erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff
Das Hohe Tor wird dieses Jahr 425 Jahre alt – Seine Attika spiegelt die wechselnden Herrschaftsverhältnisse
Wenn der polnische König einst Danzig besuchte, dann nutzte er das Hohe Tor im Westen der Stadt, das seinen Namen von den vor ihm liegenden Danziger Höhen hat. Dort begrüßten die Honoratioren der Stadt den Monarchen. Von diesem Haupttor der stolzen Hafen- und Hansestadt führt der sogenannte Königsweg dann in östlicher Richtung durch die Peinkammer, den Stockturm und das Langgasser oder Goldene Tor zur Langgasse und zum Langen Markt mit dem Rathaus und dem Artushof, an dessen östlichem Ende dann das Grüne Tor diese repräsentative Ost-West-Achse an der Mottlau abschloss.
Ähnelt der Rennaissancebau heute schon fast einem Triumphbogen, so war es dereinst in eine Wallanlage integriert, als deren Tor er diente. Eine integrierte Zugbrücke half bei der Überwindung des vor dem Wall angelegten Wassergrabens. Die Auslassungen im Mauerwerk für die Zugketten sind noch heute zu erkennen.
In der Kaiserzeit wurde dann der Erdwall abgetragen und der davor liegende Graben aufgefüllt. An der Stelle des Erdwalls entstand der Heumarkt, und dort, wo der Wassergraben verlief, wurde eine Straße gebaut.
Das Hohe Tor macht aus seinem hohen Alter kein Geheimnis. „Anno 1588 faciebat“ lautet eine der vielen Inschriften. 425 Jahre wird der imposante Bau also dieses Jahr alt. Zwei Jahre zuvor hatten die Danziger Ratsherren den Entwurf genehmigt. Zwei weitere Jahre früher war der Erbauer des Hohen Tores, Willem van den Blocke, mit einem Empfehlungsschreiben des polnischen Königs Stephan aus Siebenbürgen an die Ostsee gekommen. Möglicherweise ist die flämische Abstammung des 1550 in Mechelen geborenen Bildhauers und Architekten und seine Mitarbeit in der Werkstatt von Cornelis Floris in Antwerpen dafür verantwortlich, dass sein berühmtestes Werk in Danzig an wenige Jahrzehnte zuvor in Antwerpen entstandene Stadttore erinnert. Preußen blieb van den Blockes Heimat bis zu seinem Tode. Van den Blocke schuf in diesen Jahrzehnten noch manches in Danzig, wo er auch 1628 verschied, aber nichts von dem sollte hinsichtlich seiner Bedeutung auch nur noch annähernd an das Hohe Tor heranreichen.
Wie viele Prunkbauten ist auch das Hohe Tor von politischer Aussagekraft. Auf des Tores Westseite sticht unter den Flachreliefs der Attika in der Mitte das Wappen Polens hervor. Links davon befindet sich das Wappen des vom polnischen König beherrschten königlichen Preußen und rechts schließlich jenes Danzigs. Unter den Wappen findet sich in der Mitte der Sinnspruch „Iustitia et pietas duo sunt regnorum omnium fundamenta“ (Gerechtigkeit und Frömmigkeit bilden die Grundlagen aller Königreiche), links „Sapientissime fiunt omnia quæ pro republica fiunt“ (Am vernünftigsten geschieht das alles, was dem Wohle der Republik dient) und rechts „Civitatib hæc optanda bona maxime pax libertas concordia“ (Die für die Staaten am meisten erwünschten Güter sind Friede, Freiheit und Eintracht). Legendär ist des Volksmundes Interpretation von „rum omnium Fundamenta“ in der Weise, dass der Rum die Grundlage von allem sei.
Als Danzig infolge der sogenannten Zweiten Polnischen Teilung preußisch wurde, widerstanden die neuen Herren der Versuchung der Bilderstürmerei. Allerdings bot die Niederlegung des Festungswalles den Hohenzollern auch so die Möglichkeit, sich zu verewigen. Nun wurden auch die vorher noch im Rohzustand befindlichen Teile der Backsteinwände mit Buckelsteinplatten verkleidet und analog zur Westfassade die Attika auf der Ostseite mit dem preußischen Staatswappen einschließlich der zwei wilden Männer als Schildhalter verziert. Im Gegensatz zum Rest Danzigs hat sein Haupttor den Zweiten Weltkrieg ohne nennenwerten Schaden überstanden.