Schöne Bescherung! Vorweihnachtliche Lesung mit musikalischer Begleitung

Foto: Petra Matthieszen-Eitze.

Mit Geschichten, Gedichten und Musik stimmen die Autorin Sibylle Hallberg und Katharina Fast mit Gitarre und Gesang auf die kommende Adventszeit ein. Ein Reigen von weihnachtlichen Texten und Liedern spannt den Bogen von humorvoll bis besinnlich und lässt im Grau des Novembers die Gedanken frei zum Fest im Lichterglanz.

Zeit: Freitag, 29. November 2024, 18 Uhr
Ort: KULTORHAUS
Ahrensburger Str. 14
22041 Hamburg
HVV-Bus 9, Stopp Eichtalstraße

Eintritt frei – Spende gern.
Kostenbeitrag für Getränke und Beiwerk.

Sibylle Hallberg hat sich mit jeweils drei Lyrik- und Erzählbänden, literarischen Veranstaltungen sowie als langjährige Vorsitzende des Fördervereins Landdrostei Pinneberg e. V. einen Namen gemacht. Sie ist Mitglied in verschiedenen Literaturvereinen Hamburgs und Schleswig-Holsteins.
Mehr unter: https://nord-buch.info/?s=Hallberg

Katharina Fast begeistert mit ihrer schönen Stimme zur Gitarre, die der Lesung den besonderen Rahmen gibt. Mit ihren Chansons, Volksliedern oder eigenen
Stücken bis hin zu kabarettistischen Einlagen trifft sie jeweils den richtigen Ton.
Mehr unter: http://www.katharinafast.de/

Seit zehn Jahren sind die beiden Künstlerinnen mit ihren musikalischen Lesungen rund um Hamburg erfolgreich.
Nun sind sie gespannt auf ein interessiertes Publikum in Wandsbek – willkommen bei uns!

Foto: Elvira Fast.

 

Gedichte in neuem Gewand: Das lyrische Foyer

Fritz Sebastian Konka. Foto: Markus Schwochert

Die Zeiten, in denen Gäste ehrfürchtig und still einer Literaturlesung folgen und anschließend schüchtern eine Frage an die Schriftstellerin richten, scheinen vorbei zu sein. Während die Besucherzahlen bei klassischen Lesungen immer mehr zurückgehen, können andere Arten der Buchvorstellung wachsende Publikumszahlen verzeichnen. Beim Konzept „Das lyrische Foyer“ sind Schriftsteller und Gäste gleichermaßen gestaltende Elemente, denn die Reflexion der Texte durch die Leserschaft, in diesem Fall Zuhörerschaft, hilft nicht nur beim Erschließen der Inhalte, sondern ermöglicht einen für beide Seiten bereichernden Austausch. Für die schreibende Zunft ist es eine wertvolle Gelegenheit, die Wirkung ihrer Lyrik kennenzulernen.

Das Konzept hat der Autor Fritz Sebastian Konka, eine „prägende Person der Hamburger Literaturszene“ („Die Zeit“ v. 30.03.23), entwickelt. Wir haben ihn zum Interview eingeladen.

DAP: Fritz, wie bist du darauf gekommen, „Das lyrische Foyer“ zu veranstalten?

Fritz Sebastian Konka: Im Frühjahr 2022, anlässlich des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, war die Anthologie „Antikriegslyrik“ des Trabanten Verlags erschienen. Ich bin dort auch mit einem Gedicht vertreten. Durch Lesungen mit dem Buch wollte ich Spendengelder für die Ukraine sammeln. Ich fragte bei der Kunstklinik an, ob sie eine solche Spendenlesung veranstalten wolle. Leider hatte das Team um die Geschäftsführerin Rika Tjakea keine Kapazitäten. Rika schlug mir aber vor, die Lesung in Eigenregie in der Kunstklinik durchzuführen. Das tat ich und holte mir den Schlüssel, baute alles auf, inklusive Ton und Beleuchtung, moderierte und las selbst. Mein Tatendrang beeindruckte Rika. Kurze Zeit später fragte sie mich, ob ich nicht regelmäßig Lesungen in der Kunstklinik veranstalten wolle. Wollte ich und entwickelte das Konzept für das lyrische Foyer. Wir erhielten Förderungen für das Konzept und seitdem, September 2022, gibt es diese Reihe.

DAP: Bei der Programmgestaltung gehst du nach einem besonderes Verfahren vor, indem sich Tandempartner zu einem Thema bilden, bitte erläutere das doch einmal näher.

FSK: Ich mag den Austausch, das Miteinander-in-Kontakt-Gehen. Daher stehen die Abende des lyrischen Foyers jeweils unter einem Thema. Dieses wählen regelmäßig die beiden Lyriker:innen, die auf dem Sofa der Kunstklinik Platz nehmen, zusammen aus. Zu diesem Thema kann jede:r, der/die mag, Gedichte auf Instagram beisteuern. Drei Autor:innen dieser Gedichte werden eingeladen, ihr eigenes Gedicht und das einer anderen Autor:in, die/der ebenfalls auf der Bühne steht,  vorzutragen. Dies erleichtert und fördert den Austausch untereinander und schafft unterschiedlichste Blicke auf ein- und dasselbe Thema. Mir gefällt das.

Paulina Behrendt beim Das lyrische Foyer Festival. Foto: DAP

Neben der regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungsreihe an einem Freitagabend gibt es nun auch die Wochenendveranstaltung „Das lyrische Foyer Festival“. Mit einer Mischung aus Workshops von Yoga über Schreibwerkstätten bis zu PR-Maßnahmen für Autoren, Lesungen und Konzerten werden auch Menschen angesprochen, die mit dem Schreiben gerade beginnen oder noch gar nicht angefangen haben, sich aber einen Einstieg wünschen. Das Festival vom 5. bis 7. Juli bot beispielsweise einen Workshop namens „Schreiben im Schwarm“ unter der Leitung von Marta Marx an. Die Verfasserin dieser Zeilen hat an dem Workshop teilgenommen. Marta Marx beeindruckte durch eine sehr einfühlsame Herangehensweise und das Eingehen auf die individuelle Situation und Schreiberfahrung der Teilnehmerinnen. Nach einer kurzen Einführung ging die Gruppe in den Eppendorfer Park und verfasste, jede für sich, ein Minutenprotokoll über einen Zeitraum von 20 Minuten. Alle Sinneseindrücke waren gefragt, Geräusche, Gerüche, Gefühle und natürlich alles, was sich im Blickfeld tat. Die Teilnehmerinnen saßen dicht nebeneinander, tauschten sich während des Schreibens jedoch nicht aus. Das anschließende reihenweise Vorlesen, strukturiert nach den jeweiligen Minuten, in denen geschrieben wurde, offenbarte ein Kaleidoskop aus Beobachtungen desselben Schauplatzes. Abgesehen davon, dass dies eine großartige Übung zum Thema Beschreiben in der Literatur ist, hatten die Teilnehmerinnen auch die Möglichkeit, am Projekt „Parallelprotokolle“ der Kunsthalle Below in Mecklenburg-Vorpommern teilzunehmen, die aus den Minutenprotokollen thematisch sortierte Hefte erstellt und herausgibt.

Beeindruckend ist auch, dass die Mitwirkenden anlässlich des Festival-Wochenendes nicht nur aus dem Hamburger Raum, sondern aus der gesamten Bundesrepublik angereist waren.

Nach jedem Tandem-Lesepaar antwortete der Singer-Songwriter Max Prosa mit einem eigenen Gedicht auf die Texte des Lesepaars und sang einige seiner berührenden Lieder, setzte sich dazu ans Klavier oder spielte Gitarre. Diese Präsentationen sorgten für eine nahezu magische Verbindung der ganz unterschiedlichen Beiträge über den ganzen Abend hinweg.

DAP: Fritz, du verfügst offensichtlich über ein sehr großes Netzwerk. Wie hast du es aufgebaut?

FSK: Über Instagram. Es ging los in der Corona-Zeit mit dem Projekt „Lockdownlyrik“, das Fabian Leonhard, der Gründer des Trabanten Verlags, ins Leben gerufen hatte. Ich lernte nach und nach, mehr und mehr lyrikaffine Menschen kennen und lud sie nach Hamburg zu einem persönlichen Austausch beim sogenannten „Instalyrik-Treff“ ein. Kurze Zeit später entstand das lyrische Foyer und das Netzwerk wuchs weiter.

