Von Johanna Renate Wöhlke
Ein Chor der Passagiere zwischen New York und San Francisco auf der Weltreise der Queen Elizabeth 2014 auf der Bühne im Pazifik
Wann sind Urlaubserlebnisse besonders schön? Ich behaupte: immer dann, wenn sie unser Denken und Fühlen über lange Zeit hinaus bewegen und uns mit heiterem Erinnern durch den Alltag tragen helfen. Das ist sicherlich so unterschiedlich wie Menschen unterschiedlich sind. „Wat den een sien Uhl, is den annern sein Nachtigal“, sagt man in Hamburg oder „One man’s meat is another man’s poison“ im englischen Sprachraum. In meinem persönlichen Reiseerlebnis bleiben wir bei der Sprachvariante mit der Nachtigall, denn: Es hatte mit Singen zu tun!
„Queen Elizabeth Singers At Sea“ nämlich, so stand es am Anfang der Weltreisen – Etappe von New York nach San Francisco auf dem Tagesprogramm der „Queen Elizabeth“. Wer die drei „Queens“ der Cunard Reederei kennt – Queen Mary 2, Queen Elizabeth und Queen Victoria – der weiß, dass das Tagesprogramm dieser Schiffe immer für reichlich Möglichkeiten zur Information und Unterhaltung sorgt – aber auch das Singen wurde bedacht? Probenraum auf Deck 10 im Yacht Club von 12 bis 12.45 Uhr – mal sehen, was das ist. Schließlich gehört für eine begeisterte Chorsängerin das Singen zum Alltag und zum Leben wie Brot und Butter.
Neugier und gespannte Erwartung werden durch die freundliche und fröhliche Unterhaltungsdirektorin Leah Hemsley belohnt. Außerdem sind fast einhundert Passagiere erschienen, die offensichtlich Zuhause auch Chorsänger sind, erfreulicherweise auch sehr viele Männer. Sie wollen mitmachen und sind gespannt wie ich. Wir kennen uns nicht. Wir kommen aus aller Welt, unter anderem Australien, Japan, England, Amerika, Deutschland. Wir reden Englisch miteinander. Die Liebe zur Musik und zum Singen hat uns hierher geführt. Leah Hemsley selbst bekennt, dass sie kein Profi sei und nicht wirklich etwas vom Dirigieren verstehe. Am Klavier begleitet werden wir vom Piano Bordentertainer Robin Rose. Was soll das werden? Es wird etwas!
Wir studieren an sechs Seetagen ein kleines Programm mit bekannten englischen Liedern ein: Summertime, You raise me up, Delilah, I am sailing, My favourite things, Let it be, It´s a long way/Pack up your troubles und Thank you for the music. Am Ende soll ein Konzert auf der Bühne des „Queens Room“ stehen, dem Ballsaal der Queen Elizabeth – in dem übrigens auch jeden Nachmittag ein traditioneller englischer Tee mit Scones und Gurkensandwiches gereicht wird. Wir freuen uns, nein – wir sind begeistert!
Aber am Tag der vierten Probe kommt Leah Hemsley mit einer besonderen Nachricht. Wir seien so gut, dass unser Konzert nun nicht im Queens Room, sondern auf der großen Bühne des Royal Court Theaters gesungen werden soll. Das ist eine Nachricht, die alle noch mehr beflügelt. Aber – werden auch genügend Zuschauer aus dem Kreis der Passagiere kommen, um uns unbekannte „Singers At Sea“ an einem Nachmittag um 14 Uhr anzuhören? Wir befinden uns etwas nördlich von Puntarenas, Costa Rica, die Sonne brennt heiß vom Himmel und die Außenliegen werden von Sonnenhungrigen belegt sein.
Wir werden nicht enttäuscht. Das Theater ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als wir unser kleines Konzert geben. Die Bühne gehört uns, uns vielen füreinander Fremden, die die Musik zusammengeführt hat und die nun nicht mehr ganz so fremd füreinander sind. Schade, dass wir in zwei Tagen in San Francisco von Bord gehen. Einige unter uns kennen sich jetzt mit Namen und haben Adressen ausgetauscht. Aber Kennenlernen braucht Zeit – und die ist für die meisten von uns nun vorüber.
Was bleibt, ist die Erinnerung an ein Erlebnis, das wir alle nie vergessen werden. Die Kraft der Musik hat es wieder einmal vollbracht. Sie hat Menschen zusammengeführt. Natürlich kaufen wir alle die DVD, die gemacht worden ist und beim großen Gemeinschaftsfoto in der Grand Lobby des Schiffes geht ein Blitzlichtgewitter von allen Seiten auf uns nieder. Kein Wunder, versteht sich…schließlich sind und waren wir die „Singers At Sea“ auf der Queen Elizabeth World Voyage 2014. George und Marilyn werden schon wieder in Denver und Alan und Brenda wieder in Yorkshire sein – aber vergessen werden wir uns nicht. Sure, sicher – thank you, Music und thank you, Leah Hemsley für die Tränen der Freude beim Dirigieren. Wir haben sie gesehen – die Zuschauer natürlich nicht. Wie war noch der Text, bei dem sie flossen?
„When I am down, and oh, my soul`s so weary. When troubles come, and my heart burdened be.Then Iam still, and wait here in the silence. Until you come, and sit a while with me. You raise me up, so I can stand on mountains. You raise me up, to walk on stormy seas. I am strong, when I am on your shoulders. You raise me up, to more than I can be.“
Warum darf, warum sollte man es an dieser Stelle nicht sagen: zu Tränen gerührt und berührt zu sein von der Kraft der Musik und der gemeinsamen Freude, das ist keine Schande. Gewiss nicht. Außerdem darf auch geschmunzelt werden, denn: Wasser und Wasser passt doch gut zusammen!
Fotos: Winfried Wöhlke