Johanna R. Wöhlke
Erinnerung an einen Aufenthalt auf Korcula
Ich bin vor der Insel Korcula in der Adria angekommen und ausgestiegen aus dem riesigen Bauch eines Kreuzfahrtschiffes. Ein kleines Boot bringt mich gemeinsam mit anderen Passagieren an Land. Exotisch und schön zeigt sich Korcula in der Mittagshitze. Wer denkt da schon an Käse. An runde, kleine Käselaiber, die auf der Hafenmauer in der Sonne liegen und darauf warten, verkauft zu werden.
Sie liegen da und warten nicht allein. Eine alte Frau mit von der Sonne gezeichnetem Gesicht im schwarz gewandeten Körper sitzt neben ihnen.
Die Mittagshitze drängt sich nicht nur in die Rindenritzen des Käses, sie drängt sich mit ihren Wärmestrahlen sicher auch durch die schwarzen Kleider der alten Frau, ihre Haut, in ihre Gedärme. Kein schützender Schatten liegt über der Mauer, so sitzt sie da in Schwarz, ganz den Sonnenstrahlen ausgeliefert.
Die alte Frau nimmt ihren Käse in der Saison wahrscheinlich jeden Tag mit auf die Mauer und baut ihre winzige Pyramide aus Käse in der Hoffnung, dass Touristen wie ich ihr einen Käse abkaufen. Die kleinen runden Laiber liegen da in zwei Schichten, unten drei Käselaiber und zwei darüber. Die Spitze fehlt. Es sieht so aus, als hätte sie schon einen Käse verkauft.
Aber wer kauft in der Hitze des südlichen Tages solchen Käse? Erstaunt schaue ich sie an und weiche ihrem fragenden Blick nicht aus. Ich schaue in ein altes Gesicht, vom Leben in Falten gelegt, gütig und freundlich. Nein, ich möchte keinen Käse kaufen. Was soll ich auch mit diesem Käse anfangen? Ich brauche ihn nicht. Das sagen meine Blicke.
Ihre Blicke sagen: „Ja, ich habe verstanden.“ So gehen wir ohne Worte aneinander vorbei in diesem Augenblick in der Mittagshitze und lächeln einander an. Der Käse von Korcula bleibt auf der Hafenmauer zurück. Dieser Augenblick verweilt allein in meiner Erinnerung. Welche Kamera könnte ihn auch einfangen! Eingebettet in Buchstaben bleibt er in der Welt und lässt ein Bild aus Gedanken zurück.
Fotos: Wöhlke