Das Festival ist nicht nur zur Präsentation eigener Werke gedacht, sondern hat gleichzeitig den Charakter einer Fachtagung und Fortbildungsveranstaltung. Interessierte werden an das kreative Schreiben herangeführt und bekommen neue Impulse. Zeit zum Austausch untereinander ist gegeben und es werden vielleicht neue Literaturfreundschaften geschlossen. So ist das Festival nicht nur ein Anlass der Begegnung der Autorinnen mit dem Publikum, sondern auch eine Zusammenkunft Kreativer, was für die Schriftsteller eine bereichernde Unterbrechung der ansonsten recht einsamen Tätigkeit bedeutet.

DAP: Du bist von Haus aus Jurist. Wann hast Du begonnen zu schreiben? Schreibst Du ausschließlich Lyrik?

FSK: Meine ersten Gedichte, natürlich Liebesgedichte, habe ich mit 18 geschrieben. Ich habe auch Prosa und Kurzgeschichten sowie zwei Romane verfasst. Alles aber unveröffentlicht und schon ein Weilchen her. Momentan schreibe ich, wenn überhaupt, Gedichte. Für längere Texte fehlt mir momentan die Zeit, vor allem aber die Muße. Denn würde ich wirklich wollen, würde ich die Zeit finden. Da muss ich mir nichts vormachen.

Max Prosa. Foto: DAP

Beim Festival Das lyrische Foyer sind viel mehr Altersgruppen vertreten als bei Lesungen in der klassischen Form. Es scheint, dass diese Form der Veranstaltung, die nicht nur einen Frontalvortrag darstellt, sondern die Zuschauer einbezieht, viel mehr Menschen interessiert als das pure Zuhören. Besonders beeindruckt hat mich das sehr junge Tandempaar, das sich literarisch mit der Generationenproblematik zwischen Großeltern und Enkelkindern befasst.

DAP: Fritz, glaubst Du, dass die klassische Art und Weise der Autorenlesung sich als Veranstaltungsform überlebt hat?

FSK: Nein, bestimmt nicht. Sie scheint mir nach wie vor das dominierende Format zu sein und ein schönes dazu.

DAP: Möchte das Publikum stärker auch in die Rolle der Akteure gehen und sich als Teil der Performance begreifen?

FSK: Das eine Publikum gibt es nicht. Manche hören gerne (nur) zu, andere beteiligen sich (auch) gerne. Bei uns sind alle willkommen.

Bewerbt euch für Das lyrische Foyer:

Das lyrische Foyer findet wieder am 4. Oktober 2024 statt. Es ist auf Instagram unter @das_lyrische_foyer sowie auf der Homepage von Fritz Sebastian Konka zu finden, man kann sich noch für die Teilnahme bewerben.

 

Wiederentdeckt und neu aufgelegt: Perlen der Literatur

Am Freitag, 13. September 2024 um 19 Uhr lädt die Dittchenbühne Elmshorn zu einer außergewöhnlichen Veranstaltung ein. Unter dem Titel „Wiederentdeckt und neu aufgelegt: Perlen der Literatur“ stellt der Verleger und Herausgeber Ralf Plenz seine 2021 im Input-Verlag Hamburg gestartete und inzwischen fünfundzwanzig Bände umfassende Reihe wertvoller europäischer Klassiker vor, die bereits im 19. oder 20. Jahrhundert erschienen waren, jedoch lange nicht mehr lieferbar. Jedes Buch ist in dunkelblaues Leinen gebunden und mit individuell gestaltetem Vorsatzpapier ausgestattet. Kalligraphisch gestaltete Zitate bereichern das optische Leseerlebnis, einführende Vorworte und Neuübersetzungen renommierter AutorInnen erleichtern den inhaltlichen Zugang. Ralf Plenz, Sibylle Hallberg und Cordula Scheel lesen im Wechsel spannende und humorvolle Ausschnitte aus Werken von Elizabeth von Arnim, Karel Capek, Irène Némirovsky und Franz Werfel. Die musikalische Begleitung übernimmt die Pianistin Marija Livaschnikova mit ihrem herausragenden Klavierspiel und einer außergewöhnlich schönen Singstimme.

Freitag, 13. September 2024, 19 Uhr 
Forum Baltikum – Dittchenbühne e.V., Hermann-Sudermann-Allee 50, 25335 Elmshorn
Tel.: 04121 – 89710, Mail: buero@dittchenbuehne.de

Eintritt: € 15,- Dauer: ca. 2 Stunden mit Pause
Um Anmeldung wird gebeten

Es lesen:
Ralf Plenz, Verleger und Herausgeber, Sibylle Hallberg, Autorin, Cordula Scheel, Autorin und Übersetzerin

Moderation: Sibylle Hallberg

Musik:   Marija Livaschnikova, Klavier und Gesang

Lesung zum 125. Geburtstag von Ernest Hemingway (geb. 21. Juli 1899)

Lesung vom 20. Juli, 14 Uhr im Rahmen der HAV Veranstaltung Blätterrauschen.
Gino Leineweber las Auszüge aus Kapitel 7 der Teilbiografie.

Hemingway – wie alles begann,
Kindheit und Jugend in Michigan

Michigan war der Ort der Erholung vom Krieg und gescheiterter Beziehung. Unter der Trennung von Agnes hatte Hemingway außerordentlich gelitten. Seine erste große Liebe. Seine erste große Enttäuschung. Womöglich der Grund dafür, dass Hemingway später versuchte, weiteren Zurückweisungen dadurch aus dem Weg zu gehen, indem er selbst es war, der Beziehungen beendete. Das allerdings erst, jedenfalls trifft es für seine Ehefrauen zu, wenn er eine neue Liebe gefunden hatte. 1919, in Horton Bay und später in Petoskey, tröstete er sich mit Marjorie. Zunächst zog er in das Haus der Dilworths, zu Liz und Jim, dem Schmied, wo er später seine Hochzeit mit Hadley feiern würde.

Der erste veröffentlichte Roman

Im Winter 1919/1920 zog er nach Petoskey in eine Pension, das Potter’s Rooming House, 602 State Street, und schrieb weiter an seinen Geschichten. Sein Aufenthalt in dieser Stadt ist aus einem besonderen Grund erwähnenswert, denn Hemingway nutzte den Ort 1925 als Schauplatz seines ersten veröffentlichten Romans Die Springfluten des Frühlings (The Torrents of Spring).
Der Roman ist grotesk, sowohl vom Inhalt als auch von der Form. Es ist das ungewöhnlichste Buch Hemingways und entspricht einer Parodie auf Sherwood Andersons 1925 erschienen Bestseller Dark Laughter. Das Besondere an dem Buch ist allerdings nicht nur sein literarischer Gehalt, den ich ausgesprochen schätze, sondern noch etwas anderes: Es stellt den Beginn der lebenslangen Zusammenarbeit zwischen Hemingway und dem Verlagshaus Charles Scribner’s Sons dar. Hemingway hatte das Buch ursprünglich Boni and Liveright, seinem ersten amerikanischen Verlag, angeboten. Da der jedoch auch die Bücher von Sherwood Anderson herausgegeben hat, wurde die Veröffentlichung abgelehnt.
Es wird vermutet, dass Hemingway das Buch nur aus dem Grund geschrieben hat, um aus seiner Verpflichtung mit Boni and Liveright herauszukommen. Seine Frau Hadley erinnert sich: „Hemingway hat mit Scott (F. Scott Fitzgerald) über Scribner gesprochen und wollte gern zu ihm. Er war aber Liveright gegenüber verpflichtet, und um aus dieser Verpflichtung herauszukommen, schrieb er The Torrents of Spring, womit er dessen Top-Autor Anderson parodierte. Ich weiß, dass Ernest es, nur um den Verleger zu wechseln, nicht wirklich wollte. Aber Pauline wollte es, und er tat es.“ Pauline, die zuvor mit dem Ehepaar Ernest und Hadley befreundet war, wurde Hemingways zweite Ehefrau.

