Schweißtreibendes Frühstück…

Eine Glosse von Johanna Renate Wöhlke

Im Grunde ist es mit dem Frühstücksbuffet in einem guten Hotel ganz einfach. Der Gast begibt sich nach einer ausgiebigen Morgendusche frisch gekämmt und parfümiert in das Frühstücksrestaurant und nimmt seinen Platz ein.

„Kaffee?“, fragt eine morgendlich freundliche und erfreulich unaufdringliche Stimme. Ja, Kaffee. Diese Entscheidung ist also gefallen. Es war die erste, die erste wichtige dieses Morgens.

Dann geht es an die Säftebar.  Ananas, Mango, Apfel versaftet und Orange frisch gepresst , das soll der Vitaminschub sein, der von Ernährungsberatern am Morgen so sehr empfohlen wird? Auch frisches Obst liegt da: eine Orange, ein Apfel, eine Banane gar? Wie steht es mit dem Appetit auf diese süßsauren Geschmacksvarianten vitaminreicher Kost?

Brot und Brötchen, wie soll man sich da nur entscheiden können? Kann es sein, dass der Mensch hier nach Brötchen Ausschau hält, die ihm Zuhause immer so sehr munden? Nein, er ist flexibel. Er ist dynamisch und neugierig. Er lässt sich unterwegs auch gerne mal auf Neues ein – aber ausgerechnet beim Brötchen anfangen, wo hier doch zwischen all den Sorten nicht ein einziges Kürbiskernbrötchen liegt? Verschieben wir dieses Thema und nehmen die Beläge ins Auge.

Ach, die Beläge! Schinken, Würste in Scheiben und zum Streichen, Sülzen und – das dort hinten, ist das wirklich Roastbeef? Wer soll denn da nun eine Entscheidung treffen können. Außerdem locken die kleinen Bratwürstchen nebst Hackbällchen, die geschmorten Tomaten, die heißen weißen Bohnen und Pfannkuchen –  und dort, ach ja dort: das Rührei, die gekochten Eier, weich und hart, die Eier im Glas, die Omeletts mit und ohne Gemüse jeglicher Art. Verschieben wir auch diese Entscheidung und schauen weiter.

Da liegt der Käse. Nein, da liegen die Käse, Berge von Käse! Wo ist der Gouda? Der Gast sucht seinen Lieblingskäse und findet ihn nicht.

Nun sieht er den Fisch. Wie wäre es mit Lachs, vielleicht ein wenig geräucherter Forelle, Matjes gar oder Makrele. Aber Makrele am Morgen? Nein, das muss nicht sein.

Bei den Cerealien geht es weiter. Welch eine Fülle mit und ohne Nüsse und Trockenfrüchte, welch eine Vielfalt an Milch und Joghurts mit und ohne Fett. Fettfrei,  wäre das ein echter Morgengenuss? Da hätte man dann ohne schlechtes Gewissen Platz für den Lachs und vielleicht einen extra Löffel Remoulade auf das Roastbeef?

Aber dann die Marmeladen! Sie stehen dort als Zierden ihrer Art in gläsernen Schälchen und warten darauf, gekostet zu werden. Keine Erdbeermarmelade dabei? Das ist wirklich schade. Erdbeermarmelade ist gerade aus.

Kuchen, es gibt auch Kuchen. Diese kleinen, feinen Leckereien mit Mohn und Pfirsichmarmelade frisch aus dem Ofen,  der zarte Puffer mit Schokolade, die Waffeln, die süßen Hörnchen, Blätterteigcroissants. Welch eine Versuchung!

Dies ist die Zeit, sich die ersten Schweißperlen von der Stirn zu reiben und sich zurück ins Bad zu wünschen. Entscheidungen sind schweißtreibend, besonders dann, wenn der Mensch sie mit einem reinen Gewissen für Gesundheit, Gewicht, Selbstbeherrschung und damit Charakterstärke verknüpft.

Da sitzt er nun, der Gast, bei seinem inzwischen kalt gewordenen Kaffee und ist mit sich und der Welt unzufrieden. Hin und her getrieben zwischen Lust und Verzicht – so beginnt sein Tag.

„Wie war es unterwegs? Alles gut gelaufen?“, ist die Frage Zuhause.

„Ja.“

„Auch das Hotel?“

„Hotel war ok –  bis auf das Frühstück. Mir reicht ja mein Kürbiskernbrötchen, halb mit Gouda und halb mit Erdbeermarmelade. Da war für mich nichts dabei.“