Eine Glosse von Uta Buhr
Alles neu macht der Mai, heißt es im Volksmund. Wir haben, um den lang ersehnten Lenz würdig zu begrüßen, den Maler bestellt, auf dass er unserer Wohnung einen frühlingsfrischen Neuanstrich gebe.
Da polterten am ersten Tag zwei weißgekleidete Gesellen herein und unterhielten sich lautstark, rau aber herzlich durch die Wände: „Kuddl, lang’ doch mal die Leiter rum“, oder „Verdammich noch mal, wo sind meine Zigaretten.“ Als sie sich abends verabschiedeten, hinterließen sie Dreck und wildes Durcheinander.
Am nächsten Morgen aber waren die Männer wie verwandelt, sprachen leise und dezent, vermieden jegliche Kraftausdrücke. Des Rätsels Lösung: Eine junge Dame, ein Fräulein Malermeister, mit rosigen Wangen und lustigen blauen Augen weilte in ihrer Mitte. Und sie malte, dass es eine Lust war, ihr zuzusehen. Ihre Spezialität waren die Heizungen, aus denen sie wahre Kunstwerke machte.
Die Männer bewunderten die Arbeit ihrer jungen Kollegin gebührend und gingen dann selbst eifrig ans Werk. Die restliche Zeit verging wie im Fluge in einzigartiger Harmonie. „Wenn soone nette Deern dabei ist, macht die Arbeit doch gleich viel mehr Spaß“, strahlten die beiden Maler am Schluss. „Is doch schon was Feines, die Emanzipation.“