Herr der Strahljäger

Von Dr. Manuel Ruoff

Walter Nowotny kommandierte das erste Düsen-Jagdkommando

Walter Nowotnys Leidenschaften waren Sport und Technik. Darüber fand er wie viele Gleichgesinnte zur Luftfahrt. Politik interessierte ihn weniger. Als 1938 seine Heimat Bestandteil des Deutschen Reiches wurde, trat der am 7. Dezember 1920 in Gmünd geborene Österreicher der NSDAP bei. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, meldete er sich als Freiwilliger zu den Fliegern.

Nach der Jagdfliegerausbildung und einem Einsatz beim Jagdschutz der Leunawerke wurde der Unteroffizier Ende 1940 zum Jagdgeschwader 54 versetzt. Im Sommer 1941 errang Nowotny an der Ostfront seinen ersten Luftsieg. Wenige Tage und Abschüsse später wurde auch er getroffen, so dass er auf der Ostsee mit Motorschaden notwassern musste. Nach drei Tagen im Rettungsfloß erreichte er die rettende Küste und kurze Zeit später saß er wieder in einer Bf 109. Continue reading „Herr der Strahljäger“

Als Polen auf Schlesien verzichtete

Von Dr. Manuel Ruoff

Vor 675 Jahren gab es an der Donau rund 40 Kilometer nördlich von Budapest in Plintenburg (Visegrad) ein Dreikönigstreffen der besonderen Art. Es trafen sich der ungarische Gastgeber Karl von Anjou, der Pole Kasimir der Große und Johann von Böhmen mit großem Gefolge. Das dreiwöchige Treffen endete am 19. November 1335 mit dem böhmisch-polnischen Vertrag von Visegrad. In der sogenannten Zitadelle auf einem Bergkegel am Donauknie wurde noch einmal der Inhalt des wenige Monate zuvor am 24. August 1335 unterzeichneten böhmisch-polnischen Vertrages von Trentschin bestätigt. Continue reading „Als Polen auf Schlesien verzichtete“

„Größte Mehrzweckhalle der Welt“

Von Dr. Manuel Ruoff

Sie galt als die „größte Mehrzweckhalle der Welt“, als sie am 29. November 1935 von Adolf Hitler eröffnet wurde. Insbesondere die 117 Meter lange und 83 Meter breite stählerne Dachkonstruktion galt als architektonische Meisterleistung. Beeindruckend ist auch die Bauzeit der von Franz Ohrtmann und Fritz Wiemer entworfenen Deutschlandhalle: neun Monate.

Anlass ihres Baus waren die Olympischen Spiele 1936 in der Reichshauptstadt. Dort wurde die Halle denn auch in der Tat genutzt. In der ersten Woche wurden hier gerungen und Gewichte gestemmt, in der zweiten dann geboxt. Auch ansonsten wurde die Halle intensiv für Sportwettkämpfe genutzt. Bereits eine Woche nach der Einweihung fand auf der 208 Meter langen Holzpiste ein 100-Kilometer-Mannschaftsrennen statt. Doch auch für Parteiveranstaltungen und die Zirkusshow „Menschen, Tiere, Sensationen“ wurde der Bau verwendet. Geschichte schrieb Hanna Reitsch, als sie 1938 in der Deutschlandhalle den ersten Hallenflug mit einem Hubschrauber vorführte.

Im Zweiten Weltkrieg setzte am 16. Januar 1943 ein Luftangriff während einer Vorstellung von „Menschen, Tiere, Sensationen“ das Dach in Brand. Weder Mensch noch Tier wurden getötet, aber die Deutschlandhalle war nicht mehr zu retten. Continue reading „„Größte Mehrzweckhalle der Welt““

Gustav Adolf von Götzen: Forscher, Soldat, Diplomat und Gouverneur

Von Dr. Manuel Ruoff

Gustav Adolf von Götzen gehörte zu den Glücklichen, die zumindest zeitweise in ihrem Leben Hobby und Beruf miteinander verbinden können. Bevor er mit Mitte Zwanzig das erste Mal seinen Fuß auf afrikanischen Boden setzte, hatte der am 12. Mai 1866 in der Grafschaft Glatz auf Schloss Scharfeneck geborene Schlesier bereits Frankreich und Italien kennen gelernt. Götzen gehörte einer Offiziersgattung an, die anders als heute damals in Deutschland noch die Ausnahme darstellte: Er war Akademiker.

