erschienen im Hamburger Abendblatt am 8. November 2010
Von Johanna R. Wöhlke
Wie werden wir doch gerne von anderen gelobt! Wie freuen wir uns immer wieder daran, dass andere uns gern haben, so richtig gern haben! Lange Zeit gehörte das angewandte Wissen darum nur den Pfarrern, den Lehrern und Müttern – wie waren sie doch immer gut zu uns im Loben unseres Tuns und unserer Werke!
Das ist nun vorbei. Die Dreieinigkeit von Pfarrern, Lehrern und Müttern hat Konkurrenz bekommen. Starke Konkurrenz. Sie hat eine Konkurrenz bekommen, die so stark ist, dass sie alles andere weit überstrahlt. Diese Konkurrenz hat einen Namen. Sie heißt Facebook. Wer wahrgenommen werden will, der hat heute eine Seite in Facebook – egal, wie kritisch er diesem Internetportal gegenüber steht, egal, wie oft er schon den Verlust seiner Privatheit beklagt hat, egal.
Facebook ist weltweite Kommunikation, Werbeplattform, Seelenentäußerung, Freundschaftskitt, Liebesersatz, Fernflirtcafé, soziales Bindungsmittel, schafft Abhängigkeiten, Verbindlichkeiten, exhibitionistische Entfaltungsträume für nacktes Fleisch und offene Gedanken – Facebook ist alles! Facebook ist das Leben!
Denn: Facebook lobt, Facebook fordert zum Loben auf, Facebook erzieht uns alle millionenfach täglich, uns mitzuteilen, wie toll wir uns finden. Das ist eine tolle Sache! Es gibt da diesen button „gefällt mir“. Der ist magisch. Der steht unter jeder Mitteilung, jedem Bild und wartet magnetisch darauf, bedient zu werden.
Diese allgegenwärtige Aufforderung zum Lob oder zur Verdammnis ist mir inzwischen ein Gräuel. Ich möchte das gerne tun, sehr gerne! Es gibt dort Vieles, was ich mag. Aber es immer im Blickfeld zu haben? Aber es ist ein Teufelskreis. Wer sich darauf eingelassen hat, kommt nicht mehr heraus…irgendwie.
Sie meinen, ich sollte einmal versuchen, Facebook in meinem Leben ganz zu ignorieren und einfach rausgehen? Aber nein, das geht nun gar nicht. Ich schrieb es doch: Facebook ist das Leben!