Bonnie und Clyde

Clyde C. BarrowVon Manuel Ruoff

Vor 100 Jahren, am 24. März 1909, kam der männliche Teil des berühmten Verbrecherpaares Bonnie und Clyde in Telico bei Dallas zur Welt. Clyde Chestnut Barrow entstammte einer kinderreichen armen Landarbeiterfamilie. Schon als Minderjähriger wurde er kriminell, 1926 wurde er wegen Autodiebstahls erstmals verhaftet. Weitere Verbrechen und Verhaftungen folgten. Dabei blieb er seiner texanischen Heimatregion treu.
1930 stieß er in Oak Cliff auf die Liebe seines Lebens, die ein­ein­halb Jahre jüngere Bonnie Eli­za­beth Parker. Die beiden wurden ein Paar. Bereits zwei Monate später wurde Barrow verhaftet. Dank einer von ihr eingeschmuggelten Waffe gelang ihm zwar ein Ausbruch, doch wurde er schon eine Woche später wieder gefaßt.
Im Jahre 1932 entließ ihn das Gefängnis von Crockett in Texas auf Bewährung. Es folgten zwei Jahre voller Raubüberfälle von Bonnie und Clyde. Dabei gingen sie über Leichen. Neun tote Polizisten säumten ihren Weg. Ihr Ende war ein Hinterhalt der Polizei, in den sie mit ihrem Ford gerieten. Am 23. Mai 1934 durchsiebten am Straßenrand wartende Polizeibeamte mit automatischen Waffen ihren vorbeifahrenden Wagen. Das Paar starb im Kugelhagel.

Ein linker Rechtsliberaler

WP_Eduard_LaskerVon Manuel Ruoff

Eduard Lasker kennzeichnete als linker Nationalliberaler ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Otto von Bismarck, der ihn in seinen Memoiren als „ehrlichen Gegner“ bezeichnet hat.
Jizchak Lasker, der schon als Gymnasiast seinen Vornamen in Eduard änderte, kam am 14. Ok­tober 1829 als Sohn eines Nagelfabrikanten und dessen Ehefrau in Jarotschin in der Provinz Posen zur Welt. Nach dem Abitur und einem Jurastudium verdiente er seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht als Syndikus des Berliner Pfandbriefinstituts.
1867 wurde der Liberale ins preußische Abgeordnetenhaus gewählt. Kurz danach hatte das Parlament über die nachträgliche Legalisierung von Bis­marcks umstrittenem Vorgehen beim preußischen Heereskonflikt zu entscheiden. Lasker entschied sich mit dem rechten Flügel der Fortschrittspartei für Bismarck und dessen Indemnitätsvorlage und gehörte mit anderen Rechtsliberalen zu den Gründern der Nationalliberalen Partei, in der er die Führung des linken Flügels übernahm. Als Bismarck mit seinem Rechtsschwenk von 1878 die Nationalliberale Partei einer schweren Belastungsprobe aussetzte, entschied Lasker sich gegen Bismarck. Mit anderen Linksnationalliberalen gründete er die Liberale Vereinigung, deren Führung er übernahm.
1875 erkrankte Lasker schwer. Da er sich nicht schonte, folgte 1883 ein völliger gesundheitlicher Zusammenbruch. Vor 125 Jahren, am 5. Januar 1884, starb der linke Rechtsliberale, dem die Fortschrittspartei zu bismarckkritisch und die Nationalliberale Partei schließlich zu bismarckunkritisch war.

