erschienen im Hamburger Abendblatt
Von Johanna R. Wöhlke
Seltsames geschieht seit vielen Tagen in unserem Garten. Es ist ein Naturschauspiel, ein Drama, ja eine Tragödie und doch findet es jeden Tag statt. Wie gesagt, in unserem Garten, auf unserem Rasen, zwischen den Rabatten und Sträuchern, Stauden und Büschen. Zum Kuckuck noch mal, werden Sie sich fragen, was ist denn das nun?
Mit dem Kuckuck haben Sie ins Schwarze getroffen! Ja, da hüpft ein Kuckuckjunges rufend durch den Garten und fordert seine Eltern auf, ihn zu füttern. Das heißt, von dem Amselpärchen ist nur noch ein Elternteil auszumachen. Das allerdings ist schier unermüdlich dabei, unserem Rasen und der Erde Würmer zu entreißen und damit den Kuckuck zu füttern, den ihm die Natur da als fremdes Junges in sein Nest gelegt hatte.
Welch seltsame Laune der Natur, denn der Kuckuck ist bekanntlich ein Brutparasit, der seine Eier in die Nester anderer Vögel legt und sie dort ausbrüten lässt. Brutpflege gibt es bei ihm nicht. Reden wir nicht von Moral, aber nett hast du das nicht eingerichtet, Mütterchen Natur!
Wieder sehe ich diese arme Amsel, kleiner als der Kuckuck inzwischen. Da hüpfen sie einige Meter weit von meiner Nase entfernt durch den Garten. Ein seltsames Paar. Ich freue mich auf den Tag, an dem die Amsel diesen Kuckuck einfach stehen lässt, damit er sich nun endlich selbst seine Würmer aus dem Rasen zieht. Es wird Zeit, lieber Kuckuck. Groß bist du geworden. Also los, ab mit dir ins Kuckucksleben! Kannst ja nichts dafür.