf diese Rücksicht zu nehmen. Nacheinander wohnte sie in Jaffa, Jerusalem und Beirut, wo auch ihre beiden Töchter hinzogen und ihr Sohn am deutschen Konsulat arbeitete. Im Jahr des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs verließ Ruete Beirut.

Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie wieder in Deutschland. In Jena fand sie Unterschlupf bei den Schwiegereltern einer ihrer Töchter. Dort ist sie auch vor 100 Jahren, am 29. Februar 1924, gestorben. Ihre letzte Ruhestäte fand Emily Ruete an der Seite ihres geliebten Mannes in Hamburg-Ohlsdorf.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Preußischen Allgemeinen Zeitung.

Berührt von schönen Büchern

Am 25. Februar 2024 veranstaltete der Büchermacher Ralf Plenz in Kooperation mit der Hamburger Autorenvereinigung ein Treffen der Pirckheimer Gesellschaft in Hamburg-Altona. In der Alfred-Schnittke-Akademie konnten Interessierte sich über die Institutionen informieren, bibliophile Buchausgaben bewundern und erstehen. Dabei ging es auch um die Frage, was der Begriff „bibliophil“ denn eigentlich umfasst.

Den ersten Programmpunkt der Tagung bildete jedoch ein Vortrag von Ralf Plenz über die Umwälzung der Druckbranche, verknüpft mit seinem Werdegang in dieser Branche. In den 1960er und 70er Jahren fand der Wechsel vom Bleisatz zum Offsetdruck statt. Als Gründungsmitglied der Druckwerkstatt Ottensen bot Plenz gemeinsam mit seinen Mitstreitern eine Spezialität an: Zum Gestalten der Druckvorlagen für die Kunden verwendeten sie altes Werkzeug wie zum Beispiel Federn und stellten die Vorlagen handschriftlich her. So hatten sie viele Autoren und Künstler unter ihrer Kundschaft, u.a. den Lyriker Peter Rühmkorf und den Künstler Albert „Ali“ Schindehütte, der durch die Rixdorfer Drucke berühmt wurde. Die Druckwerkstatt, die heute noch existiert, war ein Erfolgskonzept aus hochwertigen Druckerzeugnissen in Zusammenarbeit mit Kleinstverlagen, dem Verkauf einer kleinen Auswahl an besonderen Büchern sowie Umweltschutzpapiererzeugnissen und einem Copyshop.

Palma Kunkel als Raubdruck

Ralf Plenz (Foto: DAP)

Plenz berichtete über Details des Druckwesens, zu denen Laien kaum Zugang haben. So erfuhr manch erstaunter Gast, dass digital gedruckte Bücher für Bibliothekare nicht archivfest seien, weil diese keine 100 Jahre hielten. Denn Digitaldruck ist technisch fast immer eine Fotokopie – sie blättert ab, wenn sie beispielsweise geknickt wird. Zudem sind die Buchrücken nicht gerade für die Ewigkeit gemacht und brechen meist, wenn man das Buch weit aufzuklappen versucht. Aus diesem Grund ist die Reihe „Perlen der Literatur“ von Ralf Plenz (Input-Verlag) im Offsetverfahren gedruckt und hochwertig ausgestattet.

Für den Nachdruck der historischen Titel fahndet Plenz in Antiquariaten nach sehr alten Ausgaben und stößt manches Mal auf Kuriositäten. Eine ganz besondere ist ein Gedichtband von Christian Morgenstern, datiert auf den Zeitraum 1915-1920, mit gerissenem statt geschnittenem Papier. Die Nachforschungen des Büchermachers ergaben, dass es sich um einen Raubdruck handeln muss, denn in keinem autorisierten Buch gibt es diese Zusammenstellung aus drei Bänden Morgensterns, zudem noch in einer Ausgabe.

Paradiesische Bücher made in Hamburg

Rudolf Angeli vom Angeli & Engel-Verlag bestritt den zweiten Vortrag im Programm. Der Verlag „widmet sich Publikationen zur Kunst mit bibliophilem Anspruch“ (Verlagswebsite). Angelis Leidenschaft für das Schachspiel und für Stefan Zweigs „Schachnovelle“ motivierte ihn schließlich, ins Verlagswesen einzusteigen. Eigentlich aus dem Management kommend, gründete er gemeinsam mit dem Autor Peter Engel den „Verlag für paradiesische Bücher“ (Verlagswebsite) in Hamburg und eignete sich autodidaktisch das entsprechende Wissen an. Neben den o.g. Publikationen betreibt er ein Antiquariat. Er ist von Worten fasziniert und bezeichnet seine verlegerische Berufung als „Serendipity“, also eine „zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als neue und überraschende Entdeckung erweist“. (Wikipedia)

Rudolf Angeli (Foto: DAP)

Ein Blick auf den liebevoll präsentierten Büchertisch beglaubigt seine Leidenschaft und man möchte die hochwertigen, großformatigen Bücher gern berühren und aufschlagen. Aktuell erschien die 4. Edition, das Balladenbuch „Liebe, Leid & Untergang“ von Klaus Waschk, das als Buchhandelsausgabe und als Vorzugsausgabe mit einer Original-Grafik des Künstlers erhältlich ist.

Bei so vielen spannenden Vortragsthemen konnte man fast das Anschauen ebenjener Büchertische vergessen. Dabei gab es unter den ausgelegten Leseschätzen viel Schönes zu bewundern, so zum Beispiel der Nachdruck der sehr kurzen Erzählung „Die Insel“ von Stefan Zweig, hochwertig gebunden als schmales Heft mit einer nachgedruckten Grafik von Markus Behmer sowie ergänzt durch das Faksimile des handschriftlichen Manuskripts als Beigabe.

Als weitere Besonderheit hat der Verlag Angeli & Engel 2020 den „Hamburger Bothen“ herausgebracht, einen Rundbrief, der sechsmal im Jahr erscheint, um über einschlägige Veranstaltungen zu informieren und die Kontakte innerhalb der Regionalgruppe Nord der Pirckheimer Gesellschaft zu unterstützen.

Antiquarisches und Bibliophiles

In der Alfred-Schnittke-Akademie ging es nach der Mittagspause mit einem Podiumsgespräch weiter. Zunächst sprachen Ralf Plenz und die Verfasserin dieses Artikels über die in Hamburg-Ottensen spielende Trilogie „Großstadt-Oasen“, zu denen auch zwei Podcastfolgen kostenlos zu hören sind. Im weiteren Gespräch zu dritt mit Rudolf Angeli ging es zunächst um die Situation der Antiquariate in Deutschland und die Vor- und Nachteile der Online-Portale, mithilfe derer sich Bücherfreunde zwar einfach sowohl seltene Ausgaben beschaffen als auch durch Verkauf gebrauchter Exemplare ihr Bücherregal aufräumen können, die jedoch für die stationären Antiquare eine Existenzbedrohung darstellen. Denn wegen sofortigen Vergleichbarkeit aller Anbieter des gleichen Produkts fallen die Preise. Ehemals kostspielige Raritäten sind heutzutage für wenige Euro erhältlich. Zudem wird die Anzahl der Leser insgesamt drastisch weniger und teilt sich überdies auf in solche, die noch Papierbücher lesen und andere, die digitale Medien wie E-Books bevorzugen. Das sind immerhin konstant sechs Prozent.

Aus diesem Thema folgte die Frage, was denn eigentlich bibliophil sei? Wikipedia offenbart dazu: Als Bibliophilie bezeichnet man allgemein das Sammeln von schönen, seltenen oder historisch wertvollen Büchern, meist durch Privatpersonen zum Aufbau einer Privatbibliothek nach bestimmten Sammelkriterien. Die drei Diskutanten einigten sich zusätzlich auf die Ausstattung (Haptik, Papierqualität, Bindung, Veredelung, Beigaben wie z. B. Künstlergrafiken und natürlich die besondere Typografie etc.), den Geruch und die persönliche Bedeutung von Büchern für die Leser. Rudolf Angeli empfindet Bücher wie Freunde, was eine berührende Umschreibung und sehr nachvollziehbar für Menschen ist, die sich einmal mit dem Lesen infiziert haben.

Pirckheimer „unterwegs im Büchermeer“ im April

Die Pirckheimer Gesellschaft, die nach eigenem Bekunden „Sammler und andere Verrückte“ beheimatet, betreibt auf ihrer Website auch einen umfangreichen und vielfältigen Blog. Außerdem wird sie am 5. bis 7. April 2024 im Museum der Arbeit (Hamburg-Barmbek) bei der Buchdruckkunstmesse „Unterwegs im Büchermeer“ vertreten sein. Vielleicht kann man dort auch die weiteren Aussteller, die krankheitsbedingt nicht in Altona sein konnten, antreffen und ihre Schätze bewundern.

„Lobby Hero“ by Kenneth Lonergan, the new Premiere at the English Theatre of Hamburg

„Listen to me, Jeff. You can do it if you really want it.“

Prologue: After a good many thrilling moments before Christmas with Sir Arthur Conan Doyle’s “The Hound of the Baskervilles”, the ETH now offers its aficionados a new great play. Most remarkable is Longergan’s fine study of character.

Jeff is a lonely boy, lonely and blue…

Having just left an old castle in Victorian England, we are now walking into the lobby of a New York high-rise apartment building in the heart of Manhattan. Lobby hero Jeff (Ned Rudkins-Stow) , better described as anti-hero, is sitting behind his big desk of fake marble trying to solve a crossword puzzle. He seems utterly bored with his job as a watchman on shift during night-time. Just look at his desolate work-place and you will easily understand his state of mind: Walls painted in dirty grey, horrible posters all over the place and a couple of plastic chairs scattered around. Distraction comes along with some rare visitor who talks to the lonely young man. To-night it is Wiliam (Daniel Gregory), his boss, a smart black man in his thirties, who enjoys a chat with Jeff before doing his nightly rounds. William is the sheer contrast to Jeff, the dreamy unambitious loner. As a family man he is trying to climb up the social ladder to secure his folks a better future. You can call William a model of seriousness, a man totally loyal to the laws.

A question of loyalty and abuse

William has a big problem. He tells Jeff that his younger brother has just been arrested by the police for a horrible crime committed in a hospital where a nurse, the mother of three little kids, was killed. What’s more, his brother wants William to give him an alibi for the time when the crime took place. All of a sudden Jeff is involved in the case. When two police men enter the lobby, it is on him to decide either to tell the truth or to lie for his boss. Jeff is in a dilemma.
Two new characters step in and complete the quartet: Bill ((Peter Dewhurst) an arrogant, corrupt and cynic cop who thinks that he is above the law, and Dawn (Chloe Ballantine) , his young naive female partner. Although Bill sleeps with Dawn, he regularly “contacts” Mrs. Heinwald when on duty. She is an attractive prostitute who lives and works in apartment 22-J on the second floor of the building. Bill lies to Dawn that he has a friend named Jim whom he sees from time to time for a chat.

A false alibi

Can I be sure about Bill?

Bill has heard of William’s trouble and offers help to get his brother out of jail. He knows someone at the District Attorney`s Office who could do something for him – of course strictly within the law “ and maybe a little bit around the edges.” William accepts nolens volens. What else could he do to help his brother. William knows that he has something “to do” for Bill in exchange when the cop should be in trouble, according to the famous Latin dictum: “Manus manum lavat” which means “I do you a favour and in return you do me a favour when I am in trouble.” During all his life William has always followed a strict moral code that saved him from a fate similar to his brother’s – a life on the streets with criminal buddies. William is proud of his impeccable career as a security man. It causes him great pain to break the law.

Crime does not pay and lies are short-lived

Thanks to Bill’s intervention William’s brother has been released from jail. But this is not the end of the story and by no means a happy end. Since when Dawn finds out that Bill has been lying to her all the time, she gets furious. Did he not tell her that he loved her and even thought of leaving his wife for her. She decides to contact the District Attorney’s Office and disclose the deal between Bill and William. She urges Jeff to do the same and tell the whole truth. However, he does not agree with her and thinks that she is nothing but trouble and wrecking her own chances. But after thinking twice, he admits that she is courageous and a moral example. He will do his best to come up to her. Jeff squeezes Dawn’s shoulder. Isn’t this the beginning of a wonderful friendship? Curton.

Conclusion: Bill is frustrated since he will not be awarded the gold plaque he so desperately desired. How could he act the way he did. What a fucking fool he was. Bingo. Insight is the first step to improvement! Sorry for this most unladylike word. But fecal language is used throughout the play. It neither does harm to the play nor to the actors. Dear spectator, enjoy this outstanding performance with four outstanding tespians.

Let’s stick together, Dawn.

“Lobby Hero” premiered Off-Broadway in 2001. It fell asleep like the Brother Grimm’s Dornröschen (sleeping beauty), although not exactly for a span of a hundred years. It was only awakened in 2018. This time the play dealing with corruption, racism, sexism and a good many other isms was produced on Broadway. And the critics were full of praise for Kenneth Lonergan, the well-known author of “This is our Youth” and “You can count on Me.” Lonergan also co-wrote the film “Gangs of New York.”
While the Evening Standard wrote: “Lobby Hero is a fascinating comedy”, the Daily Mail found the play “superb, brilliant, blissful comic writing.” Last but not least The New York Times praised Mr. Lonergan’s “most ambitious study to date in the damage caused by impure motives.”

Last performance of “Lobby Hero” on April 6, 2024.
Tickets under phone number: 040- 227 70 89 or online under: www.englishtheatre.de
Next premiere: “Lizard Boy”- a new musical by Justin Huertas – on April 22, 1024

Photos: Stefan Kock/ETH

„Lobby Hero“ von Kenneth Lonergan – Premiere am English Theatre of Hamburg

„Hör‘ auf mich, Jeff. Du kannst es, wenn du es nur willst.“

Vielfalt war jeher das Credo des English Theatre of Hamburg. Auf das als Krimikomödie inszenierte Schauermärchen „The Hound of the Baskervilles“ von Sir Arthur Conan Doyle folgt ein Drama aus der Feder des amerikanischen Autors Kenneth Lonergan. Regisseur Clifford Dean nahm sich eines Stückes an, das bereits 2001 an einem Off-Broadway Theater lief und anschließend in einen Dornröschenschlaf fiel, um 2018 am Broadway wieder erweckt zu werden. Der Erfolg war diesmal sensationell, die Besprechungen in der New York Times, dem britischen Guardian und anderen großen Zeitungen dies- und jenseits des großen Teiches enthusiastisch. „Brillant, großartig, wunderbar und originell“ – so das einhellige Urteil von bekannten Kritikern. Tauchen wir ein in das Nachtleben von Big Apple, wo Jeff, unser Lobby Hero, lebt und arbeitet.

