erschienen im Hamburger Abendblatt am 14. Oktober 2010
von Johanna R. Wöhlke
Was macht den Charme eines Barhockers aus? Die Beantwortung dieser Frage hat einen ganz besonderen Reiz, denn auch Barhocker haben einen besonderen Reiz. Sie pflegen hoch zu sein, so hoch, dass es immer einer kleinen gymnastischen Übung bedarf, einen sicheren Halt auf ihnen zu finden. Außerdem sind sie unterschiedlich gut gestaltet und erschweren das „Besteigen“ manchmal ganz erheblich.
Hilfreich ist es immer, wenn die Bar einen Umlauf hat, an dem der oder die Barhockerbesteigende sich festhalten kann. Das geht dann bei Rechtshändern so: Mit der linken Hand am Bartresen festhalten, gleichzeitig mit der rechten Hand den Barhocker in Position bringen und die rechte Hüfte mitsamt Hinterteil so weit anheben, dass man ungefähr auf der Hälfte des runden, kleinen Barhockersitzes Halt gefunden hat.
Was nun folgt, ist oftmals witzig anzusehen, denn der Barhockersitzer muss es nun schaffen, die zweite Hälfte des Hinterteils auf den Sitz nachzuschieben, dabei gleichzeitig die Füße auf dem unteren Stützholz des Barhockers sicher abzustützen und das so zu tun, dass Hose oder Rock sich nicht verziehen und Spannungsgefühle im Stoff entstehen, so dass es noch einiger kleiner akrobatischer Übungen bedarf, endlich auf den fragenden Blick des Barkeepers zu antworten: „Ein Bier bitte!“
Wenn es also ein wenig mühsam ist, einen Barhocker sicher zu besteigen und bequem auf ihm zu sitzen, warum sitzen die Leute dann gerne auf ihm und warum finden sich solche Sitzmöglichkeiten auf hohen Hockern immer mehr auch in Restaurants?
Abgesehen davon, dass man es „cool“ nennen könnte, ist es meiner Meinung nach die Fortentwicklung des orthopädisch wertvollen Sitzballes und damit der Idee des Sports im Alltag. Die oben beschriebenen kleinen sportlichen Übungen würzen den Restaurantalltag – bevor es an Salzstreuer und Pfeffermühlen, Bier und Cocktails geht…