erschienen im Hamburger Abendblatt am 1. November 2010
Von Johanna R.Wöhlke
Wer bekommt nicht gerne Geschenke? Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, sagt der Volksmund – nehmen wir einmal an, er ist wie immer nicht weit von der Wahrheit entfernt.
Beliebte kleine Geschenke, die uns allen immer wieder Freude machen, sind natürlich Blumen – obwohl Blumen eigentlich keine Geschenke im üblichen Sinne sind und als solche angesehen werden. Sie sind eben noch viel mehr als das. Continue reading „Lasst Blumen sprechen“
erschienen im Hamburger Abendblatt am 29. Oktober 2010
von Johanna Renate Wöhlke
Die Frage „ ja oder nein“ ist natürlich auf vieles im Leben anwendbar. Hier aber soll es sich um einen ganz besonderen Fall handeln, der nicht anders als prekär zu nennen ist. Es geht um zwei lebenswichtige Lebensmittel: um Zwiebeln und Knoblauch! Zwiebeln und Knoblauch, meinetwegen auch Zwiebeln oder Knoblauch – ja oder nein?
Ein eng mit einer Frau verbandelter junger Mann schüttete mir diesbezüglich sein Herz aus. Ja, so meinte er sehr überzeugend, er liebe seine Freundin sehr. Ja, so fügte er genauso überzeugend hinzu, er liebe eigentlich auch Zwiebeln und Knoblauch in vielen Kombinationen, allein oder gemeinsam. Die Reihe an Lebensmitteln, die er aufzählte, war nicht kurz. Continue reading „Liebe in der Zeit der Zwiebel“
Ach wie gern lachen wir doch einmal über kuriose Wortschöpfungen, vor allem, wenn es sich dabei um solche von prominenten Personen handelt, und besonders, wenn es dabei zu Wortschöpfungen kommt, die ansonsten eher nicht zum bürgerlichen Sprachgebrauch gehören. Paradebeispiele der vergangenen Wochen lieferten uns zwei französische Politiker. Die frühere Justizministerin Rachida Dati, der man wegen ihrer turbulenten Privatsphäre schon vieles unterstellt hat, verdrehte in einem Interview zwei Begriffe. Anstatt von „inflation“ sprach sie von „fellation“. Ganz Paris lachte. Als einige Tage später der Innenminister Brice Hortefeux, ebenfalls in einem Interview, ein neues Kunstwort schuf, indem er von „empreintes génitales“ sprach, also genitalen Fingerabdrücken anstelle der wohl gemeinten „empreintes digitales“, lachte ganz Frankreich.
Häufig hört man dann den Kommentar: „Freud´scher Versprecher“. Dies ist aber in den seltensten Fällen zutreffend. Denn so bezeichnet man die Aussprache eines unbewussten Gedankens, der eigentlich unterdrückt werden sollte, und das will den beiden Genannten dann doch wohl niemand unterstellen. An solches konnte man allerdings denken bei den grandiosen Versprechern von Andrea Ypsilanti, die von sich sagte, sie sei „in Rüsselsheim als Sohn eines Opel Arbeiters geboren“, oder bei Angela Merkel, als sie von „Roland Kotz“ sprach. Auch Helmut Kohl war mit seiner Aussage „wir haben ein gutes Koalitionsklima, in dem wir pfleglich miteinander untergehen“ wohl dieser Kategorie zuzurechnen, als er anlässlich einer Koalitionskrise über die weitere Zusammenarbeit zwischen CDU/CSU und FDP sprach. Continue reading „VERSPROCHEN!“
Wenn der Vorhang aufgeht, wird die Bühne zur Welt. Wenn der Vorhang aufgeht, wird aber auch die Welt zur Bühne – beides ineinander verflochten und miteinander verwoben wie in einem guten Bild, einem Kunstwerk. Leben und Welt ohne das? Unvorstellbar. Sicherlich denken die Macher des neuen Theatermagazins in Hamburg, „Godot“, ähnlich, dessen Erstausgabe zur Theaternacht am 11. September 2010 in Hamburg erschienen ist ( wir berichteten). Die inzwischen zweite Ausgabe gibt es unter: http://www.hamburgertheatermagazin.de/
Als mir die Chefredakteurin des neuen Magazins, Dagmar Ellen Fischer, zusammen mit dem „Redaktionsdoyen“ Hans-Peter Kurr gegenüber sitzen, spüre ich in jedem ihrer Worte die Liebe zum Theater. Eine Idee, die vor drei Jahren geboren wurde, hat nun das Licht der Welt erblickt – ein lange ausgetragenes „Baby“ – getragen von dieser Liebe und dem damit verknüpften Enthusiasmus, Ergebnis persönlichen Einsatzes von Zeit und Können, Kraft und Geld.