Tristesse pur

An diesem tristen Arbeitsplatz in dem leicht heruntergekommenen Apartmenthaus im Herzen Manhattans kann sich keiner wohlfühlen. Auch Jeff, (Ned Rudkins-Stow), der hier seinen Dienst als Nachtportier versieht, wirkt nicht sonderlich motiviert in dieser mit geschmacklosen schreiend bunten Drucken der Millionenstadt zugekleisterten Eingangshalle. Die gähnende Langeweile überbrückt der junge Mann in der adretten Uniform mit Lesen und Kreuzworträtseln. Hin und wieder nickt er hinter seinem Empfangstresen ein. Als William (Daniel Gregory), sein schwarzer Vorgesetzter, hereinkommt, blüht er auf. Der Sicherheitschef des Gebäudes, ist stets zu einem Schwätzchen aufgelegt. Der zielstrebige William versucht den gleichalterigen, etwas schusseligen Jeff mit wertvollen Ratschlägen auf den „richtigen“ Weg zu bringen. Er soll aus seinem Leben etwas machen, damit er nicht auf einem Posten wie diesem versauert. Doch Jeff gehört zu jener Sorte Mensch, die es jedem recht machen will, dabei häufig gleichzeitig in mehrere Fettnäpfchen tritt und alles nur noch schlimmer macht als es ohnehin ist. Jeff, ein Held? Eher ein Antiheld, der nie nein sagen kann.

Familiäre Loyalität

Kann ich mir bei Bill sicher sein?

William drücken familiäre Sorgen. Sein jüngerer Bruder wurde wegen eines schweren Deliktes von der Polizei festgenommen. Er schwört zwar, mit dem Überfall auf die Apotheke eines Krankenhauses nichts zu tun zu haben, bei der eine Krankenschwester zu Tode kam, die den drei an der Tat beteiligten Männern die Herausgabe rezeptpflichtiger Medikamente – vulgo Drogen – verweigerte.

Als der Bruder William um ein Alibi bittet, gerät William in einen Gewissenskonflikt. Schweren Herzens entschließt er sich zu der Falschaussage, während der Tatzeit mit seinem Bruder im Kino gewesen zu sein. Macht er nicht das Richtige angesichts des Unrechts, das die Justiz so oft Schwarzen antut, weil sie die falsche Hautfarbe haben?

Techtelmechtel

Bewegung kommt in Jeffs nächste langweilige Nachtschicht, als zwei Polizisten völlig unerwartet hereinschneien. Bill (Peter Dewhurst) , ein Cop von Anfang dreißig, erscheint in Begleitung seiner jungen Kollegin Dawn (Chloe Ballantine), die Jeff bereits kennt und heimlich verehrt. Obwohl Dawn und der verheiratete Bill seit längerem ein Verhältnis haben, besucht Bill regelmäßig Mrs. Heinwald, eine attraktive Prostituierte, in Apartment 22-J, lügt Dawn aber vor, er würde kurz bei einem Freund vorbeischauen. Die in Bill verliebte Dawn verbietet Jeff den Mund, als er ihr verrät, Bill habe Sex mit der Mieterin im zweiten Stock. Sie behauptet unter Tränen, Bill lediglich zu mögen, weil er sie im Gegensatz zu anderen männlichen Kollegen nicht sexuell belästige. Si tacuisses, Jeff…

Ein Polizist mit Helfersyndrom – oder?

Welch ein Zufall, dass in diesem Augenblick Bill um die Ecke kommt und William um ein Wort unter vier Augen bittet. Auf seiner Polizeiwache hat er gehört, welches Verbrechen Williams Bruder zur Last gelegt wird, und bietet William seine Hilfe an. Diese könne natürlich nur im Einklang mit den geltenden Gesetzen stattfinden – mit geringfügigen Abweichungen…
Weniger freundlich zeigt sich Bill gegenüber Jeff, den er aggressiv anweist, Dawn nichts von der Sache zu erzählen. Weil Dawn sich noch in der Probezeit befindet, könne jedes falsche Wort ihrer Karriere schaden. Kapiert? Ja, der nette Jeff soll seine Klappe halten und Dawn auch nichts über seine Schäferstündchen mit Mrs. Heinwald erzählen. Sonst… Bill schwindelt Dawn weiter vor, sein Freund Jim lebe zusammen mit der Dame. Er aber liebe nur Dawn und habe sich seit langer Zeit mit seiner Ehefrau nichts mehr zu sagen. In das Gespräch platzt ein Anruf von Mrs. Heinwald, die Bill ausrichten lässt, er habe seine Uniformmütze bei ihr vergessen. Der Betrug ist aufgeflogen, und Dawn bezeichnet Bill als einen dreckigen widerlichen Lügner.

Erpressung ist immer noch die beste Lösung

Weil Dawn auf Bills verlogene Entschuldigungen nicht eingehen will, setzt er sie massiv unter Druck und droht ihr damit, seinen Vorgesetzten ihre längst vergessene Übergriffigkeit auf einen Betrunkenen zu melden. Sie solle sich eine Karriere bei der Polizei abschminken, weil sie unsolidarisch sei: „Es ist üblich, dass wir uns bei der Truppe gegenseitig helfen. Das solltest du wissen.“ Er ginge jetzt nach oben, um eine Mütze zu holen und sie habe hier auf ihn zu warten. Als sie dies ablehnt, legt er nach und droht, ihr mit Hilfe der Kollegen das Leben schwer zu machen. Um das zu verhindern, müsse sie „sehr, sehr nett zu ihm sein.“
William beschwert sich bei Jeff über den total inkompetenten Anwalt seines Bruders. Um seinem Bruder zu helfen, habe er sich zu einem falschen Alibi hinreißen lassen. Jeff ist entsetzt, weil er seinen Vorgesetzten bis dato für den aufrichtigsten und gesetzestreuesten Menschen im ganzen Land hielt. Und nun diese faustdicke Lüge!

„Hör‘ auf mich, Jeff.“
„Halte besser den Mund, Dawn“

 

 

 

 

 

 

 

Nachdem Bill das Apartmenthaus betreten hat, zieht er William zur Seite und erzählt ihm freudestrahlend, er habe mit einem Kollegen über seinen Bruder gesprochen und der sehe gute Chancen, diesen aus der Sache „rauszuhauen.“ Er habe sogar das Büro der Distrikt-Staatsanwaltschaft aufgesucht und erklärt, sich für den Inhaftierten zu verbürgen. Laut hörbar für Dawn und Jeff verkündet er, er würde jetzt zu Mrs. Heinwald in Apartment 22-J hinaufgehen.

Manus manum lavat

Dieses lateinische Diktum besagt, dass eine Hand die andere wäscht. Ergo – tust du mir einen Gefallen, revanchiere ich mich. Auch wenn ich etwas Ungesetzliches getan habe, decke ich dich. Im umgekehrten Fall bist du mir verpflichtet. Dawn ist Bill gnadenlos ausgeliefert. Wenn sie ihren Vorsetzten über Bills regelmäßige Ausflüge zu einer Prostituierten während seiner Dienstzeit berichtet, wird er sich rächen. Indem er die alte Geschichte mit dem Betrunkenen zum Besten gibt, die er seinerzeit unter den Teppich gekehrt hatte. Zudem würde er alles tun, um ihre Aufnahme in den Polizeidienst zu verhindern. Damit ginge ihr Lebenstraum zu Bruch, eine gute Polizistin zu werden.
Dawn erfährt, dass Williams Bruder sich aufgrund des falschen Alibis nach Bills Intervention auf freiem Fuß befindet. Sie besteht darauf, dass Jeff der Polizei die Wahrheit gesteht. Sollte er dies nicht tun, müsse sie den Beamten reinen Wein einschenken.

Lügen haben kurze Beine

Dawn eröffnet Bill in Jeffs Anwesenheit, sie würde gleich morgen der Distrikt-Staatsanwaltschaft Williams von Bill gedeckte Falschaussage melden. Noch dümmer als er könne man doch nicht sein. Bill käme damit in Teufels Küche, und niemand würde ihm jemals mehr ein Wort glauben. „Jeder wird erkennen, was für ein lausiger unehrlicher Dreckskerl und Betrüger du bist.“ Sie lässt Bill und Jeff fassungslos zurück. Bill ist bis auf die Knochen blamiert. Er wird in diesem Jahr die heiß begehrte goldene Plakette nicht bekommen. Pech gehabt. Sowas kommt halt von sowas.

Ein reines Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen

Dawn hat all ihren ganzen Mut zusammengenommen und ihr Gewissen erleichtert. Sie bekräftigt, sie habe so handeln müssen, um vor sich selbst bestehen zu können. Sie mache nicht nur anderen Leuten das Leben schwer, argumentiert Jeff, sondern schade sich selbst am meisten mit ihrer Handlungsweise. Dennoch beschließt er, sich selbst von Grund auf zu ändern und sein „Potential“ zu nutzen, so wie Dawn es ihm rät. Die beiden jungen Leute wirken verloren in der leeren Halle. Spontan drückt Jeff Dawns Arm. Eine rührende Geste, die besagt, dass er alles verstanden hat. Sie könnte der Anfang einer wunderbaren Freundschaft sein. Vorhang.

Zwei, die zusammen gehören

Uff – das war starker Tobak. Mancher Zuschauer stellt sich die Frage, welcher Kategorie er „Lobby Hero“ zuordnen soll. Handelt es sich um ein Drama, eine Romanze oder einen mit kriminellen Zutaten und einer Dosis Humor gewürzten Thriller? Kenneth Lonergans zu Recht hochgelobtes Stück ist eine Mischung aus allen drei Elementen. Dem Autor gelangen vier faszinierende Charakterstudien völlig unterschiedlicher Protagonisten. Da ist zunächst William, der schwarze Chef eines Sicherheitsdienstes mit blütenweißer Weste, der peinlich genau auf die Einhaltung der Gesetze des Staates New York achtet und sich noch nie einer Übertretung schuldig gemacht hat. Bis ihn sein krimineller Bruder in ernsthafte Schwierigkeiten bringt. Die seelische Pein spiegelt sich im Gesicht des wackeren Mannes wider – grandios dargestellt von Daniel Gregory – der in einer Zwickmühle zwischen unerschütterlichem Pflichtgefühl und familiärer Loyalität steckt.

Williams Gegenspieler Bill, ein New Yorker Cop aus echtem Schrot und Korn, ist aus völlig anderem Holz geschnitzt. Zynisch, korrupt und übergriffig versieht er seinen Dienst ganz nach eigenem Gusto. Er schläft mit einer jungen Untergebenen und unterhält gleichzeitig ein Verhältnis zu einer Prostituierten, die ihr Gewerbe im zweiten Stock des Gebäudes betreibt. Gewissensbisse plagen ihn nicht, als er dem gesetzestreuen William ein Deal anbietet, auf das dieser nolens volens eingeht.
Lobby Hero Jeff verkörpert den einfältigen, völlig ehrgeizlosen Typus des ewigen Verlierers, der jedem gefallen will und deshalb stets das Falsche tut nach dem Motto: Gut gemeint ist meistens schlecht gemacht. Ein liebenswerter Trottel, der es nie im Leben zu etwas bringen wird.

Ich habe richtig gehandelt. Punkt.

Polizeianwärterin Dawn vervollständigt das Quartett. Sie hat den undankbarsten Part des Stückes inne. Hin und hergerissen zwischen ihrem Job und einer bis über beide Ohren Verliebtheit in ihren Vorgesetzten Bill, gerät sie oft außer Tritt und zieht sich in die weinerliche Ecke zurück. Bis sie erkennt, wie sie von Bill be- und ausgenutzt wird, sich zu wehren beginnt und mutig wird. Dabei nimmt sie selbst die Verachtung ihrer machohaften Kollegen in Kauf. Respekt.

Autor Kenneth Lonergan hat die vier Charaktere akribisch herausgearbeitet. Es ist ihm gelungen, brandaktuelle Themen wie Korruption, Machtgeilheit Mobbing und Sexismus elegant in die Handlung einzuweben. Ein Stück, das eine Reihe von scheinbar unlösbaren Problemen anschneidet. Da bietet sich als Nachwort Brechts berühmtes, hier leicht abgeändertes Diktum an: “Und somit ziehen wir betroffen den Vorhang zu – und alle Fragen offen.“
Lob geht an vier Mimen, deren Spielfreude in jeder Szene spürbar ist. Regisseur Clifford Dean bewies erneut ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Darsteller, die auf Londoner Westend-Niveau spielten. Chapeau!

„Lobby Hero“ läuft bis einschließlich 6. April 2024.
Tickets unter: 040 – 227 70 89 oder online unter: www.englishtheatre.de

Nächste Premiere: „Lizard Boy“ – ein neues Musical von Justin Huertas, am 22. April 2024

Fotos: Stefan Kock/ETH

„“Der Tod kommt zweimal“ – Teil 2

Wie Brian De Palma die Hyperrealität vorwegnahm

Von der Epistemologie zur Ontologie

Wie der Kulturtheoretiker Brian McHale feststellt, bewegen wir uns in der Postmoderne weg von der Epistemologie hin zur Ontologie, in einem gesellschaftlichen Umschwung weg von ´Wie kann ich die Welt verstehen und was bin ich in ihr?´ hin zu ´In welcher Welt von mehreren möglichen bin ich, was ist in ihr zu tun, und welche meiner Identitäten könnte die Aufgabe übernehmen?´ (McHale 1992). Nach dieser Lesart geht die gesellschaftliche Bewegung nicht etwa hin zum Weltverstehen, sondern zum Wie-sich-in-Welten-verhalten; nahezu eine Notwendigkeit in postmodernen Massengesellschaften. Dort liegen die Themen Identität und Authentizität bereit, denen wir täglich begegnen, und zwar als personale Problematiken im historischen Kontext. Somit gilt es einerseits, Subjekt- von Sozialisationstheorie abzugrenzen, die nicht deckungsgleich sind (vgl. Egloff 2020), und gleichwohl die historisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einzubeziehen: so antworten Formationen heutiger psychischer Störungen gewissermaßen auf ihre eigene historische Entwicklung. Die Anorexie wäre z.B. in diesem Sinne eine Übertreibung der Moderne, die Bulimie hingegen eine elegant erscheinende Form, ein sozio-kulturelles Ideal der Postmoderne nach außen zu tragen. Der Machbarkeitsmythos der Moderne geht in der Postmoderne mit vermehrter Zurschaustellung des Selbst einher; der Medieneinfluss ist hier offensichtlich, wenn auch mindestens in der Gewichtung unterschiedlich zu konzeptualisieren (Egloff  2023a; Toman 2023) – in Abrede wird er kaum gestellt. Das gesellschaftliche Zeichengefüge selbst ist also als Symptombildung befördernd zu verstehen, was mit der ´Befreiung der Zeichen´ (Baudrillard 1982, vgl. Egloff 2023b) zusammenhängt. Im gegenwärtigen Zeitalter der Simulation, in der das ´Strukturgesetz´ des Werts vorherrscht, das dem Zeichen seine gesellschaftliche Bedeutung ausgehend von seinem eigenen Modell her, von dessen Code her, verleiht, ist dessen Wert nämlich in genau jenes Zeichensystem, das er selbst hervorbringt, strukturell eingebunden.

