Vulkaninsel am Ende der Welt: Jan Mayen

MS Multanovskiy
Bei strahlendem Sonnenschein und einer steifen Brise aus nordöstlicher Richtung verlässt die „MS Multanovskiy“ den Hafen von Kevlavik. Die vierundvierzig Passagiere haben die obligatorischen Rettungsübungen unter der strengen Aufsicht des Ersten Offiziers hinter sich gebracht. Jetzt stehen sie an Deck und beobachten die faszinierende Landschaft der vorbeiziehenden isländischen Inseln, von denen ein Konzert aus vieltausend Vogelkehlen herübertönt. Vögel sind die einzigen Bewohner dieser Eilande. Sie bauen ihre Nester in die zerklüfteten bemoosten Felsen und nähren sich aus den reichen Fischgründen des Atlantischen Ozeans.

Heute steht das Thermometer auf 11 Grad Celsius. „Richtig warm für einen Tag Ende Mai in der Nähe des Polarkreises“, findet Kapitän Yuri Babkin aus St. Petersburg. Am Bug des Schiffes spielen Delphine. Ebenso schnell wie sie aufgetaucht sind, verschwinden sie wieder. „Ein Wal“, tönt es plötzlich aus dem Lautsprecher. „Mal alle schnell nach vorn kommen und Kameras bereit halten!“ Rolf Stange, der Expeditionsleiter, hat einen Finnwal entdeckt.  Ein riesiger grauer Rücken wird für kurze Zeit sichtbar,  gefolgt von einer mehrere Meter hohen Fontäne. Dann ist das Meer wieder glatt und undurchdringlich. Nur flache schaumige Wellen klatschen gegen die Bordwand.

Nach Landgängen auf der Insel Ellidaey, wo Kolonien von Eiderenten, Gryllteisten und Odinshühnern nisten, geht es weiter auf die Halbinsel Isafjödur. In dieser wildromantischen Landschaft mit den verlassenen Bauernhöfen und der größten Seevogelkolonie Islands mit unzähligen Dickschnabellummen und Dreizehenmöwen gilt es den sanft auf 300 Meter ansteigenden Hornbjarg zu bezwingen.

Endlich ist der große Tag da, dem  Passagiere und Mannschaft seit langem entgegengefiebert haben: Jan Mayen, die atemberaubende Vulkaninsel, kommt in Sicht. Schlauchboot ZodiacBereits in den frühen Morgenstunden tummeln sich alle Mann an Deck. Zu dieser Zeit verhüllt der 2 277 Meter hohe Beerenberg noch sein Haupt. Als die Nebelschwaden sich lichten, erstrahlt sein schneebedeckter Kegel in gleißendem Sonnenlicht. Die Passagiere stehen wie verzaubert da. Kaum zu glauben, dass im Inneren des Berges ein aktiver Vulkan schlummert. Der letzte Ausbruch ereignete sich 1985.

Die Küste besteht aus extrem schroffen Felsen. Deshalb geht die „MS Multanovskiy“ mitten in der Norwegischen See auf Reede. Die Schlauchboote werden zu Wasser gelassen, die Schwimmwesten festgezurrt. Schon Minuten später legt der erste „Zodiac“ am schwarzen vulkanischen Strand von Batvika  an. Eine hohe Welle bringt den zweiten fast zum Kentern.

„Das Wetter in diesem Teil der Welt ist unberechenbar. Es ändert sich von einer Minute zur anderen“, erklärt der Leiter der landeinwärts gelegenen meteorologischen Station wenig später.  Jan Mayen, die 500 km östlich von Grönland gelegene arktische Insel, gehört zu Norwegen. 1921 wurde die Wetterstation gebaut, auf der zur Zeit achtzehn Menschen leben. Übrigens die einzigen auf dieser einsamen Insel, die 380 qkm misst und auf deren unfruchtbarem Lavaboden in den kurzen Sommern außer Moos, Gras und einigen genügsamen Blumen nichts wächst.

Schon früh kamen Menschen auf dieses unwegsame Eiland „am Ende der Welt.“ Die Annalen berichten, irische Mönche seien im 6. Jahrhundert die ersten gewesen, die hier Fuß zu fassen suchten. Auch die unerschrockenen Wikinger waren schon hier. Zu einem wahren Zankapfel aber entwickelte sich Jan Mayen, die ihren Namen einem holländischen Kapitän verdankt, am Anfang des 17. Jahrhunderts. England und die Niederlande sahen hier einen idealen Stützpunkt für den Walfang. Die praktischen Holländer verarbeiteten den Tran bereits vor Ort und schützten ihre Produktionsstätten mit Kanonen gegen Eindringlinge. Was  die Basken aus dem fernen Spanien jedoch nicht daran hinderte, diese 1632 zu plündern.

Begehrt waren auch die Felle der weißen und blauen Füchse, die ursprünglich in großen Scharen die Insel bevölkerten. Als sie ausgerottet waren, verfiel Jan Mayen in einen Dornröschenschlaf, bis die Wissenschaft sich für diesen arktischen Außenposten zu interessieren begann. Im ersten Internationalen Polarjahr 1882-83 wählte eine österreichisch-ungarische Expedition die Insel als Forschungsbasis für Studien über Erdmagnetismus, Hydrografie und astronomische Phänomene.

„Viel Steine gab’s und wenig Brot“, resümiert ein Mitglied der Gruppe das Landschaftsbild. Geröll, vom Meer rund geschliffene Steine und Treibholz säumen den Strand. Auf einem Hügel stehen zwei verwitterte Holzkreuze zur Erinnerung an die beiden

norwegischen Walfänger, die 1911 hier ihr Leben ließen. Eine Handvoll dottergelber Butterblumen schmückt das schlichte Grab.

Rolf Stange patrouilliert mit geschultertem Gewehr am Gestade. Das ist Pflicht. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass sich der eine oder andere Eisbär aus Grönland in einer Höhle  versteckt hält. Als plötzlich ein scharfer Wind aufkommt und ein Donner in der Ferne grollt, ist es Zeit, die Schlauchboote zu Wasser zu bringen. An Deck der „MS Multanovskiy“ suchen die Passagiere vergeblich nach Jan Mayen. Die magische Insel ist wie eine Fatamorgana im Dunst verschwunden. Eine bleibende Erinnerung ist der Poststempel von der Wetterstation, der sich gut in jedem Fotoalbum macht.

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