Erst nach einem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Paris, Berlin und Kiel trat er 1885 in das 2. Garde-Ulanen-Regiment ein. Zwei Jahre später wurde er ins Offizierskorps aufgenommen. Ein halbes Jahrzehnt darauf wurde er als Militärattaché nach Rom kommandiert. Noch im selben Jahr unternahm er von dort aus einen Jagdausflug zum Kilimandscharo in Deutsch-Ostafrika. Continue reading „Gustav Adolf von Götzen: Forscher, Soldat, Diplomat und Gouverneur“

„Rotes Schloss am Meer“

Von Dr. Manuel Ruoff

Vor 100 Jahren weihte der Deutsche Kaiser Wilhelm II. die Marineschule Mürwik ein

Am 21. November 1910 wurde sie eingeweiht, am Ende des Zweiten Weltkrieges machte Karl Dönitz sie zum Sitz der Reichsregierung, und heute bildet die Deutsche Marine an ihr ihre Offiziere aus – die Rede ist von der Marineschule Mürwik.

So lange sich das Deutsche Reich in der Tradition Preußens noch primär als Landmacht begriff, genügte das 1888 fertiggestellte heutige Landtagsgebäude Schleswig-Holsteins den Anforderungen an die Ausbildungsstätte der Offiziere der Kaiserlichen Marine. Als allerdings 1898 mit dem ersten Flottengesetz die Aufrüstung der Flotte begann, war das nicht mehr der Fall. Statt 70 bis 80 muss­ten pro Jahrgang nun 200 Seekadetten ausgebildet werden. Da zudem die infanteristische Grundausbildung der Kadetten zukünftig auch an der Marineschule stattfinden sollte, war es mit kleinen Erweiterungsbauten nicht getan. Continue reading „„Rotes Schloss am Meer““

Die Krone angetragen: Friedrich Wilhelm IV.

Von Dr. Manuel Ruoff

Eduard von Simson leitete gleich zwei Kaiserdeputationen, eine im Jahre 1849, eine 1870 – Präsident mehrerer Parlamente

Friedrich Wilhelm IV.

Eduard von Simson leitete als Präsident des Frankfurter Paulskirchenparlamentes die Kaiserdeputation, die 1849 Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone anbot. Der preußische König lehnte das „Hundehalsband, mit dem man“ ihn „an die Revolution von 1848 ketten will“, ab und brachte damit die Revolution von 1848/49 zum Scheitern.

Weniger bekannt dürfte sein, dass Simson als Präsident des Reichstages des Norddeutschen Bundes auch die Deputation leitete, die 1870 Fried­rich Wilhelms IV. Bruder Wilhelm I. die Kaiserkrone antrug – diesmal mit Erfolg. Otto von Bismarck hat diese Parallele als einen „Witz der Geschichte“ und „ein reizendes Spiel des Ge­schicks“ bezeichnet. Tatsächlich gibt es wohl keinen anderen Deutschen, der in einer vergleichbar exponierten Stellung sowohl an dem gescheiterten Versuch der Reichs­einigung der Jahre 1848/49 „von unten“ als auch am geglück­ten Versuch der Reicheinigung der Jahre 1870/71 „von oben“ beteiligt gewesen wäre. Continue reading „Die Krone angetragen: Friedrich Wilhelm IV.“

Was Pantheon und Allerheiligen verbindet

Von Dr. Manuel Ruoff

Vor 1400 Jahren widmete Papst Bonifatius IV. den Römer-Bau den Märtyrern – der Ursprung des Kirchenfestes

Papst Bonifatius IV. verdankt Westeuropa nicht nur den Ursprung von Allerheiligen, sondern auch, dass das Pantheon in Rom, einer der eindrucksvollsten Bauten der Antike, erhalten blieb.