Elsaß-Lothringens erster Statthalter

Vor 200 Jahren wurde der preußische Generalfeldmarschall Edwin Freiherr von Manteuffel geboren

Von Manuel Ruoff

Andere Generalfeldmarschälle haben als Truppenführer oder in Stäben die Karriereleiter erklommen, Edwin Freiherr von Manteuffel tat es als Adjutant.
Nicht etwa in Preußen, sondern in Sachsens Hauptstadt Dresden wurde der spätere preußische Generalfeldmarschall Edwin von Manteuffel am 24. Februar 1809 geboren. Sein Vater Hans Freiherr von Manteuffel war ursprünglich sächsischer Beamter. Bei der Geburt des Sohnes war der Vater Geheimer Refendarius in der sächsischen Staatsregierung. Später wurde dieser dann Präsident der Regierung der Niederlausitz. Und als die Niederlausitz als Folge des langen Festhaltens des sächsischen Königs am Bündnis mit Napoleon auf dem Wiener Kongreß von 1814/15 zusammen mit der späteren Provinz Sachsen an Preußen fiel, wechselte Manteuffel in den preußischen Staatsdienst. Somit wurde Edwin von Manteuffel zum Preußen. General_von_Manteuffel
Wie der Vater entschied auch er sich für den Staatsdienst, allerdings in Uniform. Manteuffel war wissenschaftlich interessiert. So besuchte er nicht nur die allgemeine Kriegsschule, die spätere Kriegsakademie, sondern später auch die Berliner Universität, wo er sich mit dem Historiker Leopold von Ranke anfreundete. Zudem werden Manteuffel neben diplomatischem Geschick gewinnende Formen nachgesagt. Dafür spricht, daß er während seiner Karriere immer wieder höheren Stellen angenehm auffiel und von diesen gerne als Adjudant eingesetzt wurde. Continue reading „Elsaß-Lothringens erster Statthalter“

Er führte das Feldgrau ein

Vor 75 Jahren starb Karl von Einem, der sich als Kriegsminister gegen mehr Soldaten wehrte

Von Manuel Ruoff

Karl von Einem lehnte als preußischer Kriegsminister eine Heeresvermehrung ab, wurde hierfür seitens der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichtsschreibung kritisiert und setzte gegen den Widerstand seines Kaisers und Königs die Grundsatzentscheidung für Feldgrau statt Preußischblau als Uniformfarbe der preußischen Armee durch.
EinemGBWKarl Wilhelm George August Gottfried von Einem entstammte einer hannoverschen Offiziersfamilie. Sein Vater, George August von Einem, war Rittmeister und dessen Vater Oberstleutnant. Und sein anderer Großvater, der Vater seiner Mutter Julie, war Kapitän. Am 1. Januar 1853 kam Karl von Einem im damals noch hannoverschen Herzberg am Harz zur Welt. Nach dem Besuch von Gymnasien in Celle und Hildesheim ergriff er den Beruf seiner Väter, allerdings als Folge des Deutschen Krieges von 1866, der seine Heimat preußisch werden ließ, auf preußischer Seite. Erst in Bensberg und dann in Berlin genoß er eine Kadettenausbildung. 1870 wurde er Angehöriger des Ulanenregiments Nr. 14. Während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/1871 wurde er zum Offizier befördert. Es folgte eine Karriere als Adjutant. Von 1873 bis 1876 war er Regimentsadjutant in Verden an der Aller. Dem schloß sich eine Tätigkeit als Adjutant bei der 8. Kavalleriebrigade in Erfurt an. Über die Adjutantur kam er 1880 ohne Besuch der Kriegsakademie in den Generalstab. Continue reading „Er führte das Feldgrau ein“

»Erich, es geht nicht mehr. Du mußt gehen«

Vor zehn Jahren starb mit dem »roten Preußen« Willi Stoph der erste, der im SED-Politbüro Honeckers Rücktritt forderte

