erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff
Das Rentenalter ist erreicht
Der Bundesadler wird 65 – Doch schon lange vorher war der König der Lüfte Deutschlands Nationalsymbol
Das deutsche Wappen ist das älteste heute noch bestehende europäische Hoheitszeichen. Die Wurzeln des Bundesadlers reichen bis in die Antike zurück, bis zu den goldenen Adlern der römischen Caesaren. Nach dem Untergang des weströmischen Imperiums trat das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) dessen Nachfolge an und dessen Kaiser stellten sich in die Tradition der römischen Imperatoren. Um diesen Anspruch auf Nachfolge zu bekräftigen, soll Kaiser Karl der Große auf seinem Palast zu Aachen einen metallenen, vermutlich goldenen Adler anbringen lassen haben.
Mit dem Aufkommen des Wappenwesens wurde im 12. Jahrhundert das Gold des Adlers zur Schildfarbe und der Adler aus Gründen des Kontrastes schwarz. Wohl nach dem Vorbild von Ostrom beziehungsweise Byzanz wurde der Adler des Kaisers im 15. Jahrhundert doppelköpfig in Abgrenzung zum einköpfigen Adler der deutschen Könige.
Da Gold nicht auf Pergament haftet, wurde dazwischen das mennigfarbene Rot als Grundierung verwendet. Dadurch, dass an der Grenze zwischen dem Gold des Wappenschildes und dem Schwarz des Adlers die Goldbeschichtung abblätterte und das Rot hervorkam, entstand die rote Bewehrung des Adlers. Im Weimarer Flaggenstreit wurde diese von den Befürwortern von Schwarz-Rot-Gold als Begründung dafür angeführt, dass Rot neben Schwarz und Gold eine Wappenfarbe des Reiches gewesen sei, doch ist dieses nicht korrekt. Zum einen sind Drei- statt Zweifarbs erst mit der französischen Trikolore populär geworden und zum anderen käme niemand auf die Idee, wegen der goldenen Bewehrung des brandenburgischen oder polnischen Adlers Gold als Wappenfarbe Brandenburgs oder Polens zu bezeichnen.
Als unter dem Druck Napoleons das Heilige Römische Reich deutscher Nation 1806 unterging, versuchte der Habsburger Kaiser Franz II., wenigstens noch den Kaisertitel und das Wappen für sich zu retten. So entstand 1804 der Kaiserstaat Österreich mit dem Doppelkopfadler als Wappen.
Nach dem Ende der napoleonischen Zeit wurde das Heilige Römische Reich auf dem Wiener Kongress von 1814/15 nicht erneuert. An seine Stelle trat der lockerere Deutsche Bund. Dieser war kein Staat und hatte vorerst kein Wappen. Unter dem Druck der wachsenden Nationalbewegung wurde jedoch am 9. März 1848 der kaiserliche Doppelkopfadler ohne kaiserliche Attribute wie Krone, Zepter oder Reichsapfel zum Bundeswappen. Im Zuge der nationalliberalen 48er Revolution erlangte dieser Adler kurze Zeit größere Bedeutung. Das endete jedoch mit dem Ende der 48er Revolution.
Die Frage nach einem Nationalsymbol der Deutschen gewann erst im Zuge der Reichsgründung von 1871 wieder Bedeutung. Ihre Beantwortung hing maßgeblich mit der Antwort auf die Frage nach dem Charakter des neuen Staates zusammen. Da waren auf der einen Seite Männer wie Wilhelm I. oder sein Heroldsamtschef Rudolf von Stillfried-Rattonitz, für die das Deutsche Reich eine Art protestantisches Großpreußen sein sollte und die das Heilige Römische Reich, das sogenannte Alte Reich, als ein habsburgisch und katholisch dominiertes Staatswesen ablehnten. Und dann waren da deutsche Patrioten wie der Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere Friedrich III, der in dem Deutschen Reich einen kleindeutschen Nationalstaat in der Tradition des Alten Reiches sah und wie bei der Nummerierung der Kaiser auch in der Heraldik an dessen Tradition anknüpfen wollte. So schwebte ihm als Wappen der Adler mit dem Wappen des Herrscherhauses als Brustschild vor. Damit konnte er sich jedoch ebenso wenig durchsetzen, wie mit seiner Idee, sich als Kaiser als „Friedrich IV.“ an die Durchnummerierung des Alten Reiches anzuschließen.