Wäre es Blasphemie, sie die zwölf „ Apostel“ zu nennen? Denn zur Zeit sind es zwölf im Team zusammen mit Dagmar Ellen Fischer: Aurel Crisafulli, Angela Dietz, Christian Hanke, Sören Ingwersen, Hans-Peter Kurr, Tilla Lingenberg, Birgit Schmalmack, Stephanie Schiller, Oliver Törner, Sabine Walter und Annette von Keudell. Alles ist noch im Fluss, entsteht, ist dabei, Gesicht und Gestalt zu gewinnen.
Was ist angedacht? Vorberichte, Premierenankündigungen, Kritiken, Interviews, Portraits, Glossen und mehr. Erscheinen soll das neue Magazin monatlich als Printausgabe, ansonsten soll es sich permanent aktutalisiert im Internet finden: www.hamburgertheatermagazin.de
Die vieldiskutierten Thesen Sarrazins haben zu einer breiten Diskussion der von ihm aufgeworfenen Fragen in der deutschen Bevölkerung geführt. Vor allem der von ihm geäußerte Aspekt einer graduellen Degeneration der Bevölkerung auf lange Sicht wird von heutigen Wissenschaftlern als nicht haltbar angesehen. Dabei ist diese Diskussion absolut nicht neu. Vor allem im angelsächsischen Raum war dies eine weit verbreitete These zu Beginn des 20. Jahrhunderts, lange bevor der Nationalsozialismus mit seinen kruden Philosophien in Deutschland etabliert war. Wie kam es gerade im angelsächsischen Raum dazu?
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu zahlreichen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und Entdeckungen im Bereich der Vererbungslehre. In diesem Zusammenhang sind vor allem die grundlegenden Erkenntnisse Charles Darwins zur menschlichen Evolution zu nennen, die Formulierung der Keimplasmatheorie durch August Weismann in den 1880er Jahren und die Wiederentdeckung der Mendelschen Vererbungsregeln im Jahr 1900. Aber auch soziologische und kriminalanthropologische Erkenntnisse spielten eine Rolle bei der Formung einer neuen Lehre, deren Namen durch Francis Galton geprägt wurde. Diese Lehre übertrug die gewonnenen Erkenntnisse über die Vererbung aus Pflanzen und Tierzucht auf den Menschen, und strebte durch gezielte Eingriffe eine qualitative Verbesserung des menschlichen Geschlechts an. Galton nannte die neue Disziplin Eugenik, abgeleitet von dem griechischen Wort εύγενής = edelgeboren, von guter Art. Continue reading „Die eugenische Bewegung in den USA“
Loki Schmidt hat uns ihre Kindheitsgeschichte erzählt – seither haben wir eine Geschichte mit Loki Schmidt und sie ist Teil unserer Geschichte geworden – wie sie Teil so vieler menschlicher Geschichten geworden ist in ihrem so reichen Leben – nicht nur als Gattin eines Bundeskanzlers, sondern als eigene, auf ihren Feldern engagierte Persönlichkeit.