Von Manuel Ruoff

Als „roter Preuße“ ist der langjährige Minister- und Staatsratsvorsitzende der DDR bezeichnet worden. Böse Zungen mögen meinen, diese Bezeichnung sage mehr aus über das (negative) Preußenverständnis desjenigen, der sie verwendet, als über den Parteisoldaten, den sie charakterisieren soll. Fakt ist, daß das langjährige Mitglied von KPD und SED ein gebürtiger Preuße ist.
Willi Stoph
Am 9. Juli 1914 kam der Sproß einer Arbeiterfamilie in Berlin zur Welt. Dem Besuch der Volksschule folgten eine Maurerlehre und später ein Fernstudium der Bautechnik. Nachdem er vorher schon dem Kommunistischen Jugendverband Deutschland (KJVD) angehört hatte, trat er 1931 in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein.
Im Gegensatz zu vielen anderen Größen der DDR emigrierte er jedoch nicht, als 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland an die Regierung kamen. Er kam von 1935 bis 1937 seiner Wehrpflicht bei einem Artillerieregiment in Brandenburg an der Havel nach und nahm nach einer kurzen Tätigkeit als Bautechniker in einem Architekturbüro ab 1940 als Wehrmachtssoldat am Zweiten Weltkrieg teil. Kurz vor Kriegsende geriet er in die Gefangenschaft der Sowjets, konnte jedoch bereits im Juli 1945 aus deren Lager Deutsch Eylau fliehen und sich nach Berlin durchschlagen, in dessen von den Kommunisten kontrollierten Teil er nun Karriere machte. Continue reading „»Erich, es geht nicht mehr. Du mußt gehen«“

Er holte und vertrat Bismarck

Vor 150 Jahren wurde Albrecht Graf von Roon Kriegsminister

Von Manuel Ruoff

Stehen wir vor dem Bismarck-Nationaldenkmal am Großen Stern in Berlin, so finden wir unweit – quasi als Einrahmung – Denkmäler für Helmuth Graf von Moltke, aber auch für Albrecht Graf von Roon. Heute ist der Kriegsminister neben dem genialen Außenpolitiker Bismarck und dem nicht weniger genialen Militärstrategen Moltke etwas in Vergessenheit geraten, aber früher wurden sie gerne in einem Zuge genannt, wenn es darum ging, die Siege in den drei Eini­gungskriegen zu personifizieren.Albrecht_Graf_von_Roon
Wenn Roon auch kein so großer Regierungschef wie Bismarck und kein so großer Generalstabschef wie Moltke war, so war er doch ein recht erfolgreicher politischer General. Er konzipierte nicht nur für seinen König eine politisch umstrittene Militärreform. Er vertrat sie auch, durchaus mit Geschick, im Parlament. Und er sorgte dafür, dass sie umgesetzt werden konnte, indem er Bismarck nach Berlin holte.
Voraussetzung für das folgenreiche Wirken des Kriegsministers war seines Königs Vertrauen. Ein Jahrzehnt vor Roons Berufung an die Spitze des Kriegsministeriums lernten die beiden sich kennen. Roon war damals Generalstabs­chef eines der preußischen Armeekorps, mit denen Wilhelm die Badische Revolution niederschlug. Continue reading „Er holte und vertrat Bismarck“

Bismarcks »objektivster Gegner«

Vor 200 Jahren kam Friedrich Ferdinand Graf von Beust zur Welt, Regierungschef sowohl Sachsens als auch Österreichs
Von Manuel Ruoff
Otto von Bismarck bezeichnete Friedrich Ferdinand von Beust als seinen „objektivsten und liebenswürdigsten Gegner“, und der Sachse wiederum betrachtete sich als Pendant zum Preußen. Angesichts ihrer gegensätzlichen politischen Ziele konnte es vielleicht auch gar nicht anders sein.Friedrich_Ferdinand_von_Beust_1860
Spätestens das Preußen des Ministerpräsidenten Bismarck strebte eine vergleichsweise unitarische kleindeutsche Lösung an, das heißt einen deutschen Bundesstaat unter Ausschluß des traditionell mächtigeren Österreichs und unter Leitung der dadurch einzigen Großmacht des Landes, Preußen. Das Sachsen des Regierungschefs Beust strebte die sogenannte Trias-Lösung an, das heißt einen vergleichsweise föderalistischen Staatenbund unter Einschluß Österreichs, in dem sich die beiden deutschen Großmächte die Waage halten und dem sogenannten dritten oder reinen Deutschland, sprich den deutschen Mittel- und Kleinstaaten, die Rolle einer dritten Kraft zukommt. Diese Trias-Lösung wurde seitens Sachsens durchaus nicht selbstlos präferiert, glaubte man doch, als neben Bayern mächtigster der Mittelstaaten für die Führung des dritten Deutschlands prädestiniert zu sein. Eine föderalistische Lösung der deutschen Frage strebte die Regierung des Königreichs Sachsens an, da man weder in einem von Österreich noch in einem von Preußen beherrschten deutschen Zentralstaat aufgehen wollte. Österreich schließlich war als Vielvölkerstaat jeder Form von unitarischem Nationalstaat abhold. Der traditionell mächtigste deutsche Staat strebte eine föderalistische, großdeutsche Lösung der nationalen Frage mit ihm als Führungsmacht eines deutschen Staatenbundes an. Zum Leidwesen Dresdens sah also weder die von Berlin noch die von Wien verfolgte Lösung eine Gleichberechtigung der Mittel- und Kleinstaaten als dritte Kraft vor. Continue reading „Bismarcks »objektivster Gegner«“

