
In seinem jüngst erschienenen Buch „Zwischen Hamburg und der Ferne“ lädt uns der bekannte Schriftsteller Wolf Cropp auf eine Reise rund um die Welt ein. Leichtfüßig bewegt er sich zwischen der Hansestadt und zahlreichen Ländern auf der nördlichen und südlichen Halbkugel unseres Globus. In Insgesamt zweiundvierzig völlig voneinander unabhängigen Erzählungen gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in sein abenteuerliches Leben, das ihn stets fernab der ausgetretenen touristischen Pfade nicht nur in die interessantesten, sondern häufig auch gefährlichsten Regionen des Planeten führten.
Die Reise um die Welt beginnt vor der Haustür

Ein kluger Fahrensmann sagte einst, dass einer, der die Welt erkunden will, zuerst seine Heimat richtig kennenlernen solle. Dann erst habe er das Rüstzeug für die weite Ferne. Folgerichtig beginnt Cropp seinen Erzählzyklus in seiner Vaterstadt Hamburg. „Kampfplatz Stadtpark“ berichtet von einem gefährlichen Abenteuer, das er und seine Spielkameraden nach 1945 in der vom Krieg zerstörten Hansestadt zu bestehen hatten. Vielleicht war dieses Erlebnis zusammen mit anderen gewagten „Aktionen“ auch die Feuertaufe für diesen drahtigen Mann, der auf seinem weiteren Lebensweg nie einer Herausforderung auf dem Weg ging.
Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

Wer kann sich etwas Schöneres vorstellen als die Inseln der Südsee? So verschlug es den Autor nach Moorea, Tahiti, wo er mit dem „Inselschreck“ Bekanntschaft schloss. Mit den Füßen im Stillen Ozean plätschernd, überlegte er sich, wie er zu Wasser nach Papeete gelangen könnte, mietete ein Auslegerkanu und landete in der Tat am Ziel seiner Träume, trotz der Warnung eines Einheimischen, er könne zwar heil in Tahiti ankommen, aber auch bei ungünstiger Strömung auf dem offenen Meer verloren gehen. Hatte der Waghalsige nur Glück oder war er einfach ein begnadeter Navigator? Wir vermuten letzteres. Von dieser Tour de Force etwas erschöpft, wandelt Cropp beseelt auf den Spuren des Malers Paul Gauguin und lässt uns an der tragischen Lebensgeschichte des Malers teilhaben. Der Künstler erträumte sich einen Garten Eden in der Südsee, frei von allen Konventionen der westlichen Zivilisation, fand aber zu seinem Leidwesen eine durch die französische Kolonialherrschaft zerstörte autochthone Kultur vor. Quelle déception! Dennoch schuf er wunderbarer Gemälde, die zwar zu seinen Lebzeiten niemand kaufen wollte, die aber heute unbezahlbar sind. Ein Schicksal, das er mit anderen genialen Künstlern teilt. Man denke nur an Vincent van Gogh.

Auf den „Marktbesuch“ im westafrikanischen Benin folgen spannende Geschichten auf dem „Transalaska Highway“ sowie eine „Kreuzfahrt ins ewige Eis“ Alaskas. Ferner erfahren wir, dass am Sambesi „Die Hölle stinkt.“ Es gehört schon viel Mut dazu, sich auf eine „entspannte Bootsfahrt“ oberhalb der Victoriafälle zu begeben. Noch viel gefährlicher aber sind die Gewässer darunter, in denen hungrige Krokodile leben und auf Beute lauern. Doch auch diesen Höllentrip übersteht Cropp mit einem Lächeln auf den Lippen, als er gleich zwei der riesigen Echsen mit weit aufgerissenen Mäulern neben seinem Boot erblickt. Nach einem solchen Abenteuer mutet der Ausflug in die Wüste im Tschad zwar auf den ersten Blick wie ein Spaziergang an, entpuppt sich jedoch als Ausflug voller Tücken. Als der Autor die Orientierung verliert, verlassen ihn bald seine Kräfte. Völlig erschöpft legt er sich im Wüstensand zum Schlaf nieder: „Ich suchte den Boden ab. Schwarzkäfer bohrten sich in den Grund. Skinke huschten über den Sand. Ein Skorpion hastete davon. Eine Hornpiper grub sich ein. Der Abendwind blies sie weg, die letzten Lebensspuren…“ Aber auch aus dieser prekären Lage arbeitet sich Cropp heraus, der offenbar wie eine Katze über sieben Leben verfügt. Der wunderbaren Geschichten sind viele in diesem lesenswerten Buch. Eine der anrührendsten ist jene, in der sich der Autor auf die Suche nach dem verlorenen Sohn eines Freundes in Thailand begibt und diesen nach endlosen Umwegen auch findet.
Kein Platz für Märchen

