Von Witka Kova
Nicht nur die polnische Nobelpreisträgerin für Physik Maria Sklodowska-Curie, der Astronom Jan Hevelius oder der Komponist und Pianist Frédéric Chopin sind weltbekannt, sondern auch der Literaturnobelpreisträger Czeslaw Milosz.
Das Parlament der Republik Polen ist überzeugt von der besonderen Bedeutung des schöpferischen Werkes von Czeslaw Milosz für das National und Weltkulturerbe und ernannte das Kalenderjahr 2011 zum ´Czeslaw-Milosz-Jahr´, da er in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre.
Das ´Milosz-Jahr´ ist eine Gelegentheit, um an den Poeten und seine Werke zu errinern und bildet die Chance einer tieferen Reflexion über die Zusamenhänge seines Lebens und seiner Literatur mit dem verworrenen 20. Jahrhundert zu erforschen. Der 100. Geburtstag des Poeten wird nicht nur in Polen gefeiert, sondern auch in Litauen, den USA, in Frankreich, China, Indien, Israel und Russland. Das Programm des ´Milosz-Jahr´ umfast neue Buchauflagen, Konfernzen, Diskussionen und dem Poeten gewidmete Ausstellungen. Der wichtigste Programmpunkt ist die zweite Auflage des Czeslaw-Milosz-Literaturfestivals, das von 9. bis 15. Mai 2011 in Krakau stattfindet. Der 100. Geburtstag des Poeten wurde im Almanach der von der UNESCO gefeierten Jahrestage eingetragen.
Der im Jahr 1911 geborene Czeslaw Milosz studierte Jura und gründete 1931 gemeinsam mit anderen Schriftstellern die Literaturzeitschrift „Feuerbrünste“. Zwei Jahre später erschien sein erster Lyrikband. Im Jahr 1934 erhielt Milo Czeslaw Milosz ein Jahresstipendium nach Paris. Nach seiner Rückkehr arbeitete er am Wilnaer Studio des Polnischen Rundfunks und danach in der Zentrale des Polnischen Rundfunks in Warschau. Während des II. Weltkrieges blieb er in Polen und beteiligte sich an konspirativen Aktionen.
Nach dem Krieg arbeitete Milosz 6 Jahre als polnischer Kulturattaché in New York, Washington und Paris. Wegen politischen Meinungsdifferenzen brach er den Kontakt 1951 zur Volksrepublik Polen ab und wanderte nach Frankreich aus. Sein Buch „Verführtes Denken“, in dem er seine persönlichen Erfahrungen verarbeitete und das zu den Klassikern der Literatur zählt, erschien 1953. Mit diesem Essayband wurde er zu einem scharfen Kritiker der Kommunisten.
Zwei Jahre später erschien der Roman „Das Tal der Isa“- ein Buch voller philosophischer Anspiellungen über das Ewachsenwerden und den Verlust der Unschuld.
1959 ist der Essayband „West- und Östliches Gelände“ erschienen. Es ist eines der interessantesten Bücher über die mitteleuropäische Mentalität. Das Buch mit dem Titel „Das Land Ulro“ stellt eine Art intellektueller und literarischer Autobiographie dar. Diese und spätere Werke, wie das Zeugnis der Poesie über „Das Leben auf den Inseln“, führen zum Kern der Dinge, die heute das Leben und die Literatur ausmachen.
1960 ging Milosz als Dozent für slawische Literatur an die Barkeley University in Kalifornien. 1980 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Erst nach der Preisverleihung dürfen seine Werke wieder offiziel in Polen erscheinen.
„So viele Städte, so viele Länder und noch immer keinerlei Anzeichen ein Kosmopolit zu sein, sondern im Gegenteil die Befangenheit eines Provinzlers“ schreibt Milosz in „Mein ABC von Adam und Eva bis Zentrum und Peripherie“. Je weiter er in die Welt hinausgetragen wurde, desto mehr suchte er Verbindung zu dem, der er früher gewesen war, zu dem, der er in den Städten Szetejnie und Wilna gewesen war. Er schreibt weiterhin: „Das ist auch die Erklärung dafür, warum ich mich der polnischen Sprache so verbunden fühlte. Man kann seine Liebe zu einer Sprache nicht rationalisieren, ebensowenig wie seine Liebe zur Mutter. Es ist gewiss die gleiche Art von Liebe, denn nicht von ungefähr heißt es auch „Muttersprache“.
Den größten Teil seines Lebens vebrachte Czeslaw Milosz außerhalb Polens: Die Jahre seiner Kindheit in Rußland, dann Frankreich und Amerika. Im Gegensatz zu den Emigranten, in deren Polnisch sich bereits nach zehn oder fünfzehn Jahren Unsicherheiten eingeschlichen hatten, war dies bei ihm nie der Fall. Er schreibt: „Die Sprache ist meine Mutter, im eigentlichen und übertragenen Sinne. Sie ist auch mein Haus, in dem ich durch die Welt ziehe.“ In der Stadt Szentejnie war es die Sprache des Landadels gewesen, aber mit litauischen Wörtern durchsetzt, denn die Umgebung war schon litauisch. Dann Russland und meine Zweisprachigkeit. Endlich Wilna, zweifellos echt polnisch.“
Auf Polnisch zu schreiben bedeutete für ihn, dass man sich in das durch Generationen hindurch gewachsene Gemeinschaftswerk eingliedern muss, egal wo mann lebt. Seine Weigerung sich umzustellen und in Englisch oder Französisch zu schreiben, bedeutete für Ihn einen Identitätsverlust. Es ist höchst geheimnisvoll, welchen Aufenthaltsort der kreative Impuls bei seiner Wanderung von Land zu Land wählt.
Im Juni 1981, nach 30 Jahren, betritt Milosz wieder polnische Erde. Im Dezember werden seine Bücher ein weiteres Mal verboten. Nach der Befreiung pendelt Milosz zwischen Krakau und Barkeley hin und her. Bis er sich schließlich im Jahre 2000 entgültig in Krakau niederlässt, wo er am 15. August 2004 stirbt.
Laut internationaler Kritik und vieler zeitgenossischer Lyriker, darunter auch Josif Brodski, ist Miloszs Lyrik eines der bedeutensten literarischen Phänomene unserer Zeit.
Und zum Schluss erwähne ich Einiges von Miloszs Gedanken über Biographien. Erstens: Biographien sind wie Schneckenhäuser. Zweitens: Mann wird nicht viel über das Wesen erfahren, das einmal darin gewohnt hat. Drittens: Selbst Angesichts meines eigenen, eng mit meinem literarischen Schaffen verbundenen Lebens beschleicht mich das Gefühl, ich hätte eine leere Hülse zurückgelassen. Viertens: Der Wert von Biographien besteht einzig und allein darin, dass man aus ihnen die Zeit, in der sich das beschriebene Leben abgespielt hat, ungefähr rekonstruieren kann.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Laudatio am 30. März 2011 im Schrödersaal des CVJM in Hamburg. Gedenkfeier zu Ehren des Dichters und Nobelpreisträgers für Literatur Czeslaw Milosz; Veranstalter: Litauisch-Deutsche Initiative für Kulturkooperation e.V., Botschaft der Republik Leitauen in Deutschland, Litauische Gemeinschaft Hamburg, Galerie mare Liberum)