Philosoph an der Wirtschaftsspitze

Vor 20 Jahren wurde Alfred Herrhausen, der Chef der Deutschen Bank, ermordet
Von  Manuel Ruoff
Für viele Bundesbürger war es vor 20 Jahren ein Schock. Im Jubel über den Fall der Mauer und die nachfolgenden Erfolge der friedlichen Revolution auf der anderen Seite des Eisernen Vorhanges schien sie auf einmal der Schatten des Deutschen Herbstes des vorausgegangenen Jahrzehnts eingeholt zu haben. Während der Sozialismus im Osten unblutig zusammenbrach, schien er im eigenen Staat noch einmal sein schreckliches Antlitz zu zeigen. Vor 20 Jahren, am 30. Dezember 1989, fiel Alfred Herrhausen einem Bombenattentat zum Opfer. Es beraubte die Bundesrepublik eines ihrer mächtigsten und visionärsten Bürger.
Alfred Herrhausens Vater war als Vermessungsingenieure der Ruhrgas AG ein Mann aus dem Volke. Doch bereits die Nationalsozialisten erkannten die außerordentlichen Fähigkeiten des am 30. Januar 1930 in Essen geborenen Preußen. So besuchte er unter anderem die Reichsschule Feldafing der NSDAP.
Gerne hätte Herrhausen nach der Schulzeit Philosophie studiert. Das erklärt auch die im Vergleich zu Bankern wie beispielsweise seinen aktuellen Nachfolger Josef Ackermann bemerkenswerte Tiefe und Ethik. Sie spiegelt sich in seiner Grabinschrift: „Wir müssen das, was wir denken, auch sagen. Wir müssen das, was wir sagen, auch tun. Wir müssen das, was wir tun, dann auch sein.“ Die Nachkriegszeit war jedoch keine gute Zeit für brotlose Kunst. Nolens volens studierte Herrhausen statt Philosophie Betriebswirtschaftslehre. Continue reading „Philosoph an der Wirtschaftsspitze“

Als die Sowjets Finnland überfielen

Unprovoziert und ohne Kriegserklärung entfesselte die UdSSR vor 60 Jahren den Winterkrieg

Von Manuel Ruoff
Die Sowjetunion nutzte den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, um im Windschatten der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den anderen europäischen Großmächten ihr Territorium auf Kosten ihrer kleineren Nachbarn zu vergrößern. Zu den Opfern dieser Politik gehörte Finnland.