Josef-Wilhelm Knoke, Dr. Wolf Tekook und ich haben Loki Schmidt vor einem Jahr Zuhause in Hamburg besucht. Mit ihrer Kindheitsgeschichte, die Teil eines Buches werden wird, hat sie uns ein Geschenk gemacht, das wir nie vergessen und für unsere Leser bewahren werden.
Wir waren ihre Gäste, haben ihren Kaffee getrunken und mit ihr zusammen auf dem Sofa im Wohnzimmer gesessen, auf dem schon so viele bekannte Persönlichkeiten der Weltgeschichte Platz genommen haben. „Wo Sie jetzt sitzen, da hat Giscard d`Estaing gesessen“ sagte sie mir beim ersten Interview vor fünfzehn Jahren. Continue reading „Abschied von Loki Schmidt“
Hugo Preuß setzte der Parteienmacht Grenzen und machte den Präsidenten zum »Ersatzkaiser«
Während man gemeinhin von den (Müttern und) Vätern des Grundgesetzes spricht, ist nur von einem Vater der Weimarer Verfassung die Rede. Und der heißt Hugo Preuß. Nach der erfolgreich verlaufenen Novemberrevolution erwog der Rat der Volksbeauftragten den wohl bedeutendsten deutschen Soziologen der damaligen Zeit, Max Weber, und eben Hugo Preuß mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für eine neue, republikanische und demokratische Verfassung zu beauftragen. Weber disqualifizierte sich jedoch in den Augen der Revolutionäre durch die Ablehnung ihres Produktes, der Revolution. Vergleichbare Reserven sind hinsichtlich Preuß nicht bekannt. Vielmehr rief der Kaufmannssohn im „Berliner Tageblatt“ vom 14. November 1918 seinen Stand, das Bürgertum, auf, sich „auf den Boden der vollzogenen Tatsachen“ zu stellen und am Aufbau der Republik mitzuwirken. Am darauffolgenden Tag wurde er vom Rat der Volksbeauftragten mit der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfes und von Reichskanzler Friedrich Ebert mit der Leitung des Reichsamts des Innern beauftragt. Continue reading „Der „Vater“ der Weimarer Verfassung“
August Neidhardt von Gneisenau zählt mit Gerhard von Scharnhorst, dessen Nachfolge er nach dessen Tod in der Blücher-Armee antrat, zu den bedeutendsten Militärreformern Preußens. Untrennbar ist sein Wirken mit Napoleon verbunden, dessen Bezwinger er schließlich wurde.
Das Leben des am 27. Oktober 1760 in Schildau Geborenen ist abenteuerlich, aber unspektakulär. Der gebürtige Sachse ergriff den Beruf seines Vaters und erreichte 1786 sein Ziel, in die seinerzeit ruhmreichste Armee aufgenommen zu werden.
Nach dem Ausbruch des Vierten Koalitionskrieges 1806 nahm Gneisenau unter Prinz Louis Ferdinand am Gefecht bei Saalfeld und unter Ernst von Rüchel an der Schlacht von Jena teil. Von Rüchel protegiert, übernahm er 1807 die Verteidigung der Festung Kolberg. Während Preußens Generalität noch in den Kategorien des Kabinettskrieges dachte, bediente sich Gneisenau mit Hilfe des Bürgerrepräsentanten Joachim Nettelbeck bereits in Ansätzen der Methoden des modernen Volkskrieges. Und er war damit erfolgreich. Während andere preußische Festungen kampflos übergeben wurden, konnte Kolberg bis zum preußisch-französischen Waffenstillstand gehalten werden. Continue reading „Bezwinger Napoleons“
Antike Balsamierer helfen modernen Medizinern
Aegyptische Geschichte aus ungewöhnlichen Blickwinkeln Text: Hans-Peter Kurr /Fotos : M. Bertinetti & H.-P. Kurr
Aegyptologie ist ein erst etwas mehr als zweihundert Jahre alter Wissenschaftszweig, der sich mit der Erforschung von fünftausend Jahren Menschheitsgeschichte im östlichen Mediterraneum beschäftigt.In unseren Tagen verblüfft ein neuer Aspekt in der Arbeit der Aegyptologen. Sie helfen der modernen Medizin: Das Institut für Aegyptologie an der Münchner Maximilian-Universität, unter Leitung von Professor Dr. Dieter Kessler, forschte im „Friedhof der Göttertiere“ bei Tuna-el-Gebel.
