erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff
»Guten Tag, Madame, und guten Weg!«
Königin Elisabeth Christines unerwiderte Liebe zu ihrem Ehemann, Friedrich dem Großen
Nur wenig ist tragischer als eine unerwiderte Liebe. Die Liebe der am 8. November 1715 in Wolfenbüttel geborenen dritten preußischen Königin zu ihrem Mann war eine solche. Friedrich der Große konnte es nie vergessen, dass die Ehe mit ihr der Preis war, den er seinem Vater für die Freiheit entrichtet hatte.
„Die Ehe macht großjährig und sobald ich das bin, bin ich Herr in meinem Hause und meine Frau hat nichts zu befehlen. Ich werde mich als Galanthomme verheirathen, das heißt, ich lasse Madame thun, was ihr gut dünkt und thue auf meiner Seite was mir gefällt. Ich werde mein Wort halten, ich werde mich verheirathen, aber nachher sehen Sie zu, was geschehen wird: Guten Tag, Madame, und guten Weg!“ Mit diesen Worten formulierte er seine Eheplanung gegenüber Friedrich Wilhelm von Grumbkow.
Dazu muss man wissen, dass diese Ehe ein Wunsch seines Vaters, des Soldatenkönigs, war. Zum einen schätzte dieser Elisabeth Christines Vater, den Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel, Ferdinand Albrecht II., der wie er das Militär liebte, zum anderen kam er damit einem Wunsche Österreichs nach. Im Gegensatz zu Friedrich II., der mit dem erfolgreichen Angriff auf Maria Theresias Erblande den deutschen Dualismus begründete, war Friedrich Wilhelm I. kaisertreu, und der Kaiser wünschte eine engere Bindung des großen Reichsterritoriums Preußen an die Habsburger. Entsprechend dem österreichischen Motto „Bella gerant alii, tu felix Austria nube“ (Kriege mögen andere führen, du glückliches Österreich heirate) wünschte der Kaiser gleich mit zwei Hochzeiten eine enge familiäre Verbindung zwischen dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. und seinem eigenen Schwager Ferdinand Albrecht II. herzustellen. Dazu erhielt Ferdinand Albrechts ältester Sohn Karl am 2. Juli 1733 Friedrichs II. Schwester Philippine Charlotte zur Frau und Friedrich Wilhelms I. ältester Sohn am 1. Juli 1733 Elisabeth Christine. Angesichts dieser Bedeutung Österreichs für die von ihm ungewollte Ehe kann es kaum verwundern, dass Friedrich II., kaum König, mit Maria Theresia Krieg anfing.
Elisabeth Christine wurde von ihrem eigenen Schwiegervater als „nit häßlich, auch nit schön“ bezeichnet. Schwerwiegender war sicherlich, dass sie Friedrich – ähnlich wie im 20. Jahrhundert Prinzessin Diana Prinz Charles – keine gleichwertige Gesprächspartnerin auf Augenhöhe war. Im Gegensatz zum sarkastischen, aufgeklärten Friedrich war Elisabeth Christine, so ihr Schwiegervater, „ein gottesfürchtiger Mensch“. Des Weiteren wird sie gemeinhin als gehemmt, schüchtern und zurückhaltend beschrieben. Letztgenannte Eigenschaften wurden sicherlich noch dadurch verstärkt, dass sie aus einem vergleichsweise kleinen Fürstentum an einen der bedeutendsten Höfe Deutschlands wechselte. Später scheint Elisabeth Christine zwar an Selbstsicherheit gewonnen zu haben, doch blieb sie ihrem Ehemann offenkundig intellektuell unterlegen. Ihr eigener Kammerherr schrieb in seinem Tagebuch: „Die Königin flattert herum und schreit unbarmherzig, wiewohl sie nichts zu sagen hat.“
Doch niemand ist perfekt, und Elisabeth Christine scheint durchaus auch einige positive Eigenschaften besessen zu haben. Sie verhielt sich loyal gegenüber ihrem Ehemann, sie repräsentierte dessen Königreich würdig und engagierte sich auf sozialem Gebiet. Friedrich sagte über sie: „Ich habe keinen Widerwillen gegen sie, sie ist ein gutes Herz, ich wünsche ihr nichts Böses, aber ich werde sie nie lieben können.“
Dass er seine Ehefrau nicht liebte, wird man Friedrich nicht zum Vorwurf machen können. Doch darf man erwarten, dass er sie so gut behandelte, wie es ihren auch von ihm nicht in Abrede gestellten Tugenden entsprach. Darüber, ob der Alte Fritz dieses getan hat, gehen die Darstellungen etwas auseinander.