Die kleine Ortschaft Petoskey

In Petoskey erinnert viel an Hemingway. Nicht nur das in einer alten Bahnstation seit den 1970er-Jahren befindliche Little Traverse History Museum, in dem es drei Sektionen gibt, von denen eine Hemingway und seiner Zeit in Michigan gewidmet ist. In dem Ort kann ich mir Hemingway gut vorstellen, wie er Potters Haus an der State Street verlässt und zur öffentlichen Bibliothek geht, wo er die Zeitungen und Magazine liest, die in Die Springfluten des Frühlings erwähnt sind. Oder wie er zum Bahnhof gehen würde, um auf dem Fahrplan nachzuschauen, was die besten Abfahrtszeiten für zukünftige Angelausflüge wären oder sich die Chicago Tribune zu kaufen. Ich kann ihn mir vorstellen, wie er im Braun’s Diner sein Mittagessen einnimmt oder von der Bear River Bridge in den Fluss schaut, wie es jeder heute noch machen kann und auch ich es getan habe.
Aber wie wirkte er damals auf die Menschen, die in dieser kleinen Ortschaft lebten? Ein junger Mann, der seine Zeit mit Schreiben verbrachte und mehr trank, als es üblich war? Der kein Geld hatte, sich beim Friseur herumtrieb und dort Geschichten erzählte? Auf Schulmädchen wartete, um sie nach Hause zu begleiten und bei zwei von ihnen – Grace Quinlan und Marjorie Bump – die Abende in der Küche verbrachte. Dort Popcorn aß und auch seine Geschichten zum Besten gab? Was mögen die Bewohner, die sich daran erinnerten, später gedacht haben? Später, als er weltberühmt war? Ich weiß es nicht.

Aller Anfang ist schwer

Während seines Aufenthaltes in Petoskey gab er nicht das Bild eines Mannes ab, der eine besondere Begabung zum Schreiben besaß. Eher das eines Mannes, der nach seiner Identität suchte, sich seiner Lebensaufgabe unsicher war, und der schon zu viel erlebt hatte, um noch unschuldig-liebenswert zu sein. Wenn er überhaupt Beachtung gefunden haben mag, damals, dann kaum für sein Talent.
Er selbst berichtete später über seine Zeit dort, als er den Umfang seiner Vorbereitungen beschrieb, dass er den ganzen Herbst und den halben Winter in Petoskey arbeitete und schrieb und nichts verkaufen konnte. Es war eine Zeit entmutigender Zurückweisungen, und tatsächlich wurde seine erste Publikation, das kleine Büchlein, Three Stories and Ten Poems, im Jahre 1923 von ihm teilweise selbst finanziert. Es erschien in einer Auflage von 300 Stück. Noch weniger, nämlich 174 Stück, wurden im darauffolgenden Jahr, 1924, vom Kurzgeschichtenband in our time gedruckt. Es war ein weiter Weg bis zum Nobelpreis, den er 1954 für Der alte Mann und das Meer (The Old Man and the Sea) bekam. Oder zum zwanzig Jahre zuvor erschienenen Buch Wem die Stunde schlägt (For Whom the Bell Tolls), einem Roman über Menschen im spanischen Bürgerkrieg, der in einer Startauflage von 75.000 Stück veröffentlicht wurde und bereits ein paar Tage später ausverkauft war. Die New York Times betrachtete es damals als Hemingways „bestes, tiefgründigstes und wahrhaftigstes Buch”.
Über die Entstehung des Buches hatte Martha Gellhorn, seine dritte Ehefrau, einmal gesagt, es sei alles erfunden und trotzdem scheint es wahrhaftiger zu sein, als das Leben selbst.

Man muss erzählen können

Dass alles erfunden wäre, ist nicht ganz richtig, denn Hemingway sagt selbst, ein Schriftsteller kann nur darüber gut schreiben, was auf seinen Erfahrungen beruht. Er kannte den Krieg aus eigener Anschauung, wurde im Ersten Weltkrieg schwer verletzt, und den Bürgerkrieg in Spanien hat er als Kriegsberichterstatter erlebt. Was Martha meint, ist die Handlung. Hier zeigt sich, dass es nicht reicht, viel zu erleben, man muss Fantasie haben und Geschichten daraus machen können, man muss, wie Hemingway es von frühester Kindheit tat, erzählen können. Gerade auch das, was man erfunden hat, und Hemingway ist dafür bekannt, viel fantasiert zu haben. Nicht nur in seinen Texten.
Wie sehr Martha Gellhorn Hemingway damals bei dem Buch geholfen und es bewundert hat, geht noch aus einem anderen Brief von ihr hervor: „Inzwischen ist Scroobys Buch fast fertig. Richtig fertig ist es erst, wenn Scribner, der Verleger, es in Händen hat und zu drucken beginnt. Wir haben ungefähr 200.000 Worte korrekturgelesen, was für niemanden ein Spaß war.
Aber es ist sehr, sehr gut. Was für ein Buch! Es ist lebendig, spannend, wahrhaftig. Es handelt vom Leben und wie man lebt und vom Sterben und wie man stirbt, was schließlich alles ist, worüber man schreiben kann. Ich bin stolz auf das Buch, genau wie Scrooby und vielleicht können wir uns jetzt ein bisschen erholen.“

Leben und Sterben

Diese Themen, das Leben und das Sterben, finden sich bereits in Hemingways allerersten überlieferten Geschichten, lange vor seinen Kriegserlebnissen noch zu Collegezeiten, beeinflusst durch die Natur Michigans und die Erzählungen vom Leben dort.
Das Leben in Chicago spiegelt sich dagegen in Hemingways Geschichten selten wider. Im Roman Wem die Stunde schlägt gibt es allerdings eine Passage, die auf ein Erlebnis zurückgeht, das Ernest hatte, als er 17-jährig von seinem Vater zum Bahnhof gebracht wurde, um nach Kansas zu fahren.
Der Protagonist Robert Jordan hatte sich lange nicht mehr so unsicher gefühlt wie zu dem Zeitpunkt, als er den Zug am Red Lodge zur Schule nach Billings besteigen sollte. Hemingway beschreibt die Szene wie folgt:
Er hatte Angst zu gehen, und wollte nicht, dass jemand es bemerken würde. Auf dem Bahnhof, kurz bevor er den Zug besteigen wollte, küsste sein Vater ihn zum Abschied und sagte: „Möge der Herr dich und mich beschützen, während wir getrennt voneinander sind.“ Sein Vater war ein sehr religiöser Mensch, und er meinte es einfach und aufrichtig. Aber Robert Jordan war das so etwas von peinlich, dass er plötzlich glaubte viel älter als sein Vater zu sein und er empfand ein so tiefes Mitgefühl für ihn, dass er es kaum ertragen konnte.
Ernest wird sich also nicht sonderlich wohlgefühlt haben, damals, als sein Vater ihn zum Zug nach Kansas brachte, um seinen ersten Job anzutreten.

Kansas Star

Der Kansas Star war seinerzeit eine wichtige Zeitung und galt als eine der besten im Mittleren Westen. Es war ein guter Ort für den Anfang, zumal die Zeitung die Ausbildung junger Reporter förderte.
Es war der stellvertretende Chefredakteur des Lokalteils, Pete Wellington, der maßgeblichen Einfluss auf den Schreibstil Hemingways hatte. Er war es, der ihn anleitete, in einem „kurzen, knackigen Stil“ zu schreiben. Wellingtons Regeln, die er jungen Journalisten mit auf den Weg gab, waren: „Verwenden Sie kurze Sätze. Verwenden Sie kurze erste Absätze. Verwenden Sie kräftiges Englisch. Seien Sie positiv, nicht negativ. Eliminieren Sie jedes überflüssige Wort. Spalten Sie keine Verben. Vermeiden Sie die Verwendung von Adjektiven, besonders solche extravaganten wie herrlich, wunderschön, groß, prächtig etc.“
Hemingway hat später dazu gesagt: „Das waren die besten Regeln, die ich je für das Geschäft des Schreibens gelernt habe. Kein talentierter Mensch, der es mit seinen Gefühlen und dem Schreiben ehrlich meint und die Dinge versucht, richtig auszudrücken, kann versagen, wenn er sich daran hält.“

