Von Immo H. Wernicke
Internationaler Beifall für Kanzlerin Merkels Willkommenskultur
Zur „Flüchtlingskrisendebatte“ im Allianzforum anläßlich „World Health Summit“ im Oktober in Berlin
Im September 2015 erntete die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer Willkommensgeste gegenüber den „Flüchtlingen“ in Ungarn weltweit den Beifall der internationalen Medien und vieler NGOs, wie „Pro Asyl“. Die unerwartete deutsche Willkommenspolitik wurde vor allem vom UNHCR (United Nations‘ High Commissioner of Refugees) und von der zeitgleich tagenden „General Assembly oft he United Nations“ in New York begrüßt (Grafik 1). Auf dem „World Health Summit“ im Oktober in Berlin zur Prävention von Krankheiten, Unterernährung und Hunger als Ursachen für Bürgerkriege und Flucht dankten Studenten aus Syrien, begleitet von anhaltendem Beifall, für die großzügige Aufnahme ihrer Landsleute in Deutschland. Infolge ihres gewachsenen internationalen Ansehens wurde die Kanzlerin bereits für den Friedensnobelpreis „gehandelt“.
Die unkontrollierte Flüchtlingsaufnahme könnte sich indes als „Trojanisches Pferd“ (Foto) für die Kanzlerin erweisen. Seitens der nicht konsultierten europäischen Nachbarn wächst die Kritik. Der Koalitionspartner aus Bayern verlangt Obergrenzen, schnelle „Abschiebung“ und wirksame Grenzkontrollen. Vor der „Einigung“ auf dem CDU-Parteitag bezog die Junge Union eine ähnliche Position. Ihr Koalitionspartner SPD fordert das Gegenteil. Der Flüchtlingsstatus vieler Asylbewerber wird aber nach Aufdeckung von Passfälschungen nicht nur vom Bayerischen Innenminister bestritten.
Objektive Berichterstattung in den deutschen Medien ?
Anfangs berichteten die deutschen Medien euphorisch über die neue Willkommenskultur und setzten sich vehement für die „in Not befindlichen Flüchtlinge“ ein. Der Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention wurde pauschal unterstellt. Vergleiche mit den Flüchtlingen von WK II wurden gezogen. Die britischen Medien, voran BBC, sind zurückhaltender und sprechen von „Migrants“. Als „Refugees“ gelten die „Migrants“ erst, wenn deren „Flüchtlingsstatus“ offiziell festgestellt worden ist. Fast unbemerkt sind auch die deutschen Medien zu mehr Objektivität zurückgekehrt.
Skeptische Wirtschaftsverbände
Die Bundesregierung erwartet von der Wirtschaft eine schnelle Integration der „Flüchtlinge“. Die Kammern machen mit, die Wirtschaftsverbände bleiben skeptisch. Auf dem Maschinenbaugipfel im Oktober 2015 in Berlin bemängelte der Präsident des VDMA, es seien keinerlei Vorbereitungen getroffen worden, um eine so große Zahl von Menschen aufzunehmen. Für die berufliche Integration der Aussiedler waren in den 90er Jahren bis zu 5 Jahre notwendig, so der Verbandspräsident. Die Bau- und Wohnungswirtschaft verwies auf ihrem Kongress in Berlin auf das Fehlen eines schlüssigen Regierungskonzepts. Dringend nötig sind mehr Öffentliche Bauaufträge und Baugenehmigungen sowie baurechtliche Vereinfachungen bei Energie-, Bau- und Brandschutzauflagen sowie Maßnahmen gegen überhöhte Grundstückpreise und gestiegene Baukosten in Großstädten.
Der scheidende Präsident des IfO-Instituts, Werner Sinn, verwies auf dem Jahreskongresses des Bundesverbandes Logistik in Berlin auf die demographische Lücke in der deutschen Bevölkerungspyramide (Grafik 2). Er bezweifelt indes, dass die Lücke von den „Flüchtlingen“ geschlossen werden könnte. Nur etwa 50% der offiziell Registrierten haben eine passende Ausbildung. Da die unkontrollierte Grenzüberschreitung auch dazu führt, dass sich viele „Flüchtlinge“ nirgendwo registrieren lassen, empfiehlt der Wirtschaftsprofessor die Kontrolle der EU-Außengrenzen oder, soweit nicht durchführbar, die Kontrolle der Nationalen Grenzen.
Destabilisierung Europas durch anhaltenden „Flüchtlingszustrom“ ?
Der regierungsnahe Bonner „Behördenspiegel“ forderte im November anlässlich der Berliner EU-Sicherheitskonferenz „die Nebelfahrt des Staates dringend zu beenden“. Nach §2 Bundespolizeigesetz gehört es zu den Aufgaben der Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz), Personen vor dem Grenzübertritt auf korrekte Einreisepapiere zu überprüfen. Art 16a (2) GG i.V.m. Asylgesetz steht der Aufnahme von „Flüchtlingen“ aus anderen EU- Mitgliedstaaten eher entgegen.
Die EU ist in sich zerstritten. Kommissionspräsident Claude Juncker befürwortet Quoten. Der polnische Ratspräsident Donald Tusk befürchtet ebenso wie der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn eine destabilisierende Wirkung durch den anhaltenden „Flüchtlingszustrom“ auf Europa. Der finnische Außenminister Timo Sioni räumte in seinem Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin ein: „the politicians in Europe have slept and ignored smuggling and illegal migration.“ Die Probleme Italiens, Griechenlands und der Türkei mit der Aufnahme von „Flüchtlingen“ seien seit Jahren bekannt gewesen, so Sioni.
Versäumnisse auch in der Entwicklungspolitik
Im Januar 2015 befasste sich die Internationale Agrarministerkonferenz in der Hauptstadt mit der agrar- und entwicklungspolitischen Herausforderung, dass weltweit 800 Mio Menschen nicht genügend Nahrung und Wasser haben. Durch das Scheitern des Konzepts der „Millenium Development Goals“ ist der Drang von Millionen Menschen, irgendwie nach Europa zu gelangen, extrem groß.
Die Bundeskanzelerin scheint bereit zu sein, die Versäumnisse auch in ihrer bislang wenig erfolgreichen Entwicklungspolitik zu korrigieren. Bei einer von der EU-Kommission im Oktober 2015 festgestellten Arbeitslosigkeit von über 22 Mio Frauen, Männern und Jugendlichen(!), die auf Integration in die Wirtschaft warten, hat sich Kanzlerin Angela Merkel eine gewaltige Aufgabe für das neue Jahr 2016 vorgenommen. Eine „Bottom-Up-Erfassung“ der Kapazitäten auf Gemeindeebene statt des bisherigen „Top-Down-Vorgehens“ nach „Königsteiner Schlüssel“ entspräche eher dem Subsidiaritätsprinzip des Lissabon-Vertrags und käme dem Interesse der „Flüchtlinge“ entgegen.
Quelle: Public Domain Quelle: Public Domain, DESTATIS
Eigenes Foto Wernicke: „Trojanisches Pferd“ ein Symbol zur Flüchtlingsdebatte im Allianz-Forum in Berlin ?