Von Hans-Peter Kurr
Martina Gedecks Solo / Der erschütternde Film DIE WAND
Dieser Streifen wird in die internationale Filmgeschichte eingehen!
Und das verdanken wir einer Jahrhundertschauspielerin, deren Karriere, als sie noch an der Seite des großen Ulrich Wildgruber lebte, in den neunziger Jahren begann und mit diesem Lebensepos DIE WAND – soeben in deutschen Landen, auch im hamburgischen Abaton, uraufgeführt – ihren ( zumindest gegenwärtigen ) künstlerischen Höhepunkt erreicht, den d i e Gedeck, wie wirkliche Weltstars bis Ende des 20. Jahrhunderts, dem der Rezensent entstammt, achtungsvoll genannt wurden und von Mitgliedern jener Generation bis heute gewürdigt werden, hier präsentiert.
Der Film, in kongenialer Wucht nach dem lange als unverfilmbar geltenden Roman Marlen Haushofers instrumentiert durch den phantasiebegabten Regisseur Julian Pölsler und seinen neun fähigen Kameraleuten unter Führung des Altmeisters J.R.P. Altmann eine Bilderfolge von aufregender Schönheit in der österreichischen Berglandschaft, darinnen eine Solistin, die sich durch ,nach internationalen Kriterien gültige ,künstlerische Höchstqualität auszeichnet.
Das Verdienst aller dieser Kreativen, einen so ungewöhnlichen Film geschaffen zu haben, darf nicht eine Sekunde lang unterbewertet werden. Dennoch bleibt: Dies ist d e r Gedeck-Film! Jene Menschengestalterin weist nicht nur die bewundernswerte Größe auf, ihr ,nunmehr durch die Charakterisierung vieler Bühnen-, Film- und TV-Rollen der vergangenen Jahre so ausdrucksstark geprägtes ,Antlitz der Kamera, selbst bei den zahlreichen Closeups,“ in natura“ zu zeigen, , nein, sie setzt , vobildhaft Maßstäbe der Schauspielkunst, denn: Sie gibt ein Geheimnis preis, das auf der Bühne in dieser extremen Weise nicht gilt, wohl aber vor der Kamera:
Sie spielt nicht ( auf eingefahrenen, erlernbaren Wegen), sie präsentiert der Linse, was sie denkt. Und dergestalt entsteht das Psychogram einer vereinsamten Frauenfigur, das durch die modulationsfähige Voice over der Gedeck noch verdichtet wird. Nahezu unbeschreibbar, wie diese Methode des Camera actings wirkt, die nur wenige Grosse der Filmgeschichte aus der Zeit des Stummfilms ins Heute weiterentwickelt haben. Die Gedeck gehört eindeutig zu jenen Olympiern der Menschendarstellung.
Dabei ist es schon sui generis merkwürdig, die Geschichte einer Frau, die ,aus dramaturgisch nicht näher erklärten Gründen ,von einem gläsernen Käfig in dieser Berglandschaft jahrelang eingeschlossen und dergestalt gezwungen wird, ein einsames Leben mit ihren Tieren zu führen, nachzuvollziehen, umsomehr, als es sich offenbar um eine Analogie für innere Lebensvorgänge handelt, die – sozusagen – in der Berghütte der Seele ablaufen und in einem Tagebuch ihren Niederschlag finden.. Das aber als 108minütiges Monodram in einem – durch den Wechsel der Jahreszeiten bedingten – nicht chronologischen Drehablauf von zwei Jahren auf diesem hohen Niveau durchgehend zu präsentieren……für eine derartige Leistung ist das Prädikat ‚bewundernswert’ zu schwach und bescheiden:
Daher ist für Martina Gedeck kein Wort es Lobes zuviel. Wie sie, in Schritt und Bewegung von beseelter Dringlichkeit, das literarische Wort aus den Fängen der Herkömmlichkeit und den Lastern der Sentimentalität befreit hält, das überschreitet die Grenzen des Wunders. Und: Die lichtvolle Klarheit ihrer Diktion sorgt auch an den innigsten Stellen für strahlende, zarte, dunkle und helle Kadenzen.
fotos: Die Wand. Studiokanal.de