Die Eisberg-Theorie

Hemingway hat nicht nur von ihm gelernt, sondern beispielsweise auch von Gertrude Stein. Er hat alle guten Ratschläge befolgt und war selbst ein ausgezeichneter Lehrmeister. Was er über das Schreiben gesagt und geschrieben hat, sollte jeder wissen, der auch schreiben möchte. Und ich meine nicht nur, aber natürlich auch, die „Eisberg-Theorie“. Hemingway propagiert damit eine Art des Schreibens: die Form des Auslassens. Er vergleicht es mit einem Eisberg, von dem nur ein kleiner Teil sichtbar ist. Er vertritt die Auffassung, alles könne weggelassen werden, sogar ein Schluss. Die Geschichte würde stärker dadurch. Vielleicht, aber das meine ich nicht ganz ernst, hat mich die Erzählung The Last Good Country (eigentlich ja wie erwähnt ein unvollendeter Roman) deshalb beeindruckt, weil so viel fehlt. Aber grundsätzlich halte ich viel von der Theorie, was bei mir als Poet nicht verwunderlich sein mag.
Geschichten werden stärker, wenn sie kürzer sind. Als ich Texte aus Platzgründen oder sonstigen Vorgaben reduzieren musste, hatte ich anfangs damit Probleme. Ich meinte, von meinem Text könne nichts weggelassen werden. Damit war allerdings nur meine Vorstellung verbunden, er wäre dann unverständlich. Ich glaubte, alles erklären zu müssen. Aber das muss ich nicht. Im Gegenteil. Vieles, was ich weiß, gehört nicht in den Text, sondern ist als Teil seiner Exposition für mich notwendig. Ich muss nicht die Schulzeit eines Protagonisten beschreiben. Ich muss aber wissen, wenn ich über sein Leben schreibe, welche Schulbildung er hat. Aus dem Text ergibt sich für den Leser dann eine Vorstellung darüber, was ‚in der Schule los’ war, ohne dass ich auch nur einmal beispielsweise das Wort Schule erwähne. Dies ist keine Erfindung von Hemingway, sondern für die fiktionale Erzählung ein literarisches Gebot. Was die „Eisberg-Theorie“ besonders macht, ist, dass sie das Weglassen per se propagiert. Wie ich schon andeutete, verstehe ich als Poet die Theorie problemlos.

„Ein paar Dinge, habe ich herausgefunden, sind wahr,“ sagt Hemingway. „Wenn du wichtige Dinge oder Ereignisse, die du kennst, weglässt, verstärkt das die Geschichte. Wenn du etwas weglässt oder überspringst, weil du es nicht weißt, wird die Geschichte wertlos. Der Test für jede Geschichte ist der, wie ausgezeichnet das Zeug ist, das du, nicht dein Verleger, ausgelassen hast.“
Ich habe kürzlich einen Roman gelesen, den ich als einen der besten aller Zeiten ansehe (unter meinen Top-Five). Er war von Anfang bis Ende in jeder Beziehung ausgezeichnet. Erst als ich ihn noch einmal in Gedanken durchging, fiel mir auf: Die Autorin hätte den Schluss weglassen können. Sie erklärt da noch etwas.
Das kann man machen, und es hat beim Lesen nicht gestört, weshalb der Verlag ihn auch nicht weggelassen hat. Aber ich glaube er war völlig überflüssig. Das Buch wäre ohne den Schluss noch stärker.

Einsatz für Menschen in Not

Nachdem Hemingway in Kansas zuerst bei seinem Onkel Tyler gewohnt hatte, zog er nach einem Monat zu seinem alten Freud Carl Edgar, den er von seinen Sommeraufenthalten in Michigan kannte. Der sagte über den beginnenden Reporter: „Hemingway ergab sich vollständig dem Charme und der Romantik, für eine Zeitung zu arbeiten. Er konnte stundenlang über seine Arbeit sprechen, besonders dann, wenn es besser gewesen wäre, ins Bett zu gehen.“ Hemingway lieferte kurze Texte. Er schrieb über das, was er in Kansas City gesehen hatte. Wie einmal, als er in eine Menschenmenge an der Union Station lief, die sich um einen kranken Mann versammelt, aber nichts getan hatte, um zu helfen. Er sah, dass der Mann dringend Hilfe benötigte, hob ihn hoch und trug ihn zu einem Taxi, um ihn in das Krankenhaus zu fahren.
Man sieht die Hilfsbereitschaft, die ihn auszeichnete und für die er später die Tapferkeitsmedaille bekam, weil er, selbst schwer verletzt, noch ernster verwundeten Kameraden half. Hemingway setzte sich für Menschen ein, die in Not waren. Wenn er konnte, kümmerte er sich. Seine Geschichten reichten von einem Kampf der Zeitungsboten über eine traurige Geschichte einer Prostituierten oder Schießereien zwischen Gangstern bis zu einem Artikel, in dem er die üblichen Tragödien der Notaufnahme eines Hospitals thematisierte.

Weitere Stationen

Die Tätigkeit bei der Zeitung gab er auf, weil er in den Krieg zog. Nach seiner Rückkehr versuchte er sich dann zur Missbilligung der Eltern, besonders der Mutter, in Michigan als Schriftsteller. Unverständnis der Umwelt, insbesondere der Familie, ist nicht unüblich und in Lebensläufen von Schriftstellern, auch bei berühmten, immer wieder anzutreffen. Aber Hemingway wusste selbst, dass er sich nicht nur mit Schreiben beschäftigen konnte, sondern seinen Lebensunterhalt verdienen musste.
Im Oktober 1919 war er kurz nach Chicago zurückgekehrt, hielt es dort aber nicht aus und zog wieder nach Petoskey. Er käme zu Hause nicht zum Schreiben, sagte er. In Petoskey verbrachte er die Tage neben seinen Schreibversuchen mit Aushilfsarbeiten für die Bezirksverwaltung, um Geld zu verdienen, das er nicht nur für seinen Unterhalt benötigte, sondern auch, um Marjorie auszuführen oder sich mit Freunden zum Dinner zu treffen.
Aber es reichte nicht, und er nahm dankend das Angebot an, nach Toronto zu gehen. Er bekam dort bei einer reichen Familie ein großes Zimmer mit einem Schreibtisch zum Arbeiten und musste dafür den behinderten Sohn, der nicht allein ausgehen konnte, ins Theater, zu Konzerten und Sportveranstaltungen begleiten. Durch die Vermittlung des Hausherrn bekam er einen Job beim Toronto Star, der ihn später wieder nach Europa zurückführen sollte, kurz nach seiner Hochzeit mit Hadley.

Seine Mutter war ein bisschen zufrieden über seinen „beruflichen Erfolg” und schrieb es ihm. Allerdings störte sie nach wie vor, dass ihre Erwartungen an eine Collegeausbildung sich nicht mehr erfüllen würden, die ihrer Meinung nach für einen Arztsohn aus einer Familie, in der Bildung einen Wert hatte, angemessen gewesen wäre. Erleichtert haben mag sie, dass der Sohn in der Lage war, mit Schreiben Geld zu verdienen. Aber das ging vorüber, und das gespannte Verhältnis zwischen beiden wurde nicht besser. Ernest kehrte im Mai 1920 zwar erneut nach Chicago zurück, verließ sein Elternhaus aber bald wieder Richtung Horton Bay.

Erst im Juli, an seinem 21. Geburtstag, besuchte er, begleitet von zwei Freunden, die Familie in Windemere. Er blieb einige Tage, bis die Spannungen eskalierten und er, wie erwähnt, von seiner Mutter hinausgeworfen wurde. Sie konnte es einfach nicht verstehen, dass Ernest das Schreiben zu seinem Beruf gemacht hatte und warf ihm Arbeitslosigkeit vor. Außerdem erwartete sie von ihm, dass er in Abwesenheit seines Vaters im Sommer auf Windemere dessen Stelle einnehmen sollte. Der Schriftverkehr, den seine Eltern in der Zeit hatten, zeigt, dass Grace sich ständig über ihn beschwerte. Schließlich führte ein Ereignis, das man nur als vorgeschoben bezeichnen kann, denn es war eine Lappalie, die eher Ernests Schwestern betraf, zum Rauswurf aus Windemere.