Im deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag vom 23. August 1939 hatten die Deutschen Finnland den Sowjets überlassen. Die Sowjetunion konnte nun, ohne deutsche Unterstützung für Finnland fürchten zu müssen, ihren skandinavischen Nachbarn unter Druck setzen. Sie betrachtete es als nicht zumutbar, dass in 50 Kilometer Entfernung von ihrer zweitwichtigsten Stadt Leningrad das kapitalistische Ausland begann. In bilateralen Verhandlungen forderte sie deshalb von Finnland den Südteil der befestigten Karelischen Landenge abzutreten und sich dafür mit anderem karelischen Gebiet entschädigen zu lassen. Des weiteren forderten die Sowjets die Verpachtung der Halbinsel Hanko und die Überlassung diverser Inseln im Finnischen Meerbusen sowie den finnischen, westlichen Teil der Fischerhalbinsel an der Küste des Nördlichen Eismeeres. Continue reading „Als die Sowjets Finnland überfielen“

Seinem Tod folgten die »Säuberungen«

Von Manuel Ruoff
KirowBeim Bolschewisten Sergei Mironowitsch Kirow ist es im Grunde ähnlich wie beim Erzherzog Franz Ferdinand: Es ist weniger ihr Leben als ihr gewaltsamer Tod, der ihr Bild in den Geschichtsbüchern bestimmt. Beiden Morden folgte eine Katastrophe, ohne dass sie die eigentliche Ursache gewesen wären. Im Falle des Österreichers war es der Erste Weltkrieg, im Falle des Russen Stalins „Große Säuberung“ mit ihren Moskauer Schauprozessen, in denen es formal auch um die Aufklärung des Mordes an Kirow im Jahre 1934 ging.
Ähnlich wie beim Reichstagsbrand tauchte auch hier der Verdacht auf, dass derjenige, der das Verbrechen zur Abrechnung mit seinen Gegnern instrumentalisierte, auch der Täter sei. Der Verdacht erhielt in diesem Fall zusätzliche Nahrung durch Kirows große Popularität. So erhielt Kirow bei der Wahl des Zentralkomitees auf dem 17. Parteitag der Bolschewiki vom 26. Januar bis 10. Februar 1934 nur drei Gegenstimmen, hingegen Stalin 292.
Es wird wohl ewig im Dunkeln bleiben, was Leonid Nikolajew dazu bewogen hat, vor 75 Jahren, am 1. Dezember 1934, Kirow vor dessen Büro im Smolny, dem Sitz der Leningrader KP, abzupassen und mit mehreren Schüssen niederzustrecken. Nikolajew wurde noch am Tatort festgenommen, von Stalin persönlich verhört, zum Tode verurteilt und 28 Tage nach seinem Opfer selber erschossen.

Der Herr des Eises

Von Manuel Ruoff

Carl_Linde_1872Der am 11. Juni 1842 im oberfränkischen Berndorf geborene Pastorensohn Carl von Linde kam während seiner Gymnasialzeit in Kempten erstmals mit der Technik in Berührung. Die großen Dampfmaschinen und Turbinen der dortigen Aktien-Baumwollspinnerei faszinierten ihn so sehr, dass er nach dem Abitur am renommierten Polytechnikum in Zürich ein Studium aufnahm – das er aber nicht abschloss. Weil er sich beim Rektor allzu sehr für seines Erachtens zu Unrecht disziplinierte Kommilitonen einsetzte, wurde er nämlich der Hochschule verwiesen. Der Studienabbrecher wider Willen fand schließlich eine Stelle in einer Münchner Lokomotivfabrik. In der Zeitung hatte er gelesen, dass diese errichtet werden sollte, und seine Bewerbung um die Leitung des Konstruktionsbüros hatte Erfolg. Linde reizte jedoch die Freiheit von Forschung und Lehre, und als er von der bevorstehenden Gründung eines Polytechnikums in München, der heutigen Technischen Universität, erfuhr, bewarb er sich um den dortigen Lehrstuhl für theoretische Maschinenlehre. 1868 wurde das Polytechnikum gegründet und Linde deren außerordentlicher, 1872 dann ordentlicher Professor.
Linde war nicht nur ein großer Forscher und Erfinder, sondern besaß auch die Gabe, Marktlücken zu erkennen und diese mit ausgereiften, marktfähigen Entwicklungen zu füllen. Sein Spezialgebiet wurden Kältemaschinen. Continue reading „Der Herr des Eises“