Simulation und Hyperrealität stellen zwei Seiten derselben Medaille dar: in der postmodernen Gesellschaft gibt es keine Differenzierung mehr zwischen dem Zeichen im Sinne des Imaginären und des Symbolischen und damit nichts Illusorisches, kein ´Irrealis´, ähnlich dem, was Jean Baudrillard für die animistischen Gesellschaften als der Abwesenheit eines Realitätsprinzips geschuldet konzipierte. Sei es damals eben die Natur gewesen, in der jedes Zeichen aufgegangen sei, sodass die Natur selbst Teil aller Zeichen und umgekehrt alle Zeichen Teil der Natur waren (Baudrillard 1982), so lässt sich in der Postmoderne eine ähnliche Bewegung hin zur Einebnung von Oberfläche und Bedeutung konstatieren.

Warum, wozu und für wen man etwas tut, kann damit kaum mehr beantwortet werden, was Unbehagen und gesellschaftliche Verunsicherung schafft. Die Psychoanalytikerinnen Sinclair und Steinkoler (2019) sprechen vom „existential disarray“, einer existentiellen Unordnung, deren klinische Bezüge unlängst auch Brähler und Herzog (2018) für die Psychosomatik thematisiert haben. Ein untergründiger, doch hoher Angstpegel dürfte mit dieser Unordnung einhergehen, die aus der Unverbindlichkeit der Inflation gesellschaftlicher Zeichen hervorgeht. So bemerkte auch Baudrillard schon früh, dass Medien zu einem „Identifikationsrausch“ einladen (Baudrillard 1982), in dem ein jeder und jede austauschbar zu werden droht – so wie die medialen Modelle selbst, an denen man sich ausrichtet.

Die mediale Wendung

Die mediale Wendung geht aus der medialen Spiegelung vom Distalen (Gesehenen) zum Proximalen (Sehen) (vgl. Fuchs 2011) hervor, geschuldet der massenhaften Klonierung von Bildern und damit der unendlichen Multiplikation von Zeichen. Es scheinen dann die Körper selbst zu sein, die in Form von Symptomatik oder Gewalt die gesellschaftlichen Oberflächen durchbrechen und sich Gehör zu verschaffen suchen. So zeigt sich gewissermaßen der Kern der postmodernen Störung dann, wenn, wie z.B. in der Bulimie, die „Theory of Mind“-Fähigkeiten (was bedeutet, eigene und fremde Emotionen und Handlungen verstehen und ein Stückweit voraussagen zu können; vgl. Kirsch / Brockmann / Taubner 2016) in der Regel gut funktionieren, aber keineswegs Symptomfreiheit herrscht – auch andere Befunde zu sozialer Kognition zeigen dies (vgl. Egloff 2023b). Dass das Problem der postmodernen Störung somit ein Symbolisierungsproblem ist, dürfte mit dem fundamentalen Mangel an Verortung in den medial geprägten Strukturen zu tun haben, in denen lediglich verstreute Referenzpunkte psychisch wirken. Der jeweils gültige ´kulturelle Code´ (Barthes 1970) ist aber medial von Kultur zu Kultur höchst unterschiedlich (Egloff 2023c); der Verlust von persönlicher Geschichtlichkeit geht zumindest in der westlichen Welt mit emotionalem Tiefenverlust zugunsten von rascher, aber flacher Erregung einher. In der ahistorischen, medialen Gesellschaft kann Tiefe auch nur begrenzt erwünscht sein. Daher auch der weithin beklagte Verlust von Urteilskraft bezüglich der heutigen (Bild-)Medienflut; ironischerweise liegt ein Großteil von Problematiken wohl darin selbst verborgen.

Vom Kind zum Doppelgänger

Es gibt den Topos, dass mit dem Verschwinden der Kindheit, wie es Neil Postman (1996) im Rahmen der Übernahme durch das Medienzeitalter formuliert hat, eine nie dagewesene Angleichung der Kindheit an das Erwachsenenleben stattgefunden hat. Es lässt sich sagen, dass, zunächst in den USA und mit Verspätung in West-Europa, das Abbild des Kindes dabei nahezu wichtiger wurde als das Kind selbst. Gewiss gibt es auch eine gegenläufige Entwicklung: hin zum Kind mit einer intensiven Art von Beelterung. Hierbei handelt es sich aber nicht selten um Einzelkinder in  Wohlstandsfamilien – also eine durchaus selektive Population. Der Psychohistoriker Dervin spricht gar vom Verschwinden von Kindern in der westlichen Welt (Dervin 2016), z.B. aus dem Straßenbild. Freies Spielen auf der Straße ist auch in deutschen Städten kaum noch zu beobachten; die Abschottung von ganzen städtischen Milieus bezeugt eine Entwicklung, die durchaus als Segregation bezeichnet werden kann.

Wer die These vom Verschwinden der Kindheit für überzogen hält, sei beispielhaft hingewiesen auf die derzeitig umkämpfte Deutungshoheit über Mutterschaft und Reproduktion (vgl. Fellmann / Walsh / Egloff 2020). Der Psychohistoriker Laurence Rickels bringt diese in direkten Zusammenhang mit dem Anbruch des Bildmedienzeitalters, in der die „media extensions of the senses” nichts weniger als Ersatz für die verschwindende Kindheit dienen müssen (Rickels 2011); zudem korreliert er gar das Verschwinden der Kindheit mit dem Auftauchen der berüchtigten Abbildungen verschwundener Kinder auf US-amerikanischen Milchkartons; musikalisch haben Bands wie Missing Persons oder INXS diese Thematik schon früh in den 1980er Jahren aufgegriffen – ein fester Topos, auch der kalifornischen Kulturindustrie.

Robert Sapolsky, der in einem Aufsatz rät, um Facebook und ähnliches verstehen zu können, das Capgras-Syndrom zu verstehen (Sapolsky 2016), verweist auf die neuropsychologischen Zusammenhänge zwischen sozialen Medien und dem Phantasma, dass echte Bezugspersonen verschwinden und durch Doppelgänger ersetzt werden. Das Capgras-Syndrom als eine Art Doppelgänger-Ersatz-Syndrom echter Personen könnte somit zum Paradigma des Medienzeitalters werden. Dieser Blickwinkel rückt auch das Verschwinden der Kindheit in ein neues, erweiterndes Licht.

Interdisziplinäre Perspektiven

Donna Tartts Roman The Secret History von 1992, der bei Jugendlichen im westlichen Kulturraum während der Covid-19-Pandemie ein echtes Revival erfuhr, zeigt eine mit reichlich Referenzen an die griechische Tragödie aufwartende Ausweglosigkeit, wobei die ´geheime Geschichte´ hinter der Wirklichkeit gewiss fassbarer ist als unsichtbar wirkende Strukturen. Entscheidend ist auch hier die gesellschaftliche Verfasstheit mit ihren ´Reststrukturen´ und mit ihnen dem verdeckten Affekt, der in Depersonalisations-Phänomenen erscheint und etwas Überwertiges, ja Wahnhaftes erkennen lässt (vgl. Bürgy 2017). Und auch der (psycho-)geographische Raum, in dem Makro-Phänomene auf die Mikro-Ebene einwirken, wird hier relevant: Äußeres wird dabei zu Innerem, Inneres zu Äußerem in Form von Strukturen, die dann wiederum rückwirken. Rickels formuliert ganz ähnlich eine Psychohistorie der westlichen kulturellen Entwicklung anhand des geographischen Spannungsfelds Osten-Westen, konkret NS-Deutschlands zu Kalifornien (Rickels 2001; vgl. D´Alessandro 2012), anhand dessen sich interessante Entwicklungslinien nachzeichnen lassen. Hierzu gehört auch der Großraum Los Angeles als epitome der gesellschaftlichen Postmoderne, deren berüchtigter Eskapismus (vgl. Donnelly 2018) Gegenstand zahlreicher Untersuchungen war und ist. In Verbindung damit steht auch die postmodern segmentierte, wenn nicht segregierte Stadt, wie sie z.B. Mercedes Lambert in ihrem Roman Dogtown, einer crime fiction novel vorwegnimmt (Lambert 1992), als auf Themen hinweisend, die heute neu und noch ungelöst erscheinen, aber bereits Jahrzehnte alt sind – und ungelöst. So imponiert in ihrem Roman eine schwer gefürchtete Einwanderungsbehörde, genannt La Migra, die einer im Grunde prekär existierenden Population zusetzt, wichtiger aber noch: die auf Migration als kostengünstigen und lohndrückenden Wirtschaftsfaktor hinweist (Möllers 1999, S. 432). Ebenso imponieren berüchtigte no-go-areas, z.B. die Gegend um Pico Union, oder der Vergleich der Achse LaBrea Avenue Nord zu Süd, optisch bekannt aus unzähligen Hollywoodfilmen.

Reale Realität

Und so bewegen wir uns in Der Tod kommt zweimal ironischerweise noch in der ´realen´ Realität. De Palmas Verdienst ist es, neben den traditionalen Thematiken die Vorwegnahme, den Hinweis auf den Einbruch zukünftiger medialer Scheinwelten in Alltag und ´Normalität´ vorzunehmen. Denn das, was Baudrillard das fraktale Subjekt nennt, wird sich unter dem Regime des (Bild-)Mediums in jedem seiner Einzelteile wiederfinden. Insofern dürfte das alter ego von Jake, in Form von Sam, im Film auf die Fragmentierung von Persönlichkeitsanteilen hinweisen, die unter dem Regime des (Bild-)Mediums zukünftig eher proklamiert als zurückgenommen werden, also desintegriert bleiben. Wenn die Entwicklung des Menschen mehr und mehr der medialen Sphäre anheim fällt, besteht im Subjekt die Gefahr einer „Zersplitterung ins Identische“ (Baudrillard 1990), indem es in all seinen Facetten seinem Nachbarn, seiner Nachbarin gleichen wird. „Individuen mit variabler Geometrie“ (Baudrillard 1982) warten dann lediglich mit Minimaldifferenzen auf. Eine ausschließlich interne Differenzierung des Subjekts steht dann der Differenzierung der Subjekte untereinander entgegen, und in der Binnendifferenzierung transzendiert das werdende Subjekt nicht etwa in ein Ganzes, sondern in Einzelanteile von Persönlichkeit. Dass dabei keine ´echte´ Persönlichkeit entstehen kann, ist offensichtlich: dies kann die Bilderwelt nicht leisten.

Entscheidend in De Palmas Film ist zudem, dass nicht nur Sam, sondern alle im Film handelnden Personen im weitesten Sinne noch Agenten ihrer Leben sind und diese von den medialen Strukturen nicht vollends übernommen wurden. Die zunehmende Ununterscheidbarkeit der ´virtuellen´ gegenüber der ´realen´ Welt als Kennzeichen der in der Postmoderne wirkenden medialen Strukturen wird die Subjekte dagegen immer mehr in den Hintergrund treten lassen, sie als handelnde Akteure immer weniger wirkmächtig werden lassen.

Das Body Double und der Aufstand der Körper

Eine letzte Szene sowie der Abspann des Films weisen nochmals auf die second reality hin; die des Filmgeschäfts einerseits, aber auch die der hyperrealen Zeichenwelt generell, der ´virtual reality´, in der doppelt oder mehrfach ´gesendet´ wird. Hier rückt der weibliche Körper dann noch einmal ins Blickfeld, und zwar nicht als realer, wirklich malträtierter Körper wie jener des Mordopfers, sondern in Form einer filmischen Platzhalterin, eines stand-in, das als body double nur scheinbar malträtiert wird. Unverhohlen gibt nämlich die junge Frau, die als Körperdouble am Filmset fungiert, ihrem männlichen Mitspieler zu verstehen, dass sie real ist: ihre Brüste seien sehr empfindlich und außerdem habe sie ihre Tage – nur dass er Bescheid weiß… So kann ausgerechnet das body double in Form der Paradoxie einer ´echten Kopie´ hinweisen auf die Hoffnung auf den Aufstand der Körper gegen die mediale Zeicheninflation und damit gegen den Verlust des Symbolischen.

Für einen Aufstand der Körper, einen Aufstand in Richtung einer ´Leiblichkeit´ müssten allerdings Trieb und Begehren zur Verfügung stehen; Baudrillard würde vielleicht sagen: Verführung müsste zur Verfügung stehen, dem Medialen entzogen. Mit Verführung wäre auch ´das Weibliche´ gemeint. Doch um Weiblichkeit scheint es gesellschaftlich nicht gut zu stehen in einer Zeit, in der, wie Claudia von Werlhof – sich auf Hannah Arendt beziehend – feststellt, die conditio humana der Natalität aufgegeben zu werden droht: „Der ´neue Mensch´ wird als ein nabelloser, ein gemachter, vorgestellt, als ´künstliche Intelligenz´ und Menschmaschine / Maschinenmensch“ (von Werlhof 2019, S. 230).

Neben dem Körperdouble am Filmset als ´echte Kopie´ ist ausgerechnet Sexfilm-Darstellerin Holly diejenige, die den sexuellen Akt selbst im medialen Geschäft in seinen, sagen wir, anthropologisch-biologischen Vollzügen bevorzugt, nicht so sehr in seinen medialen. Gerade sie, die ebenso als body double fungierte, stößt Jakes persönliche Entwicklung an, lässt ihn nicht wie das fraktale Subjekt zum fraktalen Körper werden. Mittels des Körperlichen strebt sie nach dem Symbolischen. Wenn auch die Scheinwelt drumherum so bleibt, wie sie ist: die Körper müssen nach dieser Lesart nicht zwangsläufig zu einer Vielfalt von puren Oberflächen im Baudrillardschen Sinne werden, auch wenn das werdende Subjekt aufgrund seines gleichermaßen biologischen wie sprachlichen Wesens immer eine Spaltung in sich trägt, die nach Heilung ruft. Doch schon mit dem perinatalen Milieuwechsel (Janus 2024) beginnt das menschliche Drama, das mit Angst behaftet ist. Angst entsteht also einerseits aus der Subjektspaltung (Lacan 2011), aber eben auch biologisch-sozialisatorisch (vgl. Egloff / Djordjevic 2020). Trifft der werdende Mensch nun, wie im heutigen gesellschaftlichen Gefüge, auf ein hochvirtualisiertes Gepräge, droht er unter dem Regime (bild-)medialer Ersatzwunschwelten (vgl. Egloff et al. 2021) ins „existential disarray“ zu rutschen. Mit einem Simulakrum am Werk, das Bezugspersonen durch Bilder zu ersetzen strebt und dabei durchaus normative Wirkung entfaltet, wird Immanenz wird in der Postmoderne zu einem obszönen Anliegen – der industriellen Produktion folgend, nicht der Repräsentation (vgl. Egloff 2023c). Einer phantasmatischen Medialität, in der Subjekte zu models, zum Subjekt-Objekt im Bilderrahmen werden, wie Klotter (2014) diagnostiziert, ist daher nur schwer beizukommen. Vermutlich wird es gerade im Westen heißen müssen, von den medialen Oberflächen zurück zu finden – vielleicht zu Körper und Geist.