„Oben in Michigan“

Es wird berichtet, dass Hemingway in dieser Zeit sein erstes sexuelles Zusammensein mit einer Frau hatte, und dass dies in der Kurzgeschichte „Oben in Michigan“ nachzulesen wäre. Die Geschichte hat allerdings aus ganz anderen Gründen Wellen geschlagen, und bei Marcelline, der von der Mutter auserkorenen „Zwillingsschwester” von Ernest, hätte sich bei der Lektüre „fast der Magen umgedreht”.
Dies allerdings nicht, weil sie glaubte, ihr Bruder berichte von seiner ersten sexuellen Erfahrung, sondern weil er die Vornamen beliebter Freunde der Familie und auch besonders von Ernest für die beiden Hauptpersonen ausgesucht hatte: jene der beiden Dilworths, Liz und Jim – noch dazu für eine ziemlich rabiate Sexszene. Zu erinnern sei nur daran, dass Ernest, nachdem die Mutter ihm die Tür gewiesen hatte, bis Anfang Oktober ausgerechnet bei Liz und Jim wohnte.
Weshalb die Sexszene in der Geschichte mit ihm selbst verbunden wurde, liegt wohl daran, dass Hemingway den Text zuerst in der Ich-Form geschrieben, später aber die handelnden Personen ausgewechselt hat. Womöglich deswegen, weil er zum Zeitpunkt der Überarbeitung bereits verheiratet war. Die erste Fassung – die Spekulationen auslösende autobiografisch anmutende – hatte er im Sommer 1921 in Chicago kurz vor der Hochzeit geschrieben.

Dass er die Namen der Freunde verwendete, ist schwer zu begreifen. Ernest fühlte sich ihnen eng verbunden. Außer ihren Namen übernahm er teilweise auch ihr Aussehen und Auftreten. Da es die beiden – heute zumindest – nicht länger stören kann, da sie wie Hemingway nicht mehr leben, bleibt bei der Lektüre „Oben in Michigan“ für viele nur die Frage: Hat er oder hat er nicht?
Die Kurzgeschichte „Oben in Michigan“ ist nicht in der Sammlung The Nick Adams Stories enthalten. Die Erstveröffentlichung in Paris (in Three Stories and Ten Poems, 1923), hatte den Vorteil, dass Liz und Jim Dilworth sie nicht zu Gesicht bekamen. Am 12. Januar 1936 schreibt Hemingway allerdings in einem Brief, die Geschichte sei noch unveröffentlicht. Er wird dabei die kleine Publikation aus Paris schon vergessen haben. Aber davon abgesehen erschien „Oben in Michigan“ in Hemingways Verlag Scribner in der Tat erst in 1938.
Die Geschichte war zuvor vom Verlag aus dem Kurzgeschichtenband In Our Time, der in 1925 in den USA veröffentlicht wurde, herausgenommen worden. Hemingway entrüstet sich darüber in einem Brief an John Dos Passos: „Sie haben mich die Geschichte ‚Oben in Michigan’ herausnehmen lassen, weil das Mädchen da zum ersten Mal einen verpasst kriegt, und ich habe ihnen eine prima Nick-Geschichte geschickt über einen kaputten Boxer und einen Nigger … Diese Kämpfer-Geschichte ist verteufelt gut und besser als Oben in Mich., obwohl mir Oben in Mich. immer gefallen hat, wenn auch anderen nicht.“

Die Story ist simpel, fast ohne Handlung. Jim, ein Schmied, kommt nach Horton Bay und kauft die dortige Schmiede. Die junge Frau, die im Restaurant der Smiths arbeitet, verliebt sich in Jim, der sie jedoch kaum beachtet. Jim, der Restaurantbesitzer Smith und ein dritter Mann gehen auf einen Jagdausflug. Liz sehnt sich nach Jim. Als die Jagdgesellschaft zurückkehrt, nimmt man zur Feier des Tages einige Drinks. Nach dem Abendessen und noch mehr Drinks geht Jim in die Küche, in der Liz auf einem Stuhl sitzt. Er umarmt und küsst sie, berührt ihre Brüste und flüstert: „Lass uns woanders hingehen.“ Sie gehen zur Bay hinunter, wo Jims Hände den Körper von Liz erkunden. Sie ist verängstigt, sagt ihm immer wieder, nein, sie will nicht, lässt ihn aber schließlich gewähren. Hier der Schluss der Geschichte:
Die Planken des Stegs waren hart und kalt und splittrig und Jim lag schwer auf ihr und er hatte ihr wehgetan. Liz stieß ihn an, sie lag so unbequem und verkrampft. Jim war eingeschlafen. Er würde sich nicht bewegen. Sie arbeitete sich unter ihm hervor und setzte sich auf und richtete ihren Rock und Mantel und versuchte, etwas mit ihren Haaren zu tun. Jim schlief, sein Mund war ein wenig geöffnet. Liz beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. Er schlief noch. Sie hob seinen Kopf ein wenig und schüttelte ihn. Er drehte ihn zur Seite und schluckte. Liz fing an zu weinen. Sie ging näher an den Rand des Stegs und blickte hinunter zum Wasser. Nebel stieg aus der Bucht. Ihr war kalt und elend zumute und sie fühlte, alles war vorbei. Sie ging zurück, wo Jim lag und schüttelte ihn noch einmal, um sich zu vergewissern. Sie weinte.
„Jim“, sagte sie. „Jim. Bitte, Jim.“
Jim rührte sich und rollte sich ein wenig enger zusammen. Liz zog ihren Mantel aus und beugte sich vor und deckte ihn damit zu. Sie stopfte ihn ordentlich und sorgfältig um ihn herum fest. Dann ging sie über den Steg und den steilen sandigen Weg hoch, um ins Bett zu gehen. Ein kalter Nebel kam durch die Wälder über die Bucht.

Die Geschichte ist harsch und gefühllos mit Ausnahme der Figur der Liz. Eine schwärmerische Liebe einer jungen, unerfahrenen Frau zu dem älteren Jim, die weder romantisch noch erotisch erfüllt wird. Mit dem Kuss auf die Wange, den sie ihm nach seinem rücksichtlosen Eindringen in ihren Körper und dem lieblosen Verhalten danach gibt, drückt sie ihre fortdauernde Liebe aus und versucht, eine Reaktion von ihm zu erhalten. Als dies nicht geschieht, fühlt sie, dass alles vorbei ist, und weint.
Das eigentlich Faszinierende an der Geschichte ist, dass Hemingway die Fantasien einer unerfahrenen Frau versteht und sensibel ihre widerstreitenden Gefühle beschreibt, selbst als es zum brutalen Ende kommt. Wie er es schafft, mit knappen Worten die verletzte Seele dieser jungen Frau aufzuzeigen, wie er Liz’ Erkenntnis darüber andeutet, dass Jim einfach nur seine körperlichen Gelüste befriedigen wollte, und wie er Zärtlichkeit erst beschreibt, als alles vorbei ist, die Sehnsucht erloschen und die Hoffnung vergangen ist, dies alles zeigt bereits den großen Schriftsteller, der er einmal werden sollte.

Sehr viel später, 1936, gibt es eine Meinungsäußerung von Hemingway über die Story, die gerade aufgrund des Endes bemerkenswert ist: „Diese Geschichte nimmt in meinem Werk eine wichtige Rolle ein und hat viele Leute beeinflusst. Callaghan usw. Sie ist nicht schmutzig, sondern traurig. Damals habe ich noch nicht so gut geschrieben, besonders Dialoge. Ein großer Teil der Dialoge in der Geschichte ist sehr hölzern. Aber da an der Anlegestelle, wurde sie auf einmal vollkommen echt, das ist der Clou der ganzen Geschichte, und für mich war es der Anfang all der Natürlichkeit, die ich dann hatte.”

 

Lust auf 5 Minuten Ruhm?

Akteure bei 5 Minutes of Fame. Foto: Guido Jäger

In der beliebten Veranstaltungsreihe „5 Minutes of Fame“ gibt es am 14. Juni um 19 Uhr wieder ein vielfältiges Programm im Kulturforum am Hafen in Buxtehude. Wenige Plätze sind noch frei!

 

 

Der Musiker Guido Jäger bietet dort Menschen die Möglichkeit aufzutreten. Jede und jeder, die/der Lust hat, sich mit einem kleinen Beitrag musikalischer, dichterischer, poetry-slamischer oder auch irgendwie anders gearteter Unterhaltungskunst einem Publikum vorzustellen, ist eingeladen, sich unter folgender Email-Adresse zu melden: jaeger.guido@gmail.com

Das Format richtet sich in erster Linie an Menschen, die das Anfängerstadium hinter sich haben, kein Abend-füllendes Programm präsentieren können, aber trotzdem schon mal (oder mal wieder) Bühnenluft schnuppern möchten.