Wenn auch manche Erzählungen etwas fantastisch anmuten, so haben wir es im Autor Cropp nicht etwa mit einem Claas Relotius zu tun, der den „Spiegel“ vor nicht langer Zeit mit Geschichten beglückte, die ausschließlich seiner allzu lebhaften Fantasie entsprangen. Keines von Cropps Abenteuern ist erfunden. Hier geht es ausschließlich um „histoires vécues“ – am eigenen Leib Erlebtes und Erlittenes. Manche der in „Zwischen Hamburg und der Ferne“ enthaltenen Erzählungen kennen wir bereits aus verschiedenen Büchern, die der Autor im Laufe der Zeit über seine Reisen rund um den Globus geschrieben hat. Sein einzigartiges Fabuliertalent lässt uns seine Abenteuer hautnah miterleben. Dazu gehören u.a. „Fluchtort Guantánamo, „Heimaterde“ und „Die Brandung.“ In diesem Kontext hervorzuheben ist „Insel der Meuterer (Pitcairn), eine faszinierende Geschichte, die das Schicksal der Überlebenden der legendären „Bounty“ auf einer gottverlassenen Insel in der Südsee erzählt. Da dieses felsige Eiland offenbar auf den Seekarten der britischen Admiralty im 18. Jahrhundert nicht zu finden war, biss man sich im fernen London die Zähne aus nach dem Verbleib von Fletcher Christian und den übrigen Meuterern. Kaum zu glauben, aber es gibt auf Pitcairn immer noch Nachkommen dieses Aufrührers gegen die britische Krone.
Zurück zu den Wurzeln
Mit „Zwischen Hamburg und der Ferne“ überreicht uns Wolf Cropp einen bunten Blumenstrauß wunderbarer, den ganzen Erdball umspannender Erzählungen. Die literarische Reise endet, wo sie begann, in Hamburg. Hier begegnen wir der drallen „Seemannsbraut“ auf St. Pauli, erfahren manch Bizarres über die „Liebe in Zeiten von Corona“ und wohnen der Überführung der „Viermastbark Peking“ in ihren heimatlichen Hafen auf dem Grasbrook bei.
Fazit
Wer sehnt sich in dieser trüben kalten Jahreszeit nicht nach Sonne, Meer und Abenteuern in fernen Ländern? Empfehlung: Man greife zu „Zwischen Hamburg und der Ferne“ und genieße dieses fast 500 Seiten starke Buch in vollen Zügen. Viel Spaß bei der Lektüre.

(c) Verlag Expeditionen, Hamburg
„Zwischen Hamburg und der Ferne“ von Wolf Cropp ist im Verlag Expeditionen erschienen, umfasst 491 Seiten und kostet 20 Euro. ISBN 978-3-947911-68-4
Fotos: Wolf-Ulrich Cropp


Als Hof-, Hirten- und Jagdhunde setzten die Germanen robuste, ausdauernde und wachsame Hunde, sogenannte Germanische Bärenhunde, ein. Diese mussten in einer harten, lebensfeindlichen Umwelt überleben und ihre Sippe verteidigen.
Jörg Krämer: Germanischer Bärenhund




