Der VW mit den markanten »Augenbrauen«

Von Manuel Ruoff

Am 1. September 1961 geht das »große« VW Karmann Ghia Coupé 1500 in Serie
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Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht 1945 und der von Hunger, Not, Elend und Entbehrungen geprägten zweiten Hälfte der 40er Jahre begann sich in den 50er Jahren das sogenannte Wirtschaftswunder ganz allmählich auch in den Portemonnaies der Bundesbürger bemerkbar zu machen, um dann in den „fetten“ 60er Jahren mit Voll- und Überbeschäftigung seine Blüte und seinen Höhepunkt zu erleben. Der Kreis der Westdeutschen, die mit einem VW Käfer angefangen hatten und sich nun mehr leisten wollten und auch konnten, wuchs. Um diese Aufsteiger auch anzusprechen und nicht an andere Marken zu verlieren, brachte das Volkswagenwerk an der Wende von den 50er zu den 60er Jahren einen neuen Mittelklassewagen mit 1,5-Liter-Maschine auf den Markt, den ebenfalls von Porsche entwickelten und gleichfalls von einem luftgekühlten Heckmotor über die Hinterräder angetriebenen Typ 3. Dieser wie der Käfer zweitürige VW 1500 wurde sowohl als Stufenhecklimousine als auch als Kombi – bei Volkswagen seit jener Zeit bis zum heutigen Tag „Variant“ genannt – angeboten.
Aufgrund der unerwartet guten Verkaufszahlen des ab 1955 als Coupé und 1957 auch als Cabrio gebauten „kleinen“ Karmann Ghia auf Basis des Typs 1, sprich des Käfers, lag es für das Volkswagenwerk nahe, mit den selben Partnern auch einen geschlossenen und einen offenen Sportwagen auf Basis des Typs 3 zu bauen.
Ab 1958 arbeitete mit Sergio Sartorelli ein Ghia-Designer an den Linien eines „großen Bruders“ des bereits vorhandenen Karmann Ghia. Am Ende des folgenden Jahres war ein erster Prototyp fertig. Die in die Karosserie integrierten Nebelscheinwerfer lagen jedoch weiter auseinander, als erlaubt war, und so wanderten sie zur Mitte hin. Diese Lampenanordnung zusammen mit den charakteristischen „Augenbrauen“ gab dem Wagen sein charakteristisches Aussehen, an dem sich – anders als bei seinem allseits beliebten „kleinen Bruder“ mit dessen weicherer, runderer, weniger strengen und kantigen Form – die Geister schieden und bis heute scheiden. Sibyllinisch formulierte die US-amerikanische Fachzeitschrift Road & Track: „Schön oder nicht, eine Designvorgabe war sicherlich, dem Wagen ein anderes Aussehen zu geben, und das ist gelungen, daran läßt sich kaum zweifeln.“
Am 1. September 1961 ging das Coupé bei Karmann in Osnabrück in Serie. Bei der im selben Monat stattfindenden Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt wurde der Zwei-plus-zwei-Sitzer der Öffentlichkeit präsentiert. Hierbei gibt es einen amüsanten Unterschied gegenüber dem „kleinen Bruder“. Während der „kleine“ Karmann Ghia, der ursprünglich ein Roadster werden sollte, bei seiner Präsentation nur als Coupé vorgestellt wurde, später jedoch auch als Cabrio zu haben war, wurde der „große Bruder“ vor 44 Jahren auf der IAA sowohl in einer offenen als auch in einer geschlossen Variante präsentiert, um dann jedoch (leider) nur geschlossen gebaut zu werden, und das obwohl der Preis für den offenen Schönen bereits feststand und auch die Prospekte schon gedruckt waren: 9.500 D-Mark sollte der Wagen, der nie in Serie ging, kosten und damit 600 D-Mark mehr als das Coupé.
„Großer“ Karmann Ghia kann man wörtlich nehmen. Er war 14 Zentimeter länger und 80 Kilogramm schwerer als der sechs Jahre ältere Klassiker. Der Ein-Vergaser-Motor leistete 45 PS, was für eine Spitzengeschwindigkeit von 132 Stundenkilometern reichte. Obwohl aus dem selben Stall, aus der selben Familie wie der kleinere und ältere Typ 14 lief der Verkauf des Typ 34 nur schleppend an. Der Anbieter reagierte darauf, indem er den Preis senkte und dem Wagen einige Verbesserungen gönnte. So war ab dem zweiten Produktionsjahr ein elektrisch zu bedienendes Stahlschiebedach lieferbar. Im darauffolgenden Jahr gab es das Auto auch in einer S(pezial)-Version im Angebot mit einem neun PS stärkeren Zwei-Vergaser-Motor, der den Wagen 13 Stundenkilometer schneller machte. Ab 1963 war das Fahrzeug auch als Rechtslenker zu haben. Die beheizbare Heckscheibe kam 1964. 1965 wurde der Zwei-Vergaser-Motor um 100 Kubikzentimeter vergrößert. 1967 standen schließlich auch ein Automatikgetriebe und ein Einspritzmotor zur Verfügung.
Trotz dieser für den durch schaltfaule Autofahrer und scharfe Abgasbestimmungen geprägten US-amerikanischen Markt wichtigen Verbesserungen des Angebotes wollten die Verkaufszahlen einfach nicht in die Höhe gehen. Von 8.548 im Jahre 1962 fiel die Produktionszahl fast kontinuierlich auf 2.533 im Jahre 1968. Im Juli 1969 wurde als Konsequenz die Produktion eingestellt. Insgesamt wurden vom „großen“ VW Karmann Ghia nur 42.505 Exemplare produziert.