 


 

Der Text enthält Auszüge aus folgendem Buchbeitrag:

Egloff, Götz (2023): Im Zeitalter der Bilderwelt: Angst in der Hyperrealität. In: Reiss, H. / Janus, L. / Kurth, W. (Hg.): Identität in der Moderne – die Bilderwelt der Medien und der kollektiven Selbstbilder. Jahrbuch für psychohistorische Forschung 23. Mattes, Heidelberg, S. 105-134.

 

Literaturhinweise:

Barthes, Roland (1970): S/Z (Editions du Seuil, Paris 1970).

Baudrillard, Jean (1990): Videowelt und fraktales Subjekt. In: Barck, K. / Gente, P. / Paris, H. / Richter, S. (Hg.): Aisthesis. Reclam, Leipzig, S. 252-264.

Baudrillard, Jean (1982): Der symbolische Tausch und der Tod. Matthes & Seitz, München.

Brähler, Elmar / Herzog, Wolfgang (Hg.) (2018): Sozialpsychosomatik. Das vergessene Soziale in der Psychosomatischen Medizin. Schattauer, Stuttgart.

Bürgy, Martin (2017): Die wahnhafte Depression. Nervenarzt 88 (5), 529-537.

D´Alessandro, Desiree (2012): The Case of California (Review on Laurence A. Rickels: The Case of California. Minneapolis, 2001). Art (US) 33, 4-7.

De Palma, Brian (Regie, 1984): Body Double (dt. Der Tod kommt zweimal). Columbia Pictures.

Dervin, Dan (2016): Where have all the children gone? J Psychohistory 43 (4), 262-276.

Donnelly, Ashley M. (2018): Subverting Mainstream Narratives in the Reagan Era. Palgrave Macmillan, New York.

Egloff, Götz (2023a): Medien und Psyche – Vom Ich-Ideal zum Ideal-Ich. Dtsch Ärztebl PP 22 (10), 455-457.

Egloff, Götz (2023b): Essstörungen: Aufriss postmoderner Psychodynamik. Prax Kinderpsychol Kinderpsychiatr 72 (3), 192-207.

Egloff, Götz (2023c): Psyche zwischen Libido und Medien: vom verlorenen zum virtuellen Objekt. gyn – Prakt Gynäkol 28 (1), 58-68.

Egloff, Götz (2022): William Faulkner zum 125. Geburtstag. www.dap-hamburg.de, Okt. 27.

Egloff, Götz (2020): William Faulkner, Snopes (1940, 1957, 1959). In: Egloff, Götz: Culture and Psyche – Lecture Notes for the Liberal Arts. Lambert, Beau Bassin, S. 31-60.

Egloff, Götz / Djordjevic, Dragana (2020): Pre- and postnatal psychosomatics in the social context. In: Egloff, Götz / Djordjevic, Dragana (eds.): Pre- and Postnatal Psychology and Medicine. Nova Science, New York, S. 141-198.

Egloff, G. / Janus, L. / Djordjevic, D. / Linderkamp, O. (2021): Psychosomatically oriented obstetrics and perinatal medicine. Europ Gynecol Obstetr 3 (2), 60-62.

Fellmann, Ferdinand / Walsh, Rebecca / Egloff, Götz (2020): From Sexuality to Eroticism: The Making of the Human Mind – Implications for Women´s Psychosomatics. In: Egloff, Götz / Djordjevic, Dragana (eds.): Pre- and Postnatal Psychology and Medicine. Nova Science, New York, S. 1-54.

Finkelstein, Joanne (2007): The Art of Self Invention. Image and Identity in Popular Visual Culture. I.B. Tauris, New York.

Fuchs, Thomas (2011): Psychopathologie der Hyperreflexivität. Dtsch Zschr Philosophie 59 (4), 565-576.

Janus, Ludwig (2024): The Enduring Effects of Prenatal Experiences. Cambridge Scholars Publ., Newcastle.

Kirsch, Holger / Brockmann, Josef / Taubner, Svenja (2016): Praxis des Mentalisierens. Klett-Cotta, Stuttgart.

Klotter, Christoph (2014): Essstörungen. In: Borkenhagen, A. / Stirn, A. / Brähler, E. (Hg.): Body Modification. Med.-Wissensch. Verlagsges., Berlin, S. 257-270.

Lacan, Jacques (2011): Seminar X. Die Angst. Turia & Kant, Wien.

Lambert, Mercedes (1992): Dogtown. Penguin, Harmondsworth.

McHale, Brian (1992): Constructing Postmodernism. Routledge, London / New York.

Möllers, Hildegard (1999): Die segmentierte Stadt. In: Möllers, H.: A Paradise Populated with Lost Souls. Literarische Auseinandersetzungen mit Los Angeles. Die Blaue Eule, Essen, S. 401-436.

Postman, Neil (1996): Das Verschwinden der Kindheit. S. Fischer, Frankfurt.

Rickels, Laurence A. (2011): The Unborn. In: Rickels, Laurence A.: Aberrations of Mourning. University of Minnesota Press, Minneapolis, S. 333-371.

Rickels, Laurence A. (2001): The Case of California. University of Minnesota Press, Minneapolis.

Sapolsky, Robert (2016): To understand Facebook, study Capgras syndrome. This mental disorder gives us a unique insight into the digital age. www.nautil.us, Oct. 27, 236173.

Sinclair, Vanessa / Steinkoler. Manya (eds.) (2019): On Psychoanalysis and Violence. Contemporary Lacanian Perspectives. Routledge, New York.

Tartt, Donna (1992): The Secret History. Alfred A. Knopf, New York.

Toman, Erika (2023): Der Körper als Resonanzorgan und als Symbol bei Menschen mit Essstörungen. J Psychoanal 64, 7-21.

von Werlhof, Claudia (2019): Überblick über die Patriarchatskritik: Die „Kritische Patriarchatstheorie“ als neues Paradigma. In: Janus, L. / Egloff, G. / Reiss, H. / Kurth, W. (Hg.): Die weiblich-mütterliche Dimension und die kindheitliche Dimension im individuellen Leben und im Laufe der Menschheitsgeschichte. Jahrbuch für psychohistorische Forschung 20. Mattes, Heidelberg, S. 219-

„Der Tod kommt zweimal“ – Teil 1

Wie Brian De Palma die Hyperrealität vorwegnahm

Anhand von Brian De Palmas Spielfilm Body Double (1984; dt. Der Tod kommt zweimal) soll im Folgenden angerissen werden, wie sich die noch moderne, „objektbezogene“ Gesellschaft am Übergang ins postmoderne, „hyperreale“ Zeitalter der heutigen Bilderwelt darstellt. Der an Alfred Hitchcocks Werke erinnernde Film ist einerseits randvoll mit Meta-Text (Hitchcocks Vertigo und Das Fenster zum Hof lassen grüßen), gleichzeitig ist er für dessen Entstehungszeit im Duktus etwas altmodisch. Als Los Angeles movie ist er durchaus gewalthaltig, dies aber dosiert genug, um Gewaltdarstellungen nicht zum entscheidenden movens werden zu lassen. Entlang des Plots dominieren nämlich Themen von persönlicher Entwicklung des Protagonisten – was den Film in einen Entwicklungskontext rückt – wie auch von Trieb und Sexualität, die den Film mit-überschreiben, sowie des zeithistorisch bevorstehenden Topos der „virtual reality“ in Form einer fast noch harmlos erscheinenden second reality, einer Realität, in der jedoch schon nichts mehr so ist wie es scheint. Letztere Thematik ist im Grunde tonangebend für den gesamten Handlungsverlauf. Einige komische Momente machen das als „erotischer Thriller“ geführte Werk im übrigen zu einem sehenswerten Genrefilm, der trotz eines zunächst mäßigen Kassenergebnisses einen gewissen Kultstatus erreichen konnte.

Neurose

Ohne zu viel Inhalt zu verraten, soll an dieser Stelle auf einige Motive eingegangen werden, um zu illustrieren, wie Der Tod kommt zweimal sich als eine Art Stationendrama am Übergang in die Hyperrealität konstituiert. Dem Protagonisten Jake, der sich mit kleineren Schauspielrollen durchschlägt, kommt seine klaustrophobische Symptomatik in die Quere, als er bei den Dreharbeiten zu einem B-Film einem Sarg entsteigen soll. Im Handlungsverlauf wird es ihn in einige unvorhersehbare Situationen verschlagen; hinsichtlich seiner Klaustrophobie vor allem aber in einen Tunnel, in ein Grab, und wieder in die anfängliche Sarg-Szene. Gerade Anfang, Mitte und Schluss des Films bilden somit einen Entwicklungsbogen, nämlich den der persönlichen Entwicklung des Protagonisten.

Nachdem Jake anfangs seine Freundin Carol in flagranti mit einem anderen Mann erwischt hat, findet er sich kurze Zeit später in einer Schauspielklasse wieder, in der ihm sein Lehrer ein folgerichtiges „you must act!“ empfiehlt, ja fast aufnötigt. Das Verb to act als ´handeln´ und ´spielen´ kommt hier nicht grundlos. Denn Jake, ein feinfühliger, vielleicht etwas desorientierter junger Mann, steht nach den anfänglichen Vorfällen emotional neben sich und muss sich erst einmal neu ausrichten. Als ihm Sam, ein Schauspielkollege, der leicht als Jakes alter ego gelesen werden kann, anbietet, ein paar Tage in der Villa eines Freundes in den mondänen Hollywood Hills zu übernachten, nimmt die Handlung seinen weiteren Lauf. Jake wird nun mit der Überwindung seiner Neurose konfrontiert, was ihn in ungeahnte Niederungen und Höhen treiben wird. Er muss tatsächlich handeln – und letztlich auch spielen.

Frauen

Drei Frauen haben im Film zentrale Rollen inne: die eine ist Gloria Revelle, die Jake von seinem Übergangsdomizil aus nächtens durch eine Fensterfront beobachten kann. Sie stellt eine Art erotisches Sehnsuchtsobjekt und eine Mutterfigur dar: schon im Nachnamen Revelle findet sich eine grandiose Überdeterminiertheit; wir haben es mit einem weiblichen Traumbild zu tun.

Die zweite Frau des Films, Holly, ist eine Sexfilm-Darstellerin mit sprühend selbstbewusstem Auftreten. Sie beeindruckt damit, dass sie weiß, was sie will – und weiß, was sie nicht will. Jakes Verbindung zu ihr wird erst spät im Handlungsverlauf relevant, doch mit hohem Maß an Bedeutung aufgeladen werden. Die dritte, äußerst kleine, aber bedeutsame Frauenrolle findet sich in Jakes Freundin Carol, die diesen betrügt. Sie stellt retrospektiv einen wichtigen Ausgangspunkt für Jakes Entwicklung und die Überwindung seiner Hemmung dar; Carols Lust ist somit entscheidendes movens des gesamten Handlungsverlaufs.

Gemeinsam ist den weiblichen Rollen ein starkes Frauenbild; es sind starke, aber auch durchaus empathische Frauen. Selbst Carol, die als selbstbewusste Lilith rittlings ihrem Begehren nachgeht, wirkt in ihrer Reaktion nicht unempathisch, als Jake sie mit dem anderen Mann entdeckt. Eine Schwierigkeit zwischen Jake und ihr scheint nämlich darin gelegen zu haben, dass dieser im Bett Probleme hatte, sie zum ´Glühen´ („make her glow“) zu bringen, wie in einem Dialog zwischen ihm und seinem alter ego Sam fast beiläufig zu erfahren ist. Man kann dies als Hinweis auf eine Art funktionelle Störung im Sexuellen bei Jake lesen; in jedem Fall aber verweist der Sachverhalt auf Körperlichkeit und eine einhergehende Beziehungsproblematik. Interessant ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass Sexfilm-Darstellerin Holly gerade dadurch auffällt, dass sie zu verstehen gibt, dass ihr ein ´herkömmlicher´ sexueller Akt am besten gefällt. In Bezug auf die Bildermaschine des Sexfilm-Geschäfts gleicht dies geradezu böser Ironie. Bezeichnenderweise wird es zu jenem Akt unter alles andere als gewöhnlichen Umständen kommen.

Ikonische Welten

Ein im Verlauf des Films stattfindender brutaler Mord wird Jake in weitere unerwartete Situationen bringen, die aber immer verzahnt zwischen persönlichem und kulturhistorischem Motiv auftreten. Denn in den im Film gezeigten Bildern der frühen 1980er Jahre dominieren ikonische Orte und Motive; so die Hollywood Hills, in denen Autos einen Canyon hinabstürzen, Strandszenen in Orange County, der visuell bekanntesten Peripherie von Los Angeles, oder auch die Rodeo Collection an der gleichnamigen Einkaufsmeile. Nebenher transportieren diese visuellen Motive auch die inhaltlichen, die Los Angeles als ´westlichstem Punkt´ der Welt zu einem mythischen Ort, aber eben auch zu einem Gegenentwurf zur alten Welt, zu alten Welten machen sollen. So taucht ein Agent des Scheins an verschiedenen Stellen in Form einer unheimlichen southern gothic-Referenz (vgl. Egloff 2022) auf und konfrontiert Jake mit seinen Ängsten und Wünschen.

Realität und Virtualität

Die entstehende Beziehung zu Holly macht Jake und diese zu einem ungleichen, andererseits folgerichtigen Paar: man könnte hier von einem Aufstand des Körperlichen gegen die mediale Zeicheninflation sprechen. Ihre Beziehung entsteht nämlich in der Körperlichkeit, obwohl Jake über die Oberflächen der Bilder auf Holly aufmerksam wurde. Ein somit mittels Holly nahezu erzwungenes Aufbegehren wird sein ödipal gefärbtes Potenzproblem lösen. Doch Jakes ödipale Gebundenheit an die grandiose Mutterfigur Gloria wird nicht zu einer rein persönlichen Problematik, sondern verweist ebenso auf deren Bestand im medialen Raum – sowie auf deren Auflösbarkeit außerhalb des medialen Raums.

Hier lassen sich einige gewichtige Motive ausmachen; die Charaktere und Konstellationen sind nämlich strukturgebend für Jake und dessen Entwicklung. Zudem hat der Film neben formalen Kriterien wie hervorragender Kameraführung und elegantem Einsatz von Licht (und Schatten), hervorragenden schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten sowie einem Musikrepertoire zwischen New Wave und symphonischem Hitchcock, hochinteressante inhaltliche Konstellationen zu bieten. Als Film im Film kommt er einerseits als linear erzählte Kriminalgeschichte daher, andererseits als kulturhistorische Verweisfolie: in dieser noch mild wirkenden Hyperrealität wird Jake mit seiner Angst konfrontiert; das Mediale ist aber noch längst nicht so gegenwärtig wie es schon wenige Jahrzehnte später sein wird. Mitunter kann der Zuschauer gar an der Realität aller Handlung Zweifel bekommen, gar auf die Idee kommen, nichts davon habe wirklich stattgefunden. Doch im Unterschied zu  anderen, späteren Filmen dieses Genres lassen sich sehr klare Thematiken identifizieren, die mindestens den Protagonisten Jake, aber durchaus auch Holly und Carol umtreiben. Selbst Sam bzw. Alexander Revelle – als reale Personen gedacht – könnten klare persönliche Motive haben, von denen wir aber nichts erfahren. An dieser Stelle soll nun mittels einer um mediale Aspekte erweiterten psychoanalytischen Theorie der Hintergrund von Hyperrealität erhellt werden.

