„Kultur“ in Hamburg an der Waterkant

Von Hans-Peter Kurr

Bereits im Kulturprogramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes von 1959, also zehn Jahre nach der Gründung unserer damals neuen Republik, ist zu lesen, dass ein „demokratischer Staat ohne kultururelle Integration“ nicht lebensfähig sei. Ausgestattet mit diesem Wissen hatte Otto Burrmeister die Ruhrfestspiele in Recklinghausen gegründet, Burrmeister, der vom Hamburger Deutschen Schauspielhaus kam, unter dem notlindernden Motto „Kunst gegen Kohle“ Kultur ins Ruhrgebiet brachte und mit Briketts zum Beheizen des Schauspielhauses zurückkehrte.
Menschen wie er waren die ersten Kulturträger der jungen Bundesrepublik, Vorväter derjenigen, die heute nur Kulturträger zu sein vorgeben , wenn’s schwierig wird, von Ihren selber gewählten Aufgaben zurücktreten oder unsinnige Kommentare von sich geben  wie ein erst kürzlich  entlassener Staatsrat mit Namen Reinhard Stuht, den ein nach Beusts Rücktritt von der ratlosen Regierungsmehrheit gewählter neuer Bürgermeister mit Namen Ahlhaus nach dem „Peter-Prinzip“ ins Amt zurückholt und eine Stufe querab zum „Senator für Kultur und Medien“ befördert. Sie alle werden dafür Sorge tragen, dass der demokratische Stadtstaat Hamburg in absehbarer Zeit ohne „kulturelle Integration“ wird leben müssen, denn die Genannten wissen sehr genau, dass man in Zeiten der ( durch verbrecherische Banker hervorgerufenen) Geldknappheit, die ja realiter gar nicht diagnostizierbar ist, sondern mit falscher Verteilung verwechselt wird, als Regierender nicht vergessen
darf: Alles, was unter dem Dachbegriff „Kultur“ siedelt, zählt zu den sogenannten „freiwilligen Leistungen“ von Staat und Kommune , von der Parkbank bis zur Stadtteil-Bücherei. …..
Härter und genauer beschreibt diese zukünftige Situation, die sich da am Horizont auftut, einer der weisen Ahnen von unserer Generation der Kulturschaffenden , der spanische Dichter und Stückeschreiber Federico Garcia Lorca:
„Ein Volk, das seinem Theater nicht hilft und es nicht fördert, ist, wenn nicht tot, so doch todkrank; so auch ein ( von einem Intendanten verlassenes…D. Red.) Theater, das nicht den sozialen Pulsschlag der Geschichte aufnimmt, das Drama ihrer Menschen, ihr Lachen und Weinen.Dessen Träger müssen sich Spieler nennen lassen und Theater, die dies dulden, einen Ort, an dem man das Abscheuliche tut, was mit ‚Zeitvertreib‘ bezeichnet wird.“

Während wir noch über diese inhaltschweren und klugen Sätze nachdenken, wird bekannt, dass der Hamburger Senat den Etat des ohnehin bereits seit langem unterfinanzierten Deutschen Schauspielhauses mit einer neuerlichen Kürzung von 1,2 Millionen Euro durch einen entsprechenden Beschluss belastet hat, während das Thalia-Theater vor neuen Kürzungen verschont  wurde. Dazu zwei aktuelle Kommentare, die eine deutliche Sprache sprechen:
1. Interimsintendant des Schauspielhauses, Jack Kurfess: „Mit diesen Kürzungen verhindert die Kulturbehörde den Erfolg der Suche nach einem neuen, ernst zu nehmenden Intendanten. Sie bildet auch das ‚Aus‘ für die Sparte ‚Junges Schauspielhaus‘. Das ist der Anfang vom Ende!“
2. Der Intendant des Thalia-Theaters, Joachim Lux: „Sie haben nicht nur unser Mitgefühl, sondern auch unsere Solidarität. Das Beste allerdings wäre, wenn die Hamburger Kulturbürgerschaft durch massenhaften Besuch dokumentiert, dass sie das Schauspielhaus für unverzichtbar hält.“

Das wäre schön, wird aber wohl nicht geschehen, denn: Seit Friedrich Schirmer das Haus an der Kirchenallee leitete, stand er fast ununterbrochen( im Gegensatz zu dem von Klaus Schumacher geleiteten ‚Jungen Schauspielhaus‘)  im Mittelpunkt der Kulturkritik der Hamburger Gazetten. Unsere Feuilletonisten tragen also ein Gutteil der Verantwortung an dieser Misere und geben – indirekt – jenen Bürgern Recht, die da behaupten, Hamburg sei keine Kultur-  und Medienstadt, sondern schmücke sich, seit den Zeiten des legendären Rolf Liebermann, nur mit diesem zweifelhaften Ruf.
Was ruft eine Stimme aus den Tiefen der Menschheitsgeschichte ( frei nach Cato) ? : Ceterum censeo, illum senatorem esse
eiciendum!!!