»Sekretärinnen-Porsche«
VW Karmann Ghia

Nach dem Zweiten Weltkrieg brachten heimkehrende GIs aus Europa kleine Roadster mit. Diese zumindest im Vergleich zu den in den USA üblichen Straßenkreuzern kleinen, schnittigen, wendigen offenen Zweisitzer á la Triumph und MG kamen dort gut an und erzeugten einen für das durch den Krieg ausgeblutete Europa interessanten Markt.
Auch an diesen Markt dachte Wilhelm Karmann, der seit 1949 in seinem Osnabrücker Werk die Karosserie des „Käfer“ Cabrio baute (Folge 2), als er im Frühjahr 1953 auf dem Genfer Automobilsalon den Inhaber der Ghia S.p.A Carozzeria, Luigi Segre, seine Idee eines offenen zweisitzigen Sportwagens auf der Plattform des „Käfers“ vorstellte. Bereits ein rundes halbes Jahr später, im Oktober 1953, trafen sich der Deutsche und der Italiener anläßlich des Pariser Autosalons in der Franzosenhauptstadt, wo Segre Karmann in der Garage des französischen Chrysler- und Volkswagenimporteurs Charles Ladouche einen Prototyp präsentierte. Hierbei handelte es sich zwar nicht um ein Cabrio, sondern ein Coupé, aber dessen schöne Proportionen überzeugten Karmann, so daß er nun versuchte, den Geschäftsführer des Volkswagenwerkes, Heinrich Nordhoff, für die Produktion dieses Wagens zu gewinnen.
Da Karmann seinen Landsmann kannte, ließ er die Serienfertigungskosten dieses Fahrzeuges mit spitzem Bleistift errechnen. Anschließend, am 16. November 1953, zeigte er das Modell in seinem Werk dem aus Wolfsburg angereisten VW-Chef. Nordhoffs erste Reaktion war: „Wunderschön, aber natürlich viel zu teuer“, worauf Karmann konterte: „Wie wollen Sie das wissen? Ich habe den Preis ja noch gar nicht genannt.“ Der Preis vermochte den Wolfsburger schließlich zu überzeugen und so fiel die Entscheidung für die Serienfertigung. Da man sich bei VW nicht zu sehr exponieren wollte, das Coupé bei Karmann das Fließband verlassen sollte und angesichts des guten Rufes italienischen Designs keine Veranlassung bestand zu verschweigen, daß der Entwurf von Ghia stammte, einigte man sich auf die Typenbezeichnung „Karmann Ghia“.
Am 14. Juli 1955 wurde der Typ 14, wie er firmenintern hieß, im großen Saal des Kasino-Hotels Georgsmarienhütte der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Nachfrage nach dieser vor allem bei Frauen sehr beliebten Kombination aus Sportwagenstyling und „Käfer“-Motorisierung überstieg alle Erwartungen. Bis zum Produktionsende 1974 wurden von diesem „Schaf im Wolfspelz“ 443.478 Exemplare verkauft, darunter gut 80.000 der 1957 nachgereichten Caprio-Variante. Hinzu kamen noch 42.505 Modelle des sogenannten großen Karmann Ghia, des Typs 34.