Die mediale Postmoderne – etwas Theorie

Wenn die Entwicklung hin zur Postmoderne als Pathologie – oder auch nur als Spielart – der Moderne zu verstehen ist, kann im Zuge der gesellschaftlichen Durchdringung durch (Bild-)Medien von einer sozio-kulturellen Rückwendung ins fragile Selbst gesprochen werden. Eine mediale Dynamik nämlich, die aus der kulturellen Logik des Spätkapitalismus in Form der Postmoderne hervorgeht, lässt sich als ein kultureller modus operandi beschreiben, der strenggenommen nicht in der Person, nicht im Subjekt selbst liegen muss. Die hyperreal konfigurierte Gesellschaft tritt als Anrufung in Form medialer Strukturen an den werdenden Menschen in einer gesellschaftlichen Realität von Flexibilisierung, Ökonomisierung und vor allem Virtualisierung heran. Diese kann als paradigmatisch für postmodernen Bezugsverlust erkannt werden.

Das Mediale nämlich, das diesem gesellschaftlichen Gefüge entspringt, führt zu einer Konfiguration, die als Hyperrealität bezeichnet werden kann. Hyperrealität, ganz klassisch definiert als Abbild von etwas, dass es in der Realität entweder nicht gibt oder nur als überhöhte, idealisierte Vorstellung, lässt aus Bezügen zu realen Objekten Bezüge zu Bildern werden. Statt von Realität ist dann vom Simulakrum zu sprechen, einer scheinbaren Wirklichkeit (´virtual reality´), mit der ein Phantasma einhergeht, das ohne Urbild oder Urszene auskommt; man könnte beim Simulakrum von einer phantasmatischen imitativen Praxis ohne Urbild sprechen. Hyperrealität heißt also ein Auskommen ohne die, sagen wir, ´echte´ Realität; dies als Ausdruck der Krise der Repräsentation, in der das Simulakrum nicht etwa die (Zeichen-)Kopie eines Originals darstellt – es kennt gar kein Original. Das heißt konkret z.B., dass man sich selbst erfinden muss (Finkelstein 2007), und zwar vorzugsweise medial. Statt ´finden´ also nicht nur ´erfinden´, sondern dies auf den Oberflächen allgegenwärtiger Medienräume.

 

Lesen Sie nächste Woche den zweiten Teil dieses Artikels!

Sammler und andere Verrückte

Rainer Ehrt: „Kinderbild Christa Wolf“, Druck nach einer Zeichnung. Foto: Pirckheimer Gesellschaft

Bücherliebhaber und -sammler treffen sich zum Austausch
Für alle Buchliebhaber findet bei freiem Eintritt in Hamburg-Altona eine Tagung im Rahmen des Jahrestreffens der Pirckheimer Gesellschaft statt. Die Herausgeberin der bibliophilen Zeitschrift „Marginalien“ hat ihren Sitz in Berlin und vereint nach eigenen Angaben „Sammler und andere Verrückte“, namentlich Bibliophile, Freunde der Graphik (mit ph!) und Exlibrissammler. Es scheint, als trotzte ein kleines gallisches Bücherfreundedorf mit rund 600 Mitgliedern den digitalen Römern, von denen es zunehmend umzingelt wird. Man sollte jedoch nicht glauben, dass man es hier mit ewig Gestrigen zu tun hat, im Gegenteil gelingt es den Pirckheimern, Klassik und Gegenwart harmonisch zusammenzubringen, das Schöne durch die Zeit zu erhalten und Menschen neu für das Medium Buch zu begeistern. Wem das Herz bei leinengebundenen Büchern aufgeht, wer sich gern Exlibris in den Buchdeckel klebt oder gar selbst welche zeichnet, der ist bei dieser Tagung in seinem Element und wird Gleichgesinnte treffen, mit denen es sich vortrefflich fachsimpeln lässt.

Foto: Pirckheimer Gesellschaft

Sicherlich werden auch die „Marginalien“ vor Ort zu finden sein. Diese »Marginalien – Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie« werden von der Pirckheimer-Gesellschaft im quartus-Verlag herausgegeben und geben den Lesern einen Einblick in die unterschiedlichsten Bereiche der Buchkunst und Bibliophilie aus Geschichte und Gegenwart.

Die Pirckheimer-Gesellschaft schaut auf eine bewegte Geschichte zurück: Gegründet 1956 unter dem Dach des Kulturbundes der DDR ist sie jahrzehntelang die größte bibliophile Gesellschaft im deutschsprachigen Raum – zu Hochzeiten mit weit über 1000 Mitgliedern. Sie regt breitenwirksam die Lust aufs gut gemachte Buch an – mit Editionen, Ausstellungen und der eigenen Zeitschrift Marginalien. Aus den unruhigen Wendejahren ersteigt sie neu motiviert und zieht mittlerweile ihre Kreise in ganz Deutschland mit Regionalgruppen von Bayern bis Berlin. Zum Verein Pirckheimer Gesellschaft erfahren interessierte Leser mehr auf der Webseite, die auch Porträts von Sammlern umfasst, und vor allem im Blog.

Das Programm in Hamburg

Die vom Pirckheimer-Mitglied Ralf Plenz ausgerichtete Veranstaltung „Pirckheimer-Treffen samt Vorträgen und Ausstellung mit Gästen der Hamburger Autorenvereinigung und anderen Buchliebhabern“ beginnt am Sonntag, 25. Februar 2024 um 11 Uhr und endet um 17 Uhr.
Anschrift: Alfred-Schnittke-Akademie, Max-Brauer-Allee 24, 22765 Hamburg (Altona), das ist 400 Meter vom Bahnhof Altona (Fernbahn und S-Bahn) entfernt. Der Eintritt ist frei.

Alfred-Schnittke-Akademie

Es gibt einige Fachvorträge von Kennern antiquarischer Bücher, Druckern, Buchkünstlern, Autoren und Verlegern des besonderen Buchs. Gemeint sind sowohl antiquarische Bücher, Sammlerobjekte und Handpressendrucke, jedoch auch wiederveröffentlichte Klassiker. Die Vorträge sind abwechslungsreich, genügend Pausen für Gespräche sind eingeplant. Dazu gibt es an den Tischen der Aussteller viel bibliophiles Anschauungsmaterial.

 

(Dieser Text enthält Auszüge aus der Homepage der Pirckheimer Gesellschaft. Wir bedanken uns für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.)

Text: Ralf Plenz und Maren Schönfeld

Wie der Zebrastreifen zu seinem Namen kam

Foto: Sammy-Sander, Pixabay

Am 8. Juli 1952 wurden in der Neuhauser und elf weiteren Straßen der bayerischen Landeshauptstadt München die ersten historisch gesicherten Zebrastreifen auf die Fahrbahn gemalt. Im darauffolgenden Jahr wurde erstmals nach dem Krieg die Straßenverkehrsordnung von 1938 novelliert und bei der Gelegenheit die „Dickstrichkette“ bundesweit eingeführt.

1954 führte in Hamburg die Polizei in Kooperation mit dem „Hamburger Abendblatt“ eine „Verkehrserziehungswoche“ durch, mit dem Ziel den Autofahrern Respekt vor dem Zebrastreifen und den damit verbundenen Rechten für die Fußgänger zu vermitteln. Wer vor der sogenannten Fußgängerbrücke anhielt, bekam eine Plakette mit der Darstellung eines Zebras und der Aufschrift „Zeichen eines besonders rücksichtsvollen Autofahrers“. Dieses ist eine Erklärung für die Entstehung des Begriffes „Zebrastreifen“.

Trotzdem mangelte es lange am nötigen Respekt der Autofahrer vor dem Zebrastreifen. Von 1955 bis 1964 stieg die Zahl der Unfälle mit Personenschäden auf Dickstrichketten im bevölkerungsreichsten Bundesland von 85.650 auf 98.000. 1963 klagte der Berliner „Tagesspiegel“: „Warum sind nicht wenigstens diese Übergänge neutrales Gebiet in dem brutalen Jeder-gegen-jeden, das auf Deutschlands Straßen unausrottbar scheint?“

Lex Zebra

Im darauffolgenden Jahr wurden mit der sogenannten Lex Zebra die Rechte der Fußgänger gegenüber den Autofahrern erweitert. Bis dahin hatten Letztere nur für solche Fußgänger zu halten, die sich bereits auf dem Zebrastreifen befanden. Seit 1964 hat sich der Autofahrer grundsätzlich einem Zebrastreifen in gemäßigter Geschwindigkeit zu nähern und bereits anzuhalten, wenn sich Personen dem Fußgängerüberweg nähern. Außerdem darf auf Dickstreifenketten nicht überholt und bis zu fünf Meter vor dem Überweg weder gehalten noch geparkt werden. Der Vorrang für Fußgänger scheint gewirkt zu haben. 2009 gab es in Deutschland noch 5500 Unfälle auf Zebrastreifen. Der Zebrastreifen als Schutzraum des Fußgängers auf der Fahrbahn scheint vom Gros der Verkehrsteilnehmer verinnerlicht und akzeptiert.

Bereits vor 1952 hatte der Verkehr eine Dimension angenommen, welche die Einrichtung geschützter Straßenübergänge für Fußgänger sinnvoll, wenn nicht notwendig erscheinen ließ. So gab es beispielsweise 1948 in London Versuche mit markierten Übergängen. Diese Markierungen soll der damals im Verkehrsministerium arbeitende spätere Premier James Callaghan „zebra crossing“ genannt haben. Eingang ins internationale Recht fand der Fußgänger privilegierende Übergang 1949 mit dem Genfer Protokoll über Straßenverkehrszeichen.

 

(Dieser Artikel erschien bereits in der Preußischen Allgemeinen Zeitung unter der Überschrift „Zebrastreifen. Die ersten zwölf gab es in München“.)

Alle Jahre wieder…

Auch in diesem Jahr setzte die Auswärtige Presse ihre seit nunmehr fast zwanzig Jahren gepflegte Tradition fort und lud Mitglieder und Gäste am 1. Dezember zur Weihnachtsfeier ein. Sie fand wie üblich im Marriott Hotel statt. Diesmal jedoch im kleineren Kreis. Während manche der Abwesenden sich bereits in wärmere Gefilde geflüchtet hatten, mussten andere wegen eines Infektes das Bett hüten. Wir wünschen baldige Gesundung.

Statt im großen Bankettsaal tagten wir diesmal im festlich geschmückten Restaurant. Eine lange weiß eingedeckte Tafel war für uns vorbereitet worden. Für viele eher ein Vor- als Nachteil. Denn, so meinten sie, konnte man sich viel entspannter unterhalten als an den drei oder vier runden Tischen im Saal.

Nach der Begrüßung durch Präsidentin Maren Schönfeld folgte literarisch Erbauliches. Ein Gedicht aus der Feder vom Rainer Maria Rilke, in dem er die Schönheit der Winterlandschaft besingt, machte den Anfang. Es folgte eine weihnachtliche Glosse und ein Stück über den Nikolaus, das eine humorvolle Kontroverse zwischen zwei unserer Mitglieder, dem Autor László Kova und Heinrich Hannover, nach sich zog.

Zur Klärung des Sachverhaltes und zum Mitschreiben folgendes: Der Überlieferung nach war Nikolaus von Myra (früher Lykien, heute Türkei) ein besonders beliebter und barmherziger Bischoff, der großzügig Geschenke an die Armen verteilte. Ein guter Christ, der zwischen 270 und 286 geboren wurde. Noch heute zählt er zu den angesehensten Heiligen der Ostkirche. Nikolaus starb am 6. Dezember im Jahre des Heils 343 in Myra. Bis auf den heutigen Tag erinnert dieses Datum an den Wohltäter.

Doch fehlte da nicht etwas an diesem schönen Abend? In der Tat. Der von unserem Mitglied Wolf Bremke stets so souverän vorgetragene „Kuddel Daddeldu“ stand diesmal nicht auf dem Programm. Hoffentlich wird unser geschätzter Conférencier uns im nächsten Jahr wieder mit seiner Anwesenheit beehren und dem ollen Kuddel neues Leben einhauchen.

Mit gesundem Appetit machten wir uns über das – wie immer – köstliche Büffet her, das die Küche des Hotels vorbereitetet hatte. Es gab unter anderem krosse Gänsekeule mit Rotkohl und Kartoffelklößen. Mit diesem traditionellen Weihnachtsgericht kann kein Koch der Welt etwas verkehrt machen. Oder?

Nach dem ebenfalls leckeren Dessert wechselten wir zu unserem unverzichtbaren Würfelspiel über. Unter uns: Diesmal standen wieder Knobelbecher und Würfel zur Verfügung, die ein etwas schusseliges Mitglied – Asche auf mein Haupt – im letzten Jahr zu Hause vergessen hatte. Leider fehlte in diesem Jahr der Maître de Plaisir, Ehrenpräsident Günther Falbe, der über viele Jahre stets dieses Spiel mit nie versiegender Engelsgeduld erklärte. Da der allseits beliebte Mann Anfang 2023 starb, waren wir diesmal auf uns selbst gestellt. Gottlob stand der Abend unter einem offenbar von Günther gelenkten guten Stern. Es klappte alles wie am Schnürchen, und am Ende ging jeder mit einem Geschenk nach Hause.

Ralf Plenz
Foto: Privat

Der Abend sorgte noch für eine Überraschung. Unsere Präsidentin stellte ein neues Mitglied vor. Herr Ralf Plenz, seines Zeichens Hamburger Verleger der Reihe „Perlen der Literatur“, die im Input-Verlag erscheint, ist eine veritable Bereicherung für unsere literaturaffine Pressevereinigung. Nachstehend ein paar Kostproben aus seinem anspruchsvollen Programm: „Die missbrauchten Liebesbriefe“ von Gottfried Keller, „Das Jahr des Gärtners“ von Karel Čapek, „Die kleine Stadt“ von Heinrich Mann“ sowie „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson und last but not least George Orwells „1984“ – ein Dauerbrenner, der gegenwärtig so aktuell ist wie eh und je. Sämtliche Bücher dieses kleinen exquisiten Verlages sind auf besonders feinem Papier gedruckt. Ein Genuss für jeden, der gern seine Nase zwischen zwei Buchdeckel steckt.

Der Abend endete wie stets in vollendeter Harmonie. Die Anwesenden wünschten sich zum Abschied frohe Festtage und ein gesegnetes Neues Jahr.

Zu guter Letzt noch ein Sinnspruch der immer passt – egal, wer ihn einst erdachte: „War das alte Jahr ein gutes, freu‘ dich auf das neue. War das alte aber schlecht – ja dann erst recht.“ In diesem Sinne alles Gute!