Seit Entzifferung der Hieroglyphen durch den Franzosen Champollion zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Funde von Tiermumien eher als Kuriosa abgetan.Man beschäftigte sich zuvörderst mit Pharaonengräbern, Pyramiden, Obelisken, Goldfunden.Diese Gebiete waren, gemeinsam mit wichtigen Papyri, die „Objekte der Begierde“.Erst jetzt rückt immer mehr die gigantische „Industrie“ und der Kult des antiken Aegypters, den er jahrtausendelang an und mit Tieren betrieb, in den Brennpunkt genauerer wissenschaftlicher Forschung, die dabei Ergebnisse erzielt,die unter heutigen medizinischen Aspekten sehr interessant sind:
Im Zeitalter von Schweinegrippe, Vogelseuche, SARS etc. werden die nachzuweisenden, artenübergreifenden Übertragungswege von Viren immer wichtiger – etwa am Beispiel von TBC, worunter offenbar der Aegypter des Altertums selber als auch dessen Rinder litten. Continue reading „Friedhof der Göttertiere“
erschienen im Hamburger Abendblatt am 14. Oktober 2010
von Johanna R. Wöhlke
Was macht den Charme eines Barhockers aus? Die Beantwortung dieser Frage hat einen ganz besonderen Reiz, denn auch Barhocker haben einen besonderen Reiz. Sie pflegen hoch zu sein, so hoch, dass es immer einer kleinen gymnastischen Übung bedarf, einen sicheren Halt auf ihnen zu finden. Außerdem sind sie unterschiedlich gut gestaltet und erschweren das „Besteigen“ manchmal ganz erheblich.
Hilfreich ist es immer, wenn die Bar einen Umlauf hat, an dem der oder die Barhockerbesteigende sich festhalten kann. Das geht dann bei Rechtshändern so: Mit der linken Hand am Bartresen festhalten, gleichzeitig mit der rechten Hand den Barhocker in Position bringen und die rechte Hüfte mitsamt Hinterteil so weit anheben, dass man ungefähr auf der Hälfte des runden, kleinen Barhockersitzes Halt gefunden hat. Continue reading „Der Charme des Barhockers“
……ist der Titel eines Films von Ulrich und Christian Offenberg, der als DVD-Video unter der ISB-Nummer 978 – 3 – 8312 – 9468 – 8 im Handel erhältlich ist. Der 60-Minüter versucht, unter dem ebenso provozierenden wie erhellenden Titel nicht nur, mit weitverbreiteten Vorurteilen über die internationale Freimaurerei aufzuräumen, sondern dokumentiert deren historische Entstehung und Begründung sowie ihre Entwicklung bis in unsere Tage mithilfe wahrhaft aufregenden (Archiv?-)Materials ebenso wie durch sachliche, stets die Quintessenz hervorhebende, Textbeiträge zweier Hamburger Freimaurer, des Vorsitzenden Logenmeisters Jörg Ahlheid („Carl zum Felsen“) und des Verbandvorsitzenden Gerd-Wilhelm Rottgardt, die für diesen Film im eindrucksvollen Grossen Tempel des Logenhauses an der Moorweidenstrasse interviewt wurden.
Der monolithische Gesamteindruck, den wir während des kalten Krieges von der UDSSR hatten, bevor sie in diverse Staaten zerfiel, entsprach nicht ihrer Entstehungsgeschichte. Bei ihrer Gründung gab es Teileinheiten, die sich nach Art, Kompetenzen und politischem Status deutlich voneinander unterschieden.
