Den meisten Frauen bringt es Spaß, ein neues Kleidungsstück zu kaufen. Es anzuprobieren würde auch Freude bereiten, wenn da nicht diese furchtbaren Umkleidekabinen wären.
Die Luxusvariante bietet reichlich Platz, einen Stuhl und mehr als nur einen Kleiderhaken. Im Allgemeinen sind die Kabinen aber sehr eng und für klaustrophobisch veranlagte Menschen der reinste Horror. Daran, dass der Vorhang fast immer zu kurz ist und deshalb auch andere Shopper die Umkleideaktion beobachten können, haben sich mittlerweile viele gewöhnt. Doch das eigentlich Schreckliche ist das Licht
Kaum hat man sich dort entkleidet, wo es nötig ist, erscheint im Spiegel eine fast unbekannte Person. Das grelle Neonlicht bringt nicht nur bläulich schimmernde Äderchen an Stellen hervor, von denen sich keiner vorstellen kann, dass dort welche verlaufen, sondern lässt die Kundin auch blass und fahl erscheinen. Fühlte man sich eben noch leicht und beschwingt, befällt einen nun eine akute Herbstdepression. Zudem scheinen einige Boutiquen und Kaufhäuser ihre Spiegel auf dem Jahrmarkt – Stichwort Glasirrgarten – erworben zu haben. Die Beine zu dünn, die Arme gewölbt und das Becken eigenartig verschoben – wenn Körper dermaßen verzerrt werden, kann auch die modernste Klamotte nicht vorteilhaft wirken.
Aus dem Lautsprecher dröhnt dazu ein Oldie von Ireen Sheer: „Heut kauf ich mir ein Sommerkleid und tu mir nicht mehr selber leid.“ Ein Kleid würde ich mir auch gern kaufen. Doch wo finde ich die optimale Umkleidekabine mit angenehmer Beleuchtung und freundlichem Spiegel, die das Anprobieren endlich zu einem wahren Erlebnis werden lässt?
Diese Glosse ist im Hamburger Abendblatt erschienen