erschienen im Hamburger Abendblatt
eine Glosse vom Johanna R. Wöhlke
Finger weg von den Fleischgabeln!
In der Ecke des Wartezimmers sitzt eine bedauernswerte Frau. Beide Hände sind fingerweise bandagiert, das Gesicht weist einige rote Flecken auf und ihr Gemütszustand scheint verheerend. „Ein frohes neues Jahr…“, ach, das hätte ich nicht sagen sollen. Die Frau schreckt zusammen, weint fürchterlich. Was hat sie nur?
Ich setze mich zu ihr und erfahre ihre Leidensgeschichte: Wie in jedem Jahr waren zu diesem Silvester wieder Freunde gekommen, um in gemütlicher Runde miteinander Fleischfondue zu genießen. Herbert hatte noch zusätzliche Fleischgabeln mitgebracht. „Damit man zwei gleichzeitig benutzen kann und nicht so lange warten muss“, meinte er.
Herbert, der „Turbofleischfresser“, wie die Kinder ihn nennen, konnte sich wieder nicht rücksichtsvoll benehmen, häufte sich den Teller voll Fleisch. Die anderen, in der Annahme nun kämen sie zu kurz, griffen ebenfalls hastig zu.
Kribbelnde Spannung breitete sich aus. Zusammen mit der doppelten Menge Fleischgabeln, die sich immer wieder ineinander verfingen, und dem ewigen Hin und Her der Hände, die nach Soßen, Brot und Gemüse griffen, geriet die arme Gastgeberin in die Schusslinie. Bald musste sie das erste Pflaster holen, um sich zu verarzten.
Beim Gerangel um die fertig gegarten Fleischstückchen an den vielen ineinander verhakten Gabeln geriet ein um das andere Mal auch der heiße Fetttopf in Gefahr. Am Ende konnte die Gastgeberin nur noch durch beherztes Zugreifen an den heißen Topf verhindern, dass er umfiel und womöglich das Mobiliar verwüstete, vielleicht sogar noch Feuer fing.
Jetzt weint die Arme laut auf: „Mein Mann hat gesagt, es sei das lustigste Fondue gewesen, dass er je gegessen hat!“
Wenn es bei Ihnen nicht so lustig gewesen sein sollte, schicke ich Ihnen als Service zum nächsten Fondue gerne Herbert mit den Fleischgabeln vorbei…