(Fotos der Weihnachtsfeier: Maren Schönfeld)

Nachruf auf Guy Stern, Ehrenpräsident des PEN Zentrums deutschspr. Autoren im Ausland

Guy Stern, Foto: Susanna Piontek

Guy Stern, Ehrenpräsident des PEN Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland (früherer Deutscher Exil PEN) verstarb am 7. Dezember 2023, fünf Wochen vor seinem 102. Geburtstag. Unser PEN Zentrum verliert mit ihm einen großartigen und bedeutenden Menschen und ich persönlich einen Kollegen und Freund.

Guy wurde in Hildesheim geboren und emigrierte 15-jährig als einziger aus seiner Familie in die USA. Seinen Eltern war es finanziell nicht möglich, mehr als eine Person ausreisen zu lassen, und sie entschieden sich für den ältesten Sohn Günther, wie er damals noch hieß. In den USA versuchte er seine Familie nachkommen zu lassen, was aber nur möglich war, wenn ein Bürge gefunden werden konnte, der sich verpflichtete, für den Unterhalt aufzukommen. Das war schwierig und alle Versuche eine entsprechende Person zu finden, scheiterten. Somit hat Guy weder seine Eltern noch seine Geschwister und Großeltern je wiedergesehen. Sie wurden von den Nationalsozialisten ermordet.

Als ich ihn einmal fragte, was er vom Abschied von seiner Familie in Erinnerung behalten habe, hat mich seine Antwort stark berührt. Sie bestand aus einem Wort: Taschentücher! Auch werde ich nicht vergessen, was er mir über sein Empfinden sagte, als einziger der Familie überlebt zu haben, u. z.: „Wenn du gerettet wurdest, sagte ich mir, musst du zeigen, dass du dessen würdig bist. Und das war die treibende Kraft in meinem Berufsleben“, und mit dieser Kraft beeindruckte er in seinem Leben in vielen verschiedenen Funktionen.

So wurde er Mitglied der geheimen Einheit der „Ritchie Boys“, des Militärgeheimdienstes der USA im Zweiten Weltkrieg. Für seinen Einsatz wurde er mit dem amerikanischen „Bronze Star“ ausgezeichnet.

Einmal fragte er mich spitzbübisch lächelnd, wie es seine Art war: „Weißt du eigentlich, dass ich ein Filmstar bin?“ Ich wusste es damals nicht, war sehr erstaunt und erfuhr, dass es einen Film aus dem Jahr 2004 mit dem Titel The Ritchie Boys gibt, in dem er mitgewirkt hatte. Auf dem Cover der DVD, die er mir schenkte, ist er als einer von drei „Ritchie Boys“ abgebildet. Der Name geht zurück auf das Camp Ritchie in Maryland, wo die Ritchie Boys ausgebildet wurden. Ihre Aufgabe war es, ihre Kenntnisse der deutschen Sprache und Kultur im Kampf gegen die Nazis zu nutzen, und sie wurden nach der Invasion als Geheimwaffe vor allem für Verhöre von Gefangenen an der Front und zur Spionageabwehr in Europa eingesetzt (s. auch https://die-auswaertige-presse.de/weisst-du-eigentlich-dass-ich-ein-filmstar-bin/).

Vor noch nicht langer Zeit, am 9. Mai 2021, erinnerte das amerikanische Fernsehen in der bekannten CBS-Sendung „60 Minutes“ an diese Einheit. Guy Stern kam in diesem Beitrag auch zu Wort, in dem die „Ritchie Boys“ damit gerühmt wurden, dass sie Leben gerettet hätten und man sie als Helden bezeichnen müsse.

Nach dem Krieg beendet Guy sein Romanistik- und Germanistikstudium und unterrichtete an verschiedenen amerikanischen und als Gastprofessor auch an deutschen Universitäten.

Einen besonderen Platz in seinem Leben war mit der Position des Direktors eines Instituts des Holocaust-Museums in Detroit verbunden, für das er bis in sein hohes Alter tätig war. Als Autor und Herausgeber veröffentlichte er zahlreiche Bücher und Sammelwerke zur deutschen Literaturgeschichte, insbesondere zur Emigrantenliteratur.

Er wurde vielfach ausgezeichnet und erhielt u. a. das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, die Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsstadt Hildesheim und 2017 den erstmals verliehenen OVID Preis des PEN Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland.

Guy Stern (r.) und Gino Leineweber bei der OVID Preisverleihung am 7. Mai 2018 in der Frankfurter Nationalbibliothek. Foto: privat

Dieses Zentrum wurde 1934 von den aus Deutschland vor den Nazis geflüchteten Schriftstellern und Schriftstellerinnen als Deutscher Exil-PEN gegründet. Heinrich Mann war der erste Präsident. Bis vor einem Jahr hieß einer seiner Nachfolger als Präsident Guy Stern. Erst 100-jährig gab er das Amt auf und wurde von den Mitgliedern zum Ehrenpräsidenten gewählt. Mit ihm wurde die Tradition und das Selbstverständnis unseres Zentrums in besonderer Weise personifiziert und wir wurden von der Kraft bereichert, die ihn als Überlebenden des Nazi-Terrors angetrieben hatte.

Das PEN Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland und ich werden ihn als einen engagierten Literaten und humorvollen Freund in Erinnerung behalten. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Susanna Piontek.

 

 

 

 

 

Bob Dylans Porträts in der Alten Druckerei Ottensen

Mit Zeichnungen, Künstlerbüchern und einem Ölgemälde von Bob Dylan wurde die Ausstellung im Rahmen einer gut besuchten Vernissage am 3. November 2023 in der Kultureinrichtung „Alte Druckerei Hamburg-Ottensen“ feierlich eröffnet.
Die aus Polen stammende Künstlerin Anna Perehuda Zalewski (86) lebt und arbeitet seit 40 Jahren als freischaffende Künstlerin in Hamburg und hat sich mit ihren Ausstellungen in Hamburger und norddeutschen Galerien einen Namen gemacht. Ihre Porträtzeichnungen und Porträt-Ölbilder sowie ihre Rosenbilder sind in Künstlerkreisen begehrte Sammlerobjekte. Ihre Werke über Bob Dylan werden nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Künstlerbücher „The Many Faces“ mit ihren Zeichnungen hat die Künstlerin selbst konzipiert und die Liedtexte von Bob Dylan eigenhändig kalligraphiert. Die Künstlerbücher sind in einer limitierten Auflage erschienen und mit der Signatur der Künstlerin versehen. Anna Perehuda Zalewski, die unerschöpfliche, energiegeladene Zeichnerin und Malerin, hat weit über 200 Porträts von Bob Dylan angefertigt.

Wer ist Bob Dylan?

Er kam als Robert Allen Zimmer am 24. Mai 1941 in Duluth im Bundesstaat Minnesota, USA zur Welt und entwickelte sich zu einem weltbekannten US-amerikanischen Singer-Songwriter und Lyriker. Er gilt als einer der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts und erhielt 2016 als erster Musiker in der Geschichte den Nobelpreis für Literatur.

Bob Dylan ist ein universaler Künstler: In erster Linie ist er Sänger, darüber hinaus spielt er mehrere Instrumente, wie Gitarre, Mundharmonika, Orgel, aber auch Piano. Zu Beginn seiner Karriere war er als Folkmusiker bekannt, wandte sich aber Mitte der 1960er Jahre der Rockmusik zu. Beeinflusst wurde er zudem durch Stilrichtungen wie Country, Blues, Gospel und Musiktraditionen wie das Great American Songbook. Dylans Liedtexte sind vielschichtig und enthalten Elemente der High und Popular Culture. Sein Werk ist umfangreich, anspruchsvoll, vielseitig und strahlt eine starke, poetische Kraft aus. Es spiegelt die politischen, gesellschaftlichen und religiösen Ereignisse unserer Zeit wider. Dylan hat sich über sein Lebenswerk stets bescheiden geäußert, so auch zur Verleihung des Literaturnobelpreises. Er habe nie darüber nachgedacht, ob seine Texte im engeren oder weiteren Sinne Literatur seien.

Es gibt auch Kritik

Heinrich Detering, Literaturwissenschaftler und Dylan-Experte, äußerte sich in den Medien, u.a. im Deutschlandfunk Kultur, begeistert über die Werke von Bob Dylan. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Bob Dylans Schaffen ein Lebenswerk ist, das man als Text gerne liest und als Song gerne hört, bzw. beides gerne gleichzeitig genießt. Bob Dylan hatte und hat jedoch auch Kritiker. Die einen mögen seine Stimme nicht, die anderen huldigen ihr. Sein Schaffensdrang ist jedenfalls ungebrochen. Der Nobelpreisträger ist mittlerweile 82 Jahre alt und als Dichter, Songwriter und Live-Musiker weiterhin unermüdlich aktiv. Seine phänomenale Größe beweist er immer wieder in der Literatur und Musik. Dylans Songtexte sind eindrucksvoll, seine Melodien reißen das Publikum mit. Seit mehr als 60 Jahren dichtet und singt er, wobei er auch am Klang seiner Stimme fortlaufend arbeitet. Bis jetzt produzierte er Hunderte von Songs und Weltstars wie Harry Belafonte oder Bruce Springsteen coverten seine Stücke. Zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur im Jahr 2016 wurden jedoch auch kritische Stimmen laut. Sein neues Album „Rough and Rowdy Ways“ brachte ihm jedoch großen Erfolg ein und festigte seinen hohen Status in der Welt der Popularmusik.

Bob Dylan hat ein umfangreiches Werk geschaffen, seine Songtexte sind zeitlos und regen dazu an, über uns Menschen, unser Handeln in der Landes- und Weltpolitik, sowie über die Natur nachzudenken. Bob Dylan hat seine Botschaft auf einem weiten Feld in unserer Gegenwart ausgesandt.

Es ist erfreulich, dass sich die bildende Künstlerin Anna Perehuda Zalewski so intensiv mit Bob Dylans Werk beschäftigt hat und es uns mit ihrer Ausstellung ermöglicht, das Lebenswerk Dylans gründlicher zu erschließen und noch tiefgreifender zu verstehen. Während der Vernissage hat die Künstlerin selber das Wort ergriffen. Sie erzählte mit viel Humor, dass sie an dieser Ausstellung etwa drei Jahre lang gearbeitet und sich gequält habe, auch während der langen Corona-Pandemie. Sie wies darauf hin, dass ihre Zeichnungen unverkäuflich seien, da diese Kollektion demnächst in anderen Galerien gezeigt wird.
Die inspirierende Vernissage wurde musikalisch umrahmt: Der Gitarrist David László Kova (u.a. zu finden auf YouTube unter: „Bardenschule David László Kova“) sang und spielte bravourös mehrere Lieder auf seiner klassischen Gitarre.

 

Die Ausstellung endet mit einer Finissage am Mittwoch, den 13.12.2023 um 19:00 Uhr mit Wortbeiträgen und kulturellen Überraschungen.
Alle Interessentierten und Kunstliebhaber:innen sind herzlich eingeladen.
Der Eintritt ist frei.
Adresse: Alte Druckerei Hamburg-Ottensen, Bahrenfelder Str. 73 d

 

Bilder: Anna Perehuda Zalewski
Foto der Künstlerin: László Kova

„THE HOUND OF THE BASKERVILLES” – The New Play at The English Theatre of Hamburg

Be very careful. I’s eery to cross to fen in the night

How creepy it is to cross through the fen when it’s billowing with haze, mists writhing like phantoms, bine weaving through bushes. Up squirts a springlet beneath every step when hissing and singing come from the gap. How eery it is to cross through the fen when the reed bank rustles in the breeze.

This is the first verse of Annette von Hülshoff’s ballad “The Little Lad in the Fen.” The great German poet and composer (1779 until 1848) wrote this gripping ballad as a young woman. Annette was born into an aristocratic family and grew up in a moorland landscape in Westphalia. She knew all about the dangers lingering behind bushes, crippled trees and in dark waters. Sir Arthur Conan Doyle’s masterpiece “The Hound of the Baskervilles” is set on the scary grounds of Dartmoor in the County of Devonshire.

The Hound of Baskerville reloaded

The gripping legend of a gigantic hound hiding in the moors near Baskerville Hall has fascinated generations of readers ever since it was published in the early 20th century. It is the best-known novel of Sir Arthur’s crime fiction. What’s more, there exist a dozen films featuring well-known actors such as Basil Rathbone and Benedict Cumberbatch in the part of master detective Sherlock Holmes trying hard to catch the murderous beast in the moors.

For sure, Watson, we’ll catch that beast

Dear spectator, do forget all these movies you have ever seen in the cinema or on TV. Welcome to the English Theatre and to a new fascinating version of the mysterious beast haunting Dartmoor.

How dare you, Steven Canny and John Nicholson, steal a piece of highly dramatic literature from one of the most popular British authors and convert it into a farce! The outcome: a comic thriller that makes spectators roar with laughter during the whole performance. Just the right thing for these long gray and rainy winter evenings.

No Crime without Atonement

Rumor has it that the Baskervilles are cursed since one of their ancestors, Sir Hugo Baskerville, kidnapped a farmer’s daughter. While trying to escape from her pursuer she collapsed and died. A scandal! The rural population called for revenge. A couple of days later Sir Hugo was found dead in the moors, killed by a demonic hound which has haunted Dartmoor ever since, causing the premature death of many Baskerville heirs. When another member of the family, Sir Charles Baskerville, is killed, Dr. James Mortimer travels to London to meet master detective Sherlock Holmes in his residence in Baker Street. The doctor asks Holmes and his sidekick Dr. Watson to investigate the mysterious death of his friend Sir Charles. A supernatural phenomenon? Holmes being a fan of provable facts does not believe the legend of the gigantic hound hiding in the moors. For him, the greatest detective on earth, it is a challenge to solve the Dartmoor mystery. Dr. Mortimer is enthusiastic about Holmes’ decision since he fears that Sir Henry Baskerville, the heir to the title and estate, could be the next victim of the beast. The young man is just on his way from Canada to England to take possession of Baskerville Hall. He ignores an anonymous note that warns him to stay away from Dartmoor.

Dear spectator, just follow the arrival of Sir Henry in England and pay attention to every action taken by Holmes and Watson. There are so many people involved that you risk to lose track.

Two Snoopers trying to reveal a mystery

Do you see the hound behind the bushes, master?

Knickerbockers, deerstalker cap and pipe. You will easily recognize Holmes and Watson by their professional outfit. Now they are on their way into the mysterious grounds of the moors behind Baskerville Hall. Will they be successful in finding the howling man-killing beast? Guess what is really behind that narrative of the hound that terrorizes the county. By the way, what about the convict that escaped from Dartmoor prison. Is he involved in the killings? Wait and see. You will be flabbergasted.