Pantheon
Pantheon in Rom

Bonifatius IV. erfreute sich ebenso wie sein Vorgänger Bonifatius III., dessen Nachfolge er 608 angetreten hatte, freundschaftlicher Beziehungen zum oströmischen Kaiser Phokas. Auf seine Bitte hin schenkte ihm der weltliche Herrscher das Pantheon. Dabei handelte es sich zu jenem Zeitpunkt noch nicht um eine christliche Kirche. Um 26 vor Christi Geburt hatte Marcus Vipsanius Agrippa zu Ehren seines Freundes, Förderers und Schwiegervaters Augustus einen Tempel errichten lassen. Anlass war der gemeinsame Sieg über Marcus Antonius und Kleopatra in der Seeschlacht bei Actium 31 v. Chr. Über ein Jahrhundert später wurde der Bau ein Opfer der Flammen, als 80 n. Chr. Rom von einem Großbrand heimgesucht wurde. In der Regierungszeit Kaiser Domitians von 81 bis 96 wurde das Gebäude wieder aufgebaut. 110 schlug der Blitz in den Sakralbau ein. Continue reading „Was Pantheon und Allerheiligen verbindet“

Die eugenische Bewegung in den USA

Von Josef Wilhelm Knoke

Die vieldiskutierten Thesen Sarrazins haben zu einer breiten Diskussion der von ihm aufgeworfenen Fragen in der deutschen Bevölkerung geführt. Vor allem der von ihm geäußerte Aspekt einer graduellen Degeneration der Bevölkerung auf lange Sicht wird von heutigen Wissenschaftlern als nicht haltbar angesehen. Dabei ist diese Diskussion absolut nicht neu. Vor allem im angelsächsischen Raum war dies eine weit verbreitete These zu Beginn des 20. Jahrhunderts, lange bevor der Nationalsozialismus mit seinen kruden Philosophien in Deutschland etabliert war. Wie kam es gerade im angelsächsischen Raum dazu?

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu zahlreichen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und Entdeckungen im Bereich der Vererbungslehre. In diesem Zusammenhang sind vor allem die grundlegenden Erkenntnisse Charles Darwins zur menschlichen Evolution zu nennen, die Formulierung der Keimplasmatheorie durch August Weismann in den 1880er Jahren und die Wiederentdeckung der Mendelschen Vererbungsregeln im Jahr 1900. Aber auch soziologische und kriminalanthropologische Erkenntnisse spielten eine Rolle bei der Formung einer neuen Lehre, deren Namen durch Francis Galton geprägt wurde. Diese Lehre übertrug die gewonnenen Erkenntnisse über die Vererbung aus Pflanzen und Tierzucht auf den Menschen, und strebte durch gezielte Eingriffe eine qualitative Verbesserung des menschlichen Geschlechts an. Galton nannte die neue Disziplin Eugenik, abgeleitet von dem griechischen Wort εύγενής = edelgeboren, von guter Art. Continue reading „Die eugenische Bewegung in den USA“

Abschied von Loki Schmidt

Von Johanna Renate Wöhlke

Präsidentin der DAP

Loki Schmidt hat uns ihre Kindheitsgeschichte erzählt – seither haben wir eine Geschichte mit Loki Schmidt und sie ist Teil unserer Geschichte geworden – wie sie Teil so vieler menschlicher Geschichten geworden ist in ihrem so reichen Leben – nicht nur als Gattin eines Bundeskanzlers, sondern als eigene, auf ihren Feldern engagierte Persönlichkeit.

Josef-Wilhelm Knoke, Dr. Wolf Tekook und ich haben Loki Schmidt vor einem Jahr Zuhause in Hamburg besucht. Mit ihrer Kindheitsgeschichte, die Teil eines Buches werden wird, hat sie uns ein Geschenk gemacht, das wir nie vergessen und für unsere Leser bewahren werden.

