Erschienen im Hamburger Abendblatt
Von Lilo Hoffmann
Wenn ich früher eine längere Bahnreise antrat, deckte ich mich mit vielen Büchern ein, damit während der Fahrt keine Langeweile aufkam.
Im Zug suchte ich mir dann ein ruhiges Abteil, um meinen Lesestoff zu konsumieren. Doch auch die anscheinend stillen Ecken des Zuges blieben nicht lange ruhig. Schon bald erklang, trompetete, klirrte von irgendwoher ein Klingelton und jemand in meiner Nähe zückte sein Handy. Kurz darauf drangen Gesprächsfetzen an mein Ohr, die mich von meiner Lektüre ablenkten. Ich gab das Lesen auf und hörte nur noch zu, was die Handybesitzer den mir völlig ungekannten Gesprächsteilnehmern zu sagen hatten.
Da wurden Tipps für die in Gefahr geratene Beziehung gegeben, in aller Ausführlichkeit von der eigenen berichtet oder der Ärger über den neuen Chef herausgelassen. Ich hörte Gespräche bei denen es um die Erziehung der Kindern, Familienstreitigkeiten, Fußball, Politik, Tante Ilse und Onkel Werner, die nächste Woche kommen, und um das überaus große Problem, was man morgen den kochen solle, ging.
Bei Geschäftsmännern, die meistens mit Laptop und im Anzug reisen, konnte ich mit der Zeit genau am Tonfall erkennen, ob sie mit ihrem Vorgesetzten oder einem so genannten Untergebenen telefonierten. Manchmal versuchte ich sogar zu erraten, mit wem und worüber ein Mitreisender wohl sprechen wird, bevor er das Handy herausholte.
Inzwischen stört es mich nicht mehr unfreiwillige Zuhörerin zu sein. Im Gegenteil. Starte ich heute zu einer längeren Bahnreise lasse ich die Bücher zu Hause, denn die Telefongespräche im Zug sind oftmals interessanter und unterhaltsamer als so manche Lektüre.