Two ingenious authors knocking the dust out of an old book

Bother that classical stuff! Steven Canny and John Nicholson’s intention was to knock the dust out of Arthur Conan Doyle’s master thriller and make it fit for a younger generation of theatergoers. The result is a hilarious play with lots of funny gags that amuse the spectators from the first until the very last moment. It is just the right thing for the Mundsburg stage that masters this very intricate plot with only three actors. Katherine Rodden, Charlie Tripp and Benjamin Press are to be seen in altogether eighteen different parts. These outstanding actors slip in no time from one role into the next. Wow! Katherine, a pretty blonde, clad in an elegant suit including vest and tie, plays several male parts. A tribute paid to today’s genderism. Charlie Tripp, who had to study numerous parts – male and female – did this job in less than six weeks. Respect, Charlie! Benjamin Press is perfect in the part of Holmes’ sidekick Dr. Watson.

Our thanks go to director Paul Glaser and his “gang” of three marvelous performers. Thank you all for this perfect performance.

Last performance of “The Hound of the Baskervilles” on January 20, 2024. Tickets under phone number 040 – 227 70 89 or online under www.englishtheatre.de

Next premiere: “Lobby Hero” by Kenneth Lonergan on February 5, 2024

Photos: Stefan Kock/ETH

 

 

 

„THE HOUND OF THE BASKERVILLES“ – Premiere am English Theatre of Hamburg

Vorsicht! Es ist unheimlich, bei Nacht das Moor zu durchqueren

O schaurig ist’s, über’s Moor zu gehn, wenn es wimmelt vom Heiderauche. Sich wie Phantome die Dünste dreh’n. Und die Ranke häkelt am Strauche. Unter jedem Tritte ein Quellchen springt, wenn’s aus der Spalte zischt und singt. O schaurig ist’s über’s Moor zu gehn, wenn das Röhricht knistert im Hauche.

Der Hund von Baskerville im neuen Gewand

Das Szenario in Sir Arthur Conan Doyles Roman „Der Hund von Baskerville“ erinnert an jene düstere Moorlandschaft, die Annette von Droste-Hülshoff so eindringlich in ihrer berühmten Ballade „Der Knabe im Moor“ beschreibt. Im englischen Dartmoor geschehen Morde, die einem das Blut in den Adern erstarren lassen. Wer kennt die „Mutter“ aller Sherlock Holmes-Geschichten nicht? Wer hat sie nicht bereits unzählige Male konsumiert? Aufgemerkt! Jetzt erscheint der Stoff entstaubt in völlig neuem Gewand auf den Brettern der Mundsburger Bühne, diesmal als Parodie vom Allerfeinsten.

Na klar, Watson, wir werden die Bestie fangen

Lieber Zuschauer, vergessen Sie das gute Dutzend Filme über jene furchterregende Bestie, die sich in den tückischen Sümpfen von Dartmoor herumtrieb und so manches Menschenopfer forderte. Denn diesmal überrascht Sie das English Theatre mit einer völlig neuen Version des Schauermärchens. Der Thriller von Arthur Conan Doyle gerät zu einer das Zwerchfell erschütternden Farce, getragen von nur drei Schauspielern, die in Windeseile in achtzehn verschiedene Rollen schlüpfen.

Zwei schlitzohrige Autoren – Steven Canny und John Nicholson – wagten sich an diesen im frühen 20. Jahrhundert als Fortsetzungsroman veröffentlichten Stoff heran und zauberten daraus eine tief schwarze Krimi-Komödie mit reichlich Blödelpotential. Fast schon ein Wunder, dass Monty Python sich dieses Klassikers noch nicht angenommen hat. Vom hochdramatischen Conan’schen Original ist nicht viel mehr als die Rahmenhandlung übrig geblieben, die von den Autoren mit einer gehörigen Dosis Klamauk garniert wurde.

Eine Freveltat bleibt selten ungesühnt

Auf der Adelsfamilie der Baskervilles ruht ein jahrhundertealter Fluch, seit einer ihrer Altvorderen, Sir Hugo Baskerville, ein Bauernmädchen entführte, das auf der Flucht vor seinem Peiniger den Tod fand. Die Rache für diesen Frevel folgte auf dem Fuße. Freunde fanden Hugo zerfetzt von einem dämonischen Jagdhund im Moor. Seit dies geschah, fielen verschiedene Personen aus Dartmoor der Bestie zum Opfer, die keiner bisher mit eigenen Augen gesehen hatte. Nachdem das Monster jüngst wieder zuschlug und Sir Charles Baskerville meuchelte, erhalten Meisterdetektiv Sherlock Holmes und Dr. Watson Besuch vom Landarzt Dr. Mortimer, der die beiden um Aufklärung des mysteriösen Verbrechens ersucht. Der Arzt vermutet, dass der Tod von Sir Charles im Zusammenhang mit dem Fluch und dem Rächer in Gestalt eines riesigen Hundes steht: „Aber da war noch etwas. Ein kleines Stück von der Leiche entfernt sah ich ganz deutlich noch weitere Spuren.“ „Fußspuren?“, fragte Holmes gespannt. Dr. Mortimer sah uns eine Weile schweigend an. Dann antwortete er leise, fast flüsternd: „Es waren die Spuren eines riesengroßen Hundes.“

Zwei Spürnasen auf der Pirsch

Sehen Sie den Hund hinter den Büschen, Meister?

Als der junge Sir Henry Baskerville, Erbe von Titel und Besitz, aus Kanada anreist, bangt der Arzt um dessen Leben. Es muss um jeden Preis verhindert werden, dass der Höllenhund in Sir Henry sein neues Opfer sucht. Natürlich können Spürnase Sherlock Holmes und sein Sidekick Dr. Watson sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ihr kriminalistisches Talent erneut unter Beweis zu stellen. Halali! Die Jagd auf das Untier, das sich in den Sümpfen Dartmoors versteckt, muss zur Strecke gebracht werden, koste es, was es wolle.

Auf der Bühne geht es turbulent zu. Die drei Mimen Katherine Rodden, Charlie Tripp und Benjamin Press würden wegen ihrer darstellerischen Exzellenz sowie zahlreicher akrobatischer und clownesker Einlagen auch jedem Zirkus zur Ehre gereichen. Allein die Projektion der düsteren viktorianischen Baskerville Hall im Hintergrund der Bühne erinnert an die Aufgabe des Detektiv-Duos, den Letzten des alten Adelsgeschlechts derer von Baskerville am Leben zu erhalten. Während der Sturm in den Kronen der Bäume tobt und die unsichtbare Bestie schaurig im Dickicht heult, tasten Holmes und Watson sich vorsichtig auf dem unsicheren morastigen Boden voran. Bevor sie endlich dem Geheimnis des mörderischen Monsters auf die Spur kommen, wabert der immer dichter werdende Nebel über dem Moor. Man kann kaum die Hand vor Augen erkennen. Zu allem Überfluss ist ein Sträfling aus der berüchtigten Haftanstalt von Dartmoor entkommen. Auf der Suche nach Nahrung schleicht er um das Herrenhaus herum und sorgt für weitere Verwirrung. Steht er mit der Bestie im Bunde? Gibt sich die unsichtbare Hauptdarstellerin des Stückes zum Schluss zu erkennen? Das, lieber Zuschauer, wird natürlich nicht verraten. Lassen Sie sich überraschen. Der Countdown läuft.

Zwei schlitzohrige Autoren frischen eine alte Klamotte auf

Werktreue kann man den beiden Autoren von der britischen Theatertruppe „Peepolykus“ nicht unterstellen. Die war auch gar nicht beabsichtigt. Das Duo war angetreten, den Staub aus diesem allseits bekannten Stoff zu klopfen. Herausgekommen ist eine witzig-ironische Parodie, die mit wohltuender Frische überzeugt. Auch der heutigen Gendergerechtigkeit wurde Tribut gezollt. Aus der großartigen Katherine Rodden wird ein Gentleman im eleganten Anzug mit Weste und Krawatte. Charlie Tripp verkörpert unter anderen sämtliche Frauenrollen. Ball paradox – zum Schreien komisch! Benjamin Press, der Dritte im Bunde, brilliert in der Rolle des leicht schusseligen Dr. Watson. Ganz großes Theater!

Bleibt nur noch zu sagen: Zwei Stunden lang selten so gelacht. In einer nicht nur aus meteorologischer Sicht trüben Zeit wird Humor zur Pflicht! Das Publikum dankte Regisseur Paul Glaser und seinen fabelhaften Darstellern mit viel Applaus für diesen gelungenen Theaterabend. Bitte mehr davon!

„The Hound oft the Baskervilles” läuft bis einschließlich 20. Januar 2024. Tickets unter der Telefon-Nummer 040 – 227 70 89 oder online unter www.englishtheatre.de

Nächste Premiere: „Lobby Hero“ von Kenneth Lonergan, am 5. Februar 2024

Fotos: Stefan Kock/ETH

Franz Schulz. Ein Autor zwischen Prag und Hollywood

  1. cinefest Hamburg, 26.11.2023: „Bomben auf Monte Carlo“ (1931)
Franz Schulz und Elisabeth Trautwein-Heymann beim Kaufladen von Elisabeth Trautwein-Heymann, Foto: G.G. von Bülow

Eine Rede von G.G. von Bülow: Franz Schulz. Ein Autor zwischen Prag und Hollywood

Der deutsche Film hat, bis 1933, einige seiner besten Komödien einem Mann zu verdanken, der kein Deutscher, der aber in der deutschen Sprache zuhause war: Franz Schulz, 1897 im Prag der k.u.k. Habsburger Monarchie geboren, lässt uns autobiographisch wissen: „er habe seine Erziehung nominell am Graben-Gymnasium genossen, wirklich jedoch in den Bildungsstätten Café Arco und Café Continental…“ in denen es laut Karl Krauss nur so „werfelt, brodelt, kafkat und kischt“. Dieses Prager Sammelbecken deutscher Literatur sollte prägend für F.S. und zeitlebens sein Gütesiegel sein.

Nur zu gern folge ich also der cinefest Einladung ins „Metropolis“. Denn genau an dieser Stätte durfte ich 1997 – damals wie heute Mitglied der Hamburger Autorenvereinigung – meine brandneue Biografie Franz Schulz. Ein Autor zwischen Prag und Hollywood (Prag 1997) anlässlich seines 100. Geburtstags den Hamburgern präsentieren. Geehrt wurde er mit einem seiner großen Ufa-Filme von 1930 Die Drei von der Tankstelle – mit der: Achtung! – Musik: von Werner Richard Heymann, seinem „Freund, ein guter Freund…“

(an dieser Stelle mein Dank an Sie, lieber Hans-Michael Bock, dass mir der CineGraph – noch während meiner Recherche- seine Schulz-Filmografie zur Verfügung stellte und Sie mich bereits 1996 als Ihre Co-Autorin zum Franz Schulz-Eintrag in Ihr „Lexikon zum deutschsprachigen Film“ aufnahmen, danke!)

Ein Autor zwischen Prag und Hollywood

Buchcover

Und wenn ich schon einmal dabei bin, das Füllhorn meines Dankes auszuschütten, dann gehen wir im Jahre 1997 einen Schritt zurück, nämlich zur Berlinale im März 1997. Der Leiter der Retrospektive – Filmhistoriker Wolfgang Jacobsen (Kinemathek Berlin) – hatte meiner Franz-Schulz-Biografie nicht nur einen grandiosen Auftritt im „Astor“ verschafft, er hat mich mit seiner Kompetenz auch immer unterstützt. Dafür bin ich ihm zu großem Dank verpflichtet. Denn eigentlich hatte ich – nach meiner Logik „für eine intelligente Frau gibt es keine Probleme“ – gehofft, ob nicht besser er, Jacobsen, die Biografie schreiben wolle… nachdem Hellmuth Karasek (gerade mit „Billy Wilder“ auf dem Markt) mir suggerierte:“ Ach, Sie kannten den Schulz? dann müssen Sie die Biografie schreiben!“ Dann auch Jacobsen: „Sie kannten den Schulz, also sollten Sie die Biografie schreiben.“ Eine noble Haltung! Doch kannte ich denn „den Schulz“? Aber nein! – ich kannte nur einen Franz Spencer! Seit unserer Begegnung 1958/59 auf Ibiza – damals glückselige Insel internationaler Künstler – seit ich am Blankeneser Elbestrand mein erstes Vierteljahrhundert über Bord geworfen hatte – auf der Suche nach der eigenen Kreativität, in der Hoffnung: nicht nach der verlorenen Zeit! So traf die Aussteigerin auf einen älteren amerikanischen Schriftsteller namens Spencer, der sich auch gerade neu erfand und als „Gentleman-Nomade“ das Mittelmeer umkreiste Ein Exilant. Der mit der Erfahrung: „Die Freiheitsstatue lächelt nicht immer“ nach Europa zurückgekehrt war und – in die deutsche Sprache. Von ihm gesprochen hörte es sich wie das vielgerühmte beste Prager Deutsch an. Spencer schrieb nun für Bühne und Hörfunk, ging Mitte der 1960er schwanger mit seinem „Schwanengesang“, seinem einzigen deutschen Prosawerk: „Candide 19.. oder das miese Jahrhundert“ (München 1966). „Bruder Voltaires“, befindet Wolfgang Jacobsen im Vorwort zur Biografie. Die Presse feierte das Buch u.a. die Süddeutsche…ein satirischer Gruß aus dem Prager Literatencafé alter Schule, ein mondäner Nachtrag zum „Braven Soldaten Schwejk“… (Den glücklichen Autor vor Augen, habe ich seinen „Candide“ 1994 posthum bei Aufbau Berlin neu herausgegeben, was – wenn man das als Erfolg werten kann – diverse Raubdrucke produzierte.)

Doch wo ist der Filmautor Franz Schulz geblieben?

Haben wir in Ibiza etwa über Filme gesprochen? Nein. Selbst wenn im Montesol am Nebentisch die „Jungfilmer“ sich neu entwarfen. Kein Wort. Oder kaum ein Wort! – getreu seiner Lebensdevise: Vom übrigen wollen wir nicht sprechen… Nicht gerade eine Voraussetzung für eine Biografie

Richard Heymann, Foto: Elisabeth Trautwein-Heymann

Also: „Den Schulz“, den musste ich erst recherchieren. Spurensuche vor Ort in Prag (geb.: 22.03.1897) … Wien… Berlin… L.A… New York… Ibiza… Ascona (gest. 07.05.1971 in Muralto/Tessin) Schließlich schälte sich das Profil eines Drehbuchautors heraus, der 1920 in der Medien- und Filmmetropole Berlin den Film für sich entdeckte und als Journalist, Filmkritiker, Schriftsteller, Drehbuchautor arbeitete. Mit dem Stummfilm DIE HOSE (nach Sternheim) erzielte er 1927 seinen Durchbruch. „Ein Champagner-Film – extra dry“, begeisterte sich der Filmkritiker Willy Haas, ebenfalls Prager Autor. Der „Hosenschulz“ war nun so gefragt, dass er sich einen Ghostwriter leisten musste: Billie Wilder – doch das ist eine andere Geschichte. Schulz jedenfalls galt bei der Kritik als „Filmwitterer“– vor allem im aufkommenden Tonfilm als „Komödienautor comme il faut“, der „handgelenkleicht“ schrieb. Der selbst aber filmpublizistisch auch Themen aufwarf, etwa das Verhältnis Regisseur: Drehbuchautor. Eine Dauerklage quasi: von fünf Filmen würde er drei nicht wiedererkennen… Dennoch: sein Erfolg stieg und stieg.

