Von Johanna R. Wöhlke
Literarische Spaziergänge auf dem Ohlsdorfer Friedhof.
Hamburger Autoren erinnern an tote Kollegen
Herausgegeben von Anna Bardi
Es liegt schon einige Tage auf meinem Schreibtisch: „Literarische Spaziergänge auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Hamburger Autoren erinnern an tote Kollegen. Herausgegeben von Anna Bardi“. Es liegt da in sanftem, abgedunkeltem Hellgrün, weiße Schrift und rote Schrift, ein Bild mit einer Parkbank inmitten eines grünen Gartens auf der Titelseite, überzeugend schon dieses Cover – ein Buch, einladend zu einem Spaziergang, zu mehreren Spaziergängen – über einen Friedhof.
Ich erinnere mich an den Ohlsdorfer Friedhof als einen Park, in dem fast wie zufällig auch noch Menschen ihre letzte Ruhestätte finden. Es gab dort vor vielen Jahren eine Beerdigungsfeier im Winter, der ich beiwohnte. Ein entferntes Familienmitglied wurde zu Grabe getragen. Ich hatte es nicht einmal gekannt. Die Kälte des Winters in den Gliedern zu spüren, macht solche Wege noch kälter, bis in die Seele hinein.
Die literarischen Spaziergänge, die Anna Bardi herausgegeben hat, lassen dieses Gefühl der Kälte nicht entstehen. Sie führen nicht nur zu den Gräbern, sondern auch zu den Lebensgeschichten toter Kollegen, die 21 Autoren der Hamburger Autorenvereinigung geschrieben haben. Da schleicht sich keine Kälte in die Glieder. Da entfaltet sich Erinnerung in ihrer besten Form, Erinnerung an berühmte Namen, Gesichter und damit auch an Geschichten und Lebensgeschichten.
So geht es sehr lebendig zu in diesem Buch der Geschichten über tote Schriftstellerkollegen. Sich begegnen, das sich Nahekommen, real werden lassen im Spazierengehen und Erzählen durch Schritte und Schrift, an die Hand genommen durch nachzuvollziehende Wege anhand aufgezeichneter Karten und die im Geschriebenen angebotenen Gedanken und Erinnerungen, aufgeteilt in drei Spaziergänge – das macht dieses Buch zu einem ganz besonderen Leseerlebnis, gepaart mit dem Angebot, das Gelesene körperlich nachzuvollziehen.
Die Worte der Herausgeberin Anna Bardi in ihrer Einleitung zeigen nicht nur die Beweggründe auf, dieses Buch zu initiieren, sie begründen auch die der Rezensentin so sinn- und gehaltvoll erscheinende Veröffentlichung dieser literarischen Spaziergänge: „…begriff ich sehr früh, dass Leben und Tod einander nicht ausschließen. Später bedeutete mir der Tod eine Hommage an das Leben selbst und der Friedhof ein Museum der Vergänglichkeit unter freiem Himmel.“
Posthum Teil einer solchen Hommage an das Leben zu sein, das hätte all den Kollegen gefallen – von Wolfgang Borchert, Axel Eggebrecht, Peter von Zahn, Julis Campe, Alfred Kerr, Ben Witter, Ida Ehre bis hin zu Heinz Erhardt, um nur einige zu nennen. Da macht es Freude, eines seiner Gedichte aus den literarischen Spaziergängen zu zitieren:
Kaum, dass auf diese Welt du kamst,
zur Schule gingst, die Gattin nahmst,
dir Kinder, Gut und Geld erwarbst –
schon liegst du unten,
weil du starbst.
Vielleicht sind ja auch Sie, verehrte Leserin und verehrter Leser, demnächst auf dem Weg, auf einem literarischen Spaziergang zu ihm und den anderen toten Dichtern, an die Hand genommen von den 21 Autoren der Hamburger Autorenvereinigung. Die Gräber des Ohlsdorfer Parkfriedhofs beherbergen nur ihre Körper. Die Erinnerung aber beherbergt ihren Geist, solange sie währt und lebendig erhalten wird.
Die literarischen Spaziergänge sind 2009 im Verlag Jeudi, Hamburg erschienen, ISBN 978-3-00-028661-2, kosten 15 Euro und sind über den Buchhandel oder über den Verlag zu beziehen:
Verlag Jeudi/Anna Bardi
Am Weiher 19
20255 Hamburg
Telefon: | 040-401 44 40 | |
Fax: | 040-401 55 40 | |
Mobil: | ||
eMail / Homepage: | anna@bardi.de | http://www.bardi.de |