Grundlage des Unionsvertrages war ursprünglich das Prinzip der Freiwilligkeit und Gleichberechtigung der Unionsrepubliken, sowie das Recht des freien Austritts. Continue reading „Die Anfänge der UdSSR“
Im Vorfeld der Gründung der UdSSR gab es zwei kontrovers diskutierte Fragestellungen: a) Sollte die Organisationsstruktur des Staates eher föderalistisch oder eher zentralistisch ausgerichtet sein? b) Welchen Spielraum sollten „Nationalitäten“ bzw. Nationalstaaten in diesem Gebilde haben? Im Zarenreich wurde bis zuletzt am Konzept des „einheitlichen, unteilbaren Russlands“ festgehalten und dementsprechend ein föderalistisches Nationalitätenkonzept abgelehnt. Auch die Bolschewiki standen bis 1917 einem föderativen Aufbau Russlands klar ablehnend gegenüber, basierend auf Marx und Engels, die den proletarischen Einheitsstaat propagierten.
Lenin sagte dazu 1913 in seinem Artikel „Kritische Bemerkungen zur nationalen Frage“: …solange und soweit verschiedene Nationen einen Einheitsstaat bilden, werden die Marxisten unter keinen Umständen das föderative Prinzip oder die Dezentralisation propagieren. Der zentralisierte Staat ist ein gewaltiger historischer Schritt auf dem Wege von der mittelalterlichen Zersplitterung zur zukünftigen sozialistischen Einheit der ganzen Welt… Continue reading „Lenin und Stalin: Die Kontroverse vor Gründung der UdSSR“
Massendemonstrationen in Petrograd führten im Februar 1917 zu allgemeinen Arbeiter- und Soldatenaufständen; der Zar wurde von konservativen Abgeordneten und dem Stabschef zur Abdankung am 2.3. 1917 (Alten Stils) überredet. Es entstand eine Doppelherrschaft von bürgerlich-liberaler Regierung einerseits und andererseits Arbeiter- und Soldatenräten (Sowjets oder Sovety) in vielen Städten. Das Dilemma war, dass die Regierung die Legitimation, aber keine Macht besaß, die Räte hingegen die Macht ohne Legitimation. Continue reading „Die Situation im Vorfeld der Gründung der UdSSR“
Der historisch Interessierte denkt bei (dem Herzogtum) Braunschweig – ähnlich wie bei (dem Königreich) Hannover – an die Herrschaft der Welfen. Unter all den Welfen gab es jedoch auch einen Hohenzollern an der Spitze der Stadt Heinrichs des Löwen: Prinz Albrecht von Preußen. Vor 125 Jahren, am 21. Oktober 1885, wählte die braunschweigische Landesversammlung auf Vorschlag des Regentschaftsrates den Preußen einstimmig zum Regenten.
Hierzu war es gekommen, weil Braunschweigs Herzog Wilhelm am 18. Oktober des Vorjahres verstorben war, ohne einen legitimen Nachkommen zu hinterlassen. Noch am selben Tag erhob Ernst August von Hannover als Chef der jüngeren, hannoverschen Linie des Hauses der Welfen aus seinem österreichischen Exil Anspruch auf das Herzogtum. Hier war jedoch der deutsche Reichskanzler und preußische Ministerpräsident Otto von Bismark vor, denn Ernst August hatte ebenso wie sein 1866 verstorbener Vater, der letzte hannoversche König Georg V., nie auf seine Ansprüche auf Hannover verzichtet, das Preußen nach dem Sieg im Deutschen Krieg von 1866 entgegen den damals üblichen politischen Gepflogenheiten annektiert hatte. Continue reading „Wie ein Preuße unter die Welfen geriet“
vor 125 Jahren wurde Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst des Kaisers Statthalter im Reichsland
Bevor Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst im Jahre 1894 Reichskanzler wurde, war er neun Jahre lang Statthalter des Kaisers in Elsass-Lothringen. Damit besaß er für das Reichsland weitgehende Vollmachten. Vor 125 Jahren begann seine Amtszeit in Straßburg.