Wir waren ihre Gäste, haben ihren Kaffee getrunken und mit ihr zusammen auf dem Sofa im Wohnzimmer gesessen, auf dem schon so viele bekannte Persönlichkeiten der Weltgeschichte Platz genommen haben. „Wo Sie jetzt sitzen, da hat Giscard d`Estaing gesessen“ sagte sie mir beim ersten Interview vor fünfzehn Jahren. Continue reading „Abschied von Loki Schmidt“

Der „Vater“ der Weimarer Verfassung

Von Dr. Manuel Ruoff

Hugo Preuß setzte der Parteienmacht Grenzen und machte den Präsidenten zum »Ersatzkaiser«

Während man gemeinhin von den (Müttern und) Vätern des Grundgesetzes spricht, ist nur von einem Vater der Weimarer Verfassung die Rede. Und der heißt Hugo Preuß. Nach der erfolgreich verlaufenen Novemberrevolution erwog der Rat der Volksbeauftragten den wohl bedeutendsten deutschen Soziologen der damaligen Zeit, Max Weber, und eben Hugo Preuß mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für eine neue, republikanische und demokratische Verfassung zu beauftragen. Weber disqualifizierte sich jedoch in den Augen der Revolutionäre durch die Ablehnung ihres Produktes, der Revolution. Vergleichbare Reserven sind hinsichtlich Preuß nicht bekannt. Vielmehr rief der Kaufmannssohn im „Berliner Tageblatt“ vom 14. November 1918 seinen Stand, das Bürgertum, auf, sich „auf den Boden der vollzogenen Tatsachen“ zu stellen und am Aufbau der Republik mitzuwirken. Am darauffolgenden Tag wurde er vom Rat der Volksbeauftragten mit der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfes und von Reichskanzler Fried­rich Ebert mit der Leitung des Reichsamts des Innern beauftragt. Continue reading „Der „Vater“ der Weimarer Verfassung“

Bezwinger Napoleons

Von Dr. Manuel Ruoff

August Neidhardt von Gneisenau zählt mit Gerhard von Scharnhorst, dessen Nachfolge er nach dessen Tod in der Blücher-Armee antrat, zu den bedeutendsten Militärreformern Preußens. Untrennbar ist sein Wirken mit Napoleon verbunden, dessen Bezwinger er schließlich wurde.

Das Leben des am 27. Oktober 1760 in Schildau Geborenen ist abenteuerlich, aber unspektakulär. Der gebürtige Sachse ergriff den Beruf seines Vaters und erreichte 1786 sein Ziel, in die seinerzeit ruhmreichste Armee aufgenommen zu werden.

Nach dem Ausbruch des Vierten Koalitionskrieges 1806 nahm Gneisenau unter Prinz Louis Ferdinand am Gefecht bei Saalfeld und unter Ernst von Rüchel an der Schlacht von Jena teil. Von Rüchel protegiert, übernahm er 1807 die Verteidigung der Festung Kolberg. Während Preußens Generalität noch in den Kategorien des Kabinettskrieges dachte, bediente sich Gneisenau mit Hilfe des Bürgerrepräsentanten Joachim Nettelbeck bereits in Ansätzen der Methoden des modernen Volkskrieges. Und er war damit erfolgreich. Während andere preußische Festungen kampflos übergeben wurden, konnte Kolberg bis zum preußisch-französischen Waffenstillstand gehalten werden. Continue reading „Bezwinger Napoleons“

Friedhof der Göttertiere

Antike Balsamierer helfen modernen Medizinern
Aegyptische Geschichte aus ungewöhnlichen Blickwinkeln

Text: Hans-Peter Kurr /Fotos : M. Bertinetti & H.-P. Kurr

Autor Hans- Peter Kurr vor einer Horus- Skulptur

Aegyptologie ist ein erst etwas mehr als zweihundert Jahre alter Wissenschaftszweig, der sich mit der Erforschung von fünftausend Jahren Menschheitsgeschichte im östlichen Mediterraneum beschäftigt.In unseren Tagen verblüfft ein neuer Aspekt in der Arbeit der Aegyptologen. Sie helfen der modernen Medizin: Das Institut für Aegyptologie an der Münchner Maximilian-Universität, unter  Leitung von Professor Dr. Dieter Kessler, forschte im „Friedhof der Göttertiere“ bei Tuna-el-Gebel.
Seit Entzifferung der Hieroglyphen durch den Franzosen Champollion zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Funde von Tiermumien eher als Kuriosa abgetan.Man beschäftigte sich zuvörderst mit Pharaonengräbern,  Pyramiden, Obelisken, Goldfunden.Diese Gebiete waren, gemeinsam mit wichtigen Papyri, die „Objekte der Begierde“.Erst jetzt rückt immer mehr die gigantische „Industrie“ und der Kult des antiken Aegypters, den er jahrtausendelang an und mit Tieren betrieb, in den Brennpunkt genauerer wissenschaftlicher Forschung, die dabei  Ergebnisse erzielt,die unter heutigen medizinischen Aspekten sehr interessant sind:
Im Zeitalter von Schweinegrippe, Vogelseuche, SARS etc. werden die nachzuweisenden, artenübergreifenden Übertragungswege von Viren immer wichtiger – etwa am Beispiel von TBC, worunter offenbar der Aegypter des Altertums selber als auch dessen Rinder litten. Continue reading „Friedhof der Göttertiere“

