Diese Glosse erschien am 17. April 2012 im Hamburger Abendblatt
Von Uta Buhr
An der Frage, ob man über Geschmack streiten kann oder nicht, scheiden sich von jeher die Geister. Manche von uns treiben es zuweilen gar zu bunt mit ihrer Kleidung. Andere hingegen mögen’s eher schlicht und ergreifend. Besonders die Männerwelt erscheint allzu oft grau in grau im tristen Büro- und Börsenlook.
Ganz anders unser Bote Willi. Zählte auch er bis vor kurzem noch zur Kategorie der grauen Mäuse, hat er sich zum Frühlingsbeginn zu einer wahren Augenweide gemausert. So modebewusst würde er selbst einem anspruchsvollen Herrenmagazin zur Ehre gereichen: Die Bügelfalte seiner sandfarbenen Hose ist messerscharf, das Hemd dezent gestreift, die Krawatte vorbildlich gebunden. Und in seinen spitzen Schuhen kann man sich spiegeln. Diese elementare Wandlung erklärt Willi wie folgt: „Tja, früher kam es nicht so drauf an. Da beschickte ich die Hafengegend. Aber seit kurzem habe ich die vornehme Tour in den Geschäftsvierteln rund um Hamburg, einschließlich Phoenix-Center, übernommen. Und immer vorbei an den schicken Läden und eleganten Damen. Das verpflichtet doch – oder?“
Neuerlich erscheint Willi stets mit einem frischen Veilchen im Knopfloch seines Samtblazers. Manche Kollegen mokieren sich über ihn und finden das total übertrieben. Doch Willi lässt sich nicht beirren. „Lieber’n Veilchen im Knopfloch als eins im Auge“, sagt er schreitet würdig von dannen.