Von Johanna R. Wöhlke
Es ist langes Sitzen angesagt an diesem Tag. Das muss sein, denn auch ein Kulturfest auf dem Neugrabener Markt kann nicht acht Stunden lang im Stehen überstanden werden. Jetzt beim Schreiben fällt mir auf, dass die Sprache da schon sehr passend ist: etwas nicht im Stehen überstehen zu können!
Beim langen Sitzen kommt es natürlich auch zu langen Gesprächen. Das kann nicht anders sein. Man sitzt so vor sich hin, die Gedanken wandern, die Augen nehmen wahr und registrieren Geschautes und der Mund kann das alles nicht für sich behalten. Das nennen wir Gespräch!
Meinem Nachbarn fällt beim Stichwort langes Sitzen nur Bayreuth ein, Bayreuth und lange Wagner Opern. Die sind nicht sein Ding. Die Musik, na ja, da könnte er sich schon erweichen lassen, besonders bei schönen Stücken wie zum Beispiel der Tannhäuser Ouvertüre. Danach hört es dann schon auf.
Es fällt auf und wird immer klarer: Er ist kein Wagner Fan. Das lange Sitzen wurde ihm schon in der Hamburger Oper einmal zur Qual – und dann noch Bayreuth. Da gibt es nur Holzsitze. Das ist hart. Das ist für Nichtfans noch härter, wenn es lange dauert. Die harte Geduldprobe wird zum Härtetest für die Geduld und das Hinterteil. Aber wer kennt diese Gedanken in Zusammenhang mit Wagner nicht!
So ist das Leben. Es beschert uns harte und weiche Momente und fragt nicht danach, ob wir sie genießen können oder nicht. An diesem Tag auf dem Neugrabener Marktplatz können wir nicht über harte Sitze klagen. Wir haben vorgesorgt und weich auf den klappbaren Gartenstühlen gepolstert. Vermutlich würden wir darauf auch eine lange Wagneroper durchstehen. Aber es ist ja nun mal Tatsache: Die dürfte man nicht mit ins Festspielhaus nehmen…Johanna R. Wöhlke