Von Götz Egloff
Seit nun annähernd zwei Jahren gelten für frauenärztliche Praxen die sogenannten „Regelleistungsvolumina“, die es Gynäkologen und Gynäkologinnen nahezu verunmöglicht, psychosomatische Beratungen angemessen abzurechnen. Dies stellt einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Verunglimpfung der sprechenden Medizin dar, in diesem Fall geradezu die Abschaffung der psychosomatisch orientierten Frauenheilkunde, die über rein technische Diagnostik und Behandlung hinausgeht. Die Zersplitterung medizinischer Fächer wird damit weiter vorangetrieben, so wünschenswert auch die Stärkung hausärztlicher Richtlinienkompetenz ist. Der Quartalsbetrag der „Regelleistungsvolumina“ für Gynäkologen pro Patientin erreicht kaum die 20 Euro-Marke – wohlgemerkt im Quartal! Wer sich ein wenig in der ärztlichen Honorierung auskennt, weiß: das ist erschreckend wenig. Der Zwei-, Drei- usw. -klassenmedizin wird somit weiterhin Tür und Tor geöffnet. Auch andere Facharztgruppen sind übrigens von dieser Entwicklung betroffen. Dass mit der rasanten Entwicklung bildgebender Verfahren in der Medizin enorme technische Möglichkeiten entstanden sind, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Großteil der ärztlichen Kunst auch im Gespräch liegt.
Bereits in der Pressemitteilung vom 4. März 2009 der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) weist Vorstandsmitglied Dr. Claudia Schumann darauf hin, dass „die ganzheitliche Betreuung in der frauenärztlichen Praxis (…) gefährdet“ ist. Das ist noch eine recht moderate Beschreibung. In der Praxis stellt sich dies viel härter dar: die Stoppuhr tickt permanent. Schumann weiter: „Die neue Regelung ist völlig unverständlich, denn man geht davon aus, dass fast die Hälfte der gynäkologischen Patientinnen über Beschwerden klagen, die körperliche und seelische Ursachen haben!“ Bislang scheint dieser Appell relativ ungehört verhallt zu sein – was eigentlich ein Skandal ist. In Zeiten der Entsolidarisierung muss man sich mittlerweile ernsthaft fragen, wie weit diese getrieben werden soll.
Der Politik kann man nur raten, von weiteren Steuersenkungen Abstand zu nehmen. Bürger und Bürgerinnen sind gut beraten zu wissen, dass es sich hierbei ohnehin um Nullsummenspiele handelt. Jeder freut sich über Steuersenkungen, ärgert sich jedoch bald darauf über die Zusatzgebühr, die er für eine nunmehr gestrichene Leistung aus eigener Tasche zu zahlen hat – meist wird es sogar deutlich teurer, da die Auflösung des Solidarprinzips mehr Ungleichheit produziert, indem sie einseitige Bevorzugungen trifft.
Um noch einmal die DGPFG zu zitieren: „Auf der Strecke bleibt immer häufiger die ganzheitliche Betreuung von problembehafteten Patientinnen wie Risikoschwangere, Frauen mit chronischen Unterleibsbeschwerden und Krebspatientinnen.“ Das kann nicht im Interesse des Volkes sein.
Die Forderung nach angemessener Vergütung der psychosomatischen Behandlung in der ärztlichen Praxis hat nichts mit „Psycho-Luxus“ zu tun, sondern mit der Notwendigkeit der Realität.
Quelle: www.dgpfg.de