 

Im Duft des Frühlings: Lyrik und Musik

Seit fast 50 Jahren ist der gebürtige Ungar Dr. László Kova als Wahlhamburger vom literarischen Geistesgut Wolfgang Borcherts, Günter Grass und Siegfried Lenz inspiriert. Er wuchs mit der Literatur der auch in Deutschland bekannten ungarischen Schriftsteller u.a. Péter Nádas, György Konráds, Péter Eszterházys sowie des Nobelpreisträgers (2002) Imre Kertész auf.

Am Fr., 17. Mai 2024 um 18:30 Uhr liest Dr. László Kova aus seinen veröffentlichten Werken Gedichte und Erzählungen „Im DUFT des FRÜHLINGs“ in der Bücherhalle Eidelstedt im steeedt (Kulturhaus Eidelstedt, Alte Elbgaustraße 12. 22523 Hamburg).

Der Lebenslauf des freischaffenden Schriftstellers, Journalisten und bildenden Künstlers László Kova ist bunt: Er war Hauptschullehrer, Wirtschaftsmanager, Hochschuldozent, Hilfsarbeiter, Arbeitsloser, Handballtrainer in der deutschen Bundesliga und 20 Jahre lang Deutschlehrer für ausländische Studenten in Hamburg.

Dr. László Kova

László Kova ist Mitglied der renommierten Hamburger Autorenvereinigung e.V.
Seine Kurzgeschichten erschienen in Anthologien im LangenMüller Verlag München zusammen mit Walter Kempowski, Sybil Gräfin Schönfeldt, Arno Surminski und Siegfried Lenz. Weitere Erzählungen von ihm veröffentlichten der net-Verlag Tangerütte, Zeitgut Verlag Berlin, Verlag Expeditionen Hamburg, Zeitschrift Hamburger Autoren und der Rowohlt Verlag Hamburg/Reinbek.

Die Autorenlesungen von Dr. László Kova beinhaltet diverse Themenkreise, u.a.

„ WORT-RAUSCH”
„Im DUFT des FRÜHLINGs“
„Aus dem FRÜHLING in den SOMMER”
„Im DUFT des Sommers“
„HERBSTBLÜTEN”
„LEBEN, LIEBEN und mehr…“
„ALSTER, ELBE, HAFEN, HAMBURG, VENEDIG”

Seine literarischen Stücke begleitet Kova live mit musikalischen Klängen (auf dem Keyboard), die die Phantasie der Zuhörer in zusätzliche Dimensionen heben. Das Publikum  erlebt während der Lesung  Unterhaltsames, Ernstes und Humorvolles.

Website: http://www.edition-kova.de/

Neue Literatur im alten Rathaus: Urs Heftrich

Der Lyriker Urs Heftrich, Jahrgang 1961, leitet an der Universität Heidelberg den Lehrstuhl für Slavische Literaturwissenschaft. Einen Namen machte er sich mit preisgekrönten Übertragungen und Editionen tschechischer Lyrik sowie als freier Autor für das Feuilleton der FAZ und der NZZ.

Sein Debüt als eigenständiger Dichter liegt noch gar nicht lange zurück. Nach langer Schreibblockade wagte er sich erst 2021 mit eigener Poesie an die Öffentlichkeit. Seither kamen in rascher Folge drei Lyrikbände heraus: die Foto- und Gedichtmappe „Maronenmond“ (Hamburg 2021), die von dem Komponisten Gilead Mishory vertont wurde, die „Reime“ des Bandes „Halbinselfisch“ (Niederstetten 2021) sowie der deutsch-englische Foto- und Lyrikband „Gehäuseschutt – House of Rubble“, 2023 verlegt bei Angeli & Engel in Hamburg.

Die Kritik reagierte ausnehmend positiv: Die Gedichte decken, so die Rezensenten, „ein ganz breites kulturgeschichtliches Spektrum“ ab, indem sie die „verblüffende Technik eines Arcimboldo“ mit der „Zerlegung einer modernen Ironie“ verknüpfen. Sie sind dazu angetan, „Sehgewohnheiten aufzubrechen“ und „Denkschemata rotieren zu lassen“. Natur wird in ihnen „auf sinnliche, sehr lebendige Art erfahrbar gemacht“, doch behalten sie dabei immer ein „Geheimnis“: „Als Leser lauscht man in diese Gedichte hinein, man möchte sie ergründen und weiß doch, dass es bei einer Annäherung bleibt, bleiben muss.“ Gelegenheit zur Annäherung an Gedichte und Autor gibt unsere Lesung am 10. April.

Neue Literatur im alten Rathaus, Folge 26
Urs Heftrich

Mittwoch, 10. April 2024, 19:00 Uhr
Haus der Patriotischen Gesellschaft, Säulenkeller
Trostbrücke 4, 20457 Hamburg

Moderation: Peter Engel

Eintritt frei. Bitte melden Sie sich an: https://www.patriotische-gesellschaft.de/veranstaltungen/neue-literatur-im-alten-rathaus-urs-heftrich 

 

Verlag Angeli & Engel
Saselbekstraße 113
22393 Hamburg
Tel.: 040-60566773
Mail: angeliundengel@gmail.com

Von Heidi Kabel bis Shakespeare: Kultur mit Kornelia Kirwald

Ein wahres Feuerwerk an Radio- und Live-Veranstaltungen hat die Schauspielerin Kornelia Kirwald für die Saison geplant:

Radio: GEDICHT DER WOCHE

Im März genießen Sie Lyrik des Dichterfürsten und Universalgenies Johann Wolfgang von Goethe, dessen 275. Geburtstag wir dieses Jahr begehen, im April weitere Textgedichte von der preisgekrönten Hamburger Lyrikerin Maren Schönfeld.
– montags 06:30 Uhr, mittwochs 07:15 Uhr,
samstags 12:30 Uhr 
und sonntags 19.00 Uhr auf TIDE.radio

Theater: „Die Große Heinz-Erhardt-Show“

Eine schwungvolle Hommage seiner großen Zeit im Hamburger Varieté „Haus Vaterland“ mit humorvollen Texten, Sketchen, Gedichten und mitreißenden Melodien von Ralf Steltner – ein Feuerwerk des Wortwitzes!
Kornelia Kirwald spielt die Bardame, Stefan Linker begeistert als Willi Winzig, Ralf Steltner hat die musikalische Leitung.
Buch: Karl-Heinz Wellerdiek, Regie: Philip Lüsebrink
– So 07.04. 15:00 Uhr im Hamburger Engelsaal

 

20 Jahre TIDE!  
Im Rahmen der Feier dieses besonderen Jubiläums gibt Kornelia Kirwald in zwei Leseblöcken Einblicke in ihre Arbeit seit 2005, mit Musik und Gesang. Die Party steigt ab 21 Uhr im TV-Studio!
– Donnerstag 04.04. 14:45 und 17:00 Uhr,
Kunst- und Mediencampus Hamburg,

Finkenau 35 – Gebäude C, 22081 Hamburg,
Telefon: 040 / 325 9903-0, ANMELDUNG erbeten

 

Lesung: „Blick aufs Meer“

Zur Vernissage der jährlichen Ausstellung „RissenArt“ in den Schaufenstern der Einkaufsmeile Rissen liest Kirwald ausgewählte Texte von Heine bis Schönfeld über das Urelement Meer.
– Mittwoch 10.04. 18:30 Uhr (Einlaß 18:00 Uhr)
HaSpa Filiale Rissen, Wedeler Landstr. 41

 

Radio: KULTUR-BISTRO

William Shakespeare zum 460. Geburtstag
Er wurde im Laufe seines abenteuerlichen Lebens zum prägenden Dichter und Theaterautor. Ein Großteil seines unsterblichen Werkes ist erhalten und bietet Bühnenkünstlern nach wie vor großartige Stoffe und traumhafte Rollen. Sie hören biographische Anmerkungen, berühmte Sonette und Ausschnitte aus einigen seiner bekanntesten Stücke, umrahmt mit Alter Musik aus England, Frankreich und Italien.
– Montag 29.04. 18:00 Uhr
Sonntag 05.05. 20:00 Uhr auf TIDE.radio

