von Maren Schönfeld
Weihnachten und Hektik? Nö. Schauen Sie doch mal nach diesem schönen Haiku-Buch …
Eine Gruppe Kraniche bewegt sich auf dem in Grautönen gestalteten Buchdeckel. Sie sind wohl mit Tusche gezeichnet, filigrane Vögel, die als erstes meine Aufmerksamkeit fangen und mich veranlassen, das kleinformatige, quadratische Hardcover in die Hand zu nehmen und hineinzuschauen. Pro Seite erwarten mich höchstens zwei Haiku. Die Leerräume erlauben Konzentration auf einen einzelnen Text. Susanne Leiste-Bruhn hat Haiku geschrieben, die eine ruhige, medidative und melancholische Stimmung erzeugen. Die nach Jahrenszeiten angeordneten Haiku können Begleiter durch ein Jahr sein, kleine Zufluchten in ein beschwichtigendes Innehalten, Gegenpole zum Alltag. Sie erinnern an die Besonderheiten einer jeden Jahreszeit und verhelfen zu Achtsamkeit, wollen die Natur, das Licht, Wärme und Kälte ins Bewusstsein rufen.
Novembergäste.
Das Schweigen wieder zu lernen
fordert der Sturmwind. (S. 72)
Dabei fällt keins der Haiku in Schwere, alle verfügen über eine Art Leichtigkeit, selbst wenn sie Herbstmelancholie oder Wintereinsamkeit zum Thema haben. Susanne Leiste-Bruhn gelingt das zum Beispiel mit Lautmalerei, wenn sie sich in einem Haiku überwiegend für helle Vokale entscheidet, oder mit Stilmitteln wie der Alliteration, die sie wie unbeabsichtigt setzt:
Blaues Blütenblatt
auf meiner Schwelle lag es
am Frühlingsmorgen. (S. 33)
Den Haiku sind Illustrationen in japanischer Tuschmalerei von Rita Böhm zur Seite gestellt, die das jeweilige Thema aufgreifen, dabei aber große Eigenständigkeit besitzen. Mit ihrer Filigranität sind die berührenden Zeichnungen eine adäquate Bereicherung zu den medidativen Texten.
Susanne Leiste-Bruhn wurde in Halberstadt geboren und studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie. Sie war in verschiedenen Museen in Nürnberg und Berlin tätig und veröffentlichte unter anderem Literaturreiseführer zu Werken von Storm und Fontane. Sie lebt in Potsdam und auf dem Darß, dessen Landschaft auch eine Inspiration für ihre Texte ist.
Rita Böhm wurde in Leipzig geboren und ist Zen-Buddhistin. Sie war Schülerin des Zen-Meisters Ryotan Tokude und des Sumi-e-Meisters Massao Okinaka. Sie gründete eigene Sumi-e-Schulen in Südamerika und den USA und hatte Ausstellungen in Japan, China, Süd- und Nordamerika und Europa.
Susanne Leiste-Bruhn: Mit einer Kranichfeder. Haiku. 76 S. Wiesenburg Verlag. 2014
ISBN 978-3-95632-195-5