Zwar gelang es Stillfried-Rattonitz nicht, den preußischen Adler mit den Attributen des neuen Kaisertums zum Reichswappen zu machen, doch erhielt der Reichsadler nun das preußische Wappen zum Brustschild und die Ordenskette des höchsten preußischen Ordens. Auch hinsichtlich der Anzahl der Köpfe konnte Stillfried-Rattonitz zufrieden sein. Er hatte schon in der 48er Revolution einen Kopf gefordert wie bei den Wappen Brandenburgs und Preußens und nicht derer zwei wie bei Österreich. Mit dem einköpfigen Adler konnte jedoch auch die romantisch geprägte und am Mittelalter orientierte deutsche Nationalbewegung gut leben.
Das Ende des Kaiserreiches überlebte der Adler weitgehend unbeschadet. Der einköpfige schwarze Adler sollte weiterhin das Symbol des Reiches bleiben. Allerdings verlor er mit der Kaiserkrone, dem Brustschild mit dem Wappen Preußens und der Hohenzollern sowie der Ordenskette des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler alle Beigaben, die auf das Kaisertum der Hohenzollern und die Vorherrschaft Preußens im Reich verwiesen, denn beide waren Vergangenheit. Schlicht und modern, wie es dem Selbstverständnis der Weimarer Republik entsprach, sollte der Adler nun daherkommen. Nicht zuletzt für diese Aufgabe wurde extra das Amt des Reichskunstwarts erschaffen. Mitte der 20er Jahre erhielt das deutsche Wappen seine heute gültige Form. 1926 wurde das heutige Bundeswappen von Tobias Schwab entworfen. Im darauffolgenden Jahr wurde es bei der Reichswehr eingeführt. 1928 benutzte es die deutsche Mannschaft erstmals bei den Olympischen Sommerspielen in Amsterdam. Im selben Jahr wurde Tobias Schwabs Kreation das Wappen des Reiches.
Wenn das deutsche Wappentier ohne Umrahmung dargestellt wird, geschieht dieses bis zum heutigen Tage meist in einer sechseckigen Stilisierung, wie beispielsweise bei der Zwei-Mark-Münze, um nur ein Beispiel zu nennen. Hierfür lieferte Sigmund von Weech 1920 den Entwurf.
Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten konzentrierten sich diese darauf, Schwarz-Rot-Gold durch Schwarz-Weiß-Rot zu ersetzen. Das Wappentier des Reiches versahen sie erst allmählich mit ihrem Hakenkreuz. Das kann zu dem für einen in der Bundesrepublik aufgewachsenen Historiker verblüffenden Ergebnis führen, dass ihm in einem historischen Dokument aus der Zeit des Nationalsozialismus die Unterschrift einer NS-Größe in Kombination mit dem seit Kindheitstagen vertrauten Bundesadler zu begegnen scheint.
Der Grund für diesen scheinbaren Widerspruch ist außer der partiellen Trägheit der Nationalsozialisten bei der Nationalsozialisierung der Weimarer Staatssymbolik, das Streben der zweiten deutschen Republik zumindest hinsichtlich des Wappentiers an die erste nahtlos anzuschließen. Analog zu einer Bekanntmachung des ersten Reichspräsidenten vom 11. November 1919 gab der erste Bundespräsident Theodor Heuss am 20. Januar 1950 in Abstimmung mit der Bundesregierung bekannt, „daß das Bundeswappen auf goldgelbem Grund den einköpfigen schwarzen Adler zeigt, den Kopf nach rechts gewendet, die Flügel offen, aber mit geschlossenem Gefieder, Schnabel, Zunge und Fänge von roter Farbe. Wird der Bundesadler ohne Umrahmung dargestellt, so sind das gleiche Bild und die gleichen Farben wie beim Adler im Bundeswappen zu verwenden, doch sind die Spitzen des Gefieders nach außen gerichtet.“