 

LITERATUR-LIVE: HEIDI KABEL zum 100. Geburtstag 

„Sie war mehr als eine populäre Volksschauspielerin, sie war mit natürlichen Mitteln eine große Menschendarstellerin, mit und ohne Plattdeutsch“, so Henning Voscherau in seiner Abschiedsrede im Michel. Kornelia Kirwald präsentiert einen amüsanten und informativen Blick auf Leben und Karriere der Künstlerin mit Auszügen aus ihrer Autobiographie, zusammengestellt von Jürgen Gebert; umrahmt wird die Lesung mit flotter Tanzmusik von Michael Jary.
-Montag 29.04. 16:00 Uhr im Forum Alstertal,
Kritenbarg 1
8, 22391 Hamburg, Tel: 040-60 68 68,

Mail: info@forum-alstertal.de

 

KONZERTE mit dem Pop-Chor GYRISSMIX

unter Leitung von Katharina Vogel:
– Samstag 01.06. 75. Jubiläum des Rissener Sportvereins
– Samstag 29.06. Rissener Sommerfest
– Sonntag 07.07. Wedeler Hafenfest
– Samstag 13.07. Sommerkonzert

 

LITERATUR-LIVE: LITERATEN SEHEN SYLT  

Foto: privat

Die Insel… Wer einmal dort war, den lässt die Sehnsucht nicht mehr los. Schon als Sylt nur die nördlichste Insel Deutschlands war, kamen Besucher; vor allem Künstler waren von Beginn an fasziniert. Kornelia Kirwald rezitiert Texte von Dichtern und Schriftstellern, die aus der einzigartigen Stimmung auf Sylt Kraft und Inspiration schöpften.
-Donnerstag 11.07. 15:00 Uhr
Johannesgemeinde Rissen, Raalandsweg 5, 22559  Hamburg, Tel. 819006-0

 

online: GEDICHT DER WOCHE

auf VIMEO
„Frühlingstraum“ von Wilhelm Müller 
Ein milder Wintertag“
von Annette von Droste-Hülshoff;
auf SOUNDCLOUD
„Bis zu den Amseln“ und „In meiner Haut“ von Maren Schönfeld
„Harfenspieler“ und „Rastlose Liebe“ von Johann Wolfgang v. Goethe

 

Homepage der Schauspielerin mit aktuellen Terminen, Orten und Uhrzeiten:

Weihnachtliche Lesung aus den „Perlen der Literatur“

Die ganze Reihe auf einen Blick. Foto: Input-Verlag

E.T.A. Hoffmann und andere literarische Köstlichkeiten mit Rainer Lewandowski und Ralf Plenz

In vorweihnachtlicher Stimmung kommen Texte von E.T.A. Hoffmann (Nussknacker und Mausekönig, Meister Floh), Antje Thietz-Bartram (Die Weihnachtsuhr) und Felix Timmermans (Pallieter) zum Vortrag. Daneben erfahren die Gäste, wie in ihrer Nachbarschaft, ebenfalls in der Schmarjestraße, im kleinen Verlag von Ralf Plenz diese ­Bücher entstehen.

Ein haptisches Vergnügen in einer digitalen Welt

Die im Herbst 2021 gestartete Buchreihe Perlen der Literatur beschreitet Neuland. Hier werden nur Titel wieder veröffentlicht, die bereits im 19. oder 20. Jahrhundert in Europa erschienen sind und zeitweise sehr erfolgreich waren oder sprachliche Besonderheiten aufweisen und auf jeden Fall richtungsweisend wirkten. Oft waren diese Bücher über viele Jahre nicht lieferbar. Daher: wiederentdeckte Perlen.

Zur Auswahl befragte der Verleger Germanisten, Anglisten und Romanisten, Buchhändler, Bibliothekare, Psychologen und Vielleser. In einem kleinen Beirat werden die in Frage kommenden Titel gesichtet und bewertet. Wir arbeiten gerne mit Lese- und Literaturkreisen zusammen und wollen allen Lesern das Bestmögliche bieten:

  • Bibliophile Ausstattung mit Fadenheftung und Leineneinband
  • Jeder Band in einer anderen Typographie mit von einem Designer gestaltetem Vorsatzpapier
  • Kalligraphische Elemente als Leseanreiz
  • Einheitlich günstiger Ladenpreis trotz eines Buchumfangs zwischen 160 und 400 Seiten: Je nur 15–20 €.
  • Die gefaltete Bauchbinde dient dem Leser als Lesezeichen und enthält auf der Innenseite weitere Informationen zur Reihe Perlen der Literatur

Dienstag, 19. Dezember 2023, um 19:00 Uhr

Gemeindesaal St. Petri in Altona
Schmarjestr. 33
22767 Hamburg

Eingang: gegenüber der Kirche

Eintritt: frei

Lesende: Ralf Plenz (Verleger) und Rainer Lewandowski (Autor, ehemaliger Intendant am E.T.A.-Hoffmann-Theater in Bamberg)

Zum Input-Verlag geht es hier

Im Zauber der Poesie und Musik

Das Herz des ungarischen Dichters, Malers und Journalisten László Kova schlägt schon seit fast 50 Jahren in der Hansestadt, wo er lebt, liebt, schreibt und malt.

Am Dienstag, den 7. November 2023, um 19 Uhr liest er im Teehaus Wallanlagen bei Planten un Blomen u.a. aus seinen neusten Büchern Ins Wort gemeißelt, Am Elbufer, Mit Elbwasser geschrieben, Unterwegs an der Alster – an der Elbe und Von der Elbe weht der Wind. Umrahmt wird die Lesung von musikalischen Klängen des Autors.

László Kova ist Mitglied der renommierten Hamburger Autorenvereinigung und der Auswärtigen Presse.

Seine Kurzprosa wurde u.a. vom LangenMüller Verlag München, net-Verlag Tangerhütte, Verlag  Expeditionen Hamburg, Zeitgut Verlag Berlin sowie Rowohlt Verlag Reinbek veröffentlicht.

Er findet seine Themen in der ungarischen Puszta, in Hamburg an der Alster, Elbe, im Tag und Nacht pochenden Hafen sowie in der Lagunenstadt Venedig.

Seine Vorführungen sind informativ, ernst und auch humorvoll. Wort und Klänge bewegen und heben die Phantasie der Zuhörer in zusätzliche Dimensionen.

7. November 2023, 19 Uhr

Planten un Blomen (Teehaus Große Wallanlagen), Holstenwall 28, 20355 Hamburg

Veranstalter: AWO in Koop. mit der Hamburger Autorenvereinigung
Eintritt: 6 €

Anmeldung unter Angabe der Veranstaltungsnummer ST4708 direkt bei der AWO per Mail an Sabine.Witt@awo-hamburg.de oder telefonisch unter 040-414 023 786.

 

45 Jahre Hamburger Autorenvereinigung: Wir feiern!

Mich hält kein Band
Mich fesselt keine Schranke
Frei schwing ich mich
Durch alle Räume fort
Mein unermesslich Reich ist der Gedanke
Und mein geflügelt Werkzeug ist das Wort
(Friedrich Schiller)

„Sind Sie ein Literat?“

Wenn man als Gast zu einer Veranstaltung der Hamburger Autorenvereinigung kommt, kann es passieren, dass einem diese Frage gestellt wird. Und aus manch einem Gast wird ein Mitglied, oft für viele Jahre oder sogar Jahrzehnte. Zum 45. Bestehen der HAV erschien die Sonderausgabe der Zeitschrift „Hamburger Autoren“ mit elf Beiträgen, die einen Rückblick in kurzen Erzählungen und Gedichten geben. Dabei wird an die unvergessene Rosemarie Fiedler-Winter erinnert, die der HAV ein Vierteljahrhundert vorstand. Mitglieder erzählen, wie sie zur HAV kamen, und berichten von Begegnungen mit prominenten Vereinskollegen wie Arno Surminski. Und was kommen eigentlich für Suchergebnisse, wenn man „HAV“ googelt?

Acht Mitglieder lesen ihre Beiträge aus der Zeitschrift und werden von Klaviermusik begleitet. Dabei wird auch das Geheimnis gelüftet, wer die eingangs formulierte Frage gestellt hat und an wen sie gerichtet war.

