Pulnitz und seine Lebkuchen

Von Hartmuth Seitz

Wenn Kuchen zum Erlebnis wird.

Alles in Form

Zimt, Nelken, Anis – ein Duft wie in der Weihnachtsbäckerei liegt über dem kleinen sächsischen Städtchen  Pulsnitz. Und das Anfang September. Und nicht in einem Supermarkt. Es duftet nach Mandeln,, Orangeat und Zitronat. NACH Marmelade; Konfitüre und Schokolade. Pfefferkuchenduft! Ansonsten wird die Nase nur mit diesen Aromen verwöhnt, wenn man eine Tüte Pfefferkuchengewürz öffnet.

Seit 1558 soll das so gehen. Seit dieser Zeit wird bester, lange gelagerter Honig- und/oder Sirupteig, mit beigegebenen Gewürzen, die im Mittelalter unter dem Begriff „Peffer“ zusammengefasst wurden, zu Lebkuchen verbacken.

Acht Werkstätten und eine Lebkuchen GmBH sorgen dafür, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Jede Lebküchlerei hat eigene Spezialitäten. Für uns „Normalos“ beschränkt sich das Wissen um diese braunen Gebäckstücken auf das, was seit einigen Tagen in den Supermärkten ausliegt – also auf Aachener Printen, Nürnberger Lebkuchen oder auf die Zutaten, die man für das Lebkuchen-Hexenhäuschen benötigt.

Natürlich – Ähnliches gibt es auch in Pulsnitz. In jeder Küchlerei kann man ein Grundsortiment erwerben. Doch das besondere Extra besteht in den kleinen aber feinen Unterschieden. Lebkuchenherzen à la Jahrmarkt unterschieden auch im Schriftzug und der benutzten  Zuckercouleur. Wie wäre es stattdessen mit Puppen, Pantoffeln oder Einkaufstaschen? Spätestens im Lebkuchenmuseum erfährt man von diesen „östlicheren“ Lebkuchenvarianten. Aber darüber wundert man sich nicht mehr, wenn man vorher die unterschiedlichen Lebküchlereien besucht hat

Bunte Reihe

Über 400 Jahre Pfefferkuchen-Geschichte. Das Pfefferküchlerhandwerk hat viel erlebt, die DDR-Genossenschaftsgründung erfolgreich abgewehrt und einen 7-jährigen Kampf um die Anerkennung als Handwerk gewonnen.  8 Betriebe (Georg Gräfe, E.C. Groschky, Karl Handrick, Hermann Löschner, Richarad Nitzsche, Max Schäfer, Max Spitzer, Bernhard Zeiler und die Pulsnitzer Lebkuchenfabrik GmbH) sorgen seit mehreren Generationen mit ihren 2 bis 11 Beschäftigten für ein interessantes Sortiment.

Leckere Leckereien!

Man sollte schon etwas Zeit investieren, um die im Ort verteilten Lebküchler zu finden,  zu entdecken, um die Unterschiede zwischen den einzelnen Häusern herauszuschmecken. Da gibt es Sossenlebkuchen – gerieben oder am Stück. Ein MUSS für süß-saure Linsen. Die Spezialität der Region, gefüllte Pulsnitzer Lebkuchenspitzen, unterscheidet sich tatsächlich in den unterschiedlichen Füllungen und Beigaben. Lebkuchen mit Rosinen – einfach lecker. Oder vielleicht etwas pikanter? Dann Lebkuchen mit Chili. Oder doch gesundheitswußter? Dann natürlich Lebkuchen mit Dinkelmehl. Man lernt bei dieser Visite, dass neben den Pulsnitzer Lebkuchenspitzen ungefüllte Sorten angeboten werden (Alpenbrot oder Pflastersteine). In geschmacklicher Hinsicht hat auch die „Lebkuchen-Neuzeit“ Einzug gehalten: Vollkornpfefferkuchen, Bio-Dinkelvollkornpfefferkuchen und auch Hanfpfefferkuchen. Dabei handelt es sich nicht um einen Tippfehler.

Und wie werden diese Spezialitäten nun hergestellt? Leider ist es nicht immer möglich einen längeren Blick auf die Herstellung zu werfen. Doch in Pulsnitz hat man auch daran gedacht. Einfach die Schauwerkstatt besuchen, dort nette Mitarbeiter treffen – und falls man sich angemeldet hat, selber backen. So bekommt man einen ungefähren Eindruck vom Umgang mit der hier ausgestellten Handausstattung. Technik-Freaks staunen über die mit Transmissionsantrieb ausgestatteten Maschinen der früheren Bautzner Konditorei Fritz Trebes ehemals »Süßküchlerei« C. M. Donath’s, gegründet 1785. Ein Teil dieser Maschinen war noch bis 1997 im Einsatz. Der Umgang mit Pfefferkuchen-Auslänge- oder Spitzkuchenschneidemaschine erleichterte den Lebkuchenbäckern die Arbeit erheblich. Schließlich musste mit dem Einsatz dieser Gerätschaften nicht mehr von Hand gerührt, ausgerollt aus ausgestochen werden. Was aber in vielen Fällen immer noch Handarbeit ist, das ist der Umgang mit den Spritztüten. Verziert werden Lebkuchen auch heute noch von Hand. Zumindest in der Schaubäckerei, in der man nach vorheriger Anmeldung selber Hand anlegen kann.

Eine lange Geschichte

Nun muss alles nur noch für Lagerung und Verkauf her gerichtet werden. Gefüllte Lebkuchen sind naturgemäß nicht sehr haltbar. Zumindest bei uns nicht. Das hat ganz natürliche Ursachen. Sie schmecken frisch am besten. Das Aufbewahrungsproblem – falls es wirklich mal eines werden sollte – ist leicht zu lösen.

Wer einmal den eigenen Haushalt durchsucht,  könnte schnell fündig werden. Bunte Dosen waren (und sind) die dekorativen Herbergen für Lebkuchen jedweder Art. Eine kleine Auswahl auf die Dosenvielfalt gefällig? Auch das ist ist hier in der Puksnitzer Schauwerkstatt möglich.

Spätestens jetzt sollte einem klar geworden sein, dass Lebkuchen zwar für einen Hauch von Advent sorgt, aber nicht zwingend als Jahreszeitenprodukt zu betrachten ist. Man sollte sie einfach unter ihrem historischen Hintergrund als kleine, gewürzte Honigkuchen betrachten. In früheren Zeiten war Lebkuchen wichtiger Bestandteil der Fastenküche, war wegen der langen Haltbarkeit sehr lagerungsfähig.

In diesem Sinne –  Lebkuchen in Pulsnitz – eine kulinarische Entdeckunsgreise, die sich lohnt.

Fotos: Seitz

 

 

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