Als Franz Schulz am 4.Februar 1934 auf dem Cunard White Star Liner George, von England kommend, in Richtung USA emigriert, kann er auf eine steile Karriere während der Zeit von 1920 bis 1933 zurückblicken, nämlich auf 20 Stummfilme und 37 Tonfilme (incl. der Versionenfilme – es wurde noch nicht synchronisiert) Selbstkritisch hat er als Franz Spencer später als seine besten Filme nur gelten lassen:

1927 der Stummfilm DIE HOSE;

die großen Tonfilme:

1930 ZWEI HERZEN IM ¾ TAKT (Achtung! – Musik: Robert Stolz)

1930 DIE DREI VON DER TANKSTELLE (Achtung!- Musik: Werner Richard Heymann)

1931 DIE PRIVATSEKRETÄRIN (Durchbruch für Renate Müller)

1931 BOMBEN AUF MONTE CARLO (Achtung! – Musik: Werner Richard Heymann)

Diese Erfolge hat der Exilant Franz Schulz wie auch der naturalisierte Amerikaner Franz Spencer in Hollywood nicht wieder erzielen können. 1954 kehrte er nach Europa zurück.

Doch last not least will ich das Füllhorn meines Danke noch ausschütten über: Prof. Jan Christopher Horak!

Er hatte nicht nur bereits 1994 Franz Schulz eine großartige Retrospektive in München gewidmet und mich zur Buchpräsentation von „Candide 19.. oder das miese Jahrhundert“ eingeladen, er kam auch 1997 zur Berlinale nach Berlin – mit dem restaurierten Franz Schulz-Film MAMDAME HAT AUSGANG (1931) und sagte in seiner Laudatio, was auch heute noch seine Gültigkeit zu haben scheint:

„Der Name ist schon lange vergessen, ebenso wie viele andere auch aus der Zeit vor 1933: Franz Schulz, der sich in Amerika Spencer nannte. Ein Vertriebener, ein Emigrant, heimatlos als Verfolgter, aber auch, weil Drehbuchautoren – im Gegensatz zu Regisseuren – von der Filmgeschichte vernachlässigt wurden. Franz Schulz war einer der Großen des Kinos der späten Weimarer Republik, ein Autor, der es verstand, Kunst und Kommerz geschickt zu verbinden.“

Hört, hört: …weil Drehbuchautoren im Gegensatz zu Regisseuren… Thank you, Horak!, sagt Good Old Spencer, I’m tickled to death…

Das „cinefest 2023! – Achtung! – Musik!“ geht heute zu Ende – mit dem filmhistorischen Abenteuer BOMBEN AUF MONTE CARLO von 1931, einem der erfolgsreichsten Ufa-Filme. Getragen von der: Achtung! – Musik! des großen Werner Richard Heymann. Getragen von dem legendären „ Hamborger Jung“ Hans Albers und dem jungen Star Heinz Rühmann, der vom allmächtigen Hans als „Herr Kollege von der Sommerbühne“ angesprochen wurde. Drehbuch: Ufa-Dramaturg Dr. Hans Müller und:

Franz Schulz und G.G. von Bülow, Foto: G.G. von Bülow

 

FRANZ SCHULZ.

Er war mein väterlicher Freund und Mentor, der mich „daughter“ nannte.

Und nun, Hamburg, hol‘ di wuchtig!!

 

Bomben auf Monte Carlo

Foto: Deutsches Filminstitut & Filmmuseum

Filmpräsentation mit Einführung und Gespräch im Rahmen des XX. cinefest – Internationales Festival des deutschen Filmerbes

D ­1931­, ­105 Min., Regie: Hanns Schwarz

Mit Hans Albers, Anna Sten, Heinz Rühmann, Peter Lorre, Kurt Gerron u. a.

»Muntere Komödie, die vor allem durch das Gespann Albers/Rühmann, aber auch die von den Comedian Harmonists vorgetragenen Schlager immer noch Schwung bezieht«, so urteilt das Lexikon des internationalen Films über den Streifen mit diesen Superstars.

Doch nicht nur vor der Kamera standen Stars. Die Musik der Filmoperette stammt aus der Feder des damals erfolgreichsten UFA-Komponisten Werner Richard Heymann, geboren 1896 in Königsberg in Ostpreußen, mit Ohrwürmern wie »Das ist die Liebe der Matrosen«. Erleben Sie vor dem Film seine Tochter Elisabeth Trautwein-Heymann im Gespräch.

Das Drehbuch verfasst haben zwei Deutschböhmen mit jüdischen Wurzeln: Hans Müller-Einigen wurde in Brünn, Franz Schulz in Prag geboren. Erinnerungen an diesen interessanten Zeitgenossen des Prager Kreises und Co-Autors Billy Wilders von seiner Biografin G. G. von Bülow werden vor dem Film ebenfalls zu Gehör kommen.

Die Verfilmung basiert auf dem Roman des in Ostpreußen geborenen Schriftstellers Friedrich Reck-Malleczewen, der später feudal-konservativer Gegner des Nationalsozialismus wurde, gestorben im KZ Dachau und geehrt in Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern.

Viele der oben genannten an dem Film Beteiligten und auch einige der Schauspieler wie der aus einer deutschsprachigen ungarisch-jüdischen Familie stammende Peter Lorre oder der zu einer Propaganda-Dokumentation über das KZ Theresienstadt gezwungene und dann in Auschwitz ermordete Kurt Gerron wurden von den Nationalsozialisten aus rassistischen Gründen verfolgt. Einige von ihnen überlebten im Exil, wo sie aber oft nicht mehr an ihre Erfolge anknüpfen konnten.

Die Einführung hält der Filmhistoriker Hans-Michael Bock (CineGraph).

Sonntag, 26. November 2023, 14 Uhr

Metropolis Kino Hamburg, Kleine Theaterstr. 10, 20354 Hamburg 

Eintritt 9,- EUR, erm. 7,- EUR

Warum kompliziert, wenn’s auch einfach geht?

Buchcover, (c) Springer

Mit dem neuen „Ratgeber Ehlers-Danlos-Syndrome“ legen Karina Sturm, Helena Jung und Andrea Maier ein Fachbuch vor, das sich für Angehörige medizinischer Berufe ebenso eignet wie für Betroffene.

Die von den seltenen Ehlers-Danlos-Syndromen (kurz EDS), einer Gruppe angeborener Bindegewebserkrankungen, Betroffenen müssen meistens eine Odyssee absolvieren, bevor man sie mit ihren Symptomen ernstnimmt und überhaupt den Versuch unternimmt, die Ursache zu ergründen. Psychische Erkrankungen und Erkrankungen aus dem Rheumakreis sind nur zwei Gebiete der zahlreichen Fehldiagnosen, mit der EDS-Betroffene sich herumschlagen müssen. Schließlich werden sie notgedrungen meist selbst Experten für ihr Krankheitsbild, was den Kontakt mit Ärzten nicht unbedingt erleichtert, weil sie oft als besserwisserisch gelten. Fachliteratur ist überwiegend nur auf Englisch erhältlich, hinzu kommen die Hürden des medizinischen Fachvokabulars.

Persönliche Erfahrungen treffen medizinisches Fachwissen

Dem abzuhelfen war die Motivation der drei Autorinnen des jüngst erschienenen Ratgebers in deutscher Sprache. Die Multimedia-Journalistin Karina Sturm lebte sieben Jahre in San Francisco. Als EDS-Betroffene und chronisch Erkrankte kombiniert sie ihr Fachwissen mit ihren persönlichen Erfahrungen und hat bereits viel dafür getan, dass EDS im deutschsprachigen Raum bekannter wurde. Die Medizinerinnen Dres. Helena Jung und Andrea Maier haben gemeinsam mit Karina Sturm den neuen Ratgeber geschrieben.

In vier Kapiteln führen sie die Leser an die Thematik der Ehlers-Danlos-Syndrome mit ihren Ausprägungen heran, stellen den Weg zur Diagnose vor, führen Begleiterkrankungen detailliert auf und geben praktische Hilfen zum Krankheitsmanagement. Im fünften Kapitel werden soziale Themen vorgestellt. Ein Stichwortverzeichnis erleichtert das Auffinden einzelner Begriffe im Text. Das Buch ist in barrierefreier Ausgabe erschienen, was bedeutet, dass Grafiken und Bilder noch einmal textlich erläutert sind. Da die Grafiken teilweise schlecht erkenn- und lesbar sind, sind diese Erläuterungen für alle Leser hilfreich. Eine wunderbare Ergänzung sind Videos, deren Links man aus dem Buch scannen kann (man benötigt für diese Zusatzmöglichkeit die App Springer More Media).

Die Fakten und Ausführungen sind spannend aufbereitet und ziehen beim Lesen in den Bann – man kann das Buch kaum weglegen. Vieles lässt sich beim Zurückblättern schnell wiederfinden, wenn man sich an den Zusammenfassungen in grauen Kästen orientiert.

Was ist das denn – EDS?

Foto: Maren Schönfeld

Die EDS wirken sich überall aus, denn jeder Mensch hat überall Bindegewebe: Haut, Knochen, Gelenke, Augen, Zähne, Schleimhäute, Nägel. So gibt es meist ganz verschiedene Symptome, die jedoch zusammengenommen auf eine Ausprägung oder Variante der EDS hindeuten. Man muss das nur aus diesem Blickwinkel betrachten, worauf die Medizin jedoch nicht unbedingt ausgerichtet ist.

Das Zusammenkommen medizinischen Wissens mit persönlichen Erfahrungen macht den Reiz und Informationsgehalt des Ratgebers aus. Nach der 2017 erfolgten New-York-Klassifikation der EDS, die an die Stelle der vormals verwendeten Villefranche-Klassifikation getreten ist, sind nun auch Unterformen wie das Brittle Cornea Syndrome mit aufgenommen worden. Letzteres wurde der Verfasserin dieser Rezension noch 2016 von der Humangenetik des UKE Hamburg-Eppendorf als „kein Nachweis einer krankheitsrelevanten genetischen Variante, die Ihre Beschwerden erklärt“ attestiert, obwohl man mittels einer Paneldiagnostik den Gendefekt zweifelsfrei festgestellt hatte. Man wusste nur nicht, was diese Diagnose bedeutet. Zwischenzeitlich ist bekannt, dass dieses Syndrom Augenerkrankungen und Hüftdysplasie, Gelenküberbeweglichkeit und samtige, dehnbare Haut in sich vereint – Symptome, die wohl kaum ein Mediziner unter eine gemeinsame Überschrift bringen würde.

Was die Leidtragenden der EDS dringend benötigen, sind quasi „Beweise“ dafür, dass die Symptome keine Einbildung sind und keine psychologischen Hintergründe haben. Der Ratgeber vermittelt niedrigschwellig auch für Laien gut verständlich die wichtigen medizinischen Fakten, bereitet zugleich für das Arztgespräch vor und kann sogar noch von den Patienten an Ärzte weitergegeben werden, ist er doch auch für Mediziner, Physiotherapeuten, Schmerztherapeuten und weiteres medizinisch geschultes Personal ein profundes Fachbuch. Der Erkenntnisgewinn ist für Betroffene unbezahlbar, wenn sich plötzlich ein Grund für ganz unterschiedliche Beschwerden findet, wo bislang möglicherweise drei oder mehr Fachärzte in ihrem Bereich isoliert Auffälligkeiten feststellten. Die Autorinnen geben auch Argumentationshilfen für die Durchsetzung der Rechte Kranker, was in einer Gesellschaft, in der u.a. Anträge auf Schwerbehinderungsfeststellung grundsätzlich erst einmal abgewiesen werden, sehr wertvoll ist.

Der Schreibstil des Ratgebers ist ermutigend und positiv. Trotz der schweren Thematik einer nicht heilbaren Erkrankung, mit der sich Betroffene irgendwie arrangieren und sich ihr Leben auf eigene Faust so erträglich wie möglich einrichten müssen, löst der Ratgeber optimistische Empfindungen aus. Denn er beschreibt, dass man trotz des Status „seltene Erkrankung“ (ob das stimmt, darf bezweifelt werden, da die Zahl der nicht erkannten EDS-Erkrankungen sehr hoch sein dürfte) nicht allein mit der Diagnose und den Einschränkungen des täglichen Lebens dasteht. Die Selbsthilfevereine „Bundesverband Ehlers-Danlos-Selbsthilfe e.V.“ in Bielefeldt und „Ehlers-Danlos-Iniative e.V.“ in Fürth sind weitere Anlaufstellen für Betroffene, beide Vereine sind bundesweit tätig.

In den letzten Jahren sind einige weitere Publikationen zu den EDS erschienen, davon wenige auf Deutsch. Möglicherweise hat der „Ratgeber Ehlers-Danlos-Syndrome“ dazu beigetragen und anderen Menschen mit entsprechenden Buchprojekten den nötigen Informationshintergrund geliefert, aber auch Mut gemacht, ein eigenes Buch zu schreiben. Dieser Ratgeber ist sehr geeignet, das deutschsprachige Standardwerk des aktuellen Forschungs- und Wissensstands der EDS zu werden.

Karina Sturm, Helena Jung, Andrea Maier: Ratgeber Ehlers-Danlos-Syndrome, Komplexe Bindegewebserkrankungen einfach erklärt, Springer, Berlin 2022

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Kulturpreis für Sabine Witt

Sabine Witt, die Vorsitzende der Hamburger Autorenvereinigung und Mitglied der DAP, erhielt am 6. Oktober 2023 in Rom einen renommierten italienischen Kulturpreis. Gewürdigt wurde ihre jahrzehntelange Arbeit im Bereich der italienischen Literatur und Sprache.

Die Preisträgerin, die mehrere Jahre in Italien gelebt hat, ist Literaturwissenschaftlerin und beschäftigt sich im Bereich der Romanistik seit den 1980er Jahren hauptsächlich mit der italienischen Kultur, besonders mit der Sprache und Literatur. 12 Jahre lang lehrte sie italienische Literatur an der Universität Bremen sowie für einige Jahre an der Universität Hamburg. Seit ihrer Magisterarbeit im Jahre 1988 über Curzio Malaparte steht dieser toskanische Autor im Mittelpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit. In zahlreichen Veröffentlichungen und Fachzeitschriften ist sie mit Artikeln zur italienischen Literatur vertreten. Sie hält regelmäßig Vorträge in Deutschland, Italien und anderen Ländern.

Sabine Witt unterrichtet zudem seit Jahrzehnten die italienische Sprache, arbeitet als Übersetzerin und hat etliche Studienreisen nach Italien durchgeführt.

Zurzeit schreibt sie an einem Buch über die süditalienische Kleinstadt Monopoli.

 

Fotos: Stefan Tardosz