„Zorn“ in den Hamburger Kammerspielen

Von Hans-Peter Kurr

Ein ebenso politisch wichtiger wie künstlerisch hervorragender Saisonauftakt 2014 / 15 an der Hartungstrasse:

Die Kammerspiele eröffneten am vergangenen Sonntag mit der Deutschen Erstaufführung „ZORN“ der Australierin Joanna Murray-Smith.

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Als der Chronist diese Autorin anlässlich der Broadway-Inszenierung ihres Stückes „Honour“ 1998 in New York interviewte, äusserte sie sich zu ihrem Beruf und Oeuvre : „In meinen Geschichten gibt es keine Tränen, keine Klagen, keine Todeskämpfe zu sehen; noch gibt es die geringste geheimnisvolle Aufregung, da die Zuschauer von Anbeginn erfahren, daß es zur Katastrophe kommen wird.Irreparabel! Meine Waffe ist ein heiterer, fatalistischer Galgenhumor. Meine Menschen sind sogar zuweilen auf haarsträubende Weise lustig (Glänzend im Kammerspiel-Ensemble realisiert durch Ulrich Bänk als Bob !): Sie tauschen miteinander Beleidigungen aus,während sie in das Grab des Mörders schauen. Die Spannung ist nahezu unerträglich, doch w i r spüren sie im Zuschauerraum, nicht die Protagonisten, die sie nur zeigen sollen.Wir sind genau so stark bewegt wie sie – professionell – unberührt bleiben. Mit Gespür für das Dramatische bleibt die Tragödie unter vielen Schichten der burlesken Komödie verborgen!Darum jedenfalls bemühe ich mich als Autorin“ !………. wie man bei Harald Clemens‘ Inszenierung an den Kammerspielen erleben durfte, in der es um Generationsprobleme, Irrtümer und Mißverständnisse zwischen Protagonisten der grossen Weltreligionen Islam und Christentum geht. Von – leider – hoher Aktualität also das Ganze!

Zum besseren Verständnis des komplexen Themas:

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Es liegt jetzt nahezu 1 700 Jahre zurück, daß im antiken römischen Reich eine gefährliche Umsturz-Partei wirkte: Sie schien die Religion und die Grundlage des Staates zu untergraben.Lange hatte sie unterirdisch, im Verborgenen gewirkt. Diese Gruppierung,die sich bald stark fühlte, „im fremden Land „ hohen, nicht nur religionspolitischen Einfluss zu nehmen, waren die Christen. Das hatte zur Folge: Der junge Kaiser Diokletian konnte und wollte nicht länger ruhig zuschauen, wie Ordnung, Gehorsam und Zucht untergraben wurden. Also erliess er – heute würden wir sagen – Sozialgesetze gegen die Christen.
So auch in unseren Tagen…..nur unter anderen Vorzeichen. Und leider – das zeigte der Abend in bestürzend-schmerzlicher Deutlichkeit – hat sich im 21. Jahrhundert der Menschheitgeschichte „ in diesem unserem Lande“ nichts Bedeutungsvolles- gegenüber dem antiken Beispiel – geändert,wenn wir zum Beispiel die Verse aus dem 19. Jahrhundert des politischen Lyrikers Georg Herwegh ( „Germania, mir graut’s vor Dir„) herüberklingen hören,als wären sie vor Stunden erst geschrieben worden:
„Reißt die Kreuze aus der Erden!
Alle sollen Schwerter werden,
Gott im Himmel wird’s verzeih’n,
gen Tyrannen und Philister!
Auch das Schwert hat seine Priester,
Und wir wollen Priester sein!“

Die Intendanz der Kammerspiele stellte dem Regisseur vorzügliche Menschendarsteller für diese wichtige Eröffnungs-Produktion zur Verfügung:
Jacquelin Macaulay als Alice, Rufus Beck als Patrick (Zum ersten Mal an der Seite des Vaters: Jonathan Beck als Joe), Lena Dörrie als Rebecca, Gerd Luka Storzer als Klassenlehrer Warren sowie den bereits lobend erwähnten Ulrich Bänk als Bob.
Glückwunsch zu dieser gelungenen Eröffnung!

Foto: Bo Lahola