Von Uta Buhr
Die flinken dunklen Augen des Mannes in der schon malerisch verschlissenen Kleidung taxieren die Anzahl der Fahrgäste in der einlaufenden U-Bahn. Als er in einen gut besetzten Wagen steigt, fällt die fröhliche Miene wie eine Maske von seinem Gesicht. Mit vergrämtem Ausdruck und Trauer in der Stimme wendet er sich an das Publikum: „Meine Härrschaften, ick bien ein Flichtling und brauchen Geld für fünf Kiender und teire Miete. Deshalb ich was spielen von Franzi Schubert.“ Damit setzt er eine weiße Flöte an die Lippen und intoniert eine Melodie, die man mit einigem guten Willen für ein Stück aus dem Forellenquintett halten kann.
Die meisten Fahrgäste sehen den Flötisten genervt an. „Müssen diese schrillen Töne denn sein?“ sagt ihr Blick. Es ist stickig heiß an diesem Frühsommerabend. Man ist müde und braucht seine Ruhe. Doch der kleine Mann lässt sich nicht beirren. Behände hält er jedem seine verbeulte Mütze unter die Nase und sagt beschwörend: „Nur eine Euro für eine arme Kienstler, der genauso miede ist wie Sie und auch gärrn nach Hause zu seine Familie will. Oder weiterspielen?“ Da zücken doch viele schnell ihr Portemonnaie und kaufen sich frei, bevor dieser begnadete Musiker noch eine Zugabe macht.