Nach dem Erwerb Elsass-Lothringens von der Französischen Republik im Frieden von Frankfurt stand das Deutsche Reich vor der Frage, wie dieser territoriale Gewinn aus dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zu integrieren sei. Als Alternativen standen der Anschluss an einen oder mehrere Bundesstaaten zur Diskussion. Die Wahl fiel jedoch auf die Schaffung eines eigenen Reichslandes mit dem Kaiser als Landesherren. Ab 1879 wurde der Kaiser während dessen Abwesenheit durch den Statthalter vertreten. Das sogenannte Ministerium übernahm die Funktion einer Regierung. An der Spitze des Ministeriums stand ein Staatssekretär. Die Ressortchefs hatten den Status von Unterstaatssekretären. Continue reading „An der Spitze Elsass-Lothringens“
Schlange stehen? Vor einem Geschäft warten? Das kennen wir nicht mehr. Das gehörte in Zeiten, in denen es nichts zu kaufen gab, in Zeiten, die schwer waren, bleiern, schlecht und hoffnungslos. Nachfrage ohne Angebot, Bedürfnis ohne Befriedigung – das erinnert uns Bundesbürger zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung auch an die Bananen, die es in der ehemaligen DDR nicht gab und die alle doch dort so gerne gegessen hätten. Allein – es gab sie nicht, wie es so vieles andere auch nicht gab.
Wir haben uns daran gewöhnt, alles immer dann zu bekommen, wenn wir es wollen. Die Geschäfte sind bis in die Nacht hinein geöffnet. Hunger auf eine gebratene Forelle um 9 Uhr abends? Kein Problem, die Forelle liegt im Tiefkühlfach des großen Supermarktes nicht weit von hier, und der hat noch lange geöffnet. Continue reading „Warten auf den Apfel…“
„Ich bin ganz entzückt von ihm, von seinen Talenten, seinem angenehmen Wesen.“ Das sagte niemand Geringeres als Friedrich der Große. Und der, dem diese lobenden Worte galten, war der älteste Sohn seiner Schwester Philippine Charlotte, Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel. In einer Ode feierte der Preußenkönig seinen Lieblingsneffen und General seiner Armee gar als Helden und verglich ihn mit großen Feldherren der Geschichte. Dieses überschwängliche Lob des Siegers der Schlesischen Kriege, der eigentlich eher für Hohn und Spott bekannt war, ließ den am 9. Oktober 1735 geborenen Karl Wilhelm Ferdinand nach Friedrichs Tod zum Hoffnungsträger Preußens werden und darüber hinaus als einen der größten, wenn nicht den größten Feldherrn seiner Zeit erscheinen.
So erreichten ihn Rufe aus den Niederlanden und selbst aus dem revolutionären Frankreich, aber er blieb der preußischen Armee treu, für die ihn sein Onkel bereits als junger Mann gewonnen hatte. Im Ersten Koalitionskrieg von 1792/93 erhielt er den Oberbefehl über die preußisch-österreichische Hauptarmee. In dieser Eigenschaft erließ er wenige Monate nach Kriegsausbruch das nach ihm benannte Manifest vom 25. Juli 1792, in welchem den Parisern für den Fall, dass sie es wagen sollten, ihrem König ein Haar zu krümmen, mit dem Schlimmsten gedroht wurde. Dieses Manifest erreichte das Gegenteil des Gewollten, indem es den Stand Ludwigs XVI. in seinem Land erschwerte. Der oberlehrerhafte Ton verleitete den Adressaten förmlich dazu, das Gegenteil des Geforderten zu tun. Zudem mussten sich Frankreichs Revolutionäre fragen, auf wessen Seite ihr König stand, wenn der Feind sich so vehement für diesen einsetzte. Continue reading „Spätestens in Auerstedt entzaubert“