Das monumentalste Denkmal des Reichsgründers steht ausgerechnet im nie zu Preußen gehörenden Hamburg
Von Manuel Ruoff
Das größte Bismarckdenkmal der Welt steht bemerkenswerterweise nicht auf preußischem Boden, sondern in Hamburg – das nie zu Preußen gehört hat. Vielmehr hatte die Kaufmannsstadt zu Preußen im allgemeinen und zu Bismarck im besonderen ein anfänglich nicht ganz unproblematisches Verhältnis. Gemeinhin haben Kleinstaaten zu großen Nachbarn ihrer großen Nachbarn bessere Beziehungen als zu ihren großen Nachbarn. Das traf auch für das Verhältnis Hamburgs zu Österreich im Vergleich zu jenem zu Preußen zu. Hinzu kamen in diesem Falle Spezifika. Im Vergleich zum stark militärisch geprägten Preußen kam das eher zivile Naturell der Österreicher den die Hansestadt politisch dominierenden Kaufleuten stärker entgegen. Die Neigung der Österreicher zu einer eher lockeren, föderalen Lösung der deutschen Frage entsprach zudem stärker dem traditionellen Hamburger Drang nach Selbständigkeit. Ein prägendes Erlebnis für die Hamburger war die Wirtschaftskrise von 1857. Während sich das nahe Preußen auf kluge Sparvorschläge beschränkte, schickte Österreich Silber, um den Liquiditätsengpaß zu überwinden. Folglich verspürten die Hamburger denn auch wenig Neigung, 1866 an der Seite Preußens in den deutschen Bruderkrieg gegen Österreich zu ziehen. Rücksichtslos mußte Bismarck ihnen erst mit dem Verlust der Eigenständigkeit drohen, bevor sie endlich Soldaten Richtung Süden in Marsch setzten.
Ähnlich entschlossen zeigte sich Bismarck auch, als er sich nach seinem konservativen Schwenk zur Schutzzollpolitik 1878 in den Kopf gesetzt hatte, das Territorium des Deutschen Reiches zu einem einheitlichen Zollgebiet zu machen. Die Hamburger Großkaufleute waren zu jener Zeit wie ihre Bremer Kollegen Anhänger des Freihandels und lehnten einen Zollanschluß ab. Unter Zuhilfenahme der Peitsche brachte Bismarck die Hanseaten in den Zollverbund. Allerdings nutzte Bismarck auch Zuckerbrot in Form des den Hamburgern zugestandenen Freihafens, von dem sie heute noch profitieren.
Bismarck hatte erkannt, daß Hamburgs Kaufleute dem gemeinsamen Reich in einer Weise dienen konnten, zu der Preußens Beamte niemals in der Lage waren. Er wußte aber auch, daß die Hamburger dem Reich diesen unschätzbaren Dienst nur freiwillig, aber nicht unter Zwang gewähren würden. So versuchte Bismarck, die Hamburger politisch wie wirtschaftlich ohne bleibende Bitternis in das von ihm geschaffene Reich zu integrieren. Wie sehr ihm dieses gelungen ist, kann jeder Besucher Hamburgs an dessen imposantem Bismarckdenkmal am Hafen ablesen.
Nach dem Tode Otto von Bismarcks am 30. Juli 1898 konstituierte sich aus Hamburgs Bürgerschaft ein „Comité für die Errichtung eines Bismarck-Denkmals“. Den Vorsitz übernahm kein Geringerer als der Erste Bürgermeister, Johann Georg Mönckeberg. Diese Bürgerinitiative brachte fast eine halbe Million Goldmark zusammen. Den Bauplatz am Hafen, auf den Bismarck schauen sollte, stellten Regierung und Parlament, Senat und Bürgerschaft zur Verfügung. Als Standort entschied man sich für die ehemalige Bastion „Casparus“ der früheren, die Stadt umgebenden Wallanlage.
Für das Denkmal selber wurde 1901/02 ein Wettbewerb durchgeführt. Von insgesamt 239 Entwürfen setzte sich der des Architekten Johann Emil Schaudt und des Bildhauers Hugo Lederer durch. In dem folgenden halben Jahrzehnt setzten sie ihren Entwurf um. Ganz in der Tradition einer freien Handelsstadt entschied man sich für eine Standfigur im Stile eines Rolands. In mittelalterlicher Rüstung und Mantel, auf ein Schwert gestützt, blickt dieser Bismarck seewärts. Zu seinen Füßen sitzen Adler. Das Ganze besteht aus Schwarzwälder Granit. Die Figur steht auf einem Rundsockel aus gemauerten Ziegeln, der mit Natursteinen verkleidet ist und auf einem Fundament aus Kies steht. Am Sockel versinnbildlichen kolossale Athleten die deutschen Stämme. Am 2. Juni 1906 erfolgte die feierliche Enthüllung.