Lesung: Wolfgang Müller-Michaelis, Maren Schönfeld, Ginny G. von Bülow, Wolf-Ulrich Cropp, Margret Silvester, Elisabeth Melzer-Geissler, Antje Thietz-Bartram und László Kova

Klavier: Marina Savova

Donnerstag, 16.03.2023, 19 Uhr
Lichtwarksaal, Neanderstr. 22, 20459 Hamburg
Eintritt 9 €, ermäßigt € 6, HAV-Mitglieder frei
Gefördert von der Behörde für Kultur und Medien

Von Meeren und Wüsten. Die HAV tagte in den Bethanienhöfen

Gemälde von Angelika Kahl

Sie kamen im Doppelpack: Zwei Fahrensleute im besten Mannesalter, de wat to vertellen hebt. Wolf Cropp eröffnete die Lesung im wohl klingenden Bariton mit dem Shanty „Ick heff mol en hamborger Veermaster sehn, to my hoodah. to my hoodah, de Masten so scheef as den Schipper sien Been…“

Ein passender Einstieg in einen Törn mit der Viermastbark „Peking“, die der agile Autor im September letzten Jahres unternahm, als er die Verholung der aufwendig restaurierten Bark von Glücksburg nach Hamburg begleitete. Wolf ist Mitglied der „Freunde der Viermasterbark Peking e.V.“ und Experte bezüglich der Entstehungs- und Erfolgsgeschichte dieses ehrwürdigen Windjammers. Die „Peking“ ist einer der vier noch erhaltenen legendären Flying P-Liner der Hamburger Reederei Laeisz, die am 25. Februar 1911 zum ersten Mal auslief. Inzwischen ist das prachtvolle Segelschiff in die Jahre gekommen und reif fürs Museum. Sein künftiger Liegeplatz wird vermutlich bis zur Fertigstellung des Deutschen Hafenmuseums der Kleine Grasbrook sein. Da klingelt doch etwas. Wurde nicht im Jahre des Herrn 1401 direkt nebenan der berühmt-berüchtigte Seeräuber Klaus Störtebeker hingerichtet, den romantische Seelen zum Robin Hood der Meere verklärten?

Wolf-Ulrich Cropp

Doch zurück zur “Peking“, über deren abenteuerliche Reisen auf den Weltmeeren Wolf Cropp so anschaulich berichtet, dass man meint, dabei gewesen zu sein. „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er drei Mal um Kap Hoorn“, zitiert der Autor einen alten Seemannsspruch und schlägt mit seinen abenteuerlichen Erzählungen über Cap Horniers und deren gefährliche Unternehmungen das Publikum in seinen Bann.

Exkursion in die Sahara

Szenenwechsel. Nahtlos tauchen wir ein in geheimnisvolle Wüstenlandschaften, in die selten ein Europäer den Fuß setzt. In einer der fünfzehn Kurzgeschichten in „Jenseits der Westwelt“ beschreibt Cropp seine Erfahrungen während einer Exkursion in die Sahara. Nach einem Besuch bei den Tuareg findet er sich plötzlich mutterseelenallein in der Wüste wieder. Denn während er die Gegend erkundete, hatte der Stamm seine Zelte abgebrochen und sich auf den Weg zum nächsten Rastplatz gemacht. Rund um den Fremdling nur Sanddünen und eine atemlose Stille, wie er sie noch nie erlebt hatte. Was bei den meisten Panikanfälle ausgelöst hätte, führt Cropp zu Frieden und tiefer innerer Einsicht. Eine Erzählung, die tief bewegt und zum Nachdenken anregt.

Das Meer und Helgoland
Reimer Boy Eilers

Reimer Boy Eilers ist aus ähnlichem Holz geschnitzt wie Wolf Cropp. Auch er ist ein weit gereister Mann, der das Meer über alles liebt. Besonders die Nordsee. So lautet auch der schmale Band „Mehr Nordsee“, aus dem der Autor ein Gedicht zum Besten gab, bevor er zu seinem 570 Seiten starken Opus Magnum „Das Helgoland. der Höllensturz: Oder wie ein Esquimeaux das Glück auf der Roten Klippe findet“ überging. Hinter diesem etwas sperrigen Titel verbirgt sich ein äußerst kniffliger Kriminalfall, der sich Anfang des 16. Jahrhunderts auf Helgoland abspielte oder sich abgespielt haben soll. Ein Kapitän aus Amsterdam, der Station auf dem Roten Felsen macht, stürzt die Treppe zum Oberland hinunter. Er stirbt – horribile dictu – ohne die Sakramente der Heiligen Kirche empfangen zu haben, und wird von den Insulanern auf dem Friedhof der Wasserleichen und Namenlosen hoch oben in den Dünen verscharrt. Ist der Mann durch einen Unfall zu Tode gekommen oder war es Mord? Das ist die Frage, die den Autor bewegt. Die Ermittlungen werden von einem Mann namens Pay Edel Edlefsen und seinem Freund und Jagdgefährten Equimeaux Quivitoq, genannt Menschenkind, geführt. Und das gegen den Willen des Fischerhauptmanns, Pays Vater Boje Edlef. Hat der Hauptmann etwas zu verbergen? Bevor der Fall geklärt ist, wartet die Nordsee mit einer Reihe höllenartiger Stürme und anderer Unbill auf.

Der verscherbelte Kalkfelsen

Autor Eilers las einem andächtig lauschenden Publikum mehrere Kapitel seines Thrillers vor und erklärte nebenbei allerhand Wissenswertes über das rote Kliff, Deutschlands einzige Hochseeinsel. Wer wusste zum Beispiel, dass Helgoland einst neben der Langen Anna noch ein weiteres Wahrzeichen hatte? Der schneeweiße Kalkfelsen, von dem die Rede ist, existiert seit langem nicht mehr. Er wurde vom Landesherrn gegen klingende Münze verscherbelt, ohne dass er die Insulaner zuvor um ihre Zustimmung gebeten hatte. Profit stand eben seinerzeit schon an erster Stelle. Was interessierte schon die vox populi? Auch über die strengen Sitten und Gebräuche von anno dunnemals auf der Insel weiß der Autor anschaulich zu berichten. Ein durch und durch ebenso lesenswertes wie spannendes Buch. Eine ausführliche Besprechung von „Das Helgoland, der Höllensturz. Oder: Wie ein Esquimeaux das Glück auf der Roten Klippe findet“ wird in unserem DAP Online-Magazin erscheinen, sobald die Rezensentin den dicken Wälzer von weit über fünfhundert Seiten vollständig gelesen hat.

Vom Cap Horn zum Cap Hornisse

Die Lesung fand in einer sehr entspannten Atmosphäre statt. Frei von Genderei und „Gedöns.“ Ohne Zweifel wird es inzwischen auch weibliche „Cap Horniers“ geben, die die gefährliche Umrundung des Kaps mit Bravour meistern. Aber wie sollen wir die im Zeitalter des nahezu militanten Feminismus nennen? Ich habe da einen Vorschlag zur Güte: Wie wäre es mit „Cap Hornisse?“ Klingt gut und hat etwas unverkennbar Martialisches.

Wem eine bessere Lösung für dieses weltbewegende Problem einfällt, möge sich melden. Ach ja, und Esquimeaux oder Eskimo geht natürlich gar nicht, lieber Reimer Boy Eilers. Das soll ja Fleischfresser bedeuten und ist daher in Zeiten von Veggitum und Veganismus total verpönt. Immer dran denken: Heute ist Inuit angesagt. Man möge es den Helgoländern verzeihen, dass sie diese Sprachregelung im 16. Jahrhundert noch nicht kannten!

Sabine Witt

Die Zuhörer applaudierten den beiden Autoren und freuten sich über diesen gelungenen Abend in den Bethanien-Höfen. Ein herzliches Dankeschön geht an Sabine Witt, die Vorsitzende der Hamburger Autorenvereinigung, die die Lesung gewohnt charmant moderierte.

 

 

 

Wolf-Ulrich Cropp: https://die-auswaertige-presse.de/mitglieder-1/cropp-wolf-ulrich-dr/

Reimer Boy Eilers: https://die-auswaertige-presse.de/mitglieder-1/eilers-dr-reimer-boy/

Sabine Witt: https://die-auswaertige-presse.de/mitglieder-1/witt-sabine/