Interessanterweise scheint die Geschichtsschreibung vor der Abschaffung der Hohenzollernherrschaft in Berlin die Frage rigoroser bejaht zu haben. Friedrichs berühmte Worte „Madame sind korpulenter geworden“ als einzige Begrüßung nach fast siebenjähriger räumlicher Trennung kommen in dem 1877 veröffentlichten Artikel der „Allgemeinen Deutschen Biographie“ über Elisabeth Christine nicht vor. Allerdings scheint Friedrich seine Frau im Großen und Ganzen korrekt behandelt zu haben. Während seiner Kronprinzenzeit hatte nicht nur er, sondern auch seine Angetraute im Schloss Rheinsberg ein paar schöne Jahre. Ihrem Schwiegervater schrieb sie: „Der Rheinsberger Aufenthalt ist mir so angenehm wie er nur immer sein kann, bin ich doch vereint mit dem liebsten, das ich auf der Welt besitze.“ Sogar seinen ehelichen Verpflichtungen scheint er nachgekommen zu sein, schrieb der Kronprinz doch Ernst Christoph von Manteuffel: „Sie ist hübsch und kann sich nicht beklagen, dass ich sie gar nicht liebe, kurz – ich weiß wirklich nicht woran es liegen mag, dass wir keine Kinder bekommen.“
Damit war nach Friedrichs Regierungsantritt zwar Schluss, denn es folgte die räumliche Trennung. Doch ließ sich der neue König weder von ihr scheiden noch verstieß er sie. Vielmehr ermöglichte er ihr eine eigene standesgemäße Hofhaltung auf dem ihr geschenkten Schloss Schönhausen. Seinen Leibarzt wies er an: „Ich empfehle Ihnen die Königin ohne Aufschub zu besuchen und sich mit den beiden anderen Ärzten von Berlin zu verbinden. Denken Sie daran, dass es sich um die teuerste und notwendigste Person für den Staat, für die Armen und für mich handelt.“ Auch Elisabeth Christine scheint ihre Behandlung für anständig gehalten zu haben, schrieb sie doch ihrem geschätzten Bruder Ferdinand: „„Wenn es ein Verbrechen ist an den König zu hängen, so rühme ich mich dessen. Jeder Rechtschaffene muß ja einen solchen König wie den unsrigen lieben, der die Güte selber ist und es in vollem Maße verdient, daß man ihn nicht blos aus Pflichtgefühl, sondern auch aus herzlicher Zuneigung liebt. So lange mir die Augen offen stehen, werde ich diese meine Gefühle nie und nimmer verändern.“
Friedrichs Fürsorge ging sogar über seinen Tod hinaus. So verlangte er in seinem 17 Jahre vor seinem Tod verfassten Testament von seinem Neffen und designierten Nachfolger, „ihr jene Hochachtung zu erweisen, die ihr als Wittwe seines Oheims und als einer Fürstin, die nie vom Tugendpfade abgewichen, gebühre“. Dieser Forderung scheint Friedrich Wilhelm II. gerne entsprochen zu haben, und so waren der Königswitwe noch ein paar friedvolle Jahre ohne materielle Not und Anfeindungen im Kreise der königlichen Familie vergönnt, bevor sie, immerhin schon im 82. Lebensjahr stehend, am 13. Januar 1797 in Berlin verschied.