Die Anfänge der UdSSR

Von Josef Wilhelm Knoke

Der monolithische Gesamteindruck, den wir während des kalten Krieges von der UDSSR hatten, bevor sie in diverse Staaten zerfiel, entsprach nicht ihrer Entstehungsgeschichte. Bei ihrer Gründung gab es Teileinheiten, die sich nach Art, Kompetenzen und politischem Status deutlich voneinander unterschieden.
Grundlage des Unionsvertrages war ursprünglich das Prinzip der Freiwilligkeit und Gleichberechtigung der Unionsrepubliken,  sowie das Recht des freien Austritts. Continue reading „Die Anfänge der UdSSR“

Lenin und Stalin: Die Kontroverse vor Gründung der UdSSR

Von Josef Wilhelm Knoke

Im Vorfeld der Gründung der UdSSR gab es zwei kontrovers diskutierte Fragestellungen: a) Sollte die Organisationsstruktur des Staates eher föderalistisch oder eher zentralistisch ausgerichtet sein? b) Welchen Spielraum sollten „Nationalitäten“ bzw. Nationalstaaten in diesem Gebilde haben? Im Zarenreich wurde bis zuletzt am Konzept des „einheitlichen, unteilbaren Russlands“ festgehalten und dementsprechend ein föderalistisches Nationalitätenkonzept abgelehnt. Auch die Bolschewiki standen bis 1917 einem föderativen Aufbau Russlands klar ablehnend gegenüber, basierend auf Marx und Engels, die den proletarischen Einheitsstaat propagierten.

Lenin sagte dazu 1913 in seinem Artikel „Kritische Bemerkungen zur nationalen Frage“: …solange und soweit verschiedene Nationen einen Einheitsstaat bilden, werden die Marxisten unter keinen Umständen das föderative Prinzip oder die Dezentralisation propagieren. Der zentralisierte Staat ist ein gewaltiger historischer Schritt auf dem Wege von der mittelalterlichen Zersplitterung zur zukünftigen sozialistischen Einheit der ganzen Welt… Continue reading „Lenin und Stalin: Die Kontroverse vor Gründung der UdSSR“

Die Situation im Vorfeld der Gründung der UdSSR

Die Oktoberrevolution von 1917

Von Josef Wilhelm Knoke

Massendemonstrationen in Petrograd führten im Februar 1917 zu allgemeinen Arbeiter- und Soldatenaufständen; der Zar wurde von konservativen Abgeordneten und dem Stabschef zur Abdankung am 2.3. 1917 (Alten Stils) überredet. Es entstand eine Doppelherrschaft von bürgerlich-liberaler Regierung einerseits und andererseits Arbeiter- und Soldatenräten (Sowjets oder Sovety) in vielen Städten. Das Dilemma war, dass die Regierung die Legitimation, aber keine Macht besaß, die Räte hingegen die Macht ohne Legitimation. Continue reading „Die Situation im Vorfeld der Gründung der UdSSR“

Wie ein Preuße unter die Welfen geriet

Von Dr. Manuel Ruoff

Der historisch Interessierte denkt bei (dem Herzogtum) Braunschweig – ähnlich wie bei (dem Königreich) Hannover – an die Herrschaft der Welfen. Unter all den Welfen gab es jedoch auch einen Hohenzollern an der Spitze der Stadt Heinrichs des Löwen: Prinz Albrecht von Preußen. Vor 125 Jahren, am 21. Oktober 1885, wählte die braunschweigische Landesversammlung auf Vorschlag des Regentschaftsrates den Preußen einstimmig zum Regenten.

