Etwas Zeit muss sein

Von Uta Buhr

Von Stationsvorstehern auf U- und S-Bahnhöfen sind viele von uns Kummer gewohnt.

Setzt man zum Endspurt an, um die Bahn noch zu erreichen, wird just in diesem Augenblick das Zeichen zum Weiterfahren gegeben. Und das, obwohl der Mann auf dem Podest den eiligen Fahrgast  genau gesehen hat. Es hätte den Mann ein Lächeln gekostet, die Abfahrt lediglich einen Augenblick hinauszuzögern, um den Sprinter noch zusteigen zu lassen.

Aber nein, manchem dieser Herren in Uniform scheint es großes Vergnügen zu bereiten, den mit hängender Zunge Heraneilenden in letzter Sekunde noch auf dem Bahnhof zurück zu lassen. Der schmählich Ausgesperrte bleibt atemlos, einen Fluch auf den Lippen Continue reading „Etwas Zeit muss sein“

Tierliebe per Fremdsprache

erschienen im Hamburger Abendblatt/Harburg am 1. Juli 2010

Von Johanna R. Wöhlke

Anne liebt Tiere. Wer jemals mit Anne zusammen in der Welt unterwegs war, der weiß das ganz genau. Liebevoll erzählt sie ihre Geschichte mit ihrer vor einigen Wochen verstorbenen Katze, mit der sie viele Jahre ihres Lebens geteilt hat. Das waren schöne Zeiten, die nun vorüber sind, und jede fremde Katze erinnert sie an ihre verstorbene Katze.

In fremden Ländern zum Beispiel, in denen viele streunende Katzen unterwegs sind, denen man ansehen kann, dass ihr Futternapf nicht reich gesegnet ist, da kauft Anne Futter ein und füttert fremde Katzen. Ja, das macht sie! Da kann es schon einmal zu komischen Situationen kommen, denn schließlich spricht Anne nicht immer die Landessprache und nicht alle sprechen englisch. Da hilft nichts anderes – Hände, Füße und Laute müssen her. Continue reading „Tierliebe per Fremdsprache“

Vom „guten“ Benehmen

Von Johanna R. Wöhlke

„Nun benimm dich mal ordentlich!“ Mit dieser Aufforderung, nein, dieser tadelnden Kritik, sind wir alle aufgewachsen. Regeln wie: „Wenn du denkst, du bis allene, mach dir deine Nägel rene“ , kennen wir wohl alle. Ja, das Benehmen –  vielfach gefordert und doch offensichtlich so schwer richtig zu praktizieren, dass meterweise Bücher darüber geschrieben worden sind. Wir kennen sie alle und jeder hat schon mal was vom Knigge gehört. Ja, wir wollen natürlich alles richtig machen und einen guten Eindruck hinterlassen – wenn es darauf ankommt! Ansonsten neigen wir schon mal dazu, uns gehen zu lassen. Continue reading „Vom „guten“ Benehmen“

Schrille Töne

Von Uta Buhr

Die flinken dunklen Augen des Mannes in der schon malerisch verschlissenen Kleidung taxieren die Anzahl der Fahrgäste in der einlaufenden U-Bahn. Als er in einen gut besetzten Wagen steigt, fällt die fröhliche Miene wie eine Maske von seinem Gesicht. Mit vergrämtem Ausdruck und Trauer in der Stimme wendet er sich an das Publikum: „Meine Härrschaften, ick bien ein Flichtling und brauchen Geld für fünf Kiender und teire Miete. Deshalb ich was spielen von Franzi Schubert.“ Damit setzt er eine weiße Flöte an die Lippen und intoniert eine Melodie, die man mit einigem guten Willen für ein Stück aus dem Forellenquintett halten kann. Continue reading „Schrille Töne“

„Schweinegrippe“ und ihre Geschichte

Von Hans-Peter Kurr

Zwar wurde ein anderes zum „Unwort“ des Jahres 2009 erkoren, aber es hätte auch „Schweinegrippe“ den fragwürdigen Lorbeer erringen können, jener bis dato vollständig unbekannte Begriff für eine besonders seltene Influenza-Variante, die einem bestimmten Industriezweig im Verlauf der zurückliegenden Monate und international gewiss einen Zusatzverdienst in Milliardenhöhe eingebracht haben dürfte, dessen publikatorische Vernetzungen imstande waren, der gesamten Menschheit oder doch zumindest deren in den – fälschlicherweise so genannten – „zivilen Zonen“ lebenden Teil Angst einzuflössen vor der Gefahr einer weltweiten Verseuchung, die sämtliche Auswirkungen einer mittelalterlichen Pest-Pandemie übertreffen sollte. Continue reading „„Schweinegrippe“ und ihre Geschichte“

Dame mit bösem Blick

Von Uta Buhr

Die grauhaarige Dame am Nebentisch starrte böse zu der über ihr hängenden Lampe empor. „Mach endlich, dass du wegkommst“, murmelte sie beschwörend und wedelte wild mit ihrer Serviette. Der Gegenstand ihres Ärgers – eine Wespe am Lampenrand. Resolut schob sie  ihren Vegetarierteller zur Seite und winkte dem Kellner: „Bitte schlagen Sie die Wespe tot“,  verlangte sie. „Mir selbst verbietet meine Religion, ein Tier zu töten.“ „Meine auch“, konterte der Herr in Schwarz. „Da müssen Sie sich schon jemand anderen suchen.“ „Das ist doch wohl allerhand“, rief die Dame bebend vor Zorn und fixierte erneut das hilflos krabbelnde gelb-schwarze Etwas über ihrem Kopf. In einem letzten Versuch, das Innere der Lampe zu erreichen, breitete die Wespe ihre Flügel aus und stürzte mitten auf den Rohkostteller ihrer Feindin. Continue reading „Dame mit bösem Blick“

Alt gehört sich nun mal nicht …

Von Uta Buhr

Ein Hamburger Kaufhaus Donnerstag  um 16.00 Uhr. Tatort: Kosmetikabteilung. „Meinen Sie mich?“ fragt die Dame in den besten Jahren mit dem graumelierten Charakterkopf.  „Ja genau Sie“, lautet die Antwort der perfekt geschminkten jungen Frau.  „Denn Sie sollten wirklich mal etwas für sich tun. Ihre Falten müssen nämlich gar nicht sein. Darf ich Ihnen einmal unsere neuesten Produkte vorstellen?“

Und bevor die Dame etwas sagen kann, hantiert die in makelloses Weiß gehüllte Schönheitsfee schon geschickt mit Pipette und Cremetöpfchen, greift beherzt nach dem Gelenk ihres Gegenübers  – oder besser ihres Opfers – und  träufelt eine goldfarbene Flüssigkeit auf deren leicht geäderte Hand.

Die Frage, wie sich das Produkt denn anfühle, beantwortet sie gleich  selbst: „Wunderbar diese Lotion A. Die müssen Sie jeden Abend auf Ihre Haut auftragen. Für den Morgen benötigen Sie dann Lotion B. Und wenn Sie das zwei Wochen konsequent getan haben, können Sie mit unserer Wundercreme beginnen. Wie der Name schon sagt, bewirkt diese wahre Wunder. Schon nach kurzer Zeit merken Sie, dass Ihre Haut viel besser durchblutet ist und Ihre Falten sich schon erheblich zurückgebildet haben.“ Continue reading „Alt gehört sich nun mal nicht …“