von Götz Egloff
Rezension zu Zana Ramadani: Die verschleierte Gefahr. Die Macht der muslimischen Mütter und der Toleranzwahn der Deutschen. Europa-Verlag, Berlin, 2017
Politische Korrektheit ist zu einem Menetekel geworden. Einst als sprachbewusste Kategorie gestartet, hat sich der Begriff von Gegenständen und Sachverhalten abgelöst und rückverwandelt nun die Realität in bloße Sprachspiele. Wenn alles eingeebnet ist und gut Begründetes gleichrangig neben schlecht oder gar nicht Begründetem steht, ist alles gleichwertig. Kultur heißt aber auch, Unterscheidungen treffen zu können. Politische Korrektheit ist eben nicht wissenschaftliche, auch nicht epistemologische Korrektheit, sondern ein politischer Imperativ, den man teilen kann oder eben nicht. In der jetzigen Handhabung ist er brandgefährlich, nicht nur weil er gesellschaftliche Machtstrukturen verschleiert mitsamt Denunziation und Exkommunikation ihrer Gegner, sondern weil Bedeutungsfelder ausgeblendet werden, die latent bleiben, aber erspürt werden.
Zum Glück hat die ehemalige Femen-Aktivistin Zana Ramadani das begriffen und letztes Jahr ein Buch vorgelegt, das ihr – wie könnte es anders sein – einiges an Scherereien gebracht hat. Doch mutig genug, heiße deutsche Eisen anzufassen, konnte sie schon bei Femen ihr Engagement unter Beweis stellen, als sie im Jahr 2013 mit ihren Kolleginnen Heidi Klums Verkennungs-Wettbewerb, genannt ´GNTM´, bloßstellte. Im Nachgang zu der Aktion kam bei Femen-Aktivistin Hellen Langhorst ein seltsamer Rechtfertigungsdruck auf, den jene jedoch angemessen agierte: Femen kämpfe gegen Sexindustrie, Religion und Diktatur. ´Diktatur, wo?´ mochten manche fragen, ´in Nord-Korea?´ Oder vielleicht in unseren Köpfen? Nichts weniger als die allumfassende Diktatur des marktradikalen Neoliberalismus war kurzerhand Thema. So machten Femen einen gesellschaftlichen blinden Fleck mittels situativer Objektivierung sichtbar, und deren Bild-(Ver)störung bewirkte allerhand Unruhe, die im kurzatmigen medialen Raum gleichermaßen Wellen schlagen wie verhallen musste.