Der Kommissar schlechthin

Vor 25 Jahren, am 19. Juli 1983, starb der Berliner Schauspieler Erik Ode

Von  Manuel Ruoff

Erik OdeDer bekannteste Fernsehkommissar Nachkriegsdeutschlands kam am 6. November 1910 in Preußens Hauptstadt Berlin zur Welt. Seine Eltern waren die Schauspieler Fritz Odemar und Erika Nymgau. Aufgewachsen ist Erich Odemar, wie Erik Ode eigentlich hieß, in Hamburg. Seine Mutter spielte am Altonaer Theater. Durch seine Eltern in doppelter Weise vorbelastet, spielte Ode bereits zwölfjährig in einem Film mit. Es war der Stummfilm „INRI“, bei dem er mit Henny Porten und Asta Nielsen vor der Kamera stand. Eigentlich wollte er ja Kameramann werden, aber er setzte dann doch die als Zwölfjähriger begonnene Karriere fort.
Nach einer Schauspielausbildung stand er 1928 am Berliner Schiffbauerdamm-Theater auf den Brettern, welche die Welt bedeuten sollen. Im selben Jahr gründete er in der Reichshauptstadt mit dem Königsberger Max Colpet das Kabarett „Anti“. Auf vielen Bühnen Berlins, aber auch anderer Städte konnte man Ode in den 30er Jahren in Stücken wie „Der Apfel ist ab“ sehen. 1938 hatte er Engagements auf der Isle of Wight und in London. 1939 war er dann wieder in Deutschland. Nun arbeitete er am Münchner Staatsschauspiel, wo er vor allem mit „Das Konzert“ Erfolge feierte. Continue reading „Der Kommissar schlechthin“

Hommage an Konstantin, den ersten christlichen Kaiser Roms

Von Manuel Ruoff
„Zweitausend Jahre Geschichte blicken auf euch herab!“ Der Lateinlehrer aus Hannover bemüht sich vergeblich, seine Siebzehnjährigen für die monumentalen Kaiserthermen zu interessieren. Das ändert sich schlagartig, als der fränkische Tribun Mallobaudis in bestickter Tunika, das Schwert an der linken Seite, mit einem zackigen „Salve“ die Szene betritt. Gebieterisch fordert er die Anwesenden zu einem Gang durch die größte römische Bäderanlage außerhalb Roms auf. Und nun beginnt eine Zeitreise durch die wechselvolle Geschichte der einstigen Augusta Treverorum, gespickt mit pikanten Einzelheiten über Intrigen römischer Würdenträger und die listigen Finten der germanischen Untertanen.
Der traditionelle Rundgang beginnt an der Porta Nigra – dem Schwarzen Tor – der antiken nördlichen Stadtbefestigung. Das gigantische Amphitheater, die gut erhaltenen Barbarathermen und andere bedeutende Bauwerke legen auch heute noch Zeugnis ab von der Bedeutung Triers, das sich zu Zeiten Kaiser Konstantins (275 bis 337) stolz das „deutsche Rom“ nannte. Mit 70.000 Einwohnern war es nicht nur die größte Stadt nördlich der Alpen, sondern eine der wichtigsten Continue reading „Hommage an Konstantin, den ersten christlichen Kaiser Roms“