Hierzu war es gekommen, weil Braunschweigs Herzog Wilhelm am 18. Oktober des Vorjahres verstorben war, ohne einen legitimen Nachkommen zu hinterlassen. Noch am selben Tag erhob Ernst August von Hannover als Chef der jüngeren, hannoverschen Linie des Hauses der Welfen aus seinem österreichischen Exil Anspruch auf das Herzogtum. Hier war jedoch der deutsche Reichskanzler und preußische Ministerpräsident Otto von Bismark vor, denn Ernst August hatte ebenso wie sein 1866 verstorbener Vater, der letzte hannoversche König Georg V., nie auf seine Ansprüche auf Hannover verzichtet, das Preußen nach dem Sieg im Deutschen Krieg von 1866 entgegen den damals üblichen politischen Gepflogenheiten annektiert hatte. Continue reading „Wie ein Preuße unter die Welfen geriet“

An der Spitze Elsass-Lothringens

Von Dr. Manuel Ruoff

vor 125 Jahren wurde Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst des Kaisers Statthalter im Reichsland

Bevor Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst im Jahre 1894 Reichskanzler wurde, war er neun Jahre lang Statthalter des Kaisers in Elsass-Lothringen. Damit besaß er für das Reichsland weitgehende Vollmachten. Vor 125 Jahren begann seine Amtszeit in Straßburg.

Nach dem Erwerb Elsass-Lothringens von der Französischen Republik im Frieden von Frankfurt stand das Deutsche Reich vor der Frage, wie dieser territoriale Gewinn aus dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zu integrieren sei. Als Alternativen standen der Anschluss an einen oder mehrere Bundesstaaten zur Diskussion. Die Wahl fiel jedoch auf die Schaffung eines eigenen Reichslandes mit dem Kaiser als Landesherren. Ab 1879 wurde der Kaiser während dessen Abwesenheit durch den Statthalter vertreten. Das sogenannte Ministerium übernahm die Funktion einer Regierung. An der Spitze des Ministeriums stand ein Staatssekretär. Die Ressortchefs hatten den Status von Unterstaatssekretären. Continue reading „An der Spitze Elsass-Lothringens“

Spätestens in Auerstedt entzaubert

Von Dr. Manuel Ruoff

„Ich bin ganz entzückt von ihm, von seinen Talenten, seinem angenehmen Wesen.“ Das sagte niemand Geringeres als Friedrich der Große. Und der, dem diese lobenden Worte galten, war der älteste Sohn seiner Schwester Philippine Charlotte, Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel. In einer Ode feierte der Preußenkönig seinen Lieblingsneffen und General seiner Armee gar als Helden und verglich ihn mit großen Feldherren der Geschichte. Dieses überschwängliche Lob des Siegers der Schlesischen Kriege, der eigentlich eher für Hohn und Spott bekannt war, ließ den am 9. Ok­tober 1735 geborenen Karl Wilhelm Ferdinand nach Friedrichs Tod zum Hoffnungsträger Preußens werden und darüber hinaus als einen der größten, wenn nicht den größten Feldherrn seiner Zeit erscheinen.

So erreichten ihn Rufe aus den Niederlanden und selbst aus dem revolutionären Frankreich, aber er blieb der preußischen Armee treu, für die ihn sein Onkel bereits als junger Mann gewonnen hatte. Im Ersten Koalitionskrieg von 1792/93 erhielt er den Oberbefehl über die preußisch-österreichische Hauptarmee. In dieser Eigenschaft erließ er wenige Monate nach Kriegsausbruch das nach ihm benannte Manifest vom 25. Juli 1792, in welchem den Parisern für den Fall, dass sie es wagen sollten, ihrem König ein Haar zu krümmen, mit dem Schlimmsten gedroht wurde. Dieses Manifest erreichte das Gegenteil des Gewollten, indem es den Stand Ludwigs XVI. in seinem Land erschwerte. Der oberlehrerhafte Ton verleitete den Adressaten förmlich dazu, das Gegenteil des Geforderten zu tun. Zudem mussten sich Frankreichs Revolutionäre fragen, auf wessen Seite ihr König stand, wenn der Feind sich so vehement für diesen einsetzte. Continue reading „Spätestens in Auerstedt entzaubert“