von Maren Schönfeld
Wenn Uwe Jaensch über einen Schrottplatz geht und zum Beispiel eine alte Zange findet, dann sieht er keine alte Zange – sondern er sieht eine Skulptur, in die er diese Zange integriert, vielleicht als gehörnten Kopf. Der Eisenwerker enthebt banale und alltägliche Gegenstände ihrer ursprünglichen Bestimmung und führt sie zu neuen Identitäten. So entstehen Wächter, Meerjungfrauen, Schiffe und Figuren wie Don Quichotte und Sancho Panza. Der Arbeitsprozess besteht aus schweißen, trennen, schleifen und nach Erwärmung verformen. Dabei tilgt der Künstler keine Abnutzungsspuren, sondern lässt diese in der Skulptur die spezifische Oberflächenstruktur bilden. So sieht der Betrachter im ersten Hinschauen eine Figur, im zweiten identifiziert er die Zange, im weitergehenden Betrachten findet er die neue Bedeutung der Skulptur. So gelingt es Uwe Jaensch, mit geringen Mitteln ein Höchstmaß an Umdeutung zu erreichen.
Seine Skulpturen stehen auf Podesten im Ausstellungsraum und es ergibt sich je nach Standort des Gastes, dass sie zuweilen neben oder vor einem Bild der Künstlerin Hanna Malzahn betrachtet werden können. Als erstes ziehen die in Grün-, Blau- und Gelbtönen gehaltenen Malereien in Bann, weil allein die Farbkompositionen faszinierend sind. Davon losgelöst finden sich in den ausgestellten Werken Gebäude- und Brückenfragmente, die teilweise mit anderen „festen“ Konstrukten verbunden sind, teilweise in der Luft zu schweben scheinen. Immer wieder taucht das übergeordnete Thema “Häuser “ auf: Bauwerke, Kirchen, Brücken und Häuser in Fragmenten, in Ruinen, in verfremdeten Stadtansichten, in Ausschnitten, sie bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Dabei kombiniert Hanna Malzahn unterschiedliche Elemente und arbeitet mit den Mitteln der Grafik, der Collage, der Monotypie, der Übermalung, des Prägedrucks, der Zeichnung oder der Lasierung von Farbflächen neben pastosen Bereichen. Eine feinnuancierte Strukturierung des Malgrundes ergibt sich durch das Applizieren verschiedener Papiere, und das Malen in Schichten verleiht den Bildern mehr Tiefe.
“Die Stadtbilder sind Wunschtraum-Gebilde, Teile eines Ganzen, die sich zuweilen als Luftschlösser fortsetzen und eine weite Vernetzung von Erinnerungswerten bieten, wie es sie als Abbild an einem Ort der Welt niemals geben kann”, erklärt die Künstlerin.
Inmitten dieser Wunschtraum-Gebilde haben sich Uwe Jaenschs Skulpturen versammelt. Gemeinsam bilden die Werke beider Hamburger Künstler eine eigene kleine Welt, entstanden aus Fragmenten. Gerade in unserer Wegwerf-Gesellschaft ist es faszinierend zu sehen, wie aus eigentlich unzusammenhängenden Einzelteilen Neues entstehen kann. “Nichts ist mir zu klein, und ich lieb es trotzdem/und mal es auf Goldgrund und groß”, dichtete Rainer Maria Rilke. Dieser Gedanke lässt sich auf die Ausstellung “Fragmente” übertragen und kann anregen, einen anderen Blick auf das – vermeintlich wertlose – Fragment zu entwickeln.
Die Ausstellung “Fragmente – Objekte und Bilder” von Hanna Malzahn und Uwe Jaensch wurde am 11. September 2016 von Dirk-Uwe Becker (1. Vorsitzender des Kunstvereins Heide) und Michael Stumm (Erster Stadtrat Heide) eröffnet. Sie ist die letzte Ausstellung in diesem Jahr, die der Kunstverein Heide im Rahmen des “Kunstgriff-Projektes” veranstaltet. Die Ausstellung ist in der Museumsinsel Heide, Lüttenheid 40, 25746 Heide, täglich außer montags zu sehen und dauert bis zum 2. Oktober.
www.heide.de/kultur-vhs/museumsinsel-luettenheid.html