Von Josef-Wilhelm Knoke
90 Minuten sind viel Zeit für eine Doku, aber wohl doch nicht genug für diesen Protagonisten, um alle Facetten seines Lebens gebührend auszuleuchten. Soviel vorab.
Es ist eine Doku, die in durchaus ansprechender Weise das Leben Friedrichs des Großen darstellt, wobei dies in einer gelungenen Mischung aus filmischen Elementen, eingestreuten Fachkommentaren von Historikern und gesprochenen Kommentaren erfolgt. Allerdings focussiert man primär auf die Phase der Adoleszens und die ersten zweieinhalb Dekaden seiner Herrschaft als König bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges. Über die danach noch folgenden zwei Dekaden seiner Herrschaft erfährt man relativ wenig. In der Doku werden sie subsummiert unter der Aussage: In seinen späteren Jahren wandelte er sich vom Frauenverächter zum Menschenfeind. Dieses Bild eines alten Misanthropen, der Liebe wohl nur zu seinen Windhunden empfand, ist eine sehr verkürzte Sichtweise. Denn diese Jahre waren durchaus geprägt von vielen richtungweisenden Entscheidungen für Preußen, die eine ausführlichere Würdigung verdient hätten.
Die dargestellten Szenen der Enthauptung Kattes sowie der von einer Schnupftabakdose abgefangenen Kugel in der Schlacht bei Kunersdorf sind unter heutigen Historikern umstritten und wohl eher der filmischen Dramaturgie geschuldet.
Der Clou der Doku liegt in der Wahl der Darsteller. Denn mit Katharina Thalbach als jungem Friedrich und Anna Thalbach als altem König gelingt eine Darstellung Friedrichs, die in ihrer effeminierten Ausprägung vermutlich erheblich mehr der Realität entspricht, als dies in früheren historisierend-verherrlichenden Darstellungen des großen Königs der Fall war. Die homoerotischen Neigungen Friedrichs werden deutlich, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen. Verwunderlich ist allerdings seine – historisch belegte – starke Ablehnung alles Weiblichen, was für Homosexuelle eher atypisch ist.
Friedrich war ein Mensch mit vielen Facetten: Intelligent, geistreich, musisch begabt, offen für schöne Dinge. Er war der Aufklärung zugewandt und offen für gesellschaftliche Reformen, zugleich aber ruhmsüchtig, skrupellos, verschlagen und nicht zimperlich in der Wahl seiner Mittel. Ein Spieler, der mitunter alles auf eine Karte setzte und dabei häufig Glück hatte. Diese Charakterzüge werden in der Doku durchaus thematisiert, wenngleich den Reformen zu wenig Platz eingeräumt wurde. Insgesamt ein sehenswertes Werk, welches mit den einseitig heroisierenden Darstellungen aufräumt, deren Ursprung in der Vereinnahmung Friedrichs durch den Nationalsozialismus liegt.