von Uta Buhr
Fotos: Maren Schönfeld
Am 7. August feierte die Auswärtige Presse zusammen mit der Hamburger Autorenvereinigung ihr diesjähriges Sommerfest mitten auf der Alster. Also dort, wo die Hansestadt sich von ihrer schönsten Seite präsentiert. Mit dieser Veranstaltung begingen wir nachträglich auch den Geburtstag der Schriftstellerin und Journalistin Ruth Geede, die Anfang 2016 hundert Jahre alt wurde. Eine erstaunliche Frau mit einer noch erstaunlicheren Biografie, ein Mensch, der trotz seines hohen Alters auch heute noch jede Woche eine einseitige Kolumne in der Preußischen Allgemeinen Zeitung – kurz PAZ – veröffentlicht. Die Doyenne unserer beiden Vereinigungen ist die älteste noch tätige Journalistin der Welt. Wir verneigen uns vor der Schaffenskraft dieser Grande Dame des deutschen Journalismus.
Die Stimmung unter den 60 Passagieren an Bord der „St. Georg“ ist gut, als der historische Alsterdampfer pünktlich um 18.30 Uhr am Jungfernstieg ablegt. Auch der Wettergott meint es an diesem Sonntag gut mit uns. Bei strahlendem Sonnenschein gleitet der 1876 auf der Hamburger Reiherstiegwerft erbaute Museumsdampfer gemächlich von der Binnen- in die Außenalster, auf der sich weiße Segel in der leichten Brise blähen und kleine Boote auf den Wellen dümpeln.
Nachdem Sabine Witt, die Vorsitzende der Hamburger Autorenvereinigung, die Gäste begrüßt hat, wird eine Grußbotschaft von Ruth Geede verlesen, die wegen ihres hohen Alters der Veranstaltung fernbleibt. Für sie, die in früheren Jahren stets so hinreißend aus ihren Büchern las und rezitierte, tritt ihr alter Freund aus der „kalten Heimat“, Schauspieler Herbert Tennigkeit, vor das geneigte Publikum, um Gedichte und Geschichten aus Ruth Geedes umfangreichem Werk vorzutragen. Die vielleicht anrührendste Geschichte aus der Feder der Autorin ist „Das Bett“. Sie erzählt von einer alten Ostpreußin, die sich an ihrem hundertsten Geburtstag in aller Bescheidenheit ein Bett wünscht, in dem bislang noch keiner vor ihr geschlafen hat. Denn in ihrem langen und entbehrungsreichen Leben hatte sie immer die Ruhestatt mit anderen teilen müssen. Als Kind mit den Geschwistern und später im Krieg sogar mit völlig fremden Menschen. Hereinlegen lässt sich die alte Frau selbst in ihrem biblischen Alter nicht von so genannten Autoritäten. Denn den Einwand des Herrn Bürgermeisters, sie habe im Krankenhaus doch ein eigenes Bett gehabt, widerlegt sie blitzgescheit. Wie bitte? „Auf der Matratze war doch gerade die alte Krüger gestorben.“ Touché. Das jungfräuliche Bett erhält die in dieser Geschichte namenlose alte Dame und noch dazu ein Gemälde mit einem Engel, der seine Schwanenflügel schützend über ihr ausbreitet. Genauso wie der Engel über dem Ehebett ihrer Herrschaft in Königsberg. Nur so groß muss er nicht sein. Ruth Geedes Pointen sind unschlagbar.
Eine kleine Pause, und weiter geht es mit mehreren Gedichten von Johanna Renate Wöhlke, Präsidentin der Auswärtigen Presse, die aus gesundheitlichen Gründen verhindert ist. Tennigkeit wechselt routiniert das Genre. Er hat eine gute Auswahl getroffen und rezitiert ein Gedicht der Autorin, in welchem es um einen Mann geht, der von seiner Gattin zu einer Diät verdonnert wird, die ihm jegliche Lebensfreude raubt. Die Autorin empfiehlt dem gebeutelten Ehemann zum Schluss, sein Elend zu beenden, indem er sich schleunigst eine neue Frau sucht. Chapeau vor Schreiberin und Vorleser!
Die Fahrt der „St. Georg“ führt während der Lesung durch eine Vielzahl verschwiegener Alsterkanäle, vorbei an stattlichen Villen und Schrebergärten, dicht am Wasser gelegenen Gartenlauben und Restaurants, in denen fröhliche Menschen feiern und den Passagieren an Bord zuwinken. Die meisten von uns kennen diese Seite Hamburgs noch gar nicht. Verwundert reibt sich mancher die Augen und fragt sich, in welchem Stadtteil er sich gerade befindet. Am satt grünen Ufer eines schmalen Alsterkanals schmiegt sich ein hübsches Haus an das nächste. Ein jedes besitzt seinen eigenen Bootsanleger. Manche Anwohner sitzen auf der Kaimauer und kühlen ihre Füße in den Fluten der Alster.
Gerade passieren wir die Krugkoppelbrücke. Hier beginnt der Teil der „Wasserstadt“, wo Hamburg am feinsten ist. Die spiegelnde Wasserfläche des Rondellteichs kommt in Sicht. An seinen gepflegten Gestaden liegen die prächtigsten Villen der Stadt. Auf den Alsterrundfahrten sind die Kapitäne angehalten, nicht zu verraten, welch prominenter Name sich hinter einer der schneeweißen Fassaden verbirgt. Manchmal wird verklausuliert darauf hingewiesen, dass es an Bord auch Tchibokaffee gibt. Kapiert? Ein Abstecher in den Feenteich, das wohl geheimnisvollste und zauberhafteste Gewässer in der Flusslandschaft, gehört zu den Höhepunkten der Fahrt. Auch hier wieder herrliche Stadtpaläste, die, halb verdeckt von üppigem Grün, etwas märchenhaft Verwunschenes ausstrahlen. Kinder sollen schon ihre Mütter gefragt haben, ob hier Dornröschen wohnt. Wir streifen den wunderbaren Stadtparksee, bestaunen die mutigen Schwimmer und Taucher im Freibad gleich nebenan und wenden uns wieder unserem Ausgangspunkt zu – dem Jungfernstieg. Inzwischen ist es Abend geworden. Rings um die Binnenalster flammen Lichter auf, die Fontäne schickt unverdrossen ihre glitzernden Wasserstrahlen gen Himmel, und am Anleger wird immer noch bei ohrenbetäubender Musik gefeiert.
Fazit: Unser Ausflug durch die Alsterkanäle war ein voller Erfolg und ließ keinen Wunsch offen. Die Gäste verließen in bester Laune die „St. Georg“, unter ihnen der bekannte ostpreußische Schriftsteller Arno Surminski, dem an dieser Stelle noch einmal für seine Teilnahme an unserem Alstervergnügen gedankt werden soll.