Als Preußen seiner Auflösung nur knapp entging

Vor 200 Jahren wurde der Frieden von Tilsit unterzeichnet
Von Manuel Ruoff
Unerbittlich hatten die Franzosen nach der den Vierten Koalitionskrieg entscheidenden Schlacht von Friedland vom 14. Juni 1807 die verbündeten Russen und Preußen durch Ostpreußen vor sich her getrieben, bis diese sich hinter die Memel ins Memelland zurückgezogen hatten. Mit dem Fluß hatten Napoleons Truppen das letzte natürliche Hindernis vor dem Zarenreich erreicht. Überschritten sie nun auch noch die Memel, lag das russische Baltikum schutzlos vor ihnen. Eine Fortsetzung des Vierten Koalitionskrieges auf russischem Boden und damit ein Kampf Rußlands um die eigene territoriale Integrität wollten zu diesem Zeitpunkt jedoch weder der Kaiser der Franzosen noch der russische Zar Alexander I.
Napoleon hatte im Vierten Koalitionskrieg gerne gegen die Russen gefochten, um ihnen seinen eigenen Wert als Verbündeter plastisch vor Augen zu führen, doch im Gegensatz zu Preußen, dessen König er wegen dessen Entscheidungsschwäche verachtete, wollte er Rußland (noch) nicht erobern. Der Franzose betrachte Rußland nicht als seinen Hauptgegner. Vielmehr versuchte der Kaiser, den Zaren auf Kosten Preußens und auch Schwedens als Verbündeten gegen seinen vermeintlichen Hauptgegner Großbritannien zu gewinnen. Continue reading „Als Preußen seiner Auflösung nur knapp entging“

Der VW mit den markanten »Augenbrauen«

Von Manuel Ruoff

Am 1. September 1961 geht das »große« VW Karmann Ghia Coupé 1500 in Serie
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Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht 1945 und der von Hunger, Not, Elend und Entbehrungen geprägten zweiten Hälfte der 40er Jahre begann sich in den 50er Jahren das sogenannte Wirtschaftswunder ganz allmählich auch in den Portemonnaies der Bundesbürger bemerkbar zu machen, um dann in den „fetten“ 60er Jahren mit Voll- und Überbeschäftigung seine Blüte und seinen Höhepunkt zu erleben. Der Kreis der Westdeutschen, die mit einem VW Käfer angefangen hatten und sich nun mehr leisten wollten und auch konnten, wuchs. Um diese Aufsteiger auch anzusprechen und nicht an andere Marken zu verlieren, brachte das Volkswagenwerk an der Wende von den 50er zu den 60er Jahren einen neuen Mittelklassewagen mit 1,5-Liter-Maschine auf den Markt, den ebenfalls von Porsche entwickelten und gleichfalls von einem luftgekühlten Heckmotor über die Hinterräder angetriebenen Typ 3. Dieser wie der Käfer zweitürige VW 1500 wurde sowohl als Stufenhecklimousine als auch als Kombi – bei Volkswagen seit jener Zeit bis zum heutigen Tag „Variant“ genannt – angeboten.
Aufgrund der unerwartet guten Verkaufszahlen des ab 1955 als Coupé und 1957 auch als Cabrio gebauten „kleinen“ Karmann Ghia auf Basis des Typs 1, sprich des Käfers, lag es für das Volkswagenwerk nahe, mit den selben Partnern auch einen geschlossenen und einen offenen Sportwagen auf Basis des Typs 3 zu bauen. Continue reading „Der VW mit den markanten »Augenbrauen«“

Europa ist mehr als nur Kohle und Stahl

Vor 50 Jahren wurden die Römischen Verträge zur Gründung der EWG und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) unterzeichnet
Von Manuel Ruoff
Europas Einigung hatte nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Gebieten Kohle und Stahl angefangen. 1951 hatten die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien und die drei Benelux-Staaten mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, Montanunion) einen Anfang gemacht. Der Versuch, die europäische Einigung auf den militärischen Bereich mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) auszudehnen, scheiterte 1954 an der französischen Nationalversammlung. Obwohl die Bundesrepublik in dieser Gemeinschaft eindeutig diskriminiert werden sollte, waren in Frankreich die Vorbehalte dagegen, auf dem sensiblen Gebiet der Verteidigung Kompetenzen an einen Zusammenschluß mit den Deutschen abzugeben, für viele zu groß. So wurde versucht, die Einigung zuerst einmal auf andere, zivile Gebiete auszudehnen.
Franzosen hatten die europäische Einigung mit dem Verhindern der EVG gestoppt, ein Franzose brachte die Entwicklung wieder in Gang: Jean Monnet. Der erste Präsident der Hohen Kommission der Montanunion verfolgte die Idee, die EGKS auf weitere Wirtschaftsbereiche auszudehnen, darunter auch auf den Bereich der friedlichen Nutzung der Atomenergie, der die Zukunft zu gehören schien. Einen Mitstreiter auf internationaler Bühne fand er in dem belgischen Außenminister Paul-Henri Spaak. Von dem damaligen Außenminister der international sehr wettbewerbsfähigen Niederländer, Jan Willem Beyen, kam als weiterer Impuls die Idee einer europäischen Zollunion. Continue reading „Europa ist mehr als nur Kohle und Stahl“

Althoff – Der Wegbereiter der Genies

Von Manuel Ruoff

Er bestimmte in der Kaiserzeit das Bildungswesen in Preußen und darüber hinaus auch in Deutschland so nachhaltig wie kein anderer vor oder nach ihm. Ein Vierteljahrhundert nahm er auf verschiedenste Art und Weise Einfluß auf die Bildungsinhalte in den Gymnasien und Universitäten. Sein Name ist heute weitgehend vergessen: Friedrich Theodor Althoff.
Der Preuße kam am 19. Februar 1839 in Dinslaken als Sohn des Domänenrats Friedrich Theodor Althoff und dessen zweiter Ehefrau Julie von Bugenhagen zur Welt. Er besuchte in Wesel das Gymnasium, wo er im Jahre 1856 das Abitur bestand.
Nach einem Jurastudium in Bonn und Berlin sowie der Absolvierung eines Referendariats bestand er 1867 das Examen mit Prädikat. Nach der Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 wirkte er als Referent für Kirchen- und Schulangelegenheiten an der Seite des Straßburger Oberpräsidenten Eduard von Möller. Obwohl weder promoviert noch habilitiert, lehrte Althoff von 1872 an als Extraordinarius und von 1880 an sogar als Ordinarius Jurisprudenz mit Schwerpunkt auf französischem und Zivilrecht. Continue reading „Althoff – Der Wegbereiter der Genies“

Die Wiege von Deutschlands größtem Flughafen

Vor 70 Jahren wurde der Frankfurt Airport mit der Landung einer Junkers  Ju 52 der Deutschen Lufthansa eröffnet
Von Manuel Ruoff
Die Vorgeschichte des größten deutschen Flughafens reicht bis in die Zwischenkriegszeit zurück. Sie beginnt am 2. Juli 1924. Vor 82 Jahren schlossen sich angesehene Frankfurter Kaufleute und Firma zu einem Konsortium zusammen, um gemeinsam mit der Stadt Frankfurt und der „Junkers Luftverkehrs AG“ die Vorgängerin der „Fraport AG“, die „Südwestdeutsche Luftverkehrs AG, Frankfurt am Main“ zu gründen.
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Das im Westen Frankfurts gelegene alte Hofgut Rebstock, das 1909 schon der Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung (ILA) als Freigelände gedient hatte und bis 1914 von der „Deutschen Luftschiffahrt Aktiengesellschaft“ (DELAG) als Heimatbasis für ihr Luftschiff betrieben worden war, wurde, erweitert durch hinzugekaufte weitere Flächen, zum Flughafen umgenutzt. Statt eines aufwendigen Neubaus von Verwaltungs- und Betriebsgebäuden entschied man sich für den Umbau des vorher landwirtschaftlich genutzten Gutsgebäudes.
Im Gründungsjahr hatte der Flugplatz Rebstock 234 Starts und Landungen mit 536 Fluggästen und 1102 Kilogramm Post. Bereits im darauffolgenden Jahr betrug die Zahl der Starts und Landungen sowie der Passagiere das Zehnfache. Bis zum Ende der Weimarer Republik wuchsen diese Kennzahlen derart, daß man bereits 1930 mit der Planung eines neuen Flughafens an einem anderen Standort begann.
Diesem Plan erging es wie so manch anderem, der in der Weimarer Zeit erstellt wurde. Continue reading „Die Wiege von Deutschlands größtem Flughafen“