Bei den „Perlen der Literatur“ geht es ausschließlich um bereits im 19. oder 20. Jahrhundert erschienene und seinerzeit erfolgreich gewesene Bücher. „Sprachgewaltig, aber vergessen“, so Ralf Plenz. Zur Auswahl der Titel werden Germanisten, Anglisten und Romanisten, Buchhändler, Bibliothekare, Psychologen und Vielleser befragt; dann wird die Auswahl von einem Beirat kuratiert und von Ralf Plenz herausgegeben. Dieser kauft nach Möglichkeit die Erstausgabe eines Titels antiquarisch, um wirklich den Originaltext und nicht eine bereits lektorierte oder übersetzte Version als Basis zu nehmen. Die Autorin und Gesangspädagogin Susanna M. Farkas, der Autor und Übersetzer Gerrit Pohl und die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Charlotte Ueckert bilden das Team um Ralf Plenz, das sich mit dem Lektorat und der Übersetzung beschäftigt. Ein interessantes Unterfangen ist es dabei, dass die Texte auch bearbeitet werden. So hat Susanna M. Farkas den Roman „Schatzinsel“ verkürzt und vereinfacht, um Passagen ohne Brüche zu verbinden. Gerrit Pohl hat in der Neuübersetzung von „1984“ sprachliche Anpassungen an die „Jetzt-Sprache“ vorgenommen und den Satzbau angepasst. Was im ersten Moment verwundert und als kühn anmutet, erweist sich im näheren Befassen mit „Bezaubernder April“, eine ebenfalls von Gerrit Pohl neu übersetzte Version des als „Verzauberter April“ bekannten Romans Elisabeth von Arnims, als behutsame, wohl überlegte und angewandte Transferierung in die heutige Zeit. Der anspruchsvolle, leicht ironische Erzählstil von Arnims bleibt erhalten, auch die Sprache ist als aus einer anderen Zeit stammend erkennbar – jedoch liest sich Pohls Übersetzung sehr flüssig und angenehm, sodass die Hoffnung des Verlegers Ralf Plenz, auch jüngere Leute für diese Bücher zu interessieren, zumindest nicht an der Erzählsprache scheitern dürfte. Auch wenn Charlotte Ueckert nach eigenem Bekunden manchmal „Bauchschmerzen dabei hat, Weltliteratur zu verändern“ und sie sich mit Ralf Plenz zuweilen „fetzt“ – was nützt die schönste Literatur, wenn sie heute nicht mehr verstanden und gelesen wird?
Die Zeitspanne, in der die jeweiligen Autoren lebten, und die Hintergründe des literarischen Werks sind in jede Ausgabe der „Perlen der Literatur“ eingebettet. Da gibt es Abbildungen der Originalausgaben und die Banderole enthält Informationen und Autorenbilder. Überhaupt ist die Ausstattung der Reihe bemerkenswert. Jede Ausgabe, Hardcover mit Fadenbindung, bekommt ein individuelles Vorsatzpapier, dessen Design mit dem Inhalt zusammenhängt, und einen Leineneinband. Die Vorsatzpapiere gestaltet der Bruder des Verlegers, der Grafiker Jörn Plenz. Statt eines Lesebändchens bekommt jeder Band eine individuell gestaltete Banderole, die mehrere Funktionen erfüllt: Sie lässt, im Gegensatz zu einem Buchumschlag, die Haptik des Leineneinbands erspüren, wenn man das Buch in Händen hält; sie fungiert als Lesezeichen, enthält Informationen und ist auf der Außenseite von Ralf Plenz kalligrafisch mit Wortkunst gestaltet, die wiederum Bezüge zum Inhalt aufweist. Stellt man die Bücher in der korrekten Reihenfolge ins Regal, ergibt sich eine Gesamtgrafik aller Banderolen auf den Buchrücken – so entsteht die Perlenkette fürs Bücherregal. Jedes Jahr sind acht Titel geplant, jeder Jahrgang bekommt eine andere Farbe, sodass die Reihe für Buchsammler attraktiv ist, die einen schönen Anblick im Regal zu schätzen wissen. Dabei ist der Preis von 15 Euro pro Buch sehr günstig, denn es liegt dem Verleger am Herzen, dass viele Menschen sich die Bücher leisten können.
Alles in allem sind die „Perlen der Literatur“ ein gelungenes Gesamtkonzept, dem ein respektabler Platz im Buchmarkt zu wünschen ist.