Hamburgs hoher Gast – mit Verbindung zur PEKING?

Charles und Camilla bei der offiziellen Eröffnung des Walisischen Parlaments, Cardiff, Wales; Mai 2011
Von Senedd Cymru / Welsh Parliament; Wales – https://www.flickr.com/photos/nationalassemblyforwales/5841743257/in/album-72157626782715823/ Flickr, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=105812773

Erstaunlich pünktlich um 12.30 Uhr traf er ein, der ICE von Berlin in die Hansestadt, von der es heißt, sie sei die britischste aller Städte in Deutschland. Am Dammtor-Bahnhof verließen sie den Waggon 14: König Charles III. und seine Gemahlin Königin Camilla samt erlauchter Equipage. Ganz im Sinne des Monarchen, dem Umweltfreak und Hobby-Ökobauern, wurde nicht mit Hubschraubergeknatter oder Triebwerkspfeifen eingeschwebt.

Sie wurden begrüßt vom 1. Bürgermeister Peter Tschentscher mit Frau Eva-Maria. Eine lange Verweilzeit vor dem Bahnhof ließ das stramme Protokoll nicht zu. Etwa 200 Schaulustige hatten sich Union-Jack-wedelnd, bei Hamburger Schmuddelwetter, dennoch gut gelaunt, verhaltend jubelnd: „Welcome! – Moin in Hamburg!“, versammelt. Rasch war der rote Teppich überschritten und ab gings im Konvoi zum „Kindertransport – der letzte Abschied“, wo Camilla am Denkmal mit weißen Rosen an von hier nach Großbritannien verbrachte jüdische Kinder erinnerte.

Auf dem Weg zum nächsten Programmpunkt zeigte das Königspaar noch rasch etwas Bürgernähe durch Händeschütteln und Wortwechsel. Der König sei volksnah, humorvoll, interessiert. Ein sympathischer Zuhörer, hieß es. Und Camilla habe sich mit Charme vom „Rottweiler“ zum „Rockstar“ gewandelt, der merklich beliebter werde. Beliebtheit, die  erntete das Königspaar schon zuvor in Berlin, wo Charles III. zwei bemerkenswerte Reden auf Deutsch mit englischen Einschüben hielt.


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Von Minzoblate – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=130234848

Wenig später fand am Mahnmal St. Nikolai eine Kranzniederlegung statt und das Königspaar lauschte den Worten von Bischöfin Kirsten Fehrs. Fast schon im Schweinsgalopp gings ins Rathaus zum Eintrag in das Goldene Buch, das eigentlich kein Buch ist, sondern eine lose Blattsammlung in einer Lederschatulle. Der König trug sich kurz mit „Charles R“, seine Frau mit „Camilla R“ ein. „R“ für König, Königin. Charles, heute 74-jährig, wird am 6. Mai 2023 in London gekrönt. Abweichend vom Protokoll zeigte sich das Paar auf dem Rathaus-Balkon und winkte vielen begeisterten Hamburgern zu.

Während der König sich auf eine Hafenrundfahrt begab, besuchten Camilla und die Frau unseres Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, die Rudolf-Roß-Schule in der Neustadt. An der Grundschule können Kinder bereits in den Vorschulklassen Englisch lernen.

Foto: Dr. Wolf-Ulrich Cropp

Der königliche Tross traf unterdessen bei Regen am Fischereihafen ein. Von dort gings mit der Barkasse HAMBURG auf Hafenrundfahrt. An Bord wurde der König über maritime Wirtschaft, regenerative Energie, Wasserstofftechnologie und klimagerechte Transformation der Industrie informiert.

Nicht verbrieft, aber mit Sicherheit hat sich Charles III. nach der Viermastbark PEKING am Kai des Schuppens 50 A erkundigt. Die aufragenden, stolzen Masten des berühmten Großseglers werden ihn neugierig gemacht haben. Warum, mag man sich fragen?

Foto: Dr. Wolf-Ulrich Cropp

Doch einleuchtend: Am 2. April ist Saisoneröffnung im Deutschen Hafenmuseum mit Standort Schuppen 50 A. Das Programm: Führungen mit Hafensenioren, Barkassenfahrten, spezielle Kinderattraktionen, geführte Rundgänge über die einmalig restaurierte PEKING. Der Hamborger Veermaster, 1911 bei Blohm & Voss für die Reederei Laeisz gebaut, ist seit der Heimkehr nach Hamburg am 07. September 2020 ein zusätzliches Wahrzeichen der Hansestadt geworden.

Ja, und was hat das mit Großbritannien zu tun? Nun, der P-Liner war schon was Besonderes. Unter vollem Zeug brachte er 17 Knoten, also 31 Kilometer pro Stunde, damit war er schneller als die damaligen Dampfschiffe, von denen sich keines um Kap Hoorn wagte. Und nun kommt‘s: 1932 wurde die PEKING nach England verkauft, wo sie mit dem Namen ARETHUSA II (das ist übrigens  der Name einer Nymphe aus der griechischen Mythologie) als stationäres Ausbildungsschiff nach Upnor, an den Medway River verholt wurde und vor Anker blieb. An Bord wurden in straffen Lehrgängen sozialbenachteiligte und schwererziehbare Jugendliche in 18- und 36-monatigen Lehrgängen zu lebenstüchtigen Bürgern erzogen. Bis 1974 bereitete eine gemeinnützige Institution viele Menschen auf ein Leben vor, dass den gesellschaftlichen Regeln entsprach.

Foto: Dr. Wolf-Ulrich Cropp

Noch heute haben Männer der AOBA (Arethusa Old Boys Association) eine lebendige, ja rege Verbindung zur PEKING, die von einer Abordnung der „Old Boys“ im Sommer 2023 in Hamburg besucht wird. Es wird dem zweiten Leben der Viermastbark „Vom Frachtensegler zum Sozialprojekt“ gedacht. Die Shaftesbury Homes and Arethusa Training Ship Co. ist eine der ältesten Wohlfahrtseinrichtungen Großbritanniens und Charles III. wohl bekannt. Am 25. Juli 1933 übergab der Bruder des Prince of Wales, der spätere König Georg VI., das stationäre Schulschiff ARETHUSA seiner Bestimmung. Dann, 65 Jahre später wurde der Großsegler, wieder als PEKING, für umgerechnet 400 000 DM an ein US-Museum nach New York verkauft … wo er leider bis 2017 vor sich hin rottete.

Am Schuppen 52 war das Königspaar wieder vereint. Die Veranstaltungshalle ist ein Relikt aus der Kaiserzeit. Geladene Gäste genossen mit Charles und Camilla das Royal Marine Orchestra und den Shanty-Chor De Tampentrekker. Hernach begab sich das Paar zu den Gästen zum Smalltalk bei Wein, Bier, Pimm’s, Fish & Chips, Steak and Stout Pie und Käse … Das Event im Schuppen 52 klang aus. Um 17.25 Uhr nämlich verließen die Royals Hamburg mit dem Flieger nach London, um wieder zu Haus, im Buckingham Palace zu sein. Der anregend-harmonische Deutschlandbesuch war zu Ende. In London lauerte wieder Ungemach: Prinz Harry macht seiner Royal Family neue Vorwürfe. Sie soll von der Bespitzelung durch Journalisten gewusst, die Indiskretion verschwiegen haben. Dazu der sarkastische Dialog von Burkhard Mohr: King Charles sagt: „Wie schön, in ein Land zu kommen, in dem alles funktioniert!“ Darauf Olaf Scholz: „Herrlich, dieser britische Humor!“

Author: Dr. Wolf-Ulrich Cropp

Nach mehreren Jahren als Geschäftsführer in namhaften Unternehmen ist Wolf-Ulrich Cropp seit 1997 Schriftsteller und durchreist schreibend die Welt. Bisher veröffentlichte er – auch unter Pseudonym – rund 300 Kurzgeschichten und 26 Bücher. U. a. den Bestseller „Alaska-Fieber“ (Piper/Malik/National Geographic). „Goldrausch in der Karibik“ wurde Buch des Jahres 2000, DIE WELT-Leserliste. Zuletzt erschienen bei DuMont die Bücher „Dschungelfieber und Wüstenkoller“, „Wie ich die Prinzessin von Sansibar suchte …“ und „Im Schatten des